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BUNDESTAG/6454: Heute im Bundestag Nr. 206 - 29.03.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 206
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 29. März 2017, Redaktionsschluss: 09.32 Uhr

1. Kennzeichnung veganer Lebensmittel
2. Luftfahrtbranche auf Wachstumskurs
3. Ladegeräte bald kompatibel
4. Änderung des E-Government-Gesetzes
5. Befugnisse für Vollstreckungsbehörden
6. Reihenfolge der Vornamen neu bestimmbar
7. Regierung rechtfertigt Zwangsbehandlung


1. Kennzeichnung veganer Lebensmittel

Petitionsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Der Petitionsausschuss unterstützt die Forderung nach einer einheitlichen Kennzeichnung vegetarischer und veganer Produkte. Während der Sitzung am Mittwochmorgen beschlossen die Abgeordneten einstimmig, eine dahingehende Petition dem Europäischen Parlament zuzuleiten.

In der Petition wird gefordert, alle vegetarischen und veganen Produkte müssten mit einem "V-Label" etikettiert werden, damit sie von den Verbrauchern leichter erkannt werden können. Zur Begründung führt der Petent an, viele Produkte würden "auf den ersten Blick" vegetarisch oder vegan erscheinen. In der Zutatenliste auf der Rückseite seien teilweise jedoch tierische Inhaltsstoffe aufgeführt.

In der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung weist der Petitionsausschuss daraufhin, dass das allgemeine Lebensmittelkennzeichnungsrecht auf europäischer Ebene durch die sogenannte Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) harmonisiert sei. Dies habe zur Folge, dass eine anderweitige Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln EU-rechtlich nicht zulässig sei. Wie der Ausschuss weiter schreibt, sind vorverpackte Lebensmittel - entsprechend der LMIV - grundsätzlich mit einem Verzeichnis zu versehen, in dem alle Zutaten "in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils" aufgeführt sind. Unter dem Begriff "Zutat" seien dabei alle bei der Herstellung oder Zubereitung eines Lebensmittels verwendeten Stoffe zu verstehen, die unverändert oder verändert im Enderzeugnis vorhanden sind. Dies gelte auch für als Zutat verwendete Stoffe tierischen Ursprungs.

Nach derzeitiger Rechtslage, so heißt es in der Beschlussempfehlung weiter, handle es sich bei der Deklaration eines Lebensmittels als vegan beziehungsweise vegetarisch um die Bereitstellung freiwilliger Informationen. Die Bundesregierung habe auf Nachfrage mitgeteilt, dass die gewünschte Pflichtkennzeichnung wegen der Vielfalt freiwilliger Informationsbereitstellung nicht erforderlich sei. Aus Regierungssicht hätte dies einen großen Aufwand für die Unternehmen zur Folge und würde eine überflüssige Information für die Mehrzahl der Bevölkerung darstellen, "die kein Interesse an diesen Informationen hat".

Der Petitionsausschuss hat gleichwohl Verständnis für den Wunsch nach diesbezüglicher Kennzeichnung, schreiben die Abgeordneten in der Beschlussempfehlung. "Da eine Abweichung von den EU-rechtlichen Regelungen nicht zulässig ist, empfiehlt der Petitionsausschuss, die Petition dem Europäischen Parlament zuzuleiten", heißt es in der Vorlage.

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2. Luftfahrtbranche auf Wachstumskurs

Wirtschaft und Energie/Unterrichtung

Berlin: (hib/HLE) Die deutsche Luft- und Raumfahrtbranche ist auf Wachstumskurs. Wie die Bundesregierung in ihrem als Unterrichtung (18/11692) vorgelegten Bericht der Koordinatorin für die Deutsche Luft- und Raumfahrt schreibt, habe die Branche mit einem Umsatz von 34,7 Milliarden Euro 2015 ihr bestes Ergebnis erzielt. 2015 seien weltweit rund 1.700 Passagierflugzeuge hergestellt worden. "An allen 1.700 Flugzeugen waren Unternehmen aus Deutschland beteiligt - das heißt deutsche Technologie steckt in jedem heute gebauten Passagierflugzeug weltweit", heißt es in dem Bericht. Knapp 300 Flugzeuge seien in Deutschland endgefertigt worden. Das seien 17 Prozent der weltweiten Flugzeugproduktion. Da die militärischen Luftfahrtprogramme in absehbarer Zeit auslaufen, seien die für eine Versorgung der Bundeswehr und für die deutsche Kooperationsfähigkeit notwendigen Ingenieurskapazitäten nicht mehr wirtschaftlich abgesichert. Daher will die Bundesregierung verstärkt auf die Entwicklung unbemannter Systeme setze.

Der Bericht hebt die besonderen Erfolge von Raumfahrtmissionen mit deutscher Beteiligung hervor. Insbesondere mit der Kometenmission Rosetta habe Europa Raumfahrtgeschichte schreiben können. Höhepunkt sei die Landung der Tochtersonde Philae auf der Oberfläche des Kometen Tschurjumow-Gerassimenko im November 2014 gewesen. Sowohl beim Bau des Landegeräts als auch bei der Missionskontrolle habe Deutschland eine tragende Rolle gehabt. Deutsche Wissenschaftler seien an zehn der zwölf Instrumente der Raumsonde beteiligt gewesen.

Auch in der bemannten Raumfahrt seien Maßstäbe gesetzt worden. So habe der deutsche Astronaut Alexander Gerst in seinen 166 Tagen auf der Raumstation ISS rund 100 Experimente durchgeführt. Die Erkenntnisse aus den medizinischen Versuchen würden wesentlich zur Gesundheitsforschung beitragen, etwa für neue Therapien im Alter bei Bluthochdruck, Osteoporose und Arthrose. Mittlerweile würden die Vorbereitungen für den zweiten Aufenthalt von Gerst auf der ISS im Jahr 2018 laufen. "Ein starker Faktor für eine nachhaltige Akzeptanz ist der Nutzen, den sie für die Menschen auf der Erde schafft", betont die Regierung die Bedeutung der Raumfahrt. Leitmotiv für die Raumfahrt sei "Für die Erde ins All".

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3. Ladegeräte bald kompatibel

Wirtschaft und Energie/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Ladegeräte von Mobiltelefonen können in Zukunft möglicherweise von allen Telefonen genutzt werden. Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung der Regelungen über Funkanlagen und zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes sowie zur Aufhebung des Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (18/11625) sieht eine entsprechende Berechtigung der EU-Kommission vor. "Damit erhält die Kommission die Möglichkeit, auch für Zubehörteile von Funkanlagen Vorgaben zu erlassen, so zum Beispiel dass tragbare Funkanlagen mit Zubehör, wie beispielsweise Mobiltelefone, mit gemeinsamen Ladegeräten kompatibel sind", heißt es in der Begründung des Entwurfs. Dadurch werde die Nutzung von Funkanlagen vereinfacht, unnötiger Abfall vermieden, und die Kosten für den Verbraucher würden gesenkt. Für die neuen Regelungen soll nach Angaben der Regierung eine Übergangsfrist bis zum 13. Juni 2017 gelten. Außerdem werden die Bestimmungen zur Mindestleistung der Empfangsgeräte und zum Datenschutz klarer gefasst.

Der Bundesrat verlangt in seiner Stellungnahme, dem Entwurf eine Vorschrift anzufügen, mit der die Einhaltung "datenschutzfreundlicher Voreinstellungen" sichergestellt wird. Die Bundesregierung lehnt in ihrer Gegenäußerung den Wunsch der Länder nach "datenschutzfreundlichen Voreinstellungen" ab, da "eine solche Regelung europarechtlich nicht zulässig wäre".

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4. Änderung des E-Government-Gesetzes

Inneres/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/STO) Die Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung sollen angehalten werden, die "zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben erhobenen unbearbeiteten Daten zu veröffentlichen", sofern dem keine Ausnahmetatbestände entgegenstehen". Dies geht aus einem Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Änderung des E-Government-Gesetzes" (18/11614) hervor, das am Freitag in erster Lesung auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Danach sollen insbesondere datenschutzrechtliche und spezialgesetzliche Regelungen zu beachten sein. Ein Rechtsanspruch auf die Bereitstellung von Daten soll durch das Gesetz nicht begründet werden.

Wie die Regierung in der Vorlage darlegt, sind Daten, die elektronisch verarbeitet werden können, "eine wertvolle Ressource, wenn sie transparent gemacht werden". Diese sogenannten offenen Daten eröffneten die Chance auf mehr Teilhabe interessierter Bürger und eine intensivere Zusammenarbeit der Behörden mit diesen. Zudem könnten sie Impulse für neue Geschäftsmodelle und Innovationen bedeuten.

Gegenwärtig besteht indes den Angaben zufolge " die Gefahr, dass Deutschland aus den Chancen, die die Bereitstellung von elektronischen Daten der Behörden als offene Daten bietet, keinen Nutzen zieht". Zwar habe die Bundesregierung "eine Initiative gestartet, um dem Prinzip der offenen Daten zum Durchbruch zu verhelfen, doch sollte der gewünschte Kulturwandel in der Verwaltung durch eine gesetzliche Regelung begleitet werden". Wolle Deutschland "die Vorteile offener Daten in vollem Umfang nutzen können", müsse dieser Prozess durch gesetzliche Regelungen vorangetrieben werden.

Mit der Neuregelung sollen "elektronisch gespeicherte unbearbeitete Daten der Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung transparent und öffentlich zugänglich gemacht werden", heißt es in der Vorlage weiter. Mit dem Gesetz werde die Grundlage für die aktive Bereitstellung von Daten der Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung geschaffen. Um dem "Anspruch auf eine Vorreiterrolle Deutschlands gerecht zu werden", orientiere sich die Regelung an "international anerkannten Open-Data-Prinzipien".

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5. Befugnisse für Vollstreckungsbehörden

Inneres/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/STO) Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf "zur Verbesserung der Sachaufklärung in der Verwaltungsvollstreckung" (18/11613) vorgelegt, der am Donnerstag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Wie die Regierung in der Vorlage erläutert, sollen damit für die Vollstreckungsbehörden des Bundes im Wesentlichen die gleichen Sachaufklärungsbefugnisse begründet werden, "die die Gerichtsvollzieher durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung seit dem 1. Januar 2013 haben".

Ziel des Gesetzes ist es laut Bundesregierung, "weitestgehend einen Gleichlauf von zivilprozessualer und öffentlich-rechtlicher Vollstreckung zu gewährleisten". Dies solle nicht nur zugunsten der Vollstreckungsbehörden des Bundes gelten. Auch für die Vollstreckungsbehörden der Länder solle eine Harmonisierung der Sachaufklärungsbefugnisse mit den in der Zivilprozessordnung für den Gerichtsvollzieher begründeten Befugnissen ermöglicht werden.

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6. Reihenfolge der Vornamen neu bestimmbar

Inneres/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/STO) Bürger sollen künftig die Reihenfolge ihrer Vornamen durch eine Erklärung vor dem Standesamt neu bestimmen können. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften" (18/11612) vor, der am Donnerstag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagesplenums steht.

Wie die Bundesregierung in der Vorlage ausführt, wollen zunehmend Bürger ihren im Alltag gebräuchlichen Vornamen in Reisedokumente und andere behördliche Unterlagen übernehmen. Dies könne sich als problematisch erweisen, "wenn dieser Vorname nicht der erste in ihrem Geburtseintrag angegebene Vorname ist". Mit der Neuregelung soll verhindert werden, dass Dritte wie etwa Banken, Versicherungen oder Fluggesellschaften "anstelle des gebräuchlichen Namens den in der Vornamensreihenfolge des Ausweisdokumentes stehenden ersten, allerdings im täglichen Leben ungebräuchlichen Vornamen verwenden".

Ferner sieht der Gesetzentwurf unter anderem vor, die Zuständigkeit für die Beurkundung von Personenstandsfällen und Namenserklärungen von Deutschen im Ausland vom Standesamt I in Berlin auf die regionalen Wohnsitzstandesämter zu verlagern, wenn der Betroffene einen früheren Wohnsitz im Inland hatte. Ziel dieser Maßnahme ist die Verkürzung von Wartezeiten.

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7. Regierung rechtfertigt Zwangsbehandlung

Recht und Verbraucherschutz/Antwort

Berlin: (hib/PST) Die Bundesregierung verteidigt die deutsche Praxis der Ausübung von Zwang in psychiatrischen Einrichtungen bei befürchteter erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung. In ihrer Antwort (18/11619) auf eine Kleine Anfrage (18/11259) der Grünen weist sie die dort angeführte Kritik des UN-Fachausschusses für die Rechte von Behinderten zurück. Dieser habe sich nach einer Überprüfung im Jahr 2015 "besorgt über die Anwendung von Zwang und unfreiwilliger Behandlung gegenüber Menschen mit psychosozialen Behinderungen sowie den Mangel an verfügbaren Daten" in Deutschland geäußert, heißt es in der Anfrage.

Die Bundesregierung antwortet darauf, Gesetzgeber und Anwender des Rechts hätten dafür Sorge zu tragen. "dass das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen so weit wie möglich geachtet wird und Zwangsmaßnahmen weitestgehend vermieden werden". Unter Verweis auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichs vom 26. Juli 2016 weist sie aber darauf hin, dass "ein uneingeschränktes Verbot derartiger Zwangsmaßnahmen in Fällen, in denen die betreffende Person im Zustand fehlender Einsichtsfähigkeit sich in erheblicher Weise selbst gefährdet, mit der Schutzpflicht des Staates aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG nicht vereinbar" wäre.

Die Bundesregierung widerspricht der Auffassung des UN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, dass jede Form der Zwangsbehandlung bei Menschen mit Behinderungen unvereinbar mit Artikel 14 der UN-Behindertenrechtskonvention sei. Bei der Auslegung der Behindertenrechtskonvention sei die Meinung des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen "mit zu berücksichtigen", doch sei sie, "wie auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss festgestellt hat, völkerrechtlich nicht verbindlich".

Die Behindertenrechtskonvention schließt nach Auffassung der Bundesregierung "nicht aus, dass im Einzelfall zum Wohl des Betroffenen auch eine Entscheidung gegen dessen natürlichen Willen getroffen und durchgesetzt werden darf, wenn der Betroffene nicht (mehr) handlungs- und entscheidungsfähig ist und dies zur Abwendung einer erheblichen Selbstgefährdung erforderlich ist". Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass diese Menschen nach "Text und Geist der Behindertenrechtskonvention" nicht ihrem Schicksal überlassen werden sollten.

Da es in der Bundesrepublik Deutschland bisher keine systematische Datenerhebung zu der Frage gebe, wie oft auf die verschiedenen Formen von Zwangsmaßnahmen zurückgegriffen wird, warum und unter welchen Umständen und auf welcher Rechtsgrundlage sie erfolgen, habe das Bundesministerium für Gesundheit zwei Forschungsprojekte vergeben, schreibt die Regierung. Mit diesen solle "diese Lücke geschlossen und neue Erkenntnisse zu Möglichkeiten der Vermeidung von Zwang durch alternative Versorgungsansätze gewonnen werden". Ergebnisse seien Mitte 2019 zu erwarten. Aufgrund der Datenlage werden die 44 detaillierten Einzelfragen der Grünen auch nur zum Teil beantwortet. Teilweise listet die Bundesregierung auch die Antworten der 16 Landesregierungen zu einzelnen Fragen auf.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 206 - 29. März 2017 - 09.32 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2017

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