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BUNDESTAG/6600: Heute im Bundestag Nr. 353 - 01.06.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 353
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 01. Juni 2017, Redaktionsschluss: 09.50 Uhr

1. Nachhaltigkeit in der Medienproduktion
2. Pro und Contra Staatstrojaner
3. Linke will Erasmus+ stärken
4. Ermittlungen gegen Neonazi-Plattformen


1. Nachhaltigkeit in der Medienproduktion

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Die größten Hebel zur Stärkung der Nachhaltigkeit in der Medienproduktion finden sich beim Transport und beim Energieverbrauch. In dieser Einschätzung waren sich Vertreter von ZDF und ARD während einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung am Mittwochabend einig. Würden die an der Filmproduktion beteiligten Personen statt mit dem Flugzeug häufiger mit der Bahn fahren, würde das aus ökologischer Sicht eine deutlichere Ressourcenschonung zur Folge haben, als das oft zitierte und in jedem Fall auch richtige Verbot von Plastikbechern am Set, sagte Michael Becker, Leiter der Abteilung Herstellung beim Südwestrundfunk (SWR). Donald Jenichen, Leiter Produktionsmanagement bei der Programmdirektion ZDFneo, sagte, die Infrastruktur für ökologisch vorteilhafte LED-Lampen sei in Deutschland bedauerlicherweise nicht gegeben. Verleiher von Filmequipment würden derzeit noch nicht in derartige energiesparende Lampen investieren, weil diese noch zu teuer seien, sagte Jenichen.

Aus Sicht des ZDFneo-Vertreters steht die Branche bei dem Thema Nachhaltigkeit erst am Anfang. Das Hauptproblem sei, dass in der Fläche an allen Drehorten diese Technik "zu vernünftigen Konditionen" anmietbar sein müsste. ZDF und ARD seien schließlich bei der Herstellung ihrer Produkte auch dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichtet.

Auch weltweit stehe das Green Film Shooting erst am Anfang, gab ARD-Vertreter Becker zu bedenken. Positiv zu bewerten sei, dass künftig ein "grüner Berater" bei den Produktionen zur Verfügung gestellt werden kann, "wenn der Produzent das will". Dieser Berater werde auch kalkulatorisch anerkannt und bis zu einer bestimmten Deckelung finanziert. Becker ging auf das Thema Mobilität ein. Es sei üblich und nachvollziehbar, dass Schauspieler an drehfreien Tagen das Set verlassen und in ihre Wohnorte zurückkehren. Denkbar sei, die Möglichkeit zu fliegen einzuschränken, indem etwa nur dann Flüge bezahlt würden, wenn eine festzulegende Mindestzahl an drehfreien Tagen erreicht wird, sagte er.

Auf die soziale Komponente der Nachhaltigkeit ging Jenichen ein. Bei Gesprächen, die das ZDF mit Produzenten über Festpreisvereinbarungen führe, werde deutlich gemacht, dass Tarifverträge einzuhalten sind. Vor dem Hintergrund, dass 31 Prozent der Filmschaffenden laut Umfragen sagen, Tarifverträge würden nicht eingehalten, sei eine solche Selbstverpflichtung des ZDF "schon wesentlich".

Für Jens Müller, Mitarbeiter im Bereich Unternehmensplanung und Koordinator für Nachhaltigkeit beim ZDF, ist die Frage der Ökologie "ein Aspekt der Glaubwürdigkeit". Ein Sender, der publizistisch andere Unternehmen oder Institutionen anmahne, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen, "sollte selber umweltfreundlich agieren und produzieren", sagte er.

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2. Pro und Contra Staatstrojaner

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Die Koalitionsfraktionen wollen einen Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Änderung des Strafgesetzbuches, des Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze" (18/11272), in dem es unter anderem um die Zulassung von Fahrverboten als Ergänzungsstrafe geht, um ein brisantes Kapitel erweitern. Es sollen nämlich sogenannte Staatstrojaner zugelassen werden, Programme, die unbemerkt Computer und Mobiltelefone von Verdächtigen ausspähen können. Der Änderungsantrag, den die Koalitionsfraktionen zu diesem Zweck eingebracht haben, war nun Gegenstand einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses, nachdem am 22. März bereits eine Anhörung zum ursprünglichen Gesetzentwurf stattgefunden hatte.

Zugelassen werden soll zum einen die Quellen-Telekommunikationsüberwachung oder Quellen-TKÜ. Die gewöhnliche TKÜ bedeutet das Abhören von Telefonaten und die Überwachung anderer Formen elektronischer Kommunikation, indem man sich in den Übertragungsweg, etwa eine Telefonleitung oder Funkstrecke, einschaltet. Diese Methode stößt dort an ihre Grenzen, wo die Kommunikation verschlüsselt wird. Durch Abfangen der Daten, noch bevor sie verschlüsselt werden, die Quellen-TKÜ, lässt sich dieses Problem umgehen.

Zum zweiten und unter besonders strengen Voraussetzungen soll die Online-Durchsuchung zugelassen werden, also das Durchsuchen eines kompletten elektronischen Gerätes nach verdächtigen Daten. In beiden Fällen muss auf dem Gerät heimlich ein Spionageprogramm installiert werden, ein sogenannter Trojaner. Da dies durch staatliche Behörden geschieht, spricht man hier vom Staatstrojaner. Je nach Beschaffenheit kann es ein solcher Trojaner auch ermöglichen, eingebaute Mikrofone und Kameras zu aktivieren.

Die Koalitionsfraktionen kommen mit ihrem Änderungsantrag einem dringenden Wunsch von Polizei und Staatsanwaltschaften nach. Deren Vertreter in der Anhörung hoben denn auch die Bedeutung hervor. Erhebliche Bedenken äußerte dagegen der Berliner Richter Ulf Buermeyer, der auch als Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. sprach. Die geplante Gesetzesänderung schaffe die "Rechtsgrundlage für außergewöhnlich schwerwiegende Eingriffe" in die Persönlichkeitsrechte. Sie habe eine "Reichweite, wie sie die Strafprozessordnung bisher nicht kennt". Dies, mahnte Buermeyer, müsse in die Erwägung einfließen, wenn man über eine solche Gesetzesänderung nachdenke. Zu rechtfertigen seinen solche Eingriffe nur, "wenn ein überragend wichtiges Rechtsgut bedroht ist".

Dieser Güterabwägung trägt der Änderungsantrag nach Ansicht der Ermittler unter den Sachverständigen Rechnung. Gerade in der Organisierten Kriminalität würden unverschlüsselt nur noch Belanglosigkeiten ausgetauscht, berichteten sie übereinstimmend. "Ich komme mit meinem Schlüssel nicht mehr herein, der Gesetzgeber muss mir einen neuen Schlüssel geben", sagte der Fürther Oberstaatsanwalt Alfred Huber. Ähnliches stand in der verlesenen Stellungnahme des Oberstaatsanwalts beim Bundesgerichtshof Michael Greven, der wegen eines Flugausfalls nicht erscheinen konnte, über die von ihm bearbeiteten Bereiche Staatsschutz und Spionage. Es gehe auch nicht allein um die Strafverfolgung, sagte Huber, sondern "ganz klar um Innere Sicherheit, nämlich darum, "Täter möglichst bald zu fassen", bevor sie noch mehr Straftaten begehen.

Der Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Matthias Krauß nannte den Einsatz von Staatstrojanern in den vorgesehenen rechtlichen Grenzen "sachgerecht und praktikabel", er habe auch "keine verfassungsrechtlichen Bedenken". Besonders lobte Krauß, dass für die Zulassung der Online-Durchsuchung die Bestimmungen für die Wohnraumüberwachung übernommen werden sollten.

Der Osnabrücker Strafrechtler Arndt Sinn sprach sich zwar nicht grundsätzlich gegen den Einsatz von Staatstrojanern aus, allerdings ist ihm der vorgeschlagene Gesetzestext in vieler Hinsicht zu unklar formuliert und lässt zu viel Spielraum für Auslegungen. Auch sei nicht ausreichend gewährleistet, dass die eingesetzten Programme wirklich nur das können, was sie dürfen. Der Richter Ulf Buermeyer warnte wegen der auch aus seiner Sicht unzureichenden technischen Vorgaben vor einem "Trojanerblindfluggesetz".

Solche Befürchtungen wies Peter Henzler, Vizepräsident beim Bundeskriminalamt, zurück. Seine Behörde werde keine Software von der Stange einsetzen, vielmehr werde es sich "bei jeder Maßnahme um ein Unikat handeln für das Gerät, das überwacht werden soll" und "exakt zugeschnitten auf das, was das Bundesverfassungsgericht zulässt". Eine externe, zertifiziere Firma prüfe in jedem Fall, dass das Programm nicht mehr kann.

Hundertprozentig gegen den Einsatz von Staatstrojanern war als einziger Sachverständiger Linus Neumann vom Chaos Computer Club. Neumann, der beruflich im Auftrag von Unternehmen Schwachstellen in Computerprogrammen aufspürt, erläuterte, wie beim Einsatz von Trojaners solche Schwachstellen ausgenützt werden, um einen Rechner zu infizieren. Während er solche Schwachstellen den Herstellern melde, damit sie die Sicherheitslücken schließen können, hielten Sicherheitsbehörden sie geheim, um ihre Trojaner einsetzen zu können. Dies bedeute aber, dass jederzeit auch Menschen mit unlauteren Absichten diese Schwachstellen finden und ausnützen können. Neumann sieht in der geplanten Gesetzesänderung deshalb vor allem eine Gefahr für die IT-Sicherheit, und zwar weltweit.

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3. Linke will Erasmus+ stärken

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Auslandsaufenthalte tragen dazu bei, die eigene Persönlichkeit zu stärken, sich Wissen anzueignen, die Welt kennenzulernen und interkulturelle Erfahrungen zu machen. Darüber hinaus sind sie wichtig für Völkerverständigung und ein friedliches Zusammenleben der Menschen, schreibt die Fraktion Die Linke in ihrem Antrag (18/12552) zum europäischen Bildungsprogramm Erasmus+. Das Programm habe es zahlreichen Menschen ermöglicht, im Rahmen ihrer Ausbildung, ihres Studiums, als Schülerinnen und Schüler, wie auch im Freiwilligendienst, dem allgemeinen Jugendaustausch, der Erwachsenenbildung und im Sport Erfahrungen in vielen Ländern Europas und über Europa hinaus zu machen.

Im Jahre 2013 seien die ursprüngliche Programme Erasmus (Hochschulbildung) Erasmus Mundus (internationale Hochschulbildung), Jean Monnet (Forschung und Lehre), Comenius (Schulbildung), Leonardo da Vinci (berufliche Aus- und Weiterbildung), Grundtvig (Erwachsenenbildung) und JUGEND IN AKTION (Jugend) zu einem Programm Erasmus+ zusammengeführt worden. Dadurch sollte eine größere Wirksamkeit des Programms erreicht werden. Die ursprüngliche Sorge, dass es durch die Zusammenführung zu Kürzungen kommen würde, habe sich nicht bestätigt. Vielmehr seien die Mittel im Verlauf der Förderperiode gewachsen. Dass in allen Programmteilen die Gelder dennoch nicht ausreichten, sei Ausdruck des Interesses am internationalen Austausch.

Die Linke fordert in ihrem Antrag, dass das Programm Erasmus + aufgewertet wird, die Mittel deutlich aufgestockt werden und die Antragstellung erleichtert wird. Die Fraktion setzt sich zudem dafür ein, dass im Rahmen der jeweiligen Nationalen Agenturen nach geeigneten Unterstützungsmöglichkeiten gesucht wird, damit auch die durch die komplizierte Antragstellung bisher benachteiligten Zielgruppen erreicht werden. Auch soll die Sichtbarkeit der einzelnen Programmteile wieder erhöht und die Spezifika der Bildungsbereiche besser beachtet werden.

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4. Ermittlungen gegen Neonazi-Plattformen

Recht und Verbraucherschutz/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PST) Nach dem Stand der Ermittlungen und Strafverfahren im Zusammenhang mit den neonazistischen Internetplattformen Thiazi und Altermedia erkundigt sich die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (18/12482). Es geht dabei nach Angaben der Fraktion um seit November 2014 in Deutschland laufende Strafverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung sowie weitere Verfahren in Österreich. Die Linke fragt unter anderem nach Zahl, Alter und Herkunft der Beschuldigten und den Vorwürfen gegen sie. Auch erkundigt sie sich nach möglichen Quellen der Verfassungsschutzämter beziehungsweise der Polizei unter den Beschuldigten. Zudem will die Fraktion von der Bundesregierung wissen, ob sie Kenntnis von weiteren Strafverfahren im Ausland hat.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 353 - 1. Juni 2017 - 09.50 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2017

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