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BUNDESTAG/6637: Heute im Bundestag Nr. 390 - 21.06.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 390
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 21. Juni 2017, Redaktionsschluss: 17.30 Uhr

1. Ausstellungsvergütung abgelehnt
2. Barrierefreiheit als Wirtschaftsfaktor
3. Expertenstreit über Bürgerversicherung
4. Fachaufsicht über Wirtschaftsprüfer


1. Ausstellungsvergütung abgelehnt

Kultur und Medien/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Die Linksfraktion ist mit ihrer Forderung nach einer Ausstellungsvergütung für bildende Künstler im Kulturausschuss gescheitert. Der Ausschuss lehnte den entsprechenden Antrag (18/12094) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen das Votum von Linken und Bündnis 90/Die Grünen am Mittwoch ab.

Für die öffentliche Verwertung und Nutzung von Werken sei im Urheberrecht für Künstler aller Sparten mit Ausnahme der bildenden Kunst eine Vergütung vorgesehen, heißt es im Antrag der Linken. Deshalb soll die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, um eine Vergütung auch für die bildende Kunst zu ermöglichen. Ausgenommen werden soll davon jedoch der professionelle Kunsthandel. Die Ungleichbehandlung der bildenden Kunst müsse endlich beendet werden, hieß es in der Ausschusssitzung aus der Linksfraktion. Dieser Argumentation schlossen sich auch die Grünen an. Über das Problem werde bereits seit mehr als 30 Jahren diskutiert. Bildende Künstler müssten bei Ausstellungen mitunter "noch draufzahlen", wenn sie beispielsweise die Kosten für den Transport ihrer Werke selbst finanzieren müssen.

Die Unionsfraktion lehnte das Ansinnen hingegen ab. Bildende Künstler würden sich eben durch den Verkauf ihrer Werke finanzieren. Deshalb sei die Zahlung einer Ausstellungsvergütung kontraproduktiv. Es bestehe die Gefahr, dass es dadurch zu weniger Ausstellungen käme, auf denen die Künstler ihre Werke präsentieren können.

Die SPD begrüßte die Zielsetzung des Antrags zwar ausdrücklich und verwies auf praktikable Regelungen in Schweden. Allerdings habe man sich innerhalb der Koalition mit dem Ansinnen nach einer ähnlichen Lösung nicht durchsetzen können.

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2. Barrierefreiheit als Wirtschaftsfaktor

Tourismus/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Durch den Mangel an behindertengerechten Angeboten entgehen der Fremdenverkehrswirtschaft nach wie vor Umsätze in erheblichem Umfang. Darauf hat der Geschäftsführer der Gesellschaft Bayern-Tourismus-Marketing, Martin Spantig, am Mittwoch im Tourismusausschuss hingewiesen. In einer Expertenanhörung zum Thema "Nachhaltige Wertschöpfung durch Barrierefreiheit" sprach Spantig von Menschen mit Behinderung, aber auch Senioren und Familien mit kleinen Kindern, die ebenfalls darauf angewiesen sind, in Hotels, Restaurants oder Freizeiteinrichtungen möglichst keine Treppen überwinden zu müssen, als von einer "maßlos verkannten Zielgruppe". Hier bestehe ein "enormes Nachfragepotenzial", das bisher nur unzureichend bedient werde.

Spantig bezifferte die Kaufkraft von Menschen, die auf barrierefreie Zugänge angewiesen seien, europaweit auf 780 Milliarden Euro. In Deutschland leben nach seinen Worten zehn Millionen Behinderte, 13 Prozent der Bevölkerung. Einer Umfrage zufolge, die Spantig zitierte, wären über 60 Prozent von ihnen bereit, für passende Urlaubsangebote auch mehr zu bezahlen. Dass sie gerne häufiger verreisen würden, wenn die touristische Infrastruktur auf ihre Bedürfnisse besser eingerichtet wäre, gaben 48 Prozent an. Und 37 Prozent erklärten, sie hätten schon einmal gänzlich auf eine Reise verzichtet, weil sie keine passenden Angebote fanden. "Da liegt der Umsatz auf der Straße und wird nicht abgeholt", kritisierte Spantig das "Handlungsdefizit" der Branche.

Unter dem Motto "Reisen für Alle" betreibt das Deutsche Seminar für Tourismus in Zusammenarbeit mit dem Verein "Tourismus für Alle" und gefördert vom Wirtschaftsministerium seit 2014 ein Projekt zur Einführung einer bundeseinheitlichen Kennzeichnung behindertengerechter Angebote, an dem sich bisher elf der 16 Bundesländer beteiligten. Auf der zugehörigen Webseite sind bisher knapp 2000 barrierefreie Betriebe und Einrichtungen verzeichnet. Die Bayern-Tourismus-Marketing setzt nach den Worten ihres Geschäftsführers auf die Vorbildwirkung von zehn "Pilotdestinationen", wo in den nächsten Jahren die Voraussetzungen für ein "barrierefreies Gesamt-Urlaubserlebnis" entstehen sollen. Schulungsmaterialien und ein einschlägiger "Leitfaden für Touristiker" sollen den Prozess unterstützen.

In Brandenburg gibt es nach den Worten des Geschäftsführers der dortigen Tourismus-Marketing-Gesellschaft Dieter Hütte bereits seit 1998 einen "Reiseführer für Menschen mit Behinderung" sowie Ratgeber für Bau und Gestaltung barrierefreier Einrichtungen. Seit 2008 sei eine Mitarbeiterin seiner Gesellschaft ausschließlich mit dem Thema Barrierefreiheit befasst, berichtete Hütte. Seit 2010 gebe es auch eine einschlägige Internet-Seite, auf der mittlerweile 879 behindertengerechte Angebote in Brandenburg verzeichnet seien. Der Initiative zur Einführung einer bundeseinheitlichen Kennzeichnung hat sich das Land bisher dennoch nicht angeschlossen. Bei einer Umfrage in der Branche hätten sich 138 Betriebe gemeldet, von denen 84 bekundeten, daran nicht interessiert zu sein.

Der Vorsitzende des Vereins "Tourismus für Alle", Rüdiger Leidner, erinnerte daran, dass bereits 2003 eine Studie des Wirtschaftsministeriums ein enormes Umsatzsteigerungspotenzial durch behindertengerechte Angebote ausgewiesen habe. "Wir brauchen aktuelle Zahlen, die die gesamte Wertschöpfungskette im Tourismus berücksichtigen, forderte Leidner.

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3. Expertenstreit über Bürgerversicherung

Gesundheit/Anhörung

Berlin: (hib/PK) Gesundheitsexperten sind in der Frage eines möglichen Systemwechsels in der Krankenversicherung gespalten. Befürworter der sogenannten Bürgerversicherung argumentieren mit den stetig steigenden Gesundheitsausgaben und setzen auf eine verbreiterte Einnahmebasis in einem einheitlichen Krankenversicherungssystem.

Gegner dieses Modells sehen in dem dualen System aus Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung (GKV/PKV) hingegen die beste Lösung und warnen vor negativen wirtschaftlichen Folgen sowie erheblichen Belastungen für Ärzte und andere Gesundheitsberufe. Die Systemfrage war am Mittwoch Thema einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses über einen Antrag der Fraktion Die Linke.

Mit einem Systemwechsel kann nach Ansicht der Linksfraktion die Gesundheitsversorgung billiger und besser gestaltet werden. In ihrem Antrag (18/11722) fordern die Abgeordneten die Einführung einer solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung und die Abschaffung der privaten Krankenvollversicherung.

Mehrere Sachverständige wandten sich, auch in ihren schriftlichen Stellungnahmen, entschieden gegen einen solchen Systemwechsel. Die Bundesärztekammer (BÄK) erklärte, das Nebeneinander von GKV und PKV sei "ein wesentlicher Grund dafür, dass das deutsche Gesundheitssystem einen weltweit so herausragend hohen Entwicklungsstand erreichen konnte".

Eine "Einheitsversicherung" biete auch keine Antwort auf die Frage, wie das Gesundheitswesen angesichts der älter werdenden Gesellschaft dauerhaft finanziert werden könne. Zudem würden der ärztlichen Versorgung bis zu 5,3 Milliarden Euro pro Jahr entzogen, warnte die Ärzteorganisation in Anspielung auf die höheren Gebührensätze für Privatversicherte. Auch etwa Hebammen oder Physiotherapeuten müssten nicht unerhebliche Mindereinnahmen hinnehmen.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) sieht in der solidarischen Bürgerversicherung vor allem ökonomische Risiken. Bei einer Abschaffung der Zusatzbeiträge müssten die Arbeitgeber in der ersten Runde sechs Milliarden Euro zusätzlich an Beiträgen zahlen. Die Firmen würden dann "nach Möglichkeiten suchen, diese zusätzliche Belastung zu kompensieren". Eine "pauschale Zuschreibung von solidarischen Eigenschaften" sei auch nicht möglich, zumal PKV-Mitglieder für die altersbedingt steigenden Ausgabenrisiken selbst vorsorgen müssten und auch nicht von der beitragsfreien Versicherung von Familienangehörigen profitierten.

Der Rechtsexperte Helge Sodan machte in der Anhörung verfassungsrechtliche Bedenken geltend, falls die PKV-Vollversicherung und die Beitragsbemessungsgrenze abgeschafft würden. Die Altversicherten in der PKV könnten sich auf einen Bestandsschutz berufen. Die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze wäre überdies "eindeutig unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig", weil mit steigendem Einkommen die Krankenversicherungsbeiträge grenzenlos mit ansteigen würden.

Der Gesundheitsökonom Stefan Greß von der Hochschule Fulda machte als Befürworter der Bürgerversicherung "schwerwiegende Defizite" im dualen System aus. Die jetzigen Verzerrungen im System gingen zu Lasten der GKV und führten zu "nicht begründbaren Ungleichbehandlungen zwischen unterschiedlichen Versichertengruppen".

Die Integration der Versicherungssysteme "würde einheitliche Rahmenbedingungen für den Wettbewerb der Krankenversicherer untereinander schaffen" und damit die Ursachen für Risikoselektion, Ungleichbehandlungen und Fehlanreize beseitigen. Greß sprach sich für eine Stichtagsregelung aus, um die Vorzüge des neuen Systems sofort wirksam werden zu lassen. Die bisherigen PKV-Versicherten könnten ein Wechselrecht unter Mitnahme der Altersrückstellungen bekommen.

Der Sozialverband Deutschland monierte, die eigentliche Frage einer langfristig stabilen und gerechten Finanzierung der GKV sei bisher nicht im Sinne der Versicherten angegangen worden. Stattdessen seien Leistungen ausgegliedert, gekürzt und die Versicherten immer stärker einseitig belastet worden. Künftig sollten alle Bürger entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit an der solidarischen Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung beteiligt werden. Für PKV-Versicherte sollte es Übergangsregelungen und einen Stichtag geben, bis zu dem sie entscheiden müssten, in welchem System sie versichert sein wollten. Dabei könnten sie auch weiter in der PKV bleiben. Die Altersrückstellungen der Wechselwilligen müssten in die Bürgerversicherung überführt werden.

Der GKV-Spitzenverband wollte sich zur Systemfrage nicht grundsätzlich positionieren, merkte aber kritisch an, dass bei einigen gesetzlichen Neuregelungen der Infrastruktur und Versorgungsstruktur die PKV auf Kosten der GKV profitiert habe. So sei etwa die PKV am Strukturfonds zur Reform der Krankenhauslandschaft nicht beteiligt, obwohl sie gleichermaßen vom Abbau der Überkapazitäten einen Nutzen habe. Was die Zuzahlungen der Versicherten angehe, verwies der Spitzenverband auf die Steuerungswirkung für eine bedarfsgerechte Inanspruchnahme von Leistungen. Die Zuzahlungen erbrächten rund vier Milliarden Euro, die nicht aus Beiträgen, Zusatzbeiträgen oder Bundesmitteln finanziert werden müssten.

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4. Fachaufsicht über Wirtschaftsprüfer

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/PEZ) Objektivität und Unabhängigkeit der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) sind nach Ansicht der Bundesregierung durch umfangreiche Vorgaben und Kontrollinstrumente gesichert. In der Antwort (18/12753) auf eine Kleine Anfrage (18/12529) der Fraktion Die Linke verweist die Bundesregierung auf mehrere Richtlinien, mit denen das Bundeswirtschaftsministerium die Arbeit der APAS überwacht. Die APAS als Abteilung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) soll die Arbeit von Prüfungsgesellschaften kontrollieren.

Die Linksfraktion hatte vor dem Hintergrund von Vorfällen in den USA nach möglichen Interessensverqickungen bei der Erfüllung dieser Aufgaben gefragt. In ihrer Antwort führt die Bundesregierung nun verschiedene Regelungen auf, nach denen etwa Inspektoren mindestens drei Jahre lang nicht frühere Arbeitgeber inspizieren dürfen. Außerdem gingen Verordnungen über gängige Vorgaben hinaus und fassten mögliche Befangenheitsaspekte weit enger als auf EU-Ebene festgelegt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 390 - 21. Juni 2017 - 17.30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2017

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