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BUNDESTAG/8119: Heute im Bundestag Nr. 253 - 11.03.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 253
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 11. März 2019, Redaktionsschluss: 17.48 Uhr

1. Umstrittene Presseauskunftsrechte
2. Vergleich mit Österreich und der Schweiz


1. Umstrittene Presseauskunftsrechte

Inneres und Heimat/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Journalisten und Zeitungsverleger sprechen sich für eine bundesgesetzliche Regelung des Presseauskunftsrechts gegenüber Bundesbehörden aus. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montagnachmittag deutlich. Dabei äußerten der Medienrechtler Professor Matthias Cornils von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ebenso wie Professor Klaus Ferdinand Gärditz von der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Zweifel an der Verfassungskonformität einer solchen bundesgesetzlichen Regelung.

In dem der Anhörung zugrunde liegenden Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/4572(neu)) wird darauf verwiesen, dass nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 146, 56, Rz 22ff, 26, 28f) und einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 1452/13) der konkrete Umfang des Presseauskunftsrechts gegenüber Bundesbehörden im Ungewissen bleibe. Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Auskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüber der Presse auf Basis der Landespressegesetze negiert. Als Lösung sieht der Entwurf die Regelung des Presseauskunftsrechts gegenüber Bundesbehörden "auf mindestens den Landespressegesetzen entsprechenden gleichwertigem Niveau" durch ein Bundesgesetz, die Klarstellung, dass das Informationszugangsrecht auch Einsichtnahme umfasst sowie die Erleichterung des Eilrechtsschutzes in Presseauskunftsverfahren vor.

Auch die FDP-Fraktion will ein Presseauskunftsrecht gegenüber Bundesbehörden gesetzlich verankern. In ihrem Antrag (19/6054) fordert sie die Bundesregierung auf, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der sich an den bestehenden Landespressegesetzen orientiert und der neben dem Recht auf Auskunftserteilung auch ein Recht auf Akteneinsicht für die Presse vorsieht. Eingeschränkt werden dürfe das Presseauskunftsrecht nur aus Gründen der Geheimhaltung oder aus öffentlichem Interesse.

Journalisten bräuchten Rechtssicherheit für ihre Arbeit, sagte Klaus-Josef Döhring, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV). Daher müsse das Recht auf Information "glasklar geregelt sein", forderte er. Grundsätzlich müsse gelten: Was mit Steuergeldern finanziert worden sei, müsse öffentlich zugänglich sein.

Christoph Fiedler, Geschäftsführer für Europa- und Medienpolitik beim Verband Deutscher Zeitschriftenverleger, sagte, es sei an der Zeit, dass der Bundesgesetzgeber einen solchen Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden normiere. Der derzeitige "gesetzlose Zustand für Auskunftsansprüche gegenüber Bundesbehörden" müsse entweder durch eine eindeutige gesetzliche Regelung beendet werden, oder dadurch, dass der Bundesgesetzgeber die landesgesetzlichen Presseauskunftsansprüche gegenüber Bundesbehörden "wieder" für anwendbar erklärt. Aus Sicht Fiedlers ist ersteres vorzuziehen. Verfassungsrechtliche Bedenken stünden dem nicht im Wege, befand er.

Tania Röttger vom Rechercheverbund Correctiv begrüßte die Initiativen von FDP und Grünen. Ein zu schaffendes Bundesgesetz, so ihre Forderung, müsse jedoch weit über die in den Landespressegesetzen enthaltenen Ansprüche hinausgehen.

Der Rechtsanwalt Christoph Partsch nannte die derzeitige Praxis verfassungswidrig. Eine Vielzahl von Bundesbehörden lehne jegliche Auskünfte ab. Auch wenn viele Gerichte inzwischen das Recherchebedürfnis der Presse anerkennen und kreativ ableiten würden, "gibt es Rechtssicherheit und schnelle Ergebnisse für den recherchierenden Journalist derzeit nicht", sagte er.

Aus Sicht von Professor Klaus Ferdinand Gärditz ist jedoch keine Bundeskompetenz für eine solche Regelung zu erkennen auch wenn grundrechts- und demokratiepolitisch betrachtet Gründe dafür sprächen, ein Bundespresseauskunftsrecht zu schaffen. Mit Blick auf die Rechtsprechung des BVerwG ist es aus Sicht des Staatsrechtlers sinnvoll, keine "große Lösung" eines Presseauskunftsgesetzes anzustreben, "sondern sich mit sektoralen Regelungen im jeweiligen Fachrecht zu begnügen, die Konflikte spezifisch und innerhalb der Aufgabenstruktur der jeweiligen Bundesbehörde zu lösen versuchen".

Professor Matthias Cornils zog in Zweifel, ob eine bundesgesetzliche Regelung tatsächlich von Vorteil wäre. In der bisherigen Rechtsprechung sei die Frage der Auskunftsansprüche immer wieder erörtert worden. Man überschätze die Gesetzgebung in ihrer Bedeutung, wenn man annehme: "Wird das alles aufgeschrieben, hat man sehr viel gewonnen". Eine bundesgesetzliche Regelung des medienrechtlichen Auskunftsanspruchs gegen Bundesbehörden sei also verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten und verbessere auch nicht substantiell den Rechtsstatus der Medien, sagte Cornils. Sie entspräche aber Bedürfnissen der Rechtsklarheit und einer rechtsstaatlichen "Normalisierung", die in der "Bestimmung von Rechten und Pflichten durch parlamentarisches Gesetz und nicht durch richterliche Verfassungsauslegung besteht", fügte er hinzu.

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2. Vergleich mit Österreich und der Schweiz

Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt/Anhörung

Die Einschätzungen des Eidgenössischen Hochschulinstituts für Berufsbildung (EHB) in der Schweiz sowie des Österreichischen Instituts für Bildungsforschung (öifb) sind am Montag Thema einer öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission "Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt" gewesen. Die externen Sachverständigen sprachen in der 8. Sitzung des Gremiums über die berufliche Aus- und Weiterbildung im internationalen Vergleich und darüber, welche Ansätze Hinweise zur Weiterentwicklung der deutschen Systeme liefern können.

Patrizia Salzmann (EHB) stellte den Kommissionsmitgliedern das schweizerische Berufsbildungssystem vor, das 230 Berufe umfasst. "Die höhere Berufsbildung hat in der Schweiz eine große Bedeutung", sagte sie. "Ein Drittel der Abschlüsse in der Tertiärstufe werden dort gemacht", betonte Salzmann. Das System sei dabei geprägt von der Orientierung an nachgefragten Qualifikationen und Arbeitsplätzen. Bestätigt habe dies auch die OECD, die dem Land eine Spitzenreiterposition bei der dualen Berufsbildung bescheinigt habe. "59 Prozent der Jugendlichen absolvieren eine duale beruflichen Grundbildung", sagte Salzmann, gleichzeitig könne aber nicht beobachtet werden, dass bei der Anzahl der akademischen Abschlüsse negative Effekte zu verzeichnen seien. Besonders sei am schweizerischen System auch die hohe Durchlässigkeit, mit der eine Steigerung der Karriereperspektiven einherginge.

Im Hinblick auf informell erworbener Kompetenzen und Bildungsleistungen sei es wichtig, zwischen Anrechnung und Validierung zu unterscheiden, sagte Salzmann. "Von 8.500 Erwachsenen, die 2016 in der Schweiz eine berufliche Grundausbildung abgeschlossen haben, haben 550 Personen dies über eine Validierung von Bildungsleistungen erreicht", sagte die Forscherin. Dies entspreche 6,5 Prozent der Abschlüsse, also weniger als einem Prozent der Gesamtabschlüsse im Bereich Berufsbildung in der Sekundarstufe II. Eine Anrechnung sei in allen Formen der beruflichen Grundausbildung möglich wohingegen die Validierung aktuell in nur 14 Berufen erfolge. Auch in der Tertiärstufe seien eine vollständige und eine teilweise Validierung für einzelne Abschlüsse möglich. Für einen solchen Prozess müssen mindestens fünf Jahre Berufserfahrung nachgewiesen werden. Wenn gewisse Kompetenzen für die Zertifizierung fehlen, bestehe zudem die Möglichkeit, diese nachzuholen.

"Die Systeme in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind sich ähnlich, unterscheiden sich in Details aber sehr stark", sagte Peter Schlögl (öifb). Gemeinsam sei den Ländern vor allem "die Reform der kleinen Schritte sowie eine starke Konzentration auf die betriebliche Ausbildung". Die Betriebsstrukturen in den Ländern seien jedoch sehr unterschiedlich. In Österreich führe die Ausbildung an einer höheren Schule etwa zu einer eigenen Hochschulzugangsberechtigung, sagte Schlögl. "Mittlerweile lässt sich sagen, dass dort mehr Reifeprüfungen abgelegt werden als im allgemeinbildenden Zweig". Auch die Beruflichkeit als Bildungsziel eine die drei Länder, auch wenn "die Verbleibraten in Berufen deutlich kürzer werden", sagte Schlögl. In Zukunft komme es daher auch darauf an, Berufe etwas weiter zu fassen und übergreifende Fachkompetenzen zu stärken.

Mit Blick auf die Übergänge von der Schule in die berufliche Bildung verwies Schlögl auf das österreichische Modell des "Jugendcoaching", bei dem Schüler in der vorletzten Schulstufe durch Lehrer und Sozialarbeiter stärker begleitet würden. "Das Coaching kommt aus den 1990er Jahren , in denen es eine große Lehrstellenlücke gab", berichtete Schlögl und nannte es eine "Erfolgsgeschichte" in Bezug auf die Problematik, Jugendliche am Übergang von der Schule in den Beruf zu verlieren. Ähnlich erfolgreich sei auch das Angebot der Lehrwerkstätten, da dort ein vollwertiger Berufsabschluss absolviert werden könne. Maßnahmen, die nicht berufsqualifizierend seien, gebe es im österreichischen System nicht, betonte Schlögl. Wichtig sei für ihn "ein modernes Verständnis von aktivem Qualitätsmanagement von Betrieben" in der Aus- und Weiterbildung, so wie es in der Schweiz bereits praktiziert werde, sagte Schlögl.

In Ihren Nachfragen konzentrierten sich die Abgeordneten und Sachverständigen auf mögliche Lehren für das deutsche Berufsbildungssystem. Die CDU/CSU-Fraktion wollte wissen, warum die Durchlässigkeit im schweizerischen Berufsbildungssystem so gut sei und fragte nach Details zum österreichischen "Jugendcoaching". Die AfD-Fraktion interessierte sich dafür, welche Herausforderungen aus immer kürzeren Verweildauern in Berufen entstünden. Die FDP-Fraktion fragte bezüglich der Validierung von Kompetenzen, wie Beratungsangebote und Prüfkommission sich im schweizerischen System finanzieren.

Die Fraktion die Linke interessierte sich dafür, warum in nur 14 Berufen in der Schweiz eine Validierung erfolge und fragte nach dem Einfluss der Digitalisierung auf die Anpassung von Berufsprofilen in den beiden Ländern. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wollte wissen, wie sich die Zahl der Abiturienten in der Schweiz entwickelt habe und fragte nach Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und Fortbildung von Berufsschullehrern. Die SPD-Fraktion konzentrierte sich in ihren Nachfragen darauf, welche Auswirkungen die überbetriebliche Ausbildung auf das Angebot an Lehrstellen habe.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 253 - 11. März 2019 - 17.48 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2019

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