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BUNDESTAG/8230: Heute im Bundestag Nr. 366 - 03.04.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 366
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 3. April 2019, Redaktionsschluss: 18.19 Uhr

1. Nada und DOSB für Kronzeugenregelung
2. Rückgabe kolonialer Kulturgüter


1. Nada und DOSB für Kronzeugenregelung

Sport/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Vor dem Hintergrund der Geschehnisse um einen Erfurter Sportmediziner und dessen illegale Blutdoping-Aktivitäten haben sich sowohl die Nationale Anti-Doping Agentur (Nada) als auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) sowie Athletenvertreter und der im Verfahren gegen den Mediziner zuständige Münchner Oberstaatsanwalt Kai Gräber am Mittwoch vor dem Sportausschuss für die Schaffung einer Kronzeugenregelung für Sportler im Anti-Doping-Gesetz ausgesprochen. Vertreter des Bundesministeriums des Innern, für Heimat und Bau sowie des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz kündigten an, darüber im Rahmen der anstehenden Evaluierung des Anti-Doping Gesetzes reden zu wollen.

Oberstaatsanwalt Kai Gräber, Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Doping in München, sagte vor den Abgeordneten, die Ermittlungen gegen den Arzt seien durch eine Aussage des österreichischen Langläufers Johannes Dürr, der 2014 des Eigenblut-Dopings überführt wurde, in Gang gesetzt worden. Derzeit stünden 21 Sportler aus acht Nationen und fünf Sportarten unter Verdacht, durch den Mediziner Eigenblut-Doping-Behandlungen vorgenommen haben zu lassen. Namen nennen könne er nicht, sagte Gräber auf Nachfrage. Zwar bedauere er, dass es zu Spekulationen darüber komme, ob und wenn ja welche deutschen Sportler betroffen sind. Für ihn sei es aber wichtig, die Ermittlungen in Ruhe zu Ende zu führen. Die Zeit für die Veröffentlichung der Namen sei noch nicht reif, sagte Gräber.

Andrea Gotzmann, Vorstandsvorsitzende der Nada, betonte, dieser "große Erfolg" im Kampf gegen Doping sei nur durch das 2015 in Kraft getretene Anti-Doping-Gesetz möglich gewesen. Dieses müsse nun geschärft werden, forderte sie. Neben der Kronzeugenregelung brauche es mehr Schwerpunktstaatsanwaltschaften sowie eine Stärkung des Hinweisgeberschutzes. Außerdem müsse Schluss sein mit dem Geschacher um die finanzielle Beteiligung der Spitzensportverbände am Nada-Budget, forderte Gotzmann. Aktuell fehlten aus diesen Bereich im ersten Quartal 2019 200.000 Euro. Die Nada-Chefin forderte eine Loslösung vom organisierten Sport. Noch immer sei das Ergebnismanagement von Verstößen gegen Anti-Doping-Bestimmungen nicht vollständig von den Verbänden auf die Nada übertragen, kritisierte sie.

DOSB-Präsident Alfons Hörmann sprach sich ebenfalls für eine finanzielle Neuaufstellung der Nada aus. Aus seiner Sicht sollte sich der DOSB auch aus dem Aufsichtsrat der Nada zurückziehen, um deren Unabhängigkeit zu stärken. Was den Fall des Sportmediziners angeht, so räumte Hörmann ein, dass die Aufklärung ohne das Anti-Doping-Gesetz so nicht möglich gewesen wäre. Abgerechnet werde aber am Schluss, wenn die Strafen verhängt werden, sagte er. Die Strafen müssten auch tatsächlich wehtun, forderte der DOSB-Präsident.

Athletenvertreterin Amelie Ebert machte deutlich, dass die Masse der Athleten sauber sei. Es sei daher nicht fair, alle Sportler unter einen Generalverdacht zu stellen, sagte die Synchronschwimmerin. Ebert sprach sich dafür aus, das Hinweisgebersystem zu stärken und bekannter zu machen. Außerdem müssten Athleten Alternativen zum Leistungssport aufgezeigt bekommen, um nicht aus dem Gefühl heraus, bei Misserfolgen die Existenz zu verlieren, für Doping empfänglich zu werden.

Die große Bedeutung von Whistleblowern für die Aufklärung der Doping-Kriminalität betonte auch Günter Younger, Chefermittler bei der Welt Anti-Doping Agentur (Wada). Ohne Informanten seien erfolgreiche Ermittlungen in dem Bereich nicht möglich, sagte er.

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2. Rückgabe kolonialer Kulturgüter

Kultur und Medien/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Die Rückgabe von kolonialen Kulturgütern aus deutschen Museen an die Herkunftsgesellschaften kann nur in einem gemeinsamen Prozess mit allen Beteiligten nachhaltig gelingen. In diesem Sinn sollte die Provenienzforschung der Museen weiter gestärkt und mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden. Das betonten zahlreiche Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien am Mittwochnachmittag.

Grundlage der Anhörung waren zwei Anträge von FDP und Grünen zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes. Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag (19/8545) unter anderem, die bundeseigenen Museen zu verpflichten, im Geiste der Washingtoner Erklärung mit den Anspruchsberechtigten zu einer Lösung über unrechtmäßig erworbene Kulturgüter aus kolonialen Kontexten zu kommen. Eine "Ethikkommission" soll in Streitfällen auch einseitig angerufen werden können und die Mittel für das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste (DZK) für die Provenienzforschung sollen langfristig und deutlich erhöht werden, so die Liberalen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in ihrem Antrag (19/7735) die Bundesregierung unter anderem auf, gemeinsam mit dem Senat von Berlin und unter maßgeblicher Beteiligung der Nachfahren der Opfer der deutschen und europäischen Kolonialverbrechen ein Konzept für eine zentrale Erinnerungsstätte der Hauptstadt zu erstellen.

Wiebke Ahrndt, Direktorin des Übersee-Museums in Bremen, betonte, es sollte nicht darum gehen, einfach alternativlos Rückgaben anzubieten. Nicht alle Herkunftsgesellschaften wünschten sich dies, sondern seien eher an Kooperationen oder Entschädigungen interessiert. In einem "Dialog auf Augenhöhe" müssten also zunächst einmal die Bedürfnisse geklärt werden. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und Johannes Vogel, Generaldirektor des Naturkundemuseums in Berlin, argumentierten in ähnlicher Weise für einen solchen kooperativen Ansatz. "Die Museen wissen, dass sie sich bewegen müssen", sagte Parzinger. Klar sei, dass illegaler Erwerb zurückgeben werden müsse, aber es müsse differenziert gemacht werden unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes des Erwerbs der Gegenstände. Wie Parzinger, so verwies auch Vogel auf die zahlreichen globalen Kooperationen ihrer Häuser auf diesem Gebiet. "Wir arbeiten daran, dass es dabei nicht zu einer Fortdauer der asymmetrischen Machtstrukturen der Kolonialzeit kommt", betonte Vogel.

Auf diesen Aspekt hatte zuvor Louis Henri Seukwa, Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, verwiesen: Die aktuelle Debatte finde immer noch unter den Bedingungen eines strukturellen Ungleichgewichts zwischen den ehemaligen Kolonialmächten und den Herkunftsstaaten statt. Letztere seien immer noch abhängig von den Entscheidungen der anderen, kritisierte Seukwa. In diesem Zusammenhang forderte Manuela Bauche von der Freien Universität Berlin, die Bundesrepublik Deutschland müsse den Kolonialismus endlich als Unrecht anerkennen und dies in ihre Staatsräson integrieren, so wie es auch in Bezug auf die NS-Vergangenheit geschehen sei. Deutliche Kritik kam von Bénédicte Savoy, Professorin für Kunstgeschichte an der Technischen Universität Berlin. Savoy verwies darauf, dass es vor 40 Jahren schon einmal eine solche Debatte gegeben habe, die aber durch die Abwehrhaltung der deutschen Museen erstickt worden sei. Sie forderte deshalb, die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit nicht den Museen allein zu überlassen, sondern eine unabhängige Kommission damit zu beauftragen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 366 - 3. April 2019 - 18.19 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2019

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