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BUNDESTAG/8516: Heute im Bundestag Nr. 659 - 06.06.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 659
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 6. Juni 2019, Redaktionsschluss: 10.03 Uhr

1. Disput über Entwurf zur Managervergütung
2. Geteiltes Echo für Menschenrechtsbericht


1. Disput über Entwurf zur Managervergütung

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/mwo) Die Vergütung von Vorständen börsennotierter Unternehmen stand im Fokus einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses. Anlass der vom Ausschussvorsitzenden Stephan Brandner (AfD) geleiteten gut zweistündigen Sitzung war der Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/9739) zur Umsetzung der zweiten EU-Aktionärsrechterichtlinie (2017/828), die die langfristige Mitwirkung der Aktionäre fördern will. Der kurz ARUG II genannte Entwurf sieht neben der Regelung von Mitspracherechten der Aktionäre bei der Vergütung (say on pay) eine Verbesserung der Möglichkeiten der börsennotierten Gesellschaften zur Kommunikation mit ihren Aktionären (know your shareholder), Regelungen zu Geschäften mit der Gesellschaft nahestehenden Unternehmen und Personen (related party transactions) sowie Transparenzpflichten für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater vor.

Zur Vergütung der Mitglieder der Unternehmensleitung gibt die Richtlinie ein Votum der Hauptversammlung über das Vergütungssystem sowie einen Vergütungsbericht vor, mit dem vergangene Zahlungen offenzulegen sind. Der Gesetzentwurf will diese Vorgaben unter Ausnutzung der gewährten Wahlmöglichkeiten behutsam in das deutsche, dualistische System umsetzen. Insbesondere ist vorgesehen, dass das nunmehr verpflichtende Votum der Hauptversammlung über das Vergütungssystem des Vorstands inhaltlich lediglich beratenden Charakter hat, so dass die Kompetenz zur Festsetzung und Entwicklung eines entsprechenden Systems weiterhin eindeutig beim Aufsichtsrat verbleibt.

Das Ergebnis der Umsetzung wurde von den acht eingeladenen Sachverständigen unterschiedlich bewertet. Tobias Brouwer, Bereichsleiter Recht und Steuern beim Verband der Chemischen Industrie (VCI), begrüßte den Entwurf und sprach sich in seiner Stellungnahme gegen eine weitere Verlagerung der Vergütungskompetenz vom Aufsichtsrat auf die Aktionäre in der Hauptversammlung aus. Dies würde zu mehr Einflussgewinn aufseiten der institutionellen Anleger und der vom wirtschaftlichen Risiko losgelösten Stimmrechtsberater führen. Die maßgeblichen Entscheider seien dabei nicht in gleicher Weise wie der Aufsichtsrat an das langfristige Unternehmensinteresse gebunden. Durch eine generelle Schwächung der Aufsichtsräte würde auch die Mitbestimmung getroffen.

Argumente gegen eine verbindliche Regelung durch die Hauptversammlung brachten auch die Vertreter der Gewerkschaften vor. Sie bewerteten die Umsetzung der neuen europäischen Vorgaben in das deutsche Aktienrecht als sachgerecht. Rainald Thannisch vom Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) betonte in seiner Stellungnahme, der Vergütungspolitik komme eine große Bedeutung für die gesellschaftliche Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft zu. Gerade angesichts der Zunahme demokratieskeptischer und -feindlicher Strömungen in der Gesellschaft sei die Bundesregierung dringend dazu aufgerufen, die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen durch eine angemessene Regulierung der Vorstandsvergütung zu unterstützen. Kerstin Jerchel, Bereichsleitern Mitbestimmung bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, erklärte, indem der Gesetzgeber die Letztentscheidung über die Vorstandsvergütung beim Aufsichtsrat belasse, schütze er die wichtige Rolle und Funktion der demokratisch gewählten Arbeitnehmervertreter. Andererseits werde versäumt, dringend notwendige qualitative Reformen der Vorstandsvergütung im Aktiengesetz vorzunehmen.

Wie andere Experten auch bezeichnete Jerchel es als problematisch, dass der Regierungsentwurf die Nachhaltigkeitsorientierung der Vorstandsvergütung durch eine reine Langfristorientierung ersetzt. Hier drohe ein echter Rückschritt in der Debatte um Nachhaltigkeit verantwortungsvoller Vergütungspolitik, mit möglichen nachteiligen Auswirkungen beispielsweise auf den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK).

Hilke Herchen vom Deutschen Anwaltverein begrüßte, dass das Vergütungsvotum der Hauptversammlung nur eine beratende Wirkung hat. Das System habe sich bewährt. Zudem seien die mit dem Vergütungssystem verbundenen Fragen so komplex, dass sie sich für eine verbindliche Beschlussfassung in der Hauptversammlung kaum eigneten. Auch würde die Anfechtbarkeit des Beschlusses, die bei einer verbindlichen Beschlussfassung nahezu zwangsläufig wäre, erhebliche und für die Unternehmen schwierig zu handhabende Rechtsunsicherheit mit sich bringen.

Christian Strenger, Akademischer Direktor des Center for Corporate Governance der Handelshochschule Leipzig (HHL), sprach sich ebenfalls für den Verbleib des Beschlusses über die Vergütung beim Aufsichtsrat aus. Mit Blick auf die Diskussion zum "Say on Pay" schlug er in seiner Stellungnahme eine Deckelung (Cap) vor, die von den Eigentümern in der Hauptversammlung zu beschließen sei. Die Aktionäre als Eigentümer der Gesellschaft könnten durch eine solche Neuregelung eine Obergrenze der Vorstandsvergütung bestimmen, was ihre Kontrollrechte erheblich stärken würde. Gleichzeitig verbliebe die Festlegung der Vorstandsvergütung beim Aufsichtsrat.

Dagegen bewertete der Leipziger Universitätsprofessor Tim Drygala die Umsetzung der Richtlinie als mutlos. Sie sei, was die Kompetenzen der Hauptversammlung angehe, übermäßig restriktiv. Eine Stärkung der Aktionärsrechte werde mit dem Entwurf möglichst vermieden. Der Wirtschaftsrechtler sprach sich für eine verbindliche Abstimmung der Hauptversammlung über die Managervergütung aus. Darüber sollte der Gesetzgeber noch einmal nachdenken. Die Verantwortung des Aufsichtsrates werde dadurch nicht geschwächt, sondern erhöht, weil das Gremium für die Ausarbeitung eines überzeugenden Vorschlags zuständig sei.

Auch für Klaus Gabriel, Geschäftsführer des Corporate Responsibility Interface Center (CRIC), eines Vereins zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit in der Geldanlage, bleibt das ARUG II hinter den in der Richtlinie vorgeschlagenen Möglichkeiten zurück. Einerseits werde die in der Richtlinie angestrebte Stärkung nachhaltiger Wirtschaftsweisen nicht umgesetzt, und andererseits werde anstelle eines zwingenden Votums der Hauptversammlung zur Abstimmung über die Vergütungspolitik lediglich ein beratendes Votum vorgeschlagen. Gabriel empfahl, nachhaltige Wirtschaftsweisen explizit zu stärken und das Votum der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik als zwingend festzulegen.

Peer-Robin Paulus, Leiter der Abteilung Politik und Wirtschaft beim Verband Die Familienunternehmer, bemängelte ebenfalls, dass der Gesetzentwurf die Vorgaben der Richtlinie nicht umsetze. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Eigentümer eines Unternehmens nur beraten, aber nicht verbindlich entscheiden dürften, was mit ihrem Geld passiert. Das Anliegen, die Aktionärsrechte zu stärken, werde mit dem Gesetzentwurf konterkariert. Zur Abwehr von Gehaltsexzessen schlug er die Festlegung einer Obergrenze durch die Hauptversammlung vor.

Die Abgeordneten interessierten sich in den beiden Fragerunden vor allem für die Details und Auswirkungen der von den Experten dargelegten Optionen der Vorstandsvergütung und fragten nach den Chancen einer Deckelung der Managergehälter entweder durch die Hauptversammlung oder den Aufsichtsrat. Weitere Themen waren das Zusammenspiel von langfristiger und nachhaltiger Unternehmensentwicklung sowie Fragen zur Rechtssicherheit und zur Haftung und Verantwortung der Eigentümer. Weitere von den Ausschussmitgliedern angesprochenen Themen waren die Rolle institutioneller Investoren und die Rechte der Arbeitnehmer in mitbestimmten Unternehmen.

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2. Geteiltes Echo für Menschenrechtsbericht

Menschenrechte/Anhörung

Berlin: (hib/AHE) Der 13. Bericht über die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung (19/7730) stößt bei Experten auf ein geteiltes Echo. In einer Anhörung des Menschenrechtsausschusses diskutierten die Sachverständigen über enger werdende Spielräume für Menschenrechtsaktivisten weltweit, die Schwächung des internationalen Menschenrechtssystems und die Herausforderung durch China. In dem als Unterrichtung vorliegendem Bericht informiert die Bundesregierung über nationale und internationale Maßnahmen im Bereich der Menschenrechte in der Zeit zwischen Oktober 2016 bis zum September 2018.

Markus Beeko (Amnesty International) vermisste im Bericht eine Trendbeschreibung und Akzentuierung und nannte als Beispiele die fortschreitende Schwächung der internationalen Ordnung, die Unterfinanzierung von internationalen Menschenrechtsinstitutionen oder etwa auch den Systemwettbewerb mit China. Mit einem übergeordneten Betrachtungsrahmen sollte die Bundesregierung beschreiben, worin die zentralen Herausforderungen bestehen und wie sie auf diese reagieren wolle. Beeko kritisierte zudem, dass im Länderteil des Berichts nicht die Menschenrechtssituation befreundeter Staaten beleuchtet werde. Mit Blick auf Artikel-7-Verfahren der EU zur Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn sei dies eine Frage der Glaubwürdigkeit.

Auch Ulrich Delius (Gesellschaft für bedrohte Völker) warb dafür, die enger werdenden menschenrechtspolitischen Spielräume in EU-Staaten aber auch in Partnerstaaten wie zum Beispiel Vietnam umfassender in den Blick zu nehmen. Er wünsche sich zuweilen "mehr Kompass" im Auswärtigen Amt, ob Menschenrechte oder eher Stabilität im Vordergrund stehen sollten und nannte das Beispiel des Sudans, wo unter anderem Menschenrechtsaktivisten den Sturz des Diktators bewirkt hätten, die vom Auswärtigen Amt zuvor völlig unterschätzt worden seien. "Was bedeutet Stabilität und ist es eine langfristige Stabilität, wenn man solche Regime stützt?" Delius warnte zudem vor Modellen der Unterdrückung der Internetfreiheit wie in China, das für die Regulierung des Netzes eine Art Territorialprinzip beanspruche und damit auf wachsendes Interesse bei anderen Staaten stoße.

Rainer Dopp (Nationale Stelle zur Verhütung von Folter) lenkte den Blick auf Defizite in Deutschland: So gebe es nach wie vor Fixierungen in psychiatrischen Einrichtungen und in Polizeidienststellen, die etwa ohne Sitzwache und ohne hinreichende Begründung durchgeführt würden. Im Falle einer forensischen psychiatrischen Einrichtung sei eine Person mehr als 800 Stunden fixiert gewesen. Auch in der stationären Altenpflege würden freiheitsbeschränkende Maßnahmen als solche häufig nicht erkannt oder nicht als problematisch wahrgenommen, etwa dann, wenn demenziell erkrankte Bewohner mit Zahlencodes oder Fototapeten an den Türen daran gehindert würden, die Einrichtung verlassen.

Monika Hauser (medica mondiale e. V.) machte auf das "epidemische Ausmaß" sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen weltweit aufmerksam, das auch vor Deutschland nicht halt mache. Hauser kritisierte, dass die Bundesregierung für dieses Problem in ihrer Menschenrechts- und Außenpolitik keine kohärente Strategie erkennen lasse. Gewalt gegen Frauen sei kein Kriterium bei der Einstufung von Ländern als sichere Herkunftsstaaten, es gebe Migrationspartnerschaften mit frauenverachtenden Regimen und durch Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien und in die Vereinigte Arabische Emirate würden Staaten unterstützt, in denen Frauen- und Mädchenrechte mit Füßen getreten würden.

Michael Krennerich (Universität Erlangen-Nürnberg und Vorsitzender des Nürnberger Menschenrechtszentrums) sprach von einer "Menschenrechtspolitik in unsicheren Zeiten". Gemessen daran, dass die Menschenrechte selbst in Europa und den USA unter Druck geraten seien, sei der Bericht enttäuschend, weil in ihm lediglich "business as usual" zum Ausdruck komme. Es gehe darum, entschlossen die Menschenrechtsstandards hochzuhalten - gerade auch bei der eigenen Rüstungsexport-, Migrations- und Flüchtlingspolitik. Krennerich unterstrich außerdem die Bedeutung der sozialen Menschenrechte: Diese könnten auf Schutzlücken aufmerksam machen, die selbst in einem Sozialstaat wie Deutschland existieren können, wie die Beispiele Kinderarmut, Wohnungsnot und Pflege zeigen würden. Eine Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum UN-Sozialpakt durch Deutschland sei zudem "längst überfällig".

Michael Ley (ehemaliger Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte in Wien) warnte davor, den UN-Migrationspakt als Baustein einer umfassenden Migrationspolitik zu werten, wie es die Bundesregierung im Bericht tue. Wenn man Migration an sich zu einem Menschenrecht machen wolle, klinge das human und freundlich, habe aber bedenkliche Folgen: Migration sei nicht mehr steuer-, das Asylrecht im herkömmlichen Sinne nicht mehr haltbar. Europa würde mit einer weiteren Zunahme von Einwanderung aus islamischen Ländern konfrontiert sein und damit auch mit der Bildung islamischer Parallel- und Gegengesellschaften. Ley warnte vor einer "Libanonisierung der Gesellschaft" und vor einem aus islamischen Ländern importierten Antisemitismus hierzulande.

Christian Mihr (Reporter ohne Grenzen) lenkte den Blick auf das technisch hoch entwickelte System staatlicher Überwachung des Internets in China, mit dem die Behörden unerwünschte Themen im Keim ersticken könnten. Das digitale Zensurmodell sei auch für andere Staaten wie Vietnam und Kambodscha, Russland und zentralasiatische Länder attraktiv. Mit einer internationalen Medienstrategie versuche Peking zudem ein "alternatives Menschenrechtsnarrativ zu etablieren, das Universalität der Menschenrechte grundsätzlich verneint", sagte Mihr. Dass die deutsche Bundesregierung ihrerseits mit dem BND-Gesetz ihrem Auslandsgeheimdienst eine fast schrankenlose Überwachung von Journalisten im Ausland einräume, würde von autoritären Regimen "mit Genugtuung" zur Kenntnis genommen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 659 - 6. Juni 2019 - 10.03 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2019

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