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PRESSEKONFERENZ/376: Regierungspressekonferenz vom 15. Februar 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 15. Februar 2012
Regierungspressekonferenz vom 15. Februar 2012

Themen waren: Reise der Bundeskanzlerin nach Rom, Kabinettssitzung (Fortschrittsbericht 2012 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik, Bundeswehrreformbegleitgesetz, Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes, Änderung von energierechtlichen Verordnungen, neuer Sonderbeauftragter der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan), Beratungen zur finanziellen Situation Griechenlands, Lage in Bahrain, Lage in Syrien, Position der Bundeskanzlerin zur Frauenquote für Führungspositionen in der Wirtschaft, Vorgehen ägyptischer Sicherheitsbehörden gegen NGOs

Sprecher: StS Seibert, Dienst (BMVg), Kotthaus (BMF), Schneid (BMWi), Peschke (AA), Kutt (BMI)


Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag. Ich möchte eine Reise der Bundeskanzlerin ankündigen. Am Freitag dieser Woche, also übermorgen, wird sie am Vormittag zu Gesprächen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Monti und dem italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano nach Rom fliegen. Gegen 12.15 Uhr wird der Meinungsaustausch mit Herrn Monti beginnen. Im Anschluss daran, also gegen 13.15 Uhr, gibt es eine gemeinsame Pressekonferenz, und daran schließt sich ein Arbeitsmittagessen auf Einladung von Präsident Napolitano und im Beisein des Ministerpräsidenten an.

Das Kabinett hatte heute ein reichhaltiges Programm. Es sind auch einige Punkte in der Top-1-Liste, also der Liste der Themen, die ohne Aussprache beschlossen wurden, die so interessant sind, dass ich sie Ihnen nicht vorenthalten möchte. Ich mache es dennoch - oder gerade deswegen kurz.

Zunächst einmal wurde der Fortschrittsbericht 2012 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie vorgelegt und beschlossen. Das knüpft an die Nachhaltigkeitsstrategie 2002 an. Damals wurde sie eingeführt, und seitdem wurde sie fortentwickelt. Nach 2004 und 2008 ist dies jetzt die dritte umfassende Bestandsaufnahme im Rahmen eines Fortschrittsberichts. So wird nach unserer Überzeugung deutlich, wie das Prinzip der Nachhaltigkeit in allen Politikbereichen seit 2008 gestärkt wurde.

Mit dem Überblick über die deutschen Aktivitäten quer durch die Ressorts ist dieser Bericht zugleich ein Beitrag zur UN-Konferenz zu nachhaltiger Entwicklung in Rio de Janeiro im Juni dieses Jahres. Schwerpunktthemen sind auch Themen von internationaler Bedeutung. Ich will sie nur kurz anreißen: nachhaltiges Wirtschaften, Klima und Energie und nachhaltiger Umgang mit Wasser, nachhaltige Wasserpolitik.

Das Kabinett hat auch eine nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik beschlossen. Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen sind kein Randthema in unserer Gesellschaft. Sie betreffen sehr viele Menschen und sind deswegen ein gesamtgesellschaftliches Problem, das auch nur durch ein Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte bekämpft werden kann. Diese nationale Strategie, die dem Kabinett heute vorlag, soll nun also die übergreifende Ausrichtung der Drogen- und Suchtpolitik für die nächsten Jahre vorgeben. Die Schwerpunkte liegen auf der Suchtprävention, auf der Verringerung des Drogenkonsums sowie auf der Bekämpfung der Drogenkriminalität, und zwar national wie international.

Ebenfalls noch aus der Top-1-Liste nenne ich das Gesetz zur Begleitung der Reform der Bundeswehr, das sogenannte Bundeswehrreformbegleitgesetz. Ziel dieses Gesetzes ist es, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Personalanpassung in der Bundeswehr einsatzorientiert und sozialverträglich ablaufen und die Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber durch begleitende Initiativen nachhaltig gesichert werden kann. Beim Abbau des Personalüberhangs wird vorrangig eine Weiterverwendung im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft angestrebt. Erst nachrangig kommt es für eine begrenzte Personenzahl auch in Betracht, dass sie vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden. Die vorgesehenen Maßnahmen zur Reduzierung und Verjüngung des Personalkörpers gelten bis zum 31. Dezember 2017.

Nach einer kurzen Aussprache wurde im Kabinett ein Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes beschlossen. Für Kenner: Dabei handelt es sich um die Umsetzung der EU-Richtlinie Solvabilität II. Für die anderen sage ich: Es geht im Kern darum, dass die Eigenmittelanforderungen an die Versicherungsunternehmen neu geregelt werden. Bisher wurden bei diesen Eigenmittelanforderungen nur Versicherungsrisiken berücksichtigt; künftig sollen die Versicherer auch Kapital zur Absicherung anderer Risiken vorhalten. Andere Risiken sind in diesem Zusammenhang Marktrisiken, Kreditrisiken und operationelle Risiken. Das Wichtige ist: Indem diese zusätzlichen Gefahrenquellen berücksichtigt werden und auch für sie Kapital zurückgelegt wird, verringert sich das Risiko der Insolvenz eines Versicherungsunternehmens.

Ein wichtiger Punkt für Verbraucher ist die Änderung von energierechtlichen Verordnungen, die heute im Bundeskabinett beschlossen wurde. Es geht um Rechte der Verbraucher im Bereich der Energieversorgung. Konkret geht es darum, dass bereits mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes vom Sommer vergangenen Jahres eine Frist von drei Wochen eingeführt worden war, innerhalb derer man einen Lieferantenwechsel, also den Wechsel des Anbieters von Strom und Energie, abgeschlossen haben musste. Diese Bestimmungen werden nun in der Stromnetzzugangsverordnung auf diese Dreiwochenfrist angepasst. Darüber hinaus werden die Fristen, die man einhalten muss, wenn man seinen Grundversorgungsvertrag kündigen und zu einem anderen Grundversorger wechseln will, von bisher vier Wochen zum Monatsende auf zwei Wochen gekürzt.

Das heißt, Haushaltskunden werden künftig in der Lage sein, schneller und unkomplizierter ihren Stromanbieter zu wechseln und günstige Angebote schneller zu nutzen. Wir wissen, dass immer mehr Menschen diese Wechselbereitschaft haben. Insofern ist das etwas, was den Verbrauchern mehr Flexibilität gibt und damit auch ein Impuls für mehr Wettbewerb auf dem Haushaltskundenmarkt ist.

Eine Personalie: Das Kabinett hat beschlossen, Botschafter Michael Koch zum neuen Sonderbeauftragten der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan zu machen. Er tritt in diesem Amt die Nachfolge von Botschafter Michael Steiner an, dem die Bundesregierung für seinen Einsatz ganz ausdrücklich und herzlich dankt. Mit Botschafter Koch wird am 1. April dieses Jahres ein sehr erfahrener Diplomat, auch ein sehr erfahrener Kenner der Region, für die er künftig zuständig ist, das Amt übernehmen. Er war Leiter des Sonderstabs Afghanistan im Auswärtigen Amt, und er ist seit dreieinhalb Jahren der deutsche Botschafter in Pakistan.

Frage (zur Reise der Bundeskanzlerin nach Rom): Können wir ein bisschen mehr über dieses Treffen erfahren? Warum wurde es so plötzlich angekündigt? Am letzten Freitag stand es noch nicht auf der Agenda der Bundeskanzlerin. Wird es in diesem Treffen auch um die Verhandlungen bezüglich einer Aufstockung des Rettungsschirms gehen?

StS Seibert: Inhaltlich werden Sie von mir nicht sehr viel mehr erfahren können, aber vielleicht in der Pressekonferenz der Bundeskanzlerin und Herrn Montis nach dem gemeinsamen Gespräch.

Es hat schon lange die Absicht für ein solches Treffen gegeben. Herr Monti war am 11. Januar zum Antrittsbesuch hier in Berlin und hat damals die Bundeskanzlerin eingeladen, nach Rom zu kommen. Es dauert bei Menschen mit so vollem Terminkalender in diesen auch europapolitisch recht angefüllten Zeiten manchmal eine Weile, bis ein Termin gefunden ist. Wir haben ihn so schnell bekannt gegeben, wie es möglich war.

Die Kanzlerin folgt dieser Einladung sehr gern und freut sich auf eine Fortsetzung des bisher schon sehr vertrauten und intensiven Austauschs mit Herrn Monti.

Frage: Habe ich es richtig verstanden, dass das Bundeswehrreformbegleitgesetz das Kabinett ohne Beratung passiert hat?

StS Seibert: Das haben Sie richtig verstanden.

Zusatzfrage: Ist in diesem Zusammenhang aufgefallen, dass der Verteidigungsminister bei einem der wichtigsten Gesetze, die er in der Legislaturperiode realisieren will, das innenpolitisch ja nicht völlig unumstritten ist, nicht anwesend, sondern zu einer Dienstreise in den USA war? War das nicht vermeidbar?

Frage: Sie fragen, ob das bekannt war?

Zusatz: Ja, ob das bekannt war.

StS Seibert: Ja, das war bekannt. Der Verteidigungsminister war heute durch den Staatssekretär vertreten.

Frage: Die Frage war, glaube ich, ob es vermeidbar gewesen wäre oder ob es sozusagen nicht allgemein als unglücklich empfunden werden muss, dass der Minister bei diesem Termin nicht zugegen war.

Dienst: Sie können sich sicher sein, dass die Dimension in der Spiegelung, die dann durchaus ins Negative gehen könnte, allen vorher klar war. Wie Staatssekretär Seibert schon zu den Terminen der Kanzlerin ausgeführt hat, so ist es auch hier. Wenn Sie in diesen bewegten ZeitenTermine in den USA haben wollen, dann haben Sie ein Fenster. Das ist lange vorher geplant. Wenn dem auf einmal die Beschlussfassung über Gesetzesvorhaben im nationalen Kabinett entgegensteht, obwohl Sie es lange vorher anders geplant haben, dann kommt es eben zu Terminkollisionen. In diesem Fall ist es in allseitigem Einverständnis so ausgegangen, wie es eben heute ausgegangen ist. Aber da irgendetwas hineinzudichten, wäre völlig übertrieben.

Frage: Nur eine kleine Lernfrage, Herr Kotthaus: Enthält das Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes auch irgendwelche konkreten Maßzahlen, irgendwelche konkreten Kapitalanforderungen in Zahlenform, oder ist es nur der Rahmen?

Kotthaus: Das Gesetz kennen Sie eigentlich schon. Das ist nämlich die Richtlinie, die in der EU beschlossen worden ist und die jetzt auf das deutsche Gesetz übertragen wurde. Das ist die EU-Richtlinie 2009/138 vom 25. November 2009. Das sind im Wesentlichen die Vorgaben von Basel II für die Banken, parallel gespiegelt in Solvency II für die Versicherungen.

Zusatzfrage: Sind Zahlen, konkrete Vorgaben darin enthalten?

Kotthaus: Ich muss gestehen, dass mir die letzten Details jetzt nicht abrufbar sind. Das können wir nachher gerne noch bilateral klären.

Frage (zur Änderung von energierechtlichen Verordnungen): Herr Seibert, ich weiß nicht, ob Sie meine Frage beantworten können. Ansonsten geht sie an das Bundeswirtschaftsministerium und an das Verbraucherschutzministerium: Bei dieser Novelle spielt ja auch die Schlichtungsstelle, die, wenn ich es richtig weiß, Ende vergangenen Jahres - ich glaube, im November - eingerichtet worden ist, eine entscheidende Rolle. Haben Sie inzwischen Erkenntnisse darüber, wie stark frequentiert sie ist, wie oft sich Verbraucher schon an diese Schlichtungsstelle gewandt haben?

StS Seibert: Bevor sich das Fachressort äußert, will ich nur ganz kurz dazu sagen - das hätte ich erwähnen können -: In dieser Novelle steht auch, dass die Energieversorgungsunternehmen zukünftig im Rahmen der Grundversorgung ihre Kunden auf die bestehenden Beschwerdemöglichkeiten und insbesondere auf die von Ihnen erwähnte seit Oktober 2011 arbeitende Schlichtungsstelle Energie hinweisen müssen.

Schneid: Vielleicht kann ich noch kurz etwas dazu sagen. Mir liegen jetzt leider keine Erkenntnisse darüber vor, wie stark diese Schlichtungsstelle frequentiert ist; aber ich finde das natürlich gerne heraus und reiche es Ihnen dann gerne nach.

Frage: Wenn es Zahlen darüber gibt, habe ich den Wunsch, dass die Information an alle geht.

Vorsitzender Leifert: Ja. Ich habe leider nicht hinzugefügt, dass das über unseren Verteiler geht.

Frage: Herr Seibert, hat denn der Finanzminister in der Kabinettssitzung noch ein paar Worte zur aktuellen Lage hinsichtlich der Beratungen zu Griechenland verloren? Gestern Abend wurde ja das Treffen der Eurogruppe abgesagt. Hat er einen Bericht dazu abgegeben, und hat er darin möglicherweise die Perspektive gegeben, dass die Beschlüsse zum zweiten Hilfspaket für Griechenland, die eigentlich gestern Abend hätten fallen können, vielleicht doch in naher Zukunft fallen könnten?

StS Seibert: Er hat dem Kabinett kurz berichtet, dass das ursprünglich vorgesehene, aber nicht fest eingeplante, sondern für heute möglich gehaltene Treffen der Eurogruppe ausfällt beziehungsweise - man muss es wohl besser so ausdrücken: - durch eine Telefonkonferenz der Finanzminister ersetzt wird, die heute um 17 Uhr stattfinden wird, und er hat kurz ausgeführt, dass die Voraussetzungen dafür, heute auf einer Vollkonferenz der Eurogruppe Beschlüsse zu fassen, einfach nicht vorliegen. Es liegen einige, aber nicht alle Voraussetzungen vor, und nach der allgemeinen Überzeugung der Finanzminister hat es keinen Zweck, in dieser Zeit mit Stückwerk an die Öffentlichkeit zu treten. Man will vielmehr, dass alles vorliegt und dass man dann auch Beschlüsse fassen kann.

Zusatzfrage: Nun hat der griechische Finanzminister vor wenigen Stunden gesagt, dass bis zum Beginn der Telefonkonferenz die Voraussetzungen, die noch nicht vorliegen, vorliegen werden. Würden Sie mir helfen und mir noch einmal genau benennen, welche Voraussetzungen Ihnen im Moment fehlen, um Beschlüsse zu fassen? Wer muss von den griechischen Parteichefs was unterzeichnen, um die Anforderungen der Minister der Eurogruppe zu erfüllen? Genügt es, wenn sich nur die Parteichefs der Konservativen und der Sozialisten zu dem Strukturprogramm bekennen, oder muss zum Beispiel auch der Parteichef des verloren gegangenen griechischen Koalitionspartners noch eine Erklärung abgeben? Konkret an Sie, Herr Kotthaus: Genügt es überhaupt, wenn die Verpflichtungen per Unterschrift eingegangen werden, oder schwebt Ihnen ein anderes, ein stärker verpflichtendes Instrument darüber hinaus vor?

Kotthaus: Vielleicht noch ergänzend zu dem, was Herr Seibert gerade zu der Frage gesagt hat, warum es kein physisches Treffen der Eurogruppe gab: Am Dienstag fand die übliche Euro Working Group zur Vorbereitung der Eurogruppe statt. Sie werden verstehen, dass die Minister nicht unvorbereitet aufeinandertreffen, nach dem Motto: Wie schön, einmal hier zu sein, sondern dass das idealerweise auf der höheren Arbeitsebene vorbereitet worden ist. Im Verlauf der Euro Working Group wurde klar, dass einige nicht unwichtige Dokumente einfach noch nicht da sind. Dazu gehört, wie Sie gerade selber erwähnt haben, die Frage: Haben sich alle relevanten griechischen Parteien auf dieses Programm verpflichtet? Der Hintergrund davon ist - das möchte ich hier noch einmal betonen; das hat nichts mit irgendwelchen rätselhaften Wünschen zu tun -: Die griechischen Politiker haben angekündigt, dass sie demnächst Wahlen durchführen wollen. Dabei ist es das übliche Prozedere, wie wir es auch in Portugal und in Irland gehalten haben, sicherzustellen, dass sich auch die Parteien, die eventuell nach einer Wahl die Regierung übernehmen würden, dazu bekennen, dieses Programm weiter fortzusetzen. Ich glaube, es ist relativ normal, wenn man als Partner gemeinsam ein Paket schnürt, dass beide Seiten wissen, was in Zukunft zu erwarten ist.

Das fehlte also. Bis jetzt gab es keine Schuldentragfähigkeitsanalyse. Die Frage der Finanzierungslücke, die Sie kennen, war auch noch nicht beantwortet und Ähnliches mehr. Es wäre sicherlich zu begrüßen, wenn diese Dokumente heute bis zur Telefonkonferenz vorlägen. Nur, hier und jetzt kann ich das noch nicht bestätigen. Daher gehe ich davon aus, dass die heutige Telefonkonferenz der Eurogruppe eine Bestandsanalyse sein wird: Was haben wir jetzt? Was ist da? Ist das ausreichend? Wir werden auch sicherlich von der Troika darüber informiert werden, was die Beschlüsse des griechischen Parlaments im Detail bedeuten und ob die vorher geäußertem Wünsche und Ideen, um das nächste Griechenland-Paket dann auch zu finalisieren, damit erfüllt sind. Heute wird also noch einmal eine Bestandsaufnahme durchgeführt, und dann haben wir ja am Montag die schon seit Langem anberaumte übliche Sitzung der Eurogruppe, die sich dann sicherlich vor Ort und in physischer Art vertieft mit dem Thema beschäftigen kann.

Zusatzfrage: Noch einmal und wiederholt gefragt: Wer muss jetzt unterzeichnen? Genügt es, wenn sich die Chefs der beiden großen Parteien in Griechenland hinter dieses Programm stellen, oder müssen weitere, auch Parteichefs aus der Opposition, unterzeichnen? Denn wenn ich das richtig lese, gibt es ja ein relativ hohes Maß an Unsicherheit im Hinblick auf den Wahlausgang in Griechenland. Jetzt noch große Parteien könnten später relativ klein werden, und jetzt noch kleine Parteien könnten nach der Wahl relativ groß werden. Wer konkret muss also unterzeichnen, und ist es quasi mit einem formlosen Schreiben getan, das besagt: Hiermit bekenne ich mich über den Wahltag hinaus zum verabredeten Strukturprogramm? Genügt es, eine solche Erklärung zu unterschreiben, oder haben Sie andere Formen von Verpflichtungen im Kopf?

Kotthaus: Diese Frage wird sicherlich eine der Fragen sein, die auch heute zu diskutieren sein werden. Denn richtig ist: Es geht nicht um die Frage der Form, nicht darum, ob das mit Siegel oder mit Sternchen versehen sein muss, sondern es geht darum, dass die Partner Griechenlands Sicherheit haben, dass das Bekenntnis der griechischen politischen Parteien zu diesem Programm auch nach der Wahl fortbesteht. Es geht um Verlässlichkeit, um nichts anderes. Wie das genau zu gewährleisten sein muss und wie das genau aussehen kann, dass tatsächlich alle Beteiligten ausreichende Sicherheit haben, dass wir uns auf das Gleiche einigen, dass jeder weiß, was in Zukunft zu erwarten ist, dass jeder eine klare Vorstellung davon hat, was dann kommt, und sich darauf verlassen kann, das ist, glaube ich, die relevante Frage.

Sicherlich wird sich auch ein Teil der Telefonkonferenz heute damit beschäftigen müssen, wie das genau sicherzustellen ist. Das hat weniger mit der Form zu tun, sondern einfach nur mit der Frage: Können wir davon ausgehen, dass wir alle über das Gleiche reden, das Gleiche wollen, das Gleiche anstreben? Dementsprechend können wir den Weg frei machen, um in Griechenland die erforderlichen positiven Maßnahmen umzusetzen.

Zusatzfrage: Können Sie noch einmal etwas zum Personenkreis sagen?

Kotthaus: Nein, das kann ich nicht, weil genau diese Frage diskutiert werden muss: Wie ist das sicherzustellen? Darum geht es. Es geht um Vertrauen, Verlässlichkeit und Sicherheit, dass das, was wir verabreden, auch dementsprechend in der Zukunft gilt; egal, ob nun Wahlen stattfinden oder nicht oder, wie Sie selber sagten, wer immer auch gewinnt. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass das Programm nicht nur eine kurze Dauer hat, sondern dass es auch in Zukunft dementsprechend umgesetzt wird.

Das ist die Idee. Das Programm ist darauf angelegt, über einen längeren Zeitraum Griechenland die Zeit zu geben, die erforderlichen Reformen durchzusetzen, umzusetzen und dadurch wieder fähig zu sein, in einem längeren Zeitraum wieder an den Kapitalmarkt zurückzukehren. Aber das kann nur funktionieren, wenn sich alle dem stellen, wenn alle sich dazu bekennen und wenn alle auch mitmachen. Wie das genau läuft, wird sicherlich eine der Fragen sein, die wir heute in der Telefonkonferenz diskutieren müssen.

Frage: Eine Frage, die sich an das anschließt, was Sie gesagt haben, Herr Kotthaus. Wenn man die Realität in Griechenland betrachtet, haben wir bis jetzt zwei große Parteien gehabt, die dieses Programm mittragen, die für dieses Programm im Parlament eine Mehrheit haben und mit dieser Mehrheit dieses Programm beschlossen haben. Bis jetzt habe ich diese Forderung hinsichtlich der Unterschriften der Parteichefs so verstanden, dass auch der konservative Chef seine Unterschrift darunter setzt. Wenn man jetzt nicht nur konkret von diesen zwei großen Parteien, sondern von allen politischen Kräften so etwas fordert, ist es nicht so, dass man von vornherein ausschließt, dass es solche Unterschriften geben wird? Von der Kommunistischen Partei wird es überhaupt keine Unterschrift geben. Auch von anderen Parteien, die sich so lange gegen dieses Programm gestellt haben, kann man nicht verlangen: Jetzt unterschreibt ihr dieses Programm.

Kotthaus: Vielleicht habe ich mich unklar ausgedrückt. Es geht nicht darum, von allen Parteien und von jedem einzelnen Griechen zu sprechen, der unterschreiben muss, sondern es geht darum, eine Verlässlichkeit herzustellen. Die Partner Griechenlands in der Eurogruppe sind alle sehr darum bemüht, für Griechenland eine positive Zukunft zu schaffen, und zwar mit allen gegenseitigen Leistungen. Es ist eine Frage von Solidarität, aber auch Solidität und Gemeinsamkeit, dass wir eine Verlässlichkeit haben, dass das Programm auch über einen Wahltermin hinaus Fortbestand hat. Darum geht es, also um Verlässlichkeit.

Wie das dann konkret gewährleistet sein muss, wie das genau zu garantieren ist, ist im Wesentlichen eine Frage, die uns die griechischen Kollegen werden erläutern, klarstellen und darlegen müssen. Aber es muss sicherlich noch einmal diskutiert werden: Wie können wir diese Verlässlichkeit herstellen?

Ich glaube, wir beide sind uns doch in einem einig: Es macht wenig Sinn, zu sagen: Wir machen ein Programm, und in vier Wochen - oder wann immer die Wahlen sind - ist wieder alles anders. Es geht darum, eine Verlässlichkeit herzustellen. Wie das genau aussieht, weiß ich nicht. Das kann ich momentan nicht diskutieren. Das muss diskutiert werden. Darum geht es und um nichts anderes.

Bitte, ich habe nicht von allen Griechen und allen Parteien und Ähnlichem mehr gesprochen, sondern einfach nur von der Frage Verlässlichkeit, dass alle Seiten wissen, auf was man sich einlässt.

StS Seibert: Ich würde das gerne noch ergänzen. Ich glaube, es muss allen klar sein, dass Griechenland und seine europäischen Partner sich 2010 auf einen gemeinsamen Weg gemacht haben. Dieser gemeinsame Weg ist nicht mit Pasok oder irgendeiner griechischen Partei angetreten worden, sondern mit der griechischen Regierung, die für Griechenland spricht. Dieser gemeinsame Weg kann nur weitergegangen werden, wenn beide Seiten das Ihre dazu tun, die europäischen Partner weiterhin dieses hohe Maß an Solidarität beweisen und die griechische Regierung - Griechenland - weiterhin das hohe Maß an Eigenanstrengungen, Reformbereitschaft usw. fortsetzt. Wenn dieser Weg gegangen werden soll, dann muss man wissen, dass er auch nach der Wahl - wann immer sie sein wird - fortgesetzt wird; sonst muss man auch wissen, dass dieser Weg nicht gegangen werden kann. Ich glaube, das ist das, was man im Interesse beider Seiten - Europas und Griechenlands - klären möchte.

Zusatzfrage: Um dieses Ziel zu erreichen, gab es in der Diskussion den Punkt, dass man in der Eurogruppe ein Dokument unterzeichnet, das Maßnahmen enthält, die die griechische Regierung zu unternehmen hat. Ist dieses Dokument immer noch in der Diskussion?

Kotthaus: Ich vermute, Sie reden jetzt von den sogenannten "prior actions", also von den Sachen, die noch aus dem alten Programm erledigt werden müssen, respektive, die schon so weit finalisiert sein müssen, dass man auch da einen Grad von Verlässlichkeit herstellen kann. Sie kennen die Diskussion über dieses Treuhandkonto und Ähnliches mehr von der letzten Runde.

Über diese Liste wird sicherlich auch noch diskutiert werden müssen. Ich habe momentan auch noch keine finalisierte Liste vorliegen, wo man sagen könnte: Bei den Punkten A, B, C kann man einen Haken machen. Das muss erledigt werden.

Noch einmal, um die Frage in Sachen Verlässlichkeit klarzustellen: In Irland haben sich alle Parteien, inklusive der Opposition, auf das Programm verpflichtet. Sie haben gesagt: Das ist in unserem Interesse. Es gab eine ähnliche übergroße Unterstützung in Portugal, wo gesagt wurde: Das ist gut für unser Land. In Italien hat man den Weg gewählt zu sagen: Jetzt machen wir eine Regierung von Technokraten, um das vorwärts zu bringen und gemeinsam die notwendigen Reformen durchzuführen.

Sie sehen also, dass es verschiedene Modelle gibt, wie man Verlässlichkeit herstellen kann. Man muss eben schauen, welches Modell das richtige ist, damit wir auch sicher davon ausgehen können, dass die Gelder, die die Partner an Griechenland geben, auch dementsprechend für den vereinbarten Zweck genutzt werden und damit auch Griechenland auf diesen Pfad der positiven Entwicklung kommt. Darum geht es, um das einmal ganz klar zu ziehen.

Zusatzfrage: Sie sprachen von Modellen, also vom irischen und vom portugiesischen Modell. Wird man mit Griechenland genauso verfahren? Oder wird es auch ein griechisches Modell geben?

Kotthaus: Noch einmal: Wir müssen heute in der Telekonferenz klären - ich wiederhole mich, und ich entschuldige mich dafür -, wie wir diese Frage der Verlässlichkeit herstellen. Das wird sicherlich eine Frage in der Diskussion heute sein. Es ist sicherlich auch nicht hilfreich, wenn man dann hört: Ja, wir unterschreiben einmal und machen dann etwas anderes. - Das ist auch schwierig. Solche Fragen müssen diskutiert werden. Es geht darum, dass beide Seiten gemeinsam daran arbeiten, dass Griechenland wieder auf die Beine kommt.

Frage: Es gibt auf den Finanzmärkten viele Gerüchte, dass Deutschland sich entschieden hat, dass eine griechische Insolvenz unvermeidbar beziehungsweise akzeptabel ist. Können Sie, Herr Seibert, Herr Kotthaus, eine klare Antwort darauf geben?

StS Seibert: Ich kann ganz klar für die Bundesregierung sagen, dass diese Gerüchte falsch sind. Eine solche Entscheidung Deutschlands gibt es nicht. All das, was wir Ihnen hier beschreiben, ist doch ein Zeichen, dass Deutschland mit seinen europäischen Partnern daran arbeitet, einen gangbaren Weg für Griechenland aus der Krise zu finden. Das ist der Geist und der Sinn dieses zweiten griechischen Programms. Das ist der Geist hinter dem erheblichen Schuldenerlass durch die privaten Gläubiger, der verhandelt wird. Das ist der Geist insgesamt hinter den Beschlüssen des Europäischen Rates vom Oktober 2011, die jetzt Stück für Stück zusammen mit den Griechen umgesetzt werden sollen.

Kotthaus: Ergänzend: Mein Minister ist ja nicht jemand, der sich vor der Presse versteckt. Sie finden deswegen praktischerweise auch aus jüngster Zeit relativ viele Zitate von ihm. Dort wird doch glasklar - das hat er mehrfach betont -, dass wir alles tun und alles daran setzen werden, um Griechenland wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Es ist aber genauso glasklar, dass es die Griechen machen müssen. Wir können die Reformen nicht für Griechenland erledigen, sondern das liegt in den Händen Griechenlands. Aber so lange Griechenland diesen Weg gehen möchte, werden wir alles tun, um Griechenland dabei zu unterstützen. Das ist ohne die winzigste Abweichung die gleiche Linie, die wir seit dem Jahr 2010 eindeutig vortragen. Mit Gerüchten kann ich nichts anfangen. Ich glaube, in dieser Bundesregierung ist eindeutig und klar - vielfach auch "on the record"- und in jüngster Zeit, aber auch in vergangenen Zeiten völlig klare Linie: Wir wollen Griechenland helfen.

Frage: Herr Seibert, ich möchte Herrn Kotthaus nicht weiter quälen. Deswegen frage ich Sie noch einmal: Habe ich Sie richtig verstanden, dass es der Kanzlerin nicht reicht, wenn Pasok und Samaras zustimmen?

Herr Kotthaus, an Sie habe ich noch zwei Detailfragen. Sie sagten, es gebe da noch dieses Finanzloch. Worüber reden wir? Von der Bankenseite hört man, dass PSI im Prinzip durch ist. Die Regierungen der Euroländer verhandeln inzwischen darüber, wo sie vielleicht nachlassen können, speziell bei den Zinsen für die Hilfskredite.

Eine Frage habe ich noch zu den "prior actions": Wir wollen ja nicht unbedingt die komplette Liste, aber vielleicht einen Abriss, was noch offen ist. Das wäre ja eigentlich ganz schön, zumal wir schon am Montag danach gefragt haben.

StS Seibert: Zu Ihrer Frage: Ich kann nur das wiederholen, was Herr Kotthaus gerade gesagt hat. Was wir brauchen, ist Gewissheit im europäischen und griechischen Interesse, dass über einen Wahltermin hinaus das gemeinsame Programm, der gemeinsame Weg fortgesetzt werden kann. Es wird eine Aufgabe der Finanzminister heute sein, zu klären, welche Zahl von Unterschriften und von schriftlichen Bekenntnissen ihnen diese Gewissheit ausreichend gibt.

Zuruf: Das ist aber spät. Das ist doch etwas, wo man sich vorher eigentlich schon gefragt haben müsste: Von wem wollen wir das haben?

StS Seibert: Sie haben diese Forderung heute auch nicht zum ersten Mal von uns gehört. Die Forderung, dass es ein schriftliches und verbindliches Bekenntnis zu dem Programm und dem Reform- und Konsolidierungsweg gibt, haben Sie hier heute nicht das erste Mal gehört.

Zuruf: Sie lassen sich doch sozusagen offen, zu sagen: Wenn die und die nicht zustimmen, ist es auch egal. Wir wollten nur die. - Wir wollen eigentlich wissen: Woran können wir festmachen, dass es ein Erfolg ist oder nicht? Das ist das, wonach wir fragen.

Kotthaus: Im gewissen Maße ist jedes Land ein bisschen anders. Noch einmal: Ich habe Ihnen gerade geschildert, wie das in Portugal und Irland lief. Ich habe Ihnen geschildert, wie die Italiener das gemacht haben. Die einzige Frage - sicherlich hängen auch Fragen wie Umfrageergebnisse, aber auch Äußerungen einzelner Parteivorsitzender damit zusammen -, die sich heute relevant stellt, ist: Wie stellen wir sicher, dass das Programm fortdauert? Das ist eine Frage, die uns im Wesentlichen unsere griechischen Partner beantworten müssen. Sie sind ja diejenigen, mit denen wir diese Fragen diskutieren müssen.

Zum Thema Finanzlücke: Sie wissen, es gibt immer noch die Frage einer Finanzlücke von über 300 Millionen Euro für dieses Jahr, die noch geklärt werden muss. Daran arbeitet die griechische Regierung auch seit geraumer Zeit. Das soll heute noch einmal gemeinsam mit der Troika in Athen geklärt werden. Dann wird die Troika berichten, ob sie jetzt sozusagen erkennen kann, dass das Programm für 2012 ff. in sich stimmig ist. Das ist eine dieser "prior actions".

Bei den "prior actions" ist auch die Frage zu klären, was mit diesem Treuhandkonto ist, das bei der letzten Sitzung der Eurogruppe diskutiert wurde. Bei den "prior actions" ist auch die Frage zu klären: Wie stellen wir sicher ...(akustisch unverständlich). Wie kann die Implementierung gemonitort werden? Sie kennen auch diese Diskussion aus der letzten Eurogruppe, die von Herrn Juncker vorgestellt worden ist. Auch brauchen wir eine Bewertung der Troika im Bereich der Löhne, der Renten und Ähnliches mehr. Ist das schon alles so da, wie wir es brauchen? Das ist eine generelle Entscheidung. Diese Fragen müssen jetzt einfach abgeklärt werden. Die Liste kennen Sie. Sie geht auf das erste Griechenland-Programm zurück. Sie hat damit zu tun, im Wesentlichen Aktionen herbeizuführen, die Griechenland wettbewerbsfähiger machen. Das muss einfach noch abgearbeitet werden. Daran arbeiten wir. Sicherlich wird es heute bei der Telefonkonferenz eine Diskussion über die Frage geben: Wo stehen wir da? Was ist erreicht? Was muss noch kommen?

Frage: Ich muss sagen, dass die vorherige Klarstellung des Regierungssprechers zumindest bei mir ein bisschen Verwirrung ausgelöst hat. Ich meine die Klarstellung, dass es vor allem um die Haltung der griechischen Regierung geht. Bisher habe ich das so verstanden, dass dabei auch die maßgeblichen griechischen Parteien mit unterschreiben sollen. In Griechenland wird inzwischen, was diese maßgeblichen Parteien angeht, von "Parteien, die Verantwortung tragen" gesprochen. Diese Parteien sind ausdrücklich die Parteien Pasok und Nea Dimokratia. Darüber gibt es keine mehr. Ist das auch für Sie ein Kriterium? Man kann heute bei den Gesprächen mit der griechischen Regierung nicht einfach so ins Blaue gehen. Ist dieser Begriff ein Kriterium? Werden diese Parteien, die Verantwortung tragen, der Punkt sein, wenn die Gespräche geführt werden?

Kotthaus: Es tut mir leid, wenn ich mich noch einmal wiederhole. Ich versuche, das umzuformulieren. Was für alle europäischen Partner und den IWF relevant und wichtig ist, ist, dass wir wissen, wann immer auch Wahlen in Griechenland sind - das soll angeblich innerhalb der nächsten 12 Monate passieren, Sie wissen, dass man bei einem Programm immer auf 12 Monate wissen muss, was passieren wird -, dass dann dieses Programm auch fortgesetzt und umgesetzt wird. Das ist die relevante Frage.

Wie die griechische Seite sicherstellen kann, diese Verlässlichkeit herzustellen, wird man dann sehen müssen. Beim letzten Programm wissen wir beide noch, dass mit den Unterschriften von Pasok und Nea Dimokratia und von den dementsprechenden Mehrheiten her eindeutig klar war, wo das lang lief. Man wird jetzt sicherlich diskutieren müssen: Ist das der richtige Weg? Ist diese Verlässlichkeit so herzustellen?

Sie haben sicherlich recht: Wenn man sich die griechische Geschichte anschaut, waren immer entweder Nea Dimokratia oder Pasok mit in der Regierung oder an der Regierung. Korrigieren Sie mich, wenn ich mich da vertue. Aber ich glaube, das trifft in den letzten Jahrzehnten zu.

Nichtsdestotrotz muss man heute einfach noch einmal schauen - das wird ein Teil der Diskussion sein -, ob diese Verlässlichkeit gegeben ist. Ich habe Ihnen die verschiedenen Modelle geschildert, wie es bei anderen Staaten gelaufen ist. Diese Unterschrift unter einen Brief nach dem Motto "Das finden wir gut" ist sicherlich eine Form, die in der Vergangenheit positiv war. Wie gesagt: Es hilft nicht wirklich, wenn man anderseits hört: Das ist alles nur ein Brief, und danach gucken wir mal.

Es muss einfach Verlässlichkeit darstellen - das ist das Wichtige für uns -, und zwar Verlässlichkeit in jeglicher Hinsicht, dass man sich darauf einlässt: Das ist das Programm, mit dem wir gemeinsam Griechenland wieder auf Vordermann bringen wollen.

Zusatzfrage: Es geht, wie gesagt, um Parteien. Aber darüber hinaus gibt es auch andere wichtige Kräfte in Griechenland, zum Beispiel den griechischen Gewerkschaftsbund. Ist das auch ein Partner, der aufgefordert wird, mit zu unterschreiben?

Kotthaus: Wenn das ein Vorschlag der griechischen Seite wäre, würden wir uns dem bestimmt nicht verschließen. Aber ich glaube, es geht im Wesentlichen um die handelnden politischen Kräfte.

Vorsitzender Leifert: Herr Kotthaus, vielleicht können Sie uns kurz erklären, wer denn da in der Bringschuld ist. Sollen die Griechen den Vorschlag machen, wie man Verlässlichkeit herstellt?

Kotthaus: Nein. Ich gehe nur davon aus, dass heute die Diskussion geführt wird: Wie können wir uns darauf verlassen, dass das Programm fortgeführt wird? Ich bin sicher, dass unsere griechischen Kollegen uns dann einen Vorschlag machen werden, wie das hergestellt werden kann, und uns auch erklären, dass das damit auch gesichert ist.

Frage: Herr Schäuble wiederholt jeden Tag in Interviews, dass die Eurozone jetzt besser gegen einen Austritt Griechenlands gewappnet ist. In Griechenland glauben viele, dass das ein schlechtes Signal ist. Langsam gibt es sozusagen Panik. Ist Herrn Schäuble bewusst, was er in Interviews sagt?

Kotthaus: Ich werte den zweiten Teil Ihrer Frage als rhetorische Frage.

Zusatz: Ja, bitte.

Kotthaus: Das ist nett. - Der Minister sagt jedes Mal, wenn er gefragt wird: Wir werden alles tun, um Griechenland in der Eurozone zu helfen. Wir werden alles tun, um auch Griechenland auf diesen Weg zu bringen, den wir gemeinsam verabreden werden, verabredet haben. Darum geht es uns. Das ist unser Ziel. Das ist unsere Kernthematik. Um nichts anderes geht es. Wir wollen verhindern, dass es zu einem anderen Weg kommt.

Dann wird er dummerweise immer von Journalisten gefragt: Ja, aber was ist, wenn? Darauf sagt er immer: Wir gehen davon aus, das wird nicht so sein, sondern wir wollen Griechenland helfen. Nach der dritten und vierten Nachfrage sagt er dann, dass wir, die Entwicklung bezüglich der Rettungsschirme seit 2010 und die Strukturreformen in den Ländern im Fokus, mit dem Fiskalpakt, mit Euro-Plus, mit den gesamten Maßnahmen, die wir in den letzten Monaten und Jahren getroffen haben, sicherlich sehr viel stabiler und besser dastehen als 2010, als die Krise ausbrach.

Es ist, glaube ich, ein Faktum, aber ich wiederhole es gerne noch einmal: Von unserer Seite aus werden wir alles tun, um Griechenland zu helfen; nur, es müssen im Endeffekt die Griechen sein, die diesen Weg gehen wollen und die diese Reformen umsetzen. Wir können das nicht erledigen. Aber an den Reformen führt leider kein Weg vorbei, damit Griechenland wieder wettbewerbsfähig wird und wieder auf eigenen Beinen stehen kann. - War das ausreichend klar?

Zusatz: Ja.

Frage: Offensichtlich besteht die große Sorge, dass das Reformprogramm nicht durchgesetzt wird. Ist in diesem Zusammenhang der Sparkommissar immer noch ein Thema?

Kotthaus: Es besteht keine große Sorge, ob das Programm durchgesetzt wird, nur haben wir eben festgestellt, dass in der Vergangenheit einige Maßnahmen, die fest verabredet waren, mit einer großen zeitlichen Verzögerung oder gar nicht oder anders umgesetzt worden sind. Ein klassisches Beispiel dafür sind die Privatisierungen. Deswegen hat die Eurogruppe - noch einmal: das war die Eurogruppe - bei der letzten Sitzung in Brüssel dieses Thema diskutiert und gesagt, es wäre sicherlich hilfreich, wenn wir mit so etwas arbeiten wie einem "escrow account", also mit einem Treuhandkonto, respektive, wenn wir schauen, dass wir auch vor Ort größere Expertise haben, um die griechische Regierung entsprechend zu unterstützen und zu begleiten und dadurch auch zu gewährleisten, dass die Umsetzung und Implementierung leichter funktioniert. Und wie gesagt: Wenn wir jetzt das Griechenland-II-Programm angehen wollen, lautet eben die Frage: Können wir sicherstellen, dass es von allen Seiten gleichermaßen gewollt, gewünscht und umgesetzt werden wird? Aber wir haben es gemeinsam entwickelt. Die Troika hat es mit der griechischen Regierung diskutiert, und jetzt müssen wir eben schauen, dass die letzten Dinge, die fehlen - ich habe sie vorhin aufgelistet -, auch noch vorhanden sind. Denn noch einmal: Ohne die Unterlagen, ohne zum Beispiel den Troika-Bericht, ohne die Schuldentragfähigkeitsanalyse usw. können Sie keine seriöse Entscheidung über eine Summe fällen, die schon recht beeindruckend ist. Das sind wir auch unseren Steuerzahlern und anderen gegenüber schuldig.

Noch einmal: Es ist aber ein gemeinsames Anliegen, ein gemeinsamer Ansatz, mit dem wir diese Dinge erreichen wollen. Nur, dafür müssen die verabredeten erforderlichen Gegebenheiten vorhanden sein. Das ist bis jetzt nicht der Fall.

Frage: Zwei technische Fragen: Ist es vorstellbar, dass die Hilfeentscheidung der Europäer insofern aufgespalten wird, als zunächst der Part, der zur Absicherung des Anleihentausches für die privaten Gläubiger reserviert ist, also die 30 Milliarden Euro, separat politisch beschlossen werden, und die übrigen 100 Milliarden Euro dann erst in einem späteren Prozess?

Kotthaus: Lassen Sie uns erst einmal abwarten, was alles in der heutigen Telefonkonferenz besprochen wird. Danach können wir gern weiter darüber nachdenken, was man wo und wie macht. Mehr kann ich dazu momentan nicht sagen.

Frage: Herr Peschke, eine Frage zur Entwicklung in Bahrain: In den letzten Tagen gab es ja wieder blutige Proteste anlässlich des Jahrestags des blutig niedergeschlagenen Aufstands in Bahrain. Es fällt auf, dass die Bundesregierung bis jetzt zu diesen Entwicklungen geschwiegen hat. Wie ist dieses Schweigen zu verstehen?

Peschke: Wir haben weder geschwiegen, noch haben wir nichts gemacht. Das Gegenteil ist richtig: Wir haben uns immer wieder zur Lage in Bahrain geäußert und unserer Sorge Ausdruck verliehen. Außenminister Westerwelle hat das auch wiederholt getan und darauf hingewiesen, dass dieser schwelende innenpolitische Konflikt in Bahrain gelöst werden muss. Grundlage dafür - auch das hat der Außenminister immer wieder deutlich gemacht - muss die ernsthafte und zügige Implementierung der Empfehlungen der internationalen Bassiouni-Kommission sein, die ja eine Untersuchung der gewaltsamen Ausschreitungen vom Februar/März 2011 vorgelegt hat.

Um es in dieser Frage nicht nur bei Worten und Erklärungen - die natürlich wichtig sind, um unserer Position Ausdruck zu verleihen - zu belassen, war in der letzten Woche auch ein hochrangiger Diplomat der Bundesregierung, des Auswärtigen Amtes, in Manama und hat dort Gespräche mit den Verantwortlichen der bahrainischen Regierung und auch mit Oppositionsvertretern darüber geführt, wie es gelingen kann, auf Grundlage des Berichtes der Bassiouni-Kommission jetzt Wege zu finden, die aus dieser wie vor schwelenden innenpolitischen Auseinandersetzung herausführen. Die Bundesregierung ist nach wie vor der Meinung, dass letztendlich nur eine glaubhafte Umsetzung der Ergebnisse dieses Kommissionsberichtes sozusagen der Katalysator für ernsthafte politische Reformschritte sein kann. In dieser Richtung werden wir immer wieder öffentlich und, wie ich gerade zum Ausdruck gebracht habe, auch nichtöffentlich in Gesprächen mit allen Beteiligten direkt auf eine Beilegung der innenpolitischen Streitigkeiten in Bahrain dringen.

StS Seibert: Ich möchte das, was Herr Peschke für das Auswärtige Amt gesagt hat, kurz ergänzen: Die Bundeskanzlerin hatte den bahrainischen Kronprinzen Ende letzten Jahres hier in Berlin zu Besuch und hat ihm bei der Gelegenheit genau in dem Sinne, wie es Herr Peschke gerade vorgetragen hat, sehr klar die Forderung ausgesprochen, dass die Untersuchungsergebnisse der Kommission - die ja zwei Zielrichtungen haben, nämlich erstens Versöhnung unter den Volksgruppen in Bahrain und zweitens Gerechtigkeit gegenüber den Angehörigen der Opfer der Unruhen, die dort stattgefunden haben - umgesetzt werden müssen. Das ist eine sehr klare Position gewesen, die die Kanzlerin da eingenommen hat.

Zusatzfrage: Herr Peschke, verurteilt die Bundesregierung das Vorgehen der bahrainischen Sicherheitskräfte gegen die Protestierenden?

Peschke: Wir sind vor dem Hintergrund der jüngsten Ausschreitungen schon sehr besorgt, und wir appellieren an die Sicherheitskräfte, alles zu tun, um weitere Gewalt zu vermeiden. Wir sagen aber auch, dass auch die Oppositionsgruppen angehalten sind, auf Gewalt und Provokationen zu verzichten.

Frage: Herr Peschke, zum Stichwort Syrien: Morgen soll ja der Versuch unternommen werden, in der Vollversammlung so etwas wie eine Resolution zustande zu bringen. Da gibt es kein Veto, aber das ist auch rechtlich nicht bindend. Können Sie einschätzen, wie da die Erfolgsaussichten sind? Was kann so eine Resolution bringen?

Peschke: Vielleicht erst einmal zum Zeitablauf: Es gibt Pläne, sehr schnell - eventuell schon morgen - eine Resolution in der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Abstimmung zu stellen. Ob das zeitlich dann auch so hinkommt, wird abzuwarten sein. Hier sind die Staaten der Arabischen Liga, die arabischen Staaten, im Fahrersitz und arbeiten sehr stringent auf eine zeitnahe Befassung der Generalversammlung der Vereinten Nationen hin. Die Bundesregierung, der Außenminister und die Europäische Union insgesamt unterstützen das Vorgehen der Arabischen Liga, in der Generalversammlung der Vereinten Nationen schnell zu einer Abstimmung über den von den arabischen Staaten vorgelegten Resolutionsentwurf zu kommen, der ja eine klare Verantwortungszuweisung, eine Unterstützung der verschiedenen Pläne der Arabischen Liga und eine Wegweisung zur Lösung der Krise in Syrien enthält. Aus unserer Sicht ist das ein gelungener Entwurf.

Zur Frage, was so eine Resolution bewirken kann: Ihnen ist bekannt, dass eine Resolution der Generalversammlung nicht die rechtsbindende Kraft wie eine Resolution des UN-Sicherheitsrates haben kann; das ist nach Lage der Dinge und der Satzung der Vereinten Nationen der Fall. Dennoch ist es natürlich so, dass von einer Resolution der Generalversammlung ein politisches Signal ausgehen kann - in Abhängigkeit davon, wie die Resolution der Generalversammlung ausfällt und wie viele Staaten der internationalen Staatengemeinschaft der Uno diese Resolution dann mittragen. Da ist aus unserer Sicht schon die Erwartung, dass es zu einem starken politischen Signal der Verurteilung der Gewalt in Syrien, der Gewalt durch das syrische Regime kommt, dass die Generalversammlung stellvertretend für die internationale Staatengemeinschaft eine klare Positionierung vornimmt. Insofern gibt es die Erwartung, dass möglichst viele Staaten den Resolutionsentwurf unterstützen können und dass auch die internationale Isolierung des Assad-Regimes und des Repressionskurses des Assad-Regimes durch eine solche Resolution noch einmal sehr deutlich wird.

Zusatzfrage: Eine Zusatzfrage dazu an das Innenministerium: Es gab gestern einen Bericht von "Report Mainz", die gesagt haben, dass noch bis März vergangenen Jahres syrische Staatsbürger nach Syrien abgeschoben worden seien, obwohl man zu diesem Zeitpunkt schon von der zunehmend schwierigen Lage gewusst habe, und dass es eigentlich erst seit Mitte 2011 Praxis war, das nicht mehr zu tun. Stimmt das so, können Sie das so bestätigen?

Kutt: Aufgrund der gewaltsamen Entwicklungen in Syrien hat das Bundesinnenminister im April vergangenen Jahres in einem Schreiben an die Länder empfohlen, von Abschiebungen abzusehen. Grundsätzlich muss man sagen, dass ein Abschiebestopp nur von den Ländern angeordnet werden kann. Vor diesem Zeitpunkt, das heißt, in den Jahren 2009 und 2010 - worauf sich der Beitrag gestern bezog - hat es in Einzelfällen Abschiebungen syrischer Staatsangehöriger gegeben. Diese sind aber nur dann erfolgt, wenn, wie es heißt, kein Schutzbedarf gesehen oder festgestellt wurde. Das eigentliche Asylverfahren läuft ja beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Im Rahmen dieses Verfahrens gibt es immer Anhörungen mit den asylsuchenden Personen, in denen geprüft wird, ob sie politisch verfolgt werden oder ob beispielsweise aus humanitären Gründen von einer Abschiebung abgesehen werden kann. In Einzelfällen hat es eben Abschiebungen gegeben. Aber aufgrund der Menschenrechtslage, die sich im vergangenen Jahr massiv verschlechtert hat, hat man eben davon abgesehen beziehungsweise hat den Ländern empfohlen, keine Abschiebungen mehr vorzunehmen. Das ist nach unserem Kenntnisstand auch nicht erfolgt.

Kotthaus: Ich habe noch eine Ergänzung zu Solvency II - Sie fragten ja nach Zahlen -: Solvency II ist ähnlich wie Basel II vor allen Dingen prinzipienbasiert und wird dann später durch Durchführungsbestimmungen der EU-Kommission und durch die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA konkretisiert. Dementsprechend ist das eher prinzipien- als zahlenlastig.

Frage: Herr Seibert, ich habe heute in einer großen Tageszeitung einen Bericht gelesen, der den Eindruck erweckte, die Kanzlerin habe in Sachen Frauenquote ihre Position geändert oder sei dabei, sie zu ändern - sie hat ja bisher eine Frauenquote für Führungspositionen in der Wirtschaft abgelehnt, wenn ich mich da richtig erinnere. Stimmt das, tut sich da etwas?

StS Seibert: Nein, das stimmt nicht. Entweder hat der Bericht falsch interpretiert oder Sie haben den Bericht falsch interpretiert - jedenfalls hat sich an der Haltung der Kanzlerin in Sachen Frauenquote nichts geändert. Die Bundeskanzlerin ist nach wie vor fest davon überzeugt, dass Deutschland mehr Frauen in den Führungsetagen der großen Unternehmen braucht. Wir haben derzeit drei Prozent Frauenanteil in den Vorständen und zehn Prozent Frauenanteil in den Aufsichtsräten. Das ist allemal zu wenig. Die Bundeskanzlerin möchte den Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht die Möglichkeit nehmen, ihre spezifischen Ziele für die Besetzung von Aufsichtsräten und von Vorständen zu formulieren.

Es ist aber essenziell - und darauf weist die Kanzlerin immer wieder hin -, dass diese Selbstverpflichtungen dann auch ausreichende Verbindlichkeit bekommen. Praktisch sieht das so aus, dass die Kanzlerin sich dazu bekennt, dass man einen Stufenplan braucht, so wie er im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Sie unterstützt die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder genau in der Absicht, die sie hat, diesen Stufenplan mit einem abgestimmten Konzept in die Wirklichkeit umzusetzen. Man könnte sagen, mit diesem Plan wird den Unternehmen noch einmal - vielleicht ein letztes Mal - eine Brücke gebaut.

Insofern gibt es in der Bundesregierung, zwischen der Kanzlerin und der Bundesfrauenministerin, absolute Einigkeit darüber, dass es unser Ziel sein muss, mehr Frauen in die Führungsetagen der großen Unternehmen zu bekommen. Die Haltung der Kanzlerin hat sich nicht geändert.

Frage: Herr Seibert, ist Ihnen bekannt, welche Position die Bundeskanzlerin im Hinblick auf das Vorgehen ägyptischer Sicherheitsbehörden gegen NGOs, gegen ausländische Stiftungen bezieht? Hat sie da in letzter Zeit irgendetwas unternommen oder hat sie Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass sich da irgendetwas entspannt?

StS Seibert: Es ist ganz klar: Die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung insgesamt sind bestürzt über dieses Vorgehen. Wie Sie wissen, haben die ägyptischen Behörden Anklagen gegen 43 Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen erhoben. Die Anklageschriften sind zwar bis heute nicht eingegangen, aber die Bundesregierung geht davon aus, dass auch der Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo sowie eine deutsche Ortskraft der Adenauer-Stiftung betroffen sind. Die Bundesregierung fordert die Einstellung dieser Verfahren.

Wir erinnern ganz klar daran: Ägypten macht sich - und das unterstützt Deutschland voll und ganz - auf einen Weg hin zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Auf diesem Weg ist aber die Zivilgesellschaft absolut unverzichtbar. Deswegen muss sichergestellt sein, dass Nichtregierungsorganisationen - und da spreche ich jetzt ausdrücklich nicht nur über die Konrad-Adenauer-Stiftung, sondern auch über andere internationale Nichtregierungsorganisationen - in Ägypten ungehindert arbeiten können, um eben genau diese gesellschaftspolitische Entwicklung im Lande zu unterstützen. Das hat ja auch der Bundestag zum Ausdruck gebracht, als er in einer - übrigens einstimmigen - Entschließung letzte Woche seine Haltung dazu kundgetan hat.

Peschke: Wenn ich die umfassende und erschöpfende politische Bewertung von Herrn Seibert ergänzen darf, kurz noch etwas zum Stand: Nein, da gibt es keineswegs eine Entspannung zu vermelden; die Verfahren dauern an. Das Auswärtige Amt und vor allen Dingen die Botschaft vor Ort ist natürlich in ständigem Kontakt mit den Vertretern der Konrad-Adenauer-Stiftung - auch in Kairo -, um die Stiftung dabei zu unterstützen, ihre volle Arbeitsfähigkeit wiederzuerlangen. Das ist ein laufender Prozess, der sich in ständigen, in vielen Gesprächen auch mit den ägyptischen Behörden vollzieht. Wir können da leider keine Entwarnung vermelden, aber wir sind da natürlich nach wie vor mit ganzer Kraft dran.

Zusatzfrage: Nachdem diese Problematik ja schon eine Zeitlang währt: Gibt es irgendwelche Gedanken an Maßnahmen, an Konsequenzen - sei es bei gewissen Unterstützungen, die man Ägypten gewährt, oder Ähnlichem?

Peschke: Wir haben ja schon im Vorfeld zum Ausdruck gebracht, dass wir dieses Vorgehen gegen die Konrad-Adenauer-Stiftung und - Herr Seibert hat das ja erwähnt - gleichermaßen auch gegen andere Stiftungen und andere internationale Organisationen besorgt macht, und dass das natürlich durchaus in einem Zusammenhang mit dem Stand der Reform- und Demokratisierungsbemühungen in Ägypten gesehen werden muss. Ägypten ist für uns ein Schlüsselland bei den Umbruchprozessen in Nordafrika. Wir sind bereit - das hat Außenminister Westerwelle immer wieder deutlich gemacht -, Ägypten auf diesem Weg zu helfen.

Es ist aber ganz klar, dass zukünftige Entscheidungen über die konkrete Gestaltung dieser Hilfe auch mit unserer politischen Bewertung des Umbruchprozesses in Einklang gebracht werden müssen, und bei der Erstellung eines Gesamtbildes spielen die Verfahren gegen die Stiftungen natürlich eine Rolle. Da ist bisher nichts im Sinne eines Stoppens von angedachten Maßnahmen entschieden worden, aber die Gesamtlage muss jeden Tag neu bewertet werden und wird auch jeden Tag neu bewertet. Wie unsere Bewertung morgen oder übermorgen aussehen wird, kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt aber natürlich nicht vorhersagen. Diese Bewertung hängt auch sehr davon ab, ob es uns gelingt, endlich aus diesem sehr unbefriedigenden Zustand der Anklageerhebung herauszukommen.


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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 15. Februar 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/02/2012-02-15-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2012