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PRESSEKONFERENZ/398: Regierungspressekonferenz vom 30. März 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 30. März 2012
Regierungspressekonferenz vom 28. März 2012

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Reise nach Prag, Osterpause), Teilnahme des Bundesaußenministers am zweiten Treffen der Gruppe der Freunde des syrischen Volkes, Gesetz zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, Schließung von Stiftungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, deutsch-schweizerisches Steuerabkommen, Entscheidung gegen die Einrichtung einer Transfergesellschaft für Schlecker-Mitarbeiter, Regulierung der Benzinpreise/Pendlerpauschale, Forderung der Länder nach gemeinsamen Bund-Länder-Anleihen, europäische Rettungsschirme, Verbundstruktur der Deutschen Bahn AG, Ölreserven

Sprecher: StS Seibert, Peschke (AA), Koufen (BMBF), Zimmermann (BMJ), Kothé (BMF), Schneid (BMWi), Maass (BMU), Strater (BMVBS)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren, auch von mir! Es wird ein kurzer Ausblick auf die Termine der Bundeskanzlerin.

Bevor die Osterzeit beginnt, nimmt die Bundeskanzlerin einen öffentlichen Termin wahr, und zwar am kommenden Dienstag, dem 3. April: Da reist sie nach Prag. Sie wird dort um 11.30 Uhr vom tschechischen Ministerpräsidenten Necas mit militärischen Ehren empfangen. Dieser Besuch findet 20 Jahre nach Abschluss des Nachbarschaftsvertrages und 15 Jahre nach Unterzeichnung der deutsch-tschechischen Erklärungen statt. Es wird ein Besuch sein, bei dem die bilateralen politischen Themen natürlich im Vordergrund stehen, ebenso auch die Energie- und Umweltpolitik und die anstehenden europäischen Herausforderungen.

Nach der Begegnung mit Herrn Necas gibt es um 13 Uhr eine Pressekonferenz. Dann setzt sich der Besuch in Prag fort mit einem Besuch auf der Prager Burg und einem Gespräch bei Staatspräsident Václav Klaus. Den Abschluss des Besuches in Prag bildet dann eine Diskussionsveranstaltung über die künftige Gestalt Europas, die die Bundeskanzlerin und der Ministerpräsident Necas gemeinsam an der Karls-Universität mit Jurastudenten abhalten wollen.

Dann verabschiedet sich die Kanzlerin in eine kurze Osterpause. Das Kabinett kommt am Mittwoch der Karwoche auch nicht zusammen. Die erste Kabinettssitzung nach der Osterpause findet also am 18. April statt.

Peschke: Ich möchte Ihnen mitteilen, dass am Sonntag in Istanbul das zweite Treffen der Gruppe der Freunde des syrischen Volkes stattfindet. An diesem Treffen wird für die Bundesregierung Bundesaußenminister Westerwelle teilnehmen. Ziel des Treffens ist unter anderem ein klares Signal der Gruppe der Freunde des syrischen Volkes der Unterstützung für den vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen indossierten Sechs-Punkte-Plan des Sondervermittlers Kofi Annan. Es gibt also eine Unterstützung dieses Planes auch durch die Gruppe der Freunde des syrischen Volkes. Weiteres Ziel des Treffens am Sonntag ist es, unverzüglich die Leistung humanitärer Hilfe an die Menschen in Syrien zu ermöglichen. Ein drittes Ziel ist es, Fragen des politischen Übergangsprozesses, die Rolle der Opposition und die Unterstützung einer aktiven Rolle der Opposition in diesem Zusammenhang zu diskutieren.

Der Bundesaußenminister wird bereits am Samstag in Istanbul eintreffen und zur Vorbereitung des Treffens am Sonntag dann auch noch einige bilaterale Gespräche mit wichtigen Akteuren in diesem Zusammenhang führen. - Danke schön.

Koufen: Am 1. April tritt das Anerkennungsgesetz, das Gesetz zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, in Kraft.

Das Anerkennungsgesetz umfasst erstens Anpassungen in bereits bestehenden Regelungen für die Anerkennung von rund 60 auf Bundesebene geregelter Berufe - das sind die sogenannten reglementierten Berufe. Dazu gehören vor allem die Heilberufe, also zum Beispiel der Beruf des Arztes, sowie zahlreiche nichtakademische Heilberufe wie Krankenpfleger oder Hebammen. Zur Ausübung dieser Berufe in Deutschland ist eine staatliche Anerkennung nötig.

Zweitens umfasst das Gesetz ein neues Bundesgesetz, das sogenannte Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz, das die nicht reglementierten Berufe umfasst. Das sind vor allem die rund 350 Ausbildungsberufe im dualen System, für deren Ausübung in Deutschland zwar keine staatliche Anerkennung nötig ist; das neue Gesetz schafft aber in diesen Berufen einen Anspruch auf eine Gleichwertigkeitsprüfung. Das heißt, wenn Sie mit im Ausland erworbenem Abschluss einen Job in Deutschland suchen, können Sie dem Arbeitgeber in Zukunft ein in Deutschland staatlich geprüftes Zeugnis vorlegen, auf dem genau steht, wie die Qualifikation einzuschätzen ist. Das wird die Arbeitssuche erheblich erleichtern, denn bisher ist es so, dass, wenn Sie dem Arbeitgeber ein Zeugnis aus irgendeinem Land vorlegen und nicht klar ist, was eigentlich genau Gegenstand der Ausbildung war, die Chance, eine Stelle zu bekommen, eher gering ist.

Das neue Gesetz schafft erstmals einen Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren. Das heißt, der im Ausland erworbene Abschluss wird auf Gleichwertigkeit mit einem deutschen Abschluss überprüft. Dann erfolgt entweder die Anerkennung, oder der Antragsteller erfährt, welche Qualifikationen ihm noch fehlen, damit der Abschluss anerkannt wird, und kann sich nachqualifizieren.

Erstmals gilt dieses Recht für alle, unabhängig von der Herkunft, also auch für die sogenannten Drittstaatler. Bisher wurden EU-Bürger und Spätaussiedler bevorzugt behandelt. Das Gesetz räumt damit auch mit einigen Anachronismen auf. Zum Beispiel gilt bei den Ärzten bisher noch der sogenannte Staatsbürgervorbehalt aus dem Jahr 1935 - man kann sich vorstellen, in welchem Kontext das damals entstanden ist -; das heißt, dass bisher nur deutsche Staatsbürger eine Approbation als Arzt bekommen können. Ausländer konnten das bisher selbst dann nicht, wenn sie in Deutschland Medizin studiert haben. Für EU-Bürger ist das inzwischen angeglichen worden, aber für Menschen aus anderen Ländern immer noch nicht.

Von dem Gesetz profitieren schätzungsweise bis zu 300.000 Menschen, die bereits in Deutschland leben und unter ihrem eigentlichen Qualifikationsniveau beschäftigt sind.

Vorsitzende Sirleschtov: Vielen Dank, Frau Koufen. - Last, but not least hat uns Herr Mertzlufft eine neue Kollegin mitgebracht, die sich gerne vorstellen möchte.

ZIMMERMANN: Schönen guten Tag! Mein Name ist Anne Zimmermann. Ich bin seit Kurzem in der Pressestelle des Bundesjustizministeriums tätig. Nachdem ich zuvor als Rechtsanwältin und mehrere Jahre als Staatsanwältin in Hamburg tätig war, bin ich jetzt seit knapp drei Jahren im Bundesjustizministerium. Vor der Tätigkeit in der Pressestelle war ich in einem Fachreferat, nämlich dem Referat für Strafverfahrensrecht. Ich freue mich jetzt auf die gemeinsame Zusammenarbeit mit Ihnen.

Vorsitzende Sirleschtov: Herzlich willkommen und viel Spaß bei uns!

ZIMMERMANN: Danke schön!

Frage: Reist die Kanzlerin nach ihrer Reise nach Prag in den Osterurlaub, und wenn ja, wohin?

StS Seibert: Ich glaube, Sie wissen, wie solche Fragen hier enden. Die Kanzlerin macht eine österliche Pause - die ich Ihnen auch wünsche.

Frage: Herr Seibert, wird Frau Merkel vielleicht nach Ischia fahren?

StS Seibert: Die Kanzlerin macht eine österliche Pause, und dabei bleibt es von mir von dieser Stelle aus.

Vorsitzende Sirleschtov: Dann sind wir beim Treffen der Gruppe der Freunde des syrischen Volkes mit Guido Westerwelle. - Bitte schön.

Frage: Herr Peschke, steht schon fest, mit wem sich der
Bundesaußenminister in Istanbul bilateral treffen wird?

Peschke: Nein, das steht noch nicht im Einzelnen fest. Er wird am Rande natürlich auf jeden Fall mit dem Gastgeber der Konferenz, dem türkischen Außenminister Davutoglu, zusammentreffen.

Frage: Herr Peschke, gibt es nach heutigem Stand neue Erkenntnisse über die Gründe der Emirate, die Konrad-Adenauer-Stiftung nicht mehr im Land haben zu wollen?

Peschke: Nein, da kann ich Ihnen auch heute keine weiteren Details liefern. Ich kann Ihnen nur noch einmal den Vorgang schildern, so wie er sich uns darstellt: Am Donnerstag der vergangenen Woche wurde der deutsche Botschafter in Abu Dhabi über die Entscheidung der Vereinigten Arabischen Emirate informiert. Daraufhin hat Außenminister Westerwelle sofort mit dem Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate telefoniert. Er hat auch am Rande des Nukleargipfels in Seoul am Montag dieser Woche das Gespräch gesucht und lange mit dem Außenminister gesprochen. Er hat dafür geworben und darauf gedrängt, dass diese Entscheidung noch einmal überprüft wird. Das ist bisher nicht erfolgt. Deswegen haben gestern sowohl der Außenminister als auch die Bundeskanzlerin ihr Bedauern über diese Entscheidung zum Ausdruck gebracht.

Heute ist der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate noch einmal zu einem Gespräch im Auswärtigen Amt, in dem dem Botschafter die Haltung der Bundesregierung, das Bedauern der Bundesregierung noch einmal dargelegt wird und in dem insbesondere besprochen werden soll, ob es nicht doch Wege gibt, wie die wertvolle und sehr positive Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung vor Ort in der Region doch noch fortgesetzt werden könnte. Unser Ziel ist es jedenfalls, gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten Wege zu finden, auf denen das möglich ist. Aber ob das möglich ist und wie sich das gestaltet, kann ich Ihnen zur Stunde noch nicht sagen.

Frage: Herr Peschke, sehen Sie denn Verbindungen zu den Vorgängen in Kairo? Fürchten Sie eine ähnliche Entwicklung auch in anderen Ländern der Region?

Peschke: Ich kann da auf den ersten Blick keine Verbindungen zu den Vorgängen in Kairo sehen; das sind doch sehr unterschiedliche Ausgangslagen, von denen wir hier ausgehen müssen. Deswegen werden wir in jedem Falle bezogen auf den Fall reagieren und auch mit den jeweiligen Gastländern besprechen, welche Möglichkeiten es gibt, um die betreffenden Lagen zu lösen. Ich glaube nicht, dass von diesem Fall in Abu Dhabi, in den Vereinigten Arabischen Emiraten, eine Wirkung abgeleitet werden kann, die den gesamten arabischen Raum betrifft; dafür sind die Lagen in den einzelnen Ländern einfach zu unterschiedlich. Auch die Vorgeschichte der Tätigkeit unserer Stiftungen in den einzelnen Ländern ist zu unterschiedlich, als dass man da jetzt eine Verallgemeinerung treffen könnte.

Wie gesagt, wir reagieren jeweils im Einzelfall. Im Fall der Vereinigten Arabischen Emirate werden wir weiter versuchen, darauf hinzuwirken, dass die Stiftung ihre aus unserer Sicht sehr erfolgreiche und positive Tätigkeit vor Ort und in der Region fortsetzen kann.

Frage: Ich würde mir gern vom Finanzministerium die Situation im Hinblick auf das deutsch-schweizerische Steuerabkommen schildern lassen. Insbesondere würde ich angesichts dessen, dass von der SPD-Länder-Seite nach wie vor Gesprächsbedarf besteht, gerne wissen: Ist das Abkommen damit gescheitert oder gibt es noch die Chance und ist die Schweiz bereit, weiter zu sprechen?

Kothé: Die SPD-geführten Länder haben uns heute unterrichtet, dass sie im Augenblick nicht bereit sind, das Abkommen in der vorliegenden Form zu unterstützen, Sie haben mich nach der Haltung des BMF gefragt: Kein Abkommen wäre aus unserer Sicht die denkbar schlechteste Lösung. Es gab ja in den vergangenen Wochen weitere Gespräche mit der Schweiz. Die Schweiz hat uns in einer Reihe von wichtigen Punkten, die auch von Länderseite immer als wichtig erachtet worden sind, Entgegenkommen signalisiert. An dieser Stelle möchte ich vielleicht auch darauf hinweisen, dass Ländervertreter an den Gesprächen beteiligt waren.

Zum weiteren Vorgehen nur so weit: Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass es zum Abschluss des Abkommens kommt. Wir werden jetzt mit der Schweiz ein Änderungsprotokoll abschließen und dann in beiden Ländern die entsprechende Gesetzgebung einleiten. Wir hoffen auch, dass wir dann im weiteren Verlauf - vielleicht auch, wenn die eine oder andere Landtagswahl in Deutschland vorüber ist - zu einem guten Ergebnis für alle Beteiligten kommen können.

Zusatzfrage: Von der Schweiz ist immer argumentiert worden, man brauche aus parlamentsrechtlichen Gründen eine Einigung bis zum 31. März. Ist das nach Ihrem Dafürhalten so? Haben Sie nach der Unterrichtung durch die Länder Kontakt mit der Schweiz gehabt, um zu eruieren, ob die Schweiz bereit ist, noch weiter zu sprechen?

Kothé: Ich persönlich hatte keinen Kontakt zur Schweiz, aber ich denke, dass die zuständigen Stellen in unserem Haus Kontakt mit der Schweiz hatten. Man ist dauernd im Gespräch, wie Sie sich unschwer vorstellen können. Es gibt das Signal, dass dieser Weg, den ich gerade skizziert habe, gemeinsam gegangen wird.

Frage: Frau Kothé, Sie sagten, dass jetzt ein Text formuliert werde, den dann beide Länder in die Verfahrenswege hineingeben. Auf welchem Stand wird das denn gemacht? Auf dem Stand, der jetzt quasi verhandelt ist, ohne dass noch weitere Aspekte oder Wünsche der Länder einbezogen werden?

Eine zweite Frage: Haben die Länder eigentlich konkrete Wünsche geäußert, was sie gerne noch in das Abkommen hineinverhandelt hätten? Da Sie an den Gesprächen beteiligt waren, müssten Sie den Stand ja gut kennen.

Kothé: Ja. Die Länder haben ihre Wünsche, und ich gehe natürlich davon aus, da wir im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Zustimmung der Länder im Bundesrat brauchen, dass auf der Basis der jüngsten Gespräche irgendwie die entsprechende Gesetzgebung erfolgen wird. Daher stammt auch unsere Hoffnung darauf, dass wir eben doch noch eine gemeinsame Lösung zustande bringen können.

Zuruf: Das habe ich nicht ganz verstanden.

Kothé: Natürlich werden die Ergebnisse der jüngsten Gespräche jetzt in die Gesetzgebung oder in dieses Änderungsprotokoll eingearbeitet werden.

Zusatzfrage: Aber über das Änderungsprotokoll hinaus gibt es offensichtlich Bedenken der Länder, wie ich es jetzt einmal nenne, weil sie glauben, dass sie dem in dieser Form nicht zustimmen können. Haben die Länder jetzt über diesen Nachverhandlungsstand hinaus konkrete, zusätzliche Wünsche über diesen Verhandlungsstand hinaus geäußert?

Kothé: Die Länder haben zusätzliche Anforderungen an das verhandelte Abkommen gehabt, unter anderem, was die Steuersätze anbetrifft. Darüber ist gesprochen worden. Die Schweiz ist uns dabei, wie wir finden, schon sehr entgegengekommen, wobei es jetzt noch keine endgültige Festlegung auf die genaue Höhe der Steuersätze gibt. Aber die Schweiz hat an dieser Stelle - das war ja ein großer Knackpunkt - auch wirklich Entgegenkommen signalisiert.

Frage: Sie sagten, die Länder seien an den Gesprächen auch beteiligt gewesen. Wer war vonseiten der Länder an den Gesprächen mit der Schweiz zuletzt beteiligt? Ich meine nicht Personen, aber welche Ebene war dabei vertreten?

Wird denn mit den Ländern auch noch weitergesprochen, oder ist das Gespräch mit den Ländern nach dieser Erklärung von heute erst einmal passé? Wird jetzt ein Gesetzentwurf entworfen, wird abgestimmt, basta, aus - oder gibt es noch weitere Termine mit den Ländern?

Kothé: Natürlich reden wir weiter. Ich habe gerade verdeutlicht, was unser Ziel ist. Das Ergebnis, kein Abkommen hinzubekommen, ist das für uns denkbar schlechteste. Von daher werden wir alles tun, um zu einem guten Ergebnis zu kommen, und auch kein Gespräch ausschlagen.

Zusatzfrage: Wer von den Ländern ist dabei gewesen?

Kothé: Nach meinem Kenntnisstand - Namen kann ich Ihnen jetzt nicht nennen - waren es zwei Landesminister aus zwei Ländern.

Zusatzfrage: Welche Länder? Können Sie das sagen?

Kothé: Nein, im Augenblick nicht.

Frage: Die Frage nach der Frist, die eben gestellt wurde, war noch offen.

Der 31. März war immer die Deadline von Schweizer Seite, weil sonst offensichtlich die parlamentarischen Prozesse in der Schweiz nicht eingehalten werden können; so hatte ich es verstanden. Ist das kein Punkt mehr, oder geben Sie das jetzt einfach so in den Bundestag, wie es verhandelt worden ist, aber im Bundesrat nicht akzeptiert wird?

Kothé: Wir gehen jetzt auf beiden Seiten, also in der Schweiz und in Deutschland, so in das Gesetzgebungsverfahren.

Bezüglich der Frist: Es gilt unverändert das, was die Schweizer Seite dargestellt hat.

Frage: Sie sagten "unverändert", und es stellt sich ja - - -

Kothé: Nach meinem Kenntnisstand.

Zusatzfrage: - - - die Frage, ob man nach Ihrer Auffassung nach der jüngsten Verzögerung immer noch an dem Ziel festhält und es für realistisch hält, das Abkommen zum 1. Januar 2013 in Kraft zu setzen. Glauben Sie, dass das immer noch möglich ist?

Kothé: Wir arbeiten daran.

Frage: Es gibt jetzt einen Vorschlag der Schweiz dazu, wie das ursprünglich ausgehandelte Abkommen verändert werden könnte. Diesen Vorschlag haben die SPD-geführten Länder ja abgelehnt. Gehen Sie jetzt mit diesem von der SPD abgelehnten Vorschlag in das Gesetzgebungsverfahren, oder werden Sie die Schweiz bitten, noch einmal weitere Zugeständnisse zu machen, zum Beispiel bei den Steuersätzen?

Kothé: Es gab - ich hatte das ja gerade gesagt - über das, was ursprünglich verhandelt worden war, Gespräche, und zwar mit dem Ziel, zu einer Einigung mit den Ländern zu kommen. Auf Basis dieser Gespräche zwischen der Schweiz und den Ländern auf deutscher Seite gehen wir jetzt in das Gesetzgebungsverfahren.

Frage: Könnten Sie vielleicht netterweise noch einmal deutlich machen, was jetzt bei dem neu gefundenen Stand an wichtigsten Punkten über den bisherigen Verhandlungsstand hinaus reicht? Können Sie auch sagen, was den Ländern daran nicht ausreicht?

Kothé: Nein, das kann ich nicht, weil es, glaube ich, eine richtige, offizielle Stellungnahme von Länderseite zu den einzelnen Punkten nicht gibt. Ich kenne keine. Von daher kann ich diese einzelnen Punkte zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider auch nicht weiter kommentieren.

Zusatzfrage: Bezieht sich der Unterschied zwischen dem aufgestockten Stand und dem bisherigen, mit dem Sie jetzt in das Gesetzgebungsverfahren gehen, nur auf die Steuersätze oder auf andere Punkte?

Kothé: Es gibt noch ein paar andere Punkte, aber diesbezüglich kann ich im Augenblick auch nicht ins Detail gehen.

Frage: Frau Kothé, ich habe immer noch nicht ganz verstanden, womit Sie jetzt in das Gesetzgebungsverfahren gehen - mit dem, was die Schweiz bis gestern Abend angeboten hatte, oder darüber hinaus mit Dingen, die auf die Wünsche der Länder von gestern Abend eingehen?

Kothé: Wir werden jetzt natürlich erst einmal mit dem, was mit der Schweiz verhandelt worden ist, in das Gesetzgebungsverfahren gehen. Wie ich gerade gesagt habe, weiß ich halt gar nicht, was jetzt genau auf Länderseite nicht konsensfähig war und warum es im Detail nicht möglich ist, dem jetzigen Stand zuzustimmen. Das müssen wird jetzt erst mal prüfen. Wir gehen jetzt mit dem Stand in das Gesetzgebungsverfahren, der den Gesprächen mit der Schweiz entspricht und von dem wir auch dachten, dass er für die Länderseite konsensfähig und annehmbar ist.

Zusatzfrage: Heißt das, der Minister wird heute, morgen oder spätestens am Montag dieses Änderungsprotokoll unterschreiben, damit es dann rechtzeitig in den parlamentarischen Prozess in der Schweiz eingebracht werden kann?

Zweitens: Was macht den Herrn Minister denn so optimistisch, dass die SPD-Länder dem Abkommen, obwohl sie es seit mehr als einem Jahr ablehnen, zum Schluss doch noch zustimmen werden?

Kothé: Zu dem "optimistisch": Wir sind - das habe ich ja vorhin gesagt - mit der Situation natürlich alles andere als glücklich. Aber ich habe gesagt: Wir wollen uns trotzdem darum bemühen, dass wir dabei noch zu einem Ergebnis kommen, weil - ich wiederhole mich hier - es für uns die im Augenblick denkbar schlechteste Lösung wäre, keinen Abschluss hinzubekommen. Es gibt noch ein Zeitfenster, innerhalb dessen man vielleicht noch zu einem aus unserer Sicht positiven Ergebnis kommen könnte, was auch für die Länder mit finanziellen Vorteilen und zusätzlichen Einnahmen verbunden wäre. Das muss man sehen.

Was genaue Fristen und Zeitabläufe angeht, bitte ich Sie jetzt echt um Nachsicht. Das kann ich Ihnen im Augenblick nicht darstellen. Darüber muss jetzt einfach, glaube ich, auch erst einmal gesprochen werden.

Frage: Könnte man sagen, dass Sie nach dem Ergebnis von gestern Abend davon überrascht worden sind, was die Länder nun noch wollen? Sind das völlig neue Dinge, die jetzt von der Länderseite auf den Tisch gekommen sind?

Kothé: Wir sind davon ausgegangen, dass wir in den Verhandlungen gut vorangekommen sind und dass das ein gutes auch für die Länderseite annehmbares Verhandlungsergebnis mit der Schweiz ist.

Frage: Herr Seibert, was sagt denn die Kanzlerin zum Verhalten der FDP in Sachen Schlecker?

StS Seibert: Zunächst einmal kann sich jeder vorstellen oder sollte versuchen, sich vorzustellen, wie schwierig die derzeitige Situation den Mitarbeitern von Schlecker erscheinen muss. Gekündigt zu werden und von Arbeitslosigkeit bedroht zu sein, ist eine große Belastung für diese Menschen. Diese Menschen brauchen und verdienen Hilfe. Die Frage lautet ja nur: Was ist die beste Hilfe, und wer ist zuständig dafür, diesen Menschen dabei zu helfen, dass sich ihr Berufsleben möglichst rasch fortsetzt? - Es gibt Gründe für eine Transfergesellschaft, und es gibt sehr gute Gründe dagegen. Diese Entscheidung oblag aber nicht der Bundesregierung, sondern sie oblag den Ländern.

Für die Kanzlerin ist es jetzt wichtig, dass der Blick nach vorne geht und dass alles getan wird, was es den Betroffenen ermöglicht, rasch neue Arbeit zu finden. Dafür ist die Bundesanstalt für Arbeit da, die diesen Menschen mit ihrem gesamten Angebot an Vermittlungs- und Beratungsleistungen und, soweit nötig, natürlich auch an beruflicher Weiterbildungsförderung und Qualifizierungsleistung zur Verfügung steht. Das ist die Situation.

Zusatzfrage: Es gab ja aus der Union sehr scharfe Kritik an dem Verhalten der FDP. Teilt die Kanzlerin diese Meinung ihrer Parteifreunde, oder findet sie sie überzogen?

StS Seibert: Das, was ich Ihnen gerade gesagt habe, steht für das, was die Kanzlerin zu diesem Thema beizutragen hat. Sie ist davon überzeugt, dass es sehr gute Gründe gegen eine Transfergesellschaft und auch Gründe für eine Transfergesellschaft gibt. Die Entscheidung ist in den Ländern so gefallen, wie sie gefallen ist. Wichtig ist, dass den Menschen, die jetzt in einer sehr schweren und für sie bedrückenden Situation sind, geholfen wird. Die Bundesanstalt für Arbeit steht dafür bereit. Nach allem, was uns Experten sagen, ist damit, da sich diese Menschen ja über das ganze Bundesgebiet verteilen, auch keine einzige Arbeitsagentur überfordert. Mit der sehr individuellen Betreuung dieser Menschen ist nach allem, was uns Experten sagen, die Wahrscheinlichkeit einer Wiederbeschäftigung in dieser Branche durchaus gegeben.

Frage: Herr Seibert, hat die Kanzlerin überhaupt eine eigene Meinung zur Sinnhaftigkeit einer Transfergesellschaft? Wenn ja, würden Sie diese netterweise mitteilen? Oder sagt sie nur "Der eine hat gute Argumente, der andere auch, und ich behalte meine Meinung für mich"?

Zweite Frage: Gibt Philipp Rösler denn nach Ansicht der Bundesregierung die Meinung des FDP-Vorsitzenden wieder, wenn er sagt, die Verhandlung über die Transfergesellschaft sei vertane Zeit gewesen, oder spricht er als Bundeswirtschaftsminister und insofern quasi mit der Kanzlerin rückgekoppelt?

StS Seibert: Zunächst einmal oblag die Entscheidung - das ist auch richtig so - den Bundesländern. Die Bundeskanzlerin hat natürlich zu diesem Thema wie zu vielen anderen Themen eine Meinung. Ich habe Ihnen gesagt: Es gibt Gründe für eine Transfergesellschaft, und es gibt sehr gute Gründe dagegen. Transfergesellschaften sind Mittel aus der Zeit der Massenarbeitslosigkeit, als es in den Arbeitsämtern volle Flure und geringe Vermittlungschancen gab. Heute sind wir in einer Zeit kundenorientierter Arbeitsagenturen mit einer modernen IT und mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten. Es herrscht eine Zeit starker Nachfrage nach Arbeitskräften gerade im Dienstleistungssektor. Da müssen Transfergesellschaften nicht unbedingt immer die beste Lösung für die Betroffenen sein. Es geht für die Betroffenen jetzt darum, nach vorne zu schauen und ihnen alle Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, wofür die Bundesagentur für Arbeit genau der richtige Ansprechpartner ist. Die Entscheidung ist in den Ländern gefallen, und das ist zu respektieren.

Zusatz: Das war jetzt keine Antwort, weder auf die erste noch auf die zweite Frage.

StS Seibert: Ich glaube, das war es schon.

Zusatzfrage: Spricht Herr Rösler als FDP-Vorsitzender, wenn er feststellt, dass die Verhandlungen über einen Transfergesellschaft vertane Zeit gewesen seien, oder spricht er als Bundeswirtschaftsminister und insofern, wie ich annehme, auch rückgekoppelt mit der Bundeskanzlerin?

Zu Ihrer ersten Antwort: Sie sagten, es gebe Gründe, die für eine Transfergesellschaft sprächen, und sehr gute Gründe, die dagegen sprächen. Da Sie sich scheuen, eine Meinung zu äußern, vermute ich, dass die Kanzlerin der Meinung ist, die Transfergesellschaft sei unter dem Strich schlecht. Ansonsten hätten Sie ja gesagt "Es gibt Gründe dafür und Gründe dagegen". Sie sagen aber "Es gibt Gründe dafür und sehr gute Gründe dagegen." Was meinen Sie damit und mit dem "sehr"?

StS Seibert: Ich habe gerade versucht, Ihnen klarzumachen, dass die Transfergesellschaft im Wesentlichen ein Mittel aus einer anderen beschäftigungspolitischen Zeit ist und dass es heute glücklicherweise eine andere Situation auf dem Arbeitsmarkt sowie auch eine Bundesagentur für Arbeit gibt, die in der Lage ist, mit anderen Mitteln sehr viel individueller und stärker an der Person orientiert zu arbeiten. Das ist für mich schon einmal eine ziemlich klare Abwägung.

Zusatzfrage: Lautet die Antwort also "Frau Merkel ist dagegen", um es auf den Punkt zu bringen?

StS Seibert: Sie werden mich nicht so in die Ecke drängen. Es geht darum, dass die Entscheidung keine Entscheidung der Bundesregierung ist, sondern eine Entscheidung der Länder. Es ist in Bezug auf viele Dinge so, dass die Länder in diesem föderalen Staat etwas zu entscheiden haben, und das wird jetzt nicht an dieser Stelle infrage gestellt.

Ich habe Ihnen zu erklären versucht, was für und was gegen eine Transfergesellschaft spricht. Ich glaube, das Bundeswirtschaftsministerium kann dazu sicherlich auch noch einiges beitragen. Ich glaube, das ist beantwortet.

In welcher Eigenschaft sich Herr Rösler geäußert hat, ist doch auch ganz klar: Er hat natürlich als Bundeswirtschaftsminister gesprochen. Denn nach dem Ressortprinzip fällt diese Entscheidung in sein Ressort.

Schneid: Die Frage nach der Transfergesellschaft müsste ich in der Tat an das Bundesarbeitsministerium abgeben, weil das Arbeitsministerium dafür federführend ist. Ich kann für das Wirtschaftsministerium noch einmal grundsätzlich sagen, dass das BMWi die Sorgen der Mitarbeiter nachvollziehen kann. Aber der Minister hatte ja gestern schon darauf hingewiesen, dass jetzt die Bundesagentur für Arbeit am Zug ist, den Beschäftigten schnell neue Perspektiven aufzuzeigen, und dass die Arbeitsmarktsituation dafür auch günstig ist. Derzeit gibt es nämlich fast doppelt so viele freie Stellen im Einzelhandel wie Schlecker-Mitarbeiter, denen eine Kündigung droht. Das hatten gestern auch schon die Bundesagentur für Arbeit und der Handelsverband HDE bestätigt.

Das BMWi hat von Anfang an eine klare ordnungspolitische Linie vertreten; das wurde hier auch mehrfach dargestellt. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass nach der gängigen Praxis das Bundesland, in dem das betroffene Unternehmen seinen Hauptsitz hat, der Ansprechpartner und auch Koordinator für alle anstehenden Finanzierungsfragen ist. Das war in diesem Fall Baden-Württemberg. Herr Seibert hatte eben auch schon ausgeführt, dass die Entscheidung eben bei den Ländern lag.

Frage: Mich würde zum einen interessieren, ob das Thema Schlecker überhaupt in irgendeinem Gremium oder Forum innerhalb der Bundesregierung ein Thema gewesen ist, über das man sich intensiver ausgetauscht hat?

Zum Zweiten. Nachdem nun der eine Koalitionspartner eine sehr dezidierte ordnungspolitische Auffassung im Hinblick auf Schlecker geäußert hat, hat ein anderer Koalitionspartner, der CSU-Vorsitzende Seehofer, eine äußerst kritische Position zum Verhalten der FDP bezogen. Muss das nicht eine Bundesregierung belasten, wenn zwischen den Koalitionspartnern auch emotional der Streit so hoch kocht?

StS Seibert: Sie brauchen sich um das Emotionale in der Bundesregierung gar keine Sorgen zu machen. Unterschiedliche Meinungen eines Ministerpräsidenten und Vorsitzenden einer Partei zu anderen, zum Vizekanzler beispielsweise, sind ja möglich. Sie kommen vor und müssen nicht gleich zu emotionaler Belastung führen.

Zusatzfrage: Gab es in der Bundesregierung irgendein Forum, in dem man sich über dieses Thema einmal ausgetauscht hat?

StS Seibert: In der Bundesregierung wird natürlich immer über wichtige Themen gesprochen. Dafür braucht es kein Forum. Das Gespräch ist ein fortlaufendes.

Frage: Im Bundesrat wird heute über Benzinpreise diskutiert. Es gibt da einen Entschließungsantrag aus Thüringen, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, ein Gesetz vorzulegen und die Preise zu regulieren. Wie denkt die Bundesregierung darüber?

Schneid: Zu dieser Bundesratsinitiative kann ich im Moment nichts sagen. Sie wird beraten. Der Minister hat sich ja heute schon zu dieser Debatte geäußert. Er hat angekündigt, dass er das Bundeskartellamt in dieser Frage weiter stärken möchte. Dazu soll eine Markttransparenzstelle eingerichtet werden. Damit soll dem Bundeskartellamt das nötige Handwerkszeug verschafft werden, um mögliche Missbräuche aufdecken und verfolgen zu können.

Was die Benzinpreise betrifft, so sollen die Tankstellenhändler und Raffinerien erstmals verpflichtet werden, ihre Preise, zu denen sie Sprit ein- und verkaufen, an die Markttransparenzstelle zu melden, und zwar flächendeckend und zeitnah. Das soll dazu führen, dass die Regeln des neuen Wettbewerbsrechts ihre Wirkung zum Vorteil der Verbraucherinnen und Verbraucher voll entfalten können.

Zusatzfrage: Also sie sollen die Preise an eine Markttransparenzstelle melden, aber sie nicht im Internet veröffentlichen, so wie es in diesem Entschließungsantrag gefordert wird?

Schneid: Ich kann im Moment noch nichts dazu sagen. Die Details, wie diese Meldung vonstattengehen soll, werden derzeit noch ausgearbeitet. Es werden verschiedene Varianten diskutiert. Dem kann ich im Moment nicht vorgreifen. Aber wir werden Sie natürlich gern informieren, sobald es Ergebnisse gibt.

Frage: Herr Seibert, gibt es erkannten gesetzlichen Handlungsbedarf, den die Bundesregierung sieht? Und gibt es sozusagen schon halbfertige, dreiviertelfertige oder fertige Gesetze beziehungsweise Gesetzesinitiativen aus der Bundesregierung heraus, um die Autofahrer mit günstigeren oder transparenteren Benzinpreisen zu versehen?

Und hat die Bundesregierung eine Meinung zur Pendlerpauschale, die von allen drei Koalitionsparteien gemeinsam getragen wird?

StS Seibert: Ich verweise noch einmal auf das, was gerade vom Wirtschaftsministerium vorgetragen wurde. Im Übrigen war an diesem Mittwoch im Kabinett die Verlängerung des Verbots der Preiskostenschere - so heißt es, glaube ich. Das ist eine konkrete Maßnahme. Weiteres hat die Kollegin für das Wirtschaftsministerium gerade vorgetragen.

Zusatzfrage: Gibt es eine übereinstimmende Meinung zur Pendlerpauschale zwischen den Koalitionsparteien, ich glaube CDU, CSU und FDP? In diversen Runden wurde darüber diskutiert mit einem - in meiner Erinnerung - offenem Ergebnis. Deswegen die Frage: Ist das eine gemeinsame Position der Koalitionsparteien, wie sie in der Regierung, für die Sie sprechen, vertreten wird?

StS Seibert: Es gibt keine neue Position zur Pendlerpauschale. Ich sehe dazu im Moment auch keine wesentlich auseinanderklaffenden Positionen in der Bundesregierung. Die Entfernungspauschale ist ja keine Spritpauschale. Daran muss man immer wieder erinnern. Jeder Arbeitnehmer erhält sie, unabhängig von dem Verkehrsmittel, mit dem er sich zur Arbeit bewegt.

Frage: Unterstützt die Bundesregierung denn die Ansätze, die dahingehen, zumindest die häufige Veränderbarkeit von Benzinpreisen während des Tages einzuschränken? Dies soll durch die Formulierung erreicht werden, dass so etwas mindestens 24 Stunden gelten muss.

Kann mich irgendjemand von Ihnen aufklären - vielleicht der Sprecher des Umweltministeriums -, was Herr Röttgen meinen könnte, wenn er von neuen Instrumenten spricht, die man politischerseits im Kampf gegen die Abzocke an den Tankstellen - auch das hat er so gesagt - erwägen müsse.

Schneid: Es gibt ja Vorschläge aus dem parlamentarischen Raum, die nun gemeinsam beraten werden. Wie Sie sich wahrscheinlich vorstellen können, kann ich diesen Beratungen leider nicht vorgreifen. Es kommt letztlich darauf an, wie die Regelungen am Ende konkret ausgestaltet werden.

Maaß: Von meiner Seite ganz knapp: Da kann ich Ihnen leider keine Ergänzung liefern. Das tut mir Leid.

Frage: Ich wollte noch einmal wegen dieser Transparenzstelle nachfragen. Was müsste das denn für eine Institution sein? Es ist ja in unserer Wirtschaftsordnung relativ ungewöhnlich, dass Unternehmen ihre Spannen zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen offenlegen müssen. Das kennen wir ja sonst eigentlich nicht.

Schneid: Zur Markttransparenzstelle hatten wir auch schon eine Pressemitteilung veröffentlicht. Ich habe sie jetzt leider nicht dabei.

Ich kann Ihnen nur so viel sagen, dass sie beim Bundeskartellamt angesiedelt sein wird und dass erstmals die Verpflichtung der Tankstellenbetreiber, Händler und Raffinerien verankert werden soll, ihre Preise zu melden. Aber wenn Sie noch Detailfragen haben, können wir gern im Nachgang darüber sprechen.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Bundesfinanzministerium: Die Länder haben ja den Vorschlag gemacht, dass Bund und Länder Gemeinschaftsanleihen auflegen könnten und die Länder dann von günstigeren Zinsen profitieren, also sozusagen ein kleiner Euro-Bond oder ein Deutschland-Bond. Was hält das Bundesfinanzministerium denn von solchen Ideen?

Kothé: Unverändert halten wir das im Augenblick aus rechtlichen und anderen Gründen für keinen guten Vorschlag.

Frage: Frau Kothé, welche rechtlichen Gründe sind das, die Sie gegen den Vorschlag von Olaf Scholz und Co sprechen lassen?

Kothé: Ich suche gerade den Zettel, um Ihnen die genaue Rechtsgrundlage zu sagen, (kann ihn aber leider nicht finden). Aber ich weiß, dass es nach den geltenden Finanzverfassungsregeln einfach nicht zugelassen oder vorgesehen ist. Sagen wir es so.

StS Seibert: Ich könnte vielleicht ausnahmsweise aushelfen: Es geht um Art. 109 Abs. 1 GG. Eine gemeinsame Kreditaufnahme würde in Bezug auf die damit verbundene gesamtschuldnerische Haftung dazu führen, dass der Bund bei Zahlungsausfall eines Landes unmittelbar mit entsprechenden haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen in Anspruch genommen wird. Das widerspricht dem in diesem von mir genannten Artikel festgehaltenen Grundsatz der finanziellen Eigenverantwortlichkeit von Bund und Ländern.

Zusatzfrage: Das heißt, wer eine Deutschland-Anleihe, einen Deutschland-Bond - oder wie man auch immer das nennt - will, müsste das Grundgesetz ändern und bräuchte eine Zweidrittelmehrheit, genauso wie die Regierung für den Fiskalpakt eine Zweidrittelmehrheit braucht. Richtig?

Kothé: Genau.

StS Seibert: Das nehme ich an. Ich bin kein Verfassungsrechtler. Die Bundesregierung hält das aus ökonomischen und juristischen Gründen nicht für sinnvoll, wird also einen solchen Weg sicherlich nicht beschreiten wollen.

Frage: Herr Seibert, Frau Kothé, eine Frage zu den europäischen Rettungsschirmen: Nachdem die Euro-Finanzminister gerade beschlossen haben, die Brandschutzmauer auf über 800 Milliarden Euro auszuweiten, war meine Kenntnis der Gespräche vom Dienstag, dass die Fraktionen sagten, der Finanzminister habe das Verhandlungsmandat für die 700 Milliarden Euro. Vielleicht kann uns Frau Kothé schon aufschlüsseln, wie sich das zusammensetzt, nachdem auch der Finanzminister gestern von über 800 Milliarden Euro gesprochen hat.

Herr Seibert, wie steht denn die Bundesregierung zu dieser doch erheblichen Ausweitung gegenüber dem, was am Dienstag zur Rede stand?

Kothé: Unterschiedliche Fragestellungen, unterschiedliche Antworten. Dann gibt es unterschiedliche Rechnungen, und dann kommt man zu verschiedenen Zahlen.

Zu den 800 Milliarden Euro: Wenn man fragt "Wie groß ist der bestehende Rettungsschirm in Europa", kann man ESM, EFSF zusammenaddieren, also die Mittel, die dabei schon vergeben worden sind. Dann gab es noch aus dem ersten Griechenland-Paket dieses europäische Vorläuferinstrument, nämlich den ESFM. Dann gab es bilaterale Kredite. Wenn man das alles zusammenaddiert - ESM: 500 Milliarden Euro, EFSF: 200 Milliarden Euro und 100 Milliarden Euro aus dem europäischen Mechanismus aus der Krisenanfangszeit -, kommt man auf 800 Milliarden Euro. So erklärt sich diese Zahl. Das ist das Volumen des bestehenden europäischen Rettungsschirms.

Was aber jetzt aktuell entschieden werden muss, ist das ganze Instrumentarium, wie es in der Krise Anwendung gefunden hat. Was jetzt in Kopenhagen entschieden wird, ist die Mittelausstattung, die Kreditvergabemöglichkeiten des neuen ESM. Neu ist, dass man sagt: Dieser soll, wie wir sagen, mit "fresh money" in einer Höhe von 500 Milliarden Euro ausgestattet werden. Es soll eben nicht diese bisher vorgesehene Verrechnung mit den EFSF-Mitteln stattfinden.

Zusatzfrage: Die österreichische Finanzministerin hat von über 800 Milliarden Euro gesprochen. Ist das dann eine Schwankungsbreite? Wo kommt das denn her? Ist das jetzt das, worüber am Dienstag auch diskutiert worden ist?

Kothé: Ja, genau.

Zusatzfrage: Also hat sich Deutschland da durchgesetzt?

Kothé: Ich kenne die aktuelle Beschlusslage nicht. Die Finanzminister sind gerade in Kopenhagen. Ich kann Ihnen nicht sagen, was der genaue Stand ist.

StS Seibert: Es scheint mir auch sinnvoll, das in Kopenhagen zu klären.

Kothé: Das ist der Stand gewesen, bevor ich hierhergefahren bin.

Zusatzfrage: Die Bundesregierung sieht keine Ausweitung gegenüber dem, was in den Fraktionen diskutiert worden ist?

StS Seibert: Es ist keine Ausweitung; das hat Frau Kothé, glaube ich, sehr klar gesagt. Es ist ein Hinzuzählen dieser ursprünglichen europäischen EFSM-Gelder von 50 Milliarden Euro plus der ausgezahlten Gelder aus dem ersten Hilfsprogramm für Griechenland. Dann kommt man auf zweimal 50 Milliarden Euro, die sich zu den etwa 700 Milliarden Euro addieren, die Bundesminister Schäuble schon vorgetragen hat. Dann sind wir bei 800 Milliarden Euro. Das ist keine Ausweitung, sondern das ist eine andere Betrachtungsweise.

Frage: Damit ich das richtig verstehe: Das ist das Endstadium, also in zwei oder drei Jahren, wenn die 500 Milliarden Euro de facto auch zur Verfügung stehen. Am Anfang ist der Rettungsschirm kleiner. Richtig?

Kothé: Ja.

Frage: Eine Frage an Wirtschafts- und Verkehrsministerium zur Bahnpolitik: Mich würde interessieren, ob die beiden Ministerien der Meinung sind, wie Herr Ramsauer es ausgedrückt hat, dass der bestehende Konzernaufbau der Bahn, also die Verbindung des Netzes mit dem Konzern, die richtige und wirtschaftlich sinnvollste Form ist.

Strater: Der Minister hat sich am Mittwoch dazu geäußert. Dem habe ich hier an dieser Stelle heute nichts hinzuzufügen.

Schneid: Ich kann dazu im Moment leider auch nichts sagen. Ich müsste Ihnen die Antwort nachreichen.

Zusatz: Hintergrund ist ja, dass Ihr Wirtschaftsstaatssekretär erklärt hat, dass die Position, die das Verkehrsministerium vertritt, nicht mit dem Koalitionsvertrag im Einklang steht, er sich deswegen hinter diese Position auch nicht stellen kann und er diese Festlegung, die es im Bahn-Aufsichtsrat gegeben hat, deswegen für falsch hält.

Schneid: Ich bin, wie gesagt, überfragt. Ich müsste die Antwort nachreichen.

Frage: Frau Schneid, ich möchte nach einer Bitte der israelischen Regierung fragen, im Fall eines zunehmenden Iran-Boykotts notfalls die Ölreserven anzuzapfen. Sie haben am Mittwoch, glaube ich, gesagt, das würde für die Benzinpreise nicht infrage kommen. Ist es in diesem Fall nach der deutschen Gesetzeslage möglich, Ölreserven anzuzapfen?

Schneid: Für welchen Fall? Das habe ich nicht verstanden.

Zusatz: Der israelische Vize-Regierungschef hat den Westen aufgefordert, im Zweifel strategische Ölreserven anzuzapfen, um den Einfuhrboykott iranischen Öls sozusagen abzufedern. Geht das nach deutschem Recht?

Schneid: Ich kann nur noch einmal auf das verweisen, was wir in dieser Woche schon gesagt haben, dass es eine klare gesetzliche Regelung im Erdölbevorratungsgesetz gibt, in welchen Fällen die Ölreserven zur Krisenvorsorge im Markt zur Verfügung gestellt werden dürfen. Die Reserven sind für physische Versorgungsstörungen vorgesehen. Aber das müsste ich noch einmal rückkoppeln.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 30. März 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/03/2012-03-30-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2012