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PRESSEKONFERENZ/408: Regierungspressekonferenz vom 27. April 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 25. April 2012
Regierungspressekonferenz vom 25. April 2012

Themen: neueste Entwicklungen im Fall Timoschenko, Kabinettssitzung (Demografiestrategie, deutsch-schweizerisches Steuerabkommen, Sitz des UN-Sekretariats des neuen internationalen Wissenschaftlergremiums für Biodiversität), Betreuungsgeld, Vorratsdatenspeicherung, Feldversuch mit Lang-Lkw, Reisekostenetats der Ministerien, Rücktritt der niederländischen Regierung/europäische Schuldenkrise, Mindestlohn, Zuschussrente für Geringverdiener, Reise des Bundesaußenministers nach Südostasien

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Kotthaus (BMF), Helfer (BMAS), Laubinger (BMFSFJ), Mertzlufft (BMJ), Teschke (BMI), Rohde (BMVBS), Kraus (BMWi)



Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren. Ich möchte Sie über die Haltung der Bundesregierung zu den neuesten Entwicklungen im Fall Timoschenko informieren.

Die Bundesregierung ist sehr besorgt über Berichte, dass bei der zeitweiligen Verlegung von Frau Timoschenko in ein Krankenhaus am vergangenen Freitag physische Gewalt angewendet worden sei. Wenn diese Berichte zuträfen, dann wäre das Vorgehen der ukrainischen Strafvollzugsbehörden inakzeptabel und vollkommen unverhältnismäßig.

Frau Timoschenko ist nun nach eigenen Angaben und nach den Angaben ihres Mannes am Freitag in einen Hungerstreik getreten. Bei ihrem angeschlagenen Gesundheitszustand kann man sich vorstellen, dass die möglichen Folgen dieses Hungerstreiks besonders gravierend wären. Deswegen ist es nach unserer Überzeugung umso dringender, dass es nun endlich möglich gemacht wird, Frau Timoschenko eine angemessene medizinische Behandlung zukommen zu lassen. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass das Angebot der Bundesregierung, eine medizinische Behandlung hier in Deutschland durchzuführen, steht. Außenminister Westerwelle hat das seinem ukrainischen Kollegen auch noch einmal übermittelt.

Ganz grundsätzlich gilt: Das strafrechtliche Vorgehen gegen Frau Timoschenko und auch gegen andere Oppositionspolitiker, gegen den ehemaligen Innen-, den (ehemaligen) Umwelt- und den (ehemaligen) Verteidigungsminister, ist mit den Werten, die wir hier in Europa hochhalten und denen wir uns verpflichtet fühlen, nicht vereinbar. Das Strafrecht darf eben nicht dazu missbraucht werden, Demokratie zu beschneiden und Opposition zu verhindern. Die ukrainische Führung unter Staatspräsident Janukowitsch sollte sehr schnell Auswege aus dieser Situation finden und den freien politischen Wettbewerb wieder zulassen.

Frage: Herr Seibert, welche Auswirkungen könnte das Vorgehen der Ukraine auf die Fußball-EM und den möglichen Besuch dieser Veranstaltung durch Regierungsmitglieder haben?

StS Seibert: Ich kann Ihnen zunächst nur berichten, dass die Bundeskanzlerin noch keine Reisepläne für die Spiele in der Ukraine gemacht hat. Insofern gibt es noch keine Festlegungen. Wir als Bundesregierung haben aber natürlich dessen ungeachtet der ukrainischen Regierung unsere Position zur Rechtsstaatlichkeit immer wieder klargemacht, so wie ich es auch heute mit meiner Erklärung hier versucht habe.

Zusatzfrage: In diesem Zusammenhang rät der Bundesinnenminister von einem Boykott ab. Schließen Sie sich dem an?

StS Seibert: Der Bundesinnenminister hat für sich gesprochen. Ich glaube, das Wesentliche ist, dass man auf der politischen Ebene alles tut, um eine Verbesserung nicht nur der Situation der Gefangenen, sondern eben auch der rechtsstaatlichen Situation, um einen Abbau der rechtsstaatlichen Defizite vor allem in der Ukraine zu erreichen.

Zusatzfrage: Welches sind denn die wesentlichen Schritte, die noch getan werden könnten? Eine Einbestellung des Botschafters? Oder wie könnte das aussehen?

Schäfer: Zunächst würde ich gern ergänzen, dass sich der Außenminister soeben im Auswärtigen Amt vor den Medien zu dieser Frage eingelassen hat. Er hat gesagt, dass er nichts von Boykottaufrufen bei sportlichen Großveranstaltungen hält, aber sehr deutlich darauf hingewiesen, dass diese Veranstaltung und andere sportliche Großveranstaltungen wegen des großen öffentlichen Interesses an ihnen auch eine gute Gelegenheit sind, politisch genau hinzuschauen, wie es um die Rechte der Opposition, wie es um die Lage von Menschenrechten und wie es um die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine steht. Es ist im Interesse der Ukraine, die Fußball-Europameisterschaft auch als einen Ansporn zu begreifen, sich als Teil der europäischen Wertegemeinschaft zu präsentieren. Ich glaube, das liegt auf der Hand.

Wie das jetzt weitergeht, ist relativ schwer vorherzusehen. Sie haben sicherlich den Agenturen entnommen, dass sich das ukrainische Außenministerium über unsere Botschaft in Kiew mit dem Ihnen bekannten Vorschlag beziehungsweise der Frage an die Bundesregierung gewandt hat, ob sich nicht womöglich deutsche Ärzte in der Ukraine an einer medizinischen Behandlung von Frau Timoschenko beteiligen könnten. Daraufhin hat Außenminister Westerwelle soeben die Medien wissen lassen, dass wir nun auf der Grundlage der ukrainischen Note prüfen werden, ob und unter welchen Voraussetzungen das ein für die Behandlung von Frau Timoschenko medizinisch sinnvoller Beitrag sein kann. Ich sehe mich - das werden Sie mir nachsehen - jetzt nicht in der Lage, das zu beantworten, schon gar nicht aus medizinischer Sicht. Sie wissen, dass führende Ärzte der Charité Frau Timoschenko besucht und untersucht haben. Nun wird es ganz wesentlich auch auf deren Urteil ankommen, wie und auf welche Weise vonseiten der Bundesregierung zu reagieren ist.

Frage: Herr Seibert, Sie sagten, es gebe keine Planungen der Bundeskanzlerin. Ist es aber angesichts der Vorwürfe, die Sie gerade formuliert haben, und angesichts der Kritik für die Bundeskanzlerin überhaupt vorstellbar, sich zusammen mit Herrn Janukowitsch in ein Fußballstadion zu setzen? Ist das heute überhaupt im Bereich des Denkbaren?

StS Seibert: Ich will jetzt nicht darüber spekulieren, was alles im Bereich des Denkbaren ist. Ich denke, es ist ganz klar: Die politische Aufgabe sieht die Bundesregierung darin, alleine und auch gemeinsam mit ihren europäischen Partnern alles Mögliche zu tun, um auf einen Abbau der rechtsstaatlichen Defizite in der Ukraine und insbesondere auf eine Verbesserung der Situation der Gefangenen Timoschenko und ähnlicher Fälle hinzuwirken. Die Bundeskanzlerin hat noch keine Reisepläne; aber natürlich wird das eine in die Überlegungen für das andere mit einfließen.

Frage: Herr Seibert, würde man die ukrainische Staatsspitze heute, zum gegenwärtigen Stand, nach Berlin einladen, und würde man sie offiziell empfangen?

StS Seibert: Das ist eine dieser hypothetischen Fragen, über die es müßig ist nachzudenken. Die Bundeskanzlerin ist der ukrainischen Staatsspitze beispielsweise im vergangenen Jahr in Warschau begegnet und hat die Gelegenheit genutzt, um ein sehr ernsthaftes Gespräch mit Staatspräsident Janukowitsch eben gerade über rechtsstaatliche Defizite und den Fall Timoschenko zu führen.

Zusatzfrage: Das heißt, man kann einem solchen Staatspräsidenten sozusagen in einem Aufwasch die Hand schütteln und ihm gleichzeitig sagen, er solle die Menschenrechtsverletzungen sein lassen?

StS Seibert: Unsere Aufgabe wird es immer sein, unseren politischen Einfluss zu nutzen, um die Situation der Menschenrechte und des Rechtsstaates zu verbessern.

Frage: Herr Schäfer, wer wird denn und möglicherweise bis wann entscheiden, ob deutsche Ärzte an der Behandlung in der Ukraine teilnehmen oder nicht?

Schäfer: Ich kann Ihnen dazu keinen Zeitplan nennen. Die förmliche Anfrage der ukrainischen Regierung, des ukrainischen Außenministeriums, haben wir heute bekommen. Sie ist in Kiew, und sie ist jetzt auf dem Weg nach Berlin. Sie können, denke ich, guten Gewissens von mir hier oben nicht verlangen, Ihnen schon jetzt zu sagen, in welcher Weise wir darauf antworten. Dass das angesichts der von Staatssekretär Seibert dargestellten Umstände, namentlich des begonnenen Hungerstreiks, keine Angelegenheit ist, die aus Sicht der Bundesregierung auf die lange Bank geschoben werden sollte, können Sie sich denken, und das ist selbstverständlich.

Vorsitzender Mayntz: Ich schlage vor, wir machen jetzt weiter mit den Ergebnissen des Kabinetts und rufen im Anschluss von uns aus direkt die Themen "Betreuungsgeld" und "Vorratsdaten" auf.

StS Seibert: Es war übrigens die 100. Kabinettssitzung in dieser Legislaturperiode. Ich denke, das möchten Sie wissen.

Vorsitzender Mayntz: Gab es Sekt?

StS Seibert: Nein, es gab Arbeit, wie immer. Der erste wesentliche Punkt, mit dem sich das Bundeskabinett heute befasst hat, war die Demografiestrategie. Die Bundesregierung hat diese Strategie unter die Überschrift "Jedes Alter zählt" gestellt. Der federführende Bundesinnenminister hat Sie, glaube ich, schon ausführlich darüber informiert. Ich will es deswegen eher kurz machen.

Wir werden älter, wir werden weniger, und wir werden vielfältiger. Diese Tatsache ist nicht neu. Der Prozess ist schon seit Jahren im Gange, und er ist natürlich auch politisch schon eine Weile erkannt worden. Es gibt kein Ressort, das in seinem Aufgabenbereich nicht längst Maßnahmen ergriffen hat, die sich mit den Herausforderungen des demografischen Wandels befassen. Aber im Gesamtüberblick hat das noch keine Bundesregierung dargestellt und damit hat auch noch keine Bundesregierung den Fragen der Demografie eine solche zentrale politische Bedeutung gegeben. Mit dieser Demografiestrategie fasst die Bundesregierung übrigens nicht nur die schon laufenden Maßnahmen zusammen, sondern sie bringt in vielen Feldern ganz zentrale neue Initiativen auf den Weg. Vor allem gilt es dabei, ein auch in seiner Weise neues ressortübergreifendes Denken und Handeln im Bereich der Demografiepolitik herbeizuführen.

"Jedes Alter zählt" - diese Überschrift heißt, dass es für die Bundesregierung darum geht, Menschen jeden Alters Chancen zur Entfaltung und zur Nutzung ihrer Möglichkeiten zu geben. Nach unserer Überzeugung werden wir nur so die Grundlage schaffen, dass dieses Land auch weiterhin Wohlstand und sozialen Zusammenhalt sichern kann. Sechs Handlungsfelder sind identifiziert worden. Für jedes dieser sechs Felder hat die Demografiestrategie konkrete Ziele, konkrete Schwerpunktmaßnahmen formuliert. Manches davon liegt in der alleinigen Zuständigkeit einer Bundesregierung, aber man stößt bei vielem natürlich auch immer wieder an den Punkt, dass es eben nur Bund, Länder, Kommunen, Bürger, Unternehmen und Wirtschaft gemeinsam sein können, die das zustande bringen.

Das war alles gestern schon bei der Demografie-Fachtagung im Bundeskanzleramt zu spüren, mit der die Bundesregierung diesen politischen Prozess eingeleitet hat. Gerade auch nach den Erfahrungen des Austauschs von gestern geht die Bundesregierung eben nicht sorgenvoll, sondern durchaus zuversichtlich an diese Aufgaben heran. Sie finden viele weitere Informationen auf der ab heute geschalteten Webseite www.jedes-alter-zählt.de. Wir haben im Vorraum Exemplare der Strategie sowie Broschüren mit Praxisbeispielen ausgelegt.

Das zweite große Thema des Bundeskabinetts in dieser 100. Sitzung war das Steuerabkommen mit der Schweiz, das das Kabinett heute beschlossen hat. Über die Einzelheiten ist hier mehrfach berichtet worden. Herr Kotthaus wird sicherlich bei Bedarf mit Ihnen gerne auch noch weiter ins Detail gehen. Ich will wirklich nur kurz das Wichtige sagen. Dies ist nach Überzeugung der gesamten Bundesregierung ein sehr gutes Abkommen. Es bringt für die Vergangenheit keine 100-prozentige Lösung - die kann es auch nie geben -, aber es bringt eine gute Lösung für die Vergangenheit, und es bringt deutlich mehr Steuergerechtigkeit als frühere Versuche auch unter einer rot-grünen Bundesregierung. Es bringt nebenbei bemerkt auch deutlich mehr Steuerzahlungen. Für die Zukunft stellt dieses Abkommen ganz unbestritten einen gerechten Zustand her, den Zustand nämlich, dass Vermögen deutscher Bürger steuerlich gleich behandelt wird, egal ob es in Deutschland oder etwa in der Schweiz liegt.

Die Bundesregierung wird Bundestag und Bundesrat dringend die Annahme dieses Abkommens empfehlen. Ohne dieses Abkommen - das muss jeder wissen - bleibt es bei dem unbefriedigenden Zustand der letzten Jahre. Ohne dieses Abkommen werden jeden Tag neue Fälle von Steuerhinterziehung verjähren. Ohne dieses Abkommen entgehen dem deutschen Staat und damit uns allen unwiederbringlich erhebliche Summen.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass Großbritannien und beispielsweise Österreich durchaus ähnliche Abkommen mit der Schweiz geschlossen haben - aus der Sicht des Fiskus und nach unserer Überzeugung im Sinne der Steuergerechtigkeit beispielsweise noch nicht einmal so günstig wie das Abkommen, das die Bundesregierung jetzt ausgehandelt hat. Das deutsche Verhandlungsergebnis, das Verhandlungsergebnis des Finanzministers, kann sich also absolut sehen lassen. Der Außenminister hat nach dem Vortrag von Herrn Schäuble im Kabinett von einem hervorragenden Verhandlungsergebnis gesprochen, das geeignet ist, ein altes Problem zwischen uns und den Freunden und Nachbarn aus der Schweiz zu beseitigen. Fazit: Die Bundesländer wären gut beraten, diesem Abkommen zuzustimmen.

Frage: Herr Seibert, ich habe eine Frage zu diesem Steuerabkommen. Weshalb ist es eigentlich den USA gelungen, ein schärferes Steuerabkommen zu vereinbaren?

StS Seibert: Ich glaube, man kann sehr gut darüber streiten, ob es schärfer ist. Aber ich denke, die Details zu diesem Punkt kann Ihnen Herr Kotthaus besser darlegen.

Kotthaus: Die USA haben kein schärferes Steuerabkommen mit der Schweiz getroffen. Das ist eine Tatsache.

Zusatz: Aber sie haben schärfere Regeln.

Kotthaus: Die USA hatten bilaterale Verträge mit Schweizer Banken geschlossen. In dem Zusammenhang gibt es eine Diskussion darüber, ob die Schweizer Banken diese bilateralen Verträge mit den USA eingehalten haben. Wenn sie sie nicht eingehalten hätten, wenn es Verstöße dabei gegeben hätte, was ich nicht beurteilen kann, wäre das sogar nach Schweizer Recht ein Abgabenbetrug. Deswegen sind insoweit andere Regeln anzuwenden.

Was aber die Frage der Regelungen für die Vergangenheit, also die Wiederherstellung einer Steuergerechtigkeit für die Vergangenheit betrifft, weil die Gelder ansonsten verjähren, und zwar in Millionenhöhe, jedes Jahr friedlich, und was die völlige Gleichbehandlung mit in Deutschland liegendem deutschem Vermögen mit dem in der Schweiz liegenden betrifft, so sind diese nur in diesem deutsch-schweizerischen Abkommen so enthalten. Es ist bei der österreichischen Lösung ähnlich, es ist bei der britischen Lösung ähnlich; aber in der Frage der Zinssätze, in der Frage der Abschlagszahlungen sind wir absoluter Spitzenreiter.

Noch einmal: Der amerikanisch-schweizerische Tatbestand ist ein anderer. Das muss man einfach einmal anerkennen. Es ist ein anderer Sachverhalt, ein anderer Regelungsinhalt als im deutsch-schweizerischen Steuerabkommen. Deswegen ist dieser Mythos, das sei irgendwie schärfer oder wilder oder schöner oder besser oder höher, leider nicht zutreffend.

Frage: Eine kurze Wissensfrage: Ist schon klar, wie der weitere Fahrplan aussieht? Wann geht es in den Bundestag, für wann ist die Befassung des Bundesrats geplant, und gibt es schon Termine für weitere Gespräche mit den Ländern?

Kotthaus: Es ist durch das Kabinett gegangen. Jetzt geht es in den Bundestag. Ich gehe davon aus, dass das noch vor der Sommerpause in den Bundestag gehen wird. Dann muss man schauen, wie die weitere Planung läuft, auch in den Gesprächen mit dem Bundestag, aber auch mit dem Bundesrat.

Frage: Geschätzter Herr Kollege Kotthaus, gibt es eigentlich eine zeitliche Deadline, sollte der Fall eintreten, dass es im Bundesrat, aus welchen Gründen auch immer, keine annehmende Mehrheit ergibt? Gibt es einen Zeitplan für das Verfallen dieser Vereinbarung, oder kann es, einmal angenommen, bis zur nächsten Bundestagswahl im Bundesrat ruhen, und kann man es danach wieder aufnehmen?

Kotthaus: Das Abkommen sieht eine Gültigkeit, ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2013 vor. Soweit ich weiß, ist die nächste Bundestagswahl nach dem 1. Januar 2013. Wir planen, wir wollen, wir gehen davon aus, dass wir das zum 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt haben. Wenn die Debatten anders laufen, muss man schauen, was man machen kann. Aber der Plan ist, es bis zum 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt zu haben.

Zusatzfrage: Das heißt, es verfällt nicht automatisch am 1. Januar 2013, sollte es sich der Bundesrat bis dahin anders überlegt haben, als Sie es gerne hätten?

Kotthaus: Wenn Sie auf den nächsten Bundestag, auf die nächste Legislaturperiode, schauen, kennen Sie das übliche Problem und wissen, was mit Gesetzen passiert, die bis dahin nicht angenommen worden sind. Aber noch einmal: Das Abkommen soll, so wie es im Augenblick steht, zum 1. Januar 2013 in Kraft treten, und ich werde hier auch keine Spekulation darüber anfangen, was anders wäre, wenn. Das Abkommen, so wie es jetzt steht und so, wie es gerade auch Herr Seibert erklärt hat, ist sicherlich die beste Lösung, die wir seit Jahrzehnten in diesem Zusammenhang haben. Es ist, wie gesagt, die einzige Möglichkeit, die einzige Chance, diesen Prozess zu beenden, dass jedes Jahr Steuerforderungen in Millionenhöhe verjähren. Das ist, denke ich, der eigentliche Punkt, an dem es dann zur Steuerungerechtigkeit kommt, dass eben diejenigen, die es friedlich aussitzen, schlicht und ergreifend keine Steuern zahlen müssen, weil die Verjährung eintritt. Die Verjährung ist nun ein Rechtsinstitut, das mit gutem Grund existiert. Es sind 10 Jahre, und danach ist einfach Schluss. Dieses Abkommen ist die Chance, endlich diesen Zirkel zu durchbrechen und genau von denjenigen, die in der Vergangenheit eben nicht ihrer Steuerpflicht nachgekommen sind, einen Beitrag zu verlangen. Deswegen - wenn man sich auch anschaut, dass die Gleichbehandlung für die Zukunft vollkommen gewährleistet ist, dass wir verschärfte Möglichkeiten der Kontrollen haben, dass wir eine größere Transparenz haben - bin ich weiterhin optimistisch, dass sich dieses Abkommen im Endeffekt auch durchsetzen wird. Ich gebe zu: Das ist sicherlich ein leichter "uphill struggle". Aber manchmal kann man ja hoffen, dass Argumentation und Logik im Endeffekt auch gewinnen.

Vorsitzender Mayntz: Herr Seibert möchte zum Kabinett noch ergänzen.

StS Seibert: Ich habe tatsächlich etwas aus dem Kabinett vergessen. Der Bundesumweltminister hat seinen Kollegen über die Entscheidung vorgetragen, den Sitz des UN-Sekretariats des neuen internationalen Wissenschaftlergremiums für Biodiversität nach Bonn zu verlegen. Davon war hier schon die Rede. Ich wollte es trotzdem erwähnen, weil es ein Punkt im Kabinett war. Bonn hat sich dabei gegen sehr große internationale Konkurrenz durchgesetzt. Der Bundesumweltminister hat das als eine internationale Anerkennung für deutsches Engagement auf einem der wichtigsten Felder der internationalen Umweltpolitik gewertet.

Frage: Ich habe eine Frage zum Betreuungsgeld.

Erstens. Opposition und Sozialverbände kritisieren heute die Pläne der Koalition, das Betreuungsgeld mit Hartz IV zu verrechnen. Was halten Sie dem denn entgegen? - Ich denke, diese Frage geht in erster Linie an das Sozialministerium. Aber gern kann sich auch Herr Seibert hierzu äußern.

Helfer: Wir haben von dieser Stelle aus mehrfach gesagt, dass zunächst ein Referentenentwurf zum Betreuungsgeld vorgelegt werden muss. Das ist momentan noch nicht der Fall. Daher kann man auch gegenwärtig nichts zu einer möglichen Anrechnung dieses Betreuungsgeldes, so wie es dann ausgestaltet sein wird, auf Leistungen aus dem Sozialgesetzbuch II sagen.

Zusatzfrage: Aus den Fraktionen heißt es, es sei im Prinzip der Beschluss des Koalitionsausschusses gewesen, das so zu regeln. Dies ist ja bei Hartz IV geltende Gesetzeslage. Ist es jetzt tatsächlich noch nicht State of the Art, dass das Betreuungsgeld angerechnet wird? Ist das also noch völlig offen? Da scheint es offensichtlich Verwirrung zu geben.

Helfer: Bei mir gibt es da keine Verwirrung. Es gibt gegenwärtig noch keinen Referentenentwurf. Daher kann ich Ihnen auch nicht sagen, wie die Anrechnungsregelung sein wird.

Zusatzfrage: Also müsste man sozusagen die Koalitionsfraktionen fragen, was sie damals definitiv besprochen haben. Vielleicht kann Herr Seibert weiterhelfen. Ist das so besprochen worden?

StS Seibert: Wir sprechen ja hier über das, was die Bundesregierung tut. Sie kennen unseren Zeitplan: Die zuständige Ministerin wird bis zum Sommer einen Gesetzentwurf vorlegen. Auf dieser Basis werden wir Sie dann über alle Details informieren und auch alle Details mit Ihnen diskutieren, wenn Bedarf besteht. Bis dahin lassen wir die Experten der Ressorts ihre Arbeit machen.

Zusatzfrage: Ist es denn wenigstens richtig, dass diese Regelung im November im Koalitionsausschuss entsprechend beschlossen worden ist?

StS Seibert: Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich im Koalitionsausschuss nicht dabeisitze. Dies ist eine Veranstaltung der Parteien. Ich weiß, dass sich der Koalitionsausschuss erneut darauf geeinigt hat - der ursprüngliche Beschluss stammt ja aus dem Jahr 2008 -, das Betreuungsgeld umzusetzen.

Frage: Ich habe eine Frage an Frau Helfer zur Systematik. Bei anderen Familienleistungen - Elterngeld, Kindergeld - wird angerechnet. Würden Sie kurz die Begründung nennen und sagen, ob die auch für neue Familienleistungen zutrifft?

Das Elterngeld wurde bis zum Jahr 2010 nicht angerechnet. Mit welcher Begründung hat man das damals so gemacht?

Helfer: Ich möchte eigentlich nicht in diese Diskussion einsteigen. Ich kann Ihnen gerne noch einmal wiederholen, was momentan angerechnet wird und was nicht angerechnet wird. Aber ich möchte, wie ich gerade schon gesagt habe, damit nicht insinuieren, wie man jetzt mit dem Betreuungsgeld verfahren wird. Das bleibt abzuwarten. Momentan wird Einkommen auf Leistungen angerechnet, die landläufig "Hartz IV" genannt werden. Einkommen im Sinne des zugrunde liegenden Gesetzes, des Sozialgesetzbuchs II, sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Dazu gehören alle Einnahmen ohne Rücksicht auf ihre Herkunft oder Rechtsnatur. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Es gibt natürlich ein paar Ausnahmen, und es gibt auch Freibeträge. Diese können Sie alle auf unserer Homepage nachlesen. Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, werden nur als Einkommen berücksichtigt, soweit sie im Einzelfall demselben Zweck wie die Leistung nach dem SGB II dienen. Dann gibt es eben, wie gesagt, diese Möglichkeiten des Absetzens.

Nach welcher Begründung vorher das Elterngeld nicht angerechnet wurde, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Das müsste ich Ihnen nachreichen. Momentan ist das Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz bis zu einer Höhe von 300 Euro monatlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit es auf eine Erwerbstätigkeit vor diesem Elterngeldbezug zurückgeht.

Frage: Vom Familienministerium, das, soweit ich weiß, jetzt doch wieder federführend den Referenten- und Gesetzentwurf ausarbeitet, wüsste ich gerne, ob bereits innerhalb des Ministeriums Klarheit herrscht, wie die mit dem Betreuungsgeld verbundenen Minderausgaben aufzubringen sind und ob in dem, was derzeit diskutiert wird, eine Regelung enthalten ist, die die CSU-Landesgruppenvorsitzende, Frau Hasselfeldt, gestern mit den Worten beschrieb, selbstverständlich werde das Betreuungsgeld angerechnet.

Laubinger: Mein Kollege Steegmans hat am Montag schon, wie ich finde, sehr deutlich gemacht, dass wir sämtliche Details in Sachen Betreuungsgeld erst nach Abschluss der gesetzgeberischen Arbeiten bekannt geben werden. Ich unterstreiche das heute gerne noch einmal. Ich werde deshalb auch zu sämtlichen Berichten in Sachen Betreuungsgeld oder Ausgestaltung des Betreuungsgeldes keine Stellung nehmen, sie weder bestätigen noch dementieren. Wir haben bereits im November letzten Jahres gesagt, dass sich das Betreuungsgeld in das Konzert sämtlicher familienpolitischer Leistungen einfügen wird. Darüber hinaus gibt es nichts, was wir der Debatte momentan hinzufügen können.

Zusatzfrage: Dann an Sie und an Herrn Seibert einfach noch einmal die Frage: Haben Sie eine Erklärung dafür, wie eine veritable Politikerin wie die Landesgruppenvorsitzende der CSU im Bundestag mehr oder weniger abschließend mitteilen kann, selbstverständlich werde das Betreuungsgeld angerechnet, wo es doch eigentlich niemand wissen kann?

StS Seibert: Parlamentarische Stimmen sind vollkommen frei, und das ist auch richtig so. Wir berichten hier über das, was die Bundesregierung an konkreten Plänen vorlegt oder bereits vorgelegt hat. In diesem Zusammenhang warten wir unseren Zeitplan ab und berichten dann, wenn es soweit ist, über den fertigen Gesetzentwurf, der dann durch die Ressortabstimmung gegangen ist und der in allen Details vor Ihnen liegt und in allen Details besprochen und erfragt werden kann.

Frage: Ich habe eine Frage an das Familienministerium, die im weiteren Sinne das Betreuungsgeld beziehungsweise die Kinderbetreuung betrifft. Der Ausbau der Kita-Plätze kommt ja nicht sonderlich voran. Frau Künast hat vorhin ein Statement abgegeben und darin gesagt, Ihnen würden, wenn Sie es nicht schaffen ausreichend viele Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen, auch Schadenersatzforderungen ins Haus stehen, zum Beispiel für Verdienstausfall. Mich interessiert: Teilen Sie diese Einschätzung?

Laubinger: Wir haben ja 2007 zusammen mit Ländern und Kommunen beschlossen, dass wir bis zum Jahr 2013 den Kita-Ausbau anvisieren, dafür Geld zur Verfügung stellen und uns dafür einsetzen, dass Eltern dann einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz haben. Das ist nach wie vor das Ziel. Das ist eine große Aufgabe, aber das ist etwas, was durchaus realistisch ist und was von uns durchaus immer noch als realistisches Ziel eingeschätzt wird. Wir haben, was den Kita-Ausbau angeht, immer noch 700 Millionen Euro, die nicht abgerufen sind, im Sondervermögen. Davon sind 300 Millionen Euro noch nicht einmal bewilligt. Das heißt, bevor jetzt Rufe nach Änderungen in Sachen Kita-Ausbau durch die Welt geschickt werden, wäre es schön, diese 700 Millionen Euro erst einmal abzurufen und die Eltern darin zu unterstützen, dass der Rechtsanspruch mit diesem Geld bis 2013 auch Wirklichkeit werden kann.

Zusatzfrage: Besteht denn Ihrer Ansicht nach auch ein Anspruch auf Schadenersatz für Verdienstausfall, wenn man keinen Kita-Platz bekommt?

Laubinger: Die Frage stellt sich momentan nicht, weil wir daran festhalten: 2013 gibt es den Rechtsanspruch, und bis dahin gibt es so viele Kita-Plätze, dass 38 Prozent - das entspricht dem Bedarf, den die Eltern momentan anmelden - auch einen Kita-Platz wahrnehmen können.

Frage: Noch einmal zurück zum Betreuungsgeld und zum konkreten Regierungshandeln. Es gibt laut "Thüringer Allgemeine" ein Schreiben des Bundesarbeitsministeriums vom 17. Dezember an das Thüringer Sozialministerium, dass man in Abstimmung mit dem Familienministerium der Rechtsauffassung sei, dass das dort gezahlte Landeserziehungsgeld anrechnungsfrei sei, und das sei wiederum dem Betreuungsgeld vergleichbar. Welche Fragen ergeben sich dann überhaupt noch in Bezug auf das Betreuungsgeld?

Helfer: Ich kenne eine Agenturmeldung von dapd. Darin wird gesagt, dass das im Jahr 2006 eingeführte Thüringer Landeserziehungsgeld mit der geplanten Leistung des Bundes vergleichbar sei. Ich weiß nicht, wer diese Aussage getroffen hat. Ich müsste mir die Antwort erst noch einmal anschauen, die ich kurz vor der Pressekonferenz nicht mehr lesen konnte. Ich kenne ja, wie bereits eingangs gesagt, die Ausgestaltung nicht und kann daher nicht sagen, ob das in Thüringen gezahlte Betreuungsgeld oder Erziehungsgeld mit dem vergleichbar ist, was noch in einen entsprechenden Gesetzentwurf geschrieben werden muss. Daher weiß ich nicht, ob man eine so weit gehende Aussage jetzt schon treffen könnte.

Vorsitzender Mayntz: Wenn Sie kundig sind, würden wir uns freuen, Sie gäben uns das.

Helfer: Dieses Schreiben kann man, wie gesagt, gerne öffentlich machen.

Frage: Eine Frage an das Bundesfamilienministerium. Frau Laubinger, gehört zu den politischen Vorgaben für die Erarbeitung des Gesetzentwurfes die Anrechnung von Hartz-IV-Leistungen dazu? Welche politischen Vorgaben hat es überhaupt gegeben? Oder wird das völlig ohne Vorgaben von Referenten in freier Hand erarbeitet? Bitte helfen Sie mir auf die Spur.

Laubinger: Ich verstehe Ihr Interesse sehr gut, da noch einmal nachzuhaken. Bitte verstehen Sie auch mein Interesse daran, dass ich Details zum Betreuungsgeld hier erst vortrage, wenn sie spruchreif sind und dass ich meinem Haus den nötigen Schonraum gebe, einen Referentenentwurf auszuarbeiten, der alle Fragen sicher behandelt. Dafür ist einfach die Zeit notwendig. Deswegen kann ich dazu jetzt auch keine Stellung nehmen.

Frage: Frau Helfer, ich habe doch noch eine Verständnisfrage. Sie haben eben gesagt, das Elterngeld werde dann nicht angerechnet, also gezahlt, wenn es auf eine vorherige Berufstätigkeit zurückzuführen ist. Ist das richtig?

Helfer: Ja.

Zusatzfrage: Und sonst wird es abgezogen?

Helfer: Es wird angerechnet. Das ist richtig.

Zusatzfrage: Das Betreuungsgeld geht grundsätzlich nicht auf eine vorherige Berufstätigkeit zurück. Würde das dann bedeuten, das würde abgezogen?

Helfer: Ich bitte Sie einfach, keine Rückschlüsse zu ziehen, weil wir die Ausgestaltung des Betreuungsgeldes nicht kennen. Erst wenn das klar ist, kann auch klar sein, ob eine Anrechnung vorgenommen wird oder nicht.

Frage: Eine Frage zum Thema Vorratsdatenspeicherung an Justiz- und Innenministerium: Ist, nachdem morgen die Frist zur Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung abläuft, mittlerweile die Stellungnahme an die EU-Kommission fertiggestellt? Wann wird sie übermittelt? Wird sie auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?

Merzlufft: Vielen Dank für die Frage. - Die Stellungnahme ist zwischen Innenministerium, Kanzleramt und Bundesjustizministerium abgestimmt. Ich habe es hier verschiedentlich gesagt: Es ist ein normaler und gängiger Schritt, in einem solchen Vertragsverletzungsverfahren, das schon länger dauert, diese Stellungnahme abzugeben. Herr Seibert hatte ausgeführt, dass es keine zwingende Stellungnahme ist. Aber wir haben eine Stellungnahme abgestimmt. Sie ist gegen Mittag auf den Weg gebracht worden. Formal heißt das: Das Bundeswirtschaftsministerium leitet sie der Ständigen Vertretung in Brüssel zu, sodass sie also heute vor Ablauf der Frist der Kommission zugehen müsste.

Es ist so, dass wir auch die Stellungnahme, die wir Mitte Dezember abgegeben haben, nicht veröffentlicht haben. Gleichwohl hatten wir an dieser Stelle angekündigt, zumindest inhaltlich politisch zu informieren, worauf wir uns abgestimmt in der Stellungnahme gegenüber der Kommission eingelassen haben.

Wir haben in der Stellungnahme noch einmal an unsere abgestimmte Haltung innerhalb der Bundesregierung von Ende letzten Jahres angeknüpft. Wir haben deutlich gemacht, dass wir in Verhandlungen, in Gesprächen in Bezug auf den neuen Stand sind und dass wir jetzt in der Ressortabstimmung sind. Der Vorschlag des Bundesjustizministeriums ist genauso bekannt wie die Änderungsvorschläge des Bundesinnenministeriums. Diesen Verfahrensstand haben wir der Kommission abgebildet und mitgeteilt.

Teschke: Dem kann ich nur in voller Gänze zustimmen.

Frage: Eine Frage an das Verkehrsministerium. Ihr Ministerium hat morgen zu einem Krisengipfel geladen, weil der Feldversuch mit Lang-Lkw, der seit Jahresbeginn läuft, offenbar ein Misserfolg ist. Sie drücken das in Ihrer Presseerklärung mit der Formulierung "Wo drückt der Schuh?" aus. Vor diesem Hintergrund die Frage: Ist es richtig, dass sich statt der erwarteten 400 Unternehmen bisher erst 5 an diesem Versuch beteiligen? Werden Sie den Wünschen vieler Unternehmen nachgeben, die Ausnahmeverordnung in dem Sinne zu ändern, dass sie weniger bürokratisch ist.

Rohde: Vielen Dank für die Frage. - Sie haben schon in Ihrer Frage darauf hingewiesen, dass morgen ein Spitzengespräch mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Andreas Scheuer stattfinden wird. Herr Scheuer wird sich morgen dazu umfangreich äußern.

Zusatzfrage: Das ist sehr erfreulich, und das werde ich auch aufmerksam verfolgen. Aber mich würde schon die Frage interessieren, ob es tatsächlich so ist, wie undementiert mehrfach berichtet worden ist, dass sich erst eine einstellige Zahl von Unternehmen an diesem Versuch beteiligt.

Rohde: Ich kann gerade nicht die genaue Zahl mitteilen. Ich kann das gerne nachreichen.

Vorsitzender Mayntz: Darüber freuen wir uns sehr.

Frage: Laut eines Berichts der Deutschen Presse-Agentur haben diverse Ministerien die Reisekostenetats deutlich überzogen. Spitzenreiter scheint wohl das Verkehrsministerium zu sein. Es gab über 50 Auslandsreisen des Ministers, so unter anderem auf die Kapverdischen Inseln und in die Mongolei.

Frage: Wie hoch ist der Reiseetat? Wie hoch ist er überzogen worden? Was hatte der Minister auf den Kapverdischen Inseln zu erledigen und was in der Mongolei? Falls es um die Förderung der deutschen Unternehmen ging: Ist das nicht eher Aufgabe des Wirtschaftsministeriums?

Last but not least: Herr Seibert, findet das alles die Billigung der Bundeskanzlerin? Hat sie eventuell in Erwägung gezogen, die Ministerien doch zu einer strengeren Einhaltung der Budgets zu ermuntern?

StS Seibert: Da ich diese Vorwürfe nicht kenne, kann ich nur ganz allgemein dazu sagen, dass die Bundeskanzlerin natürlich angesichts der Internationalisierung der Politik und der Globalisierung, in der wir uns bewegen, es für komplett richtig hält, dass die Minister international ihren Aufgaben nachgehen. Ich kann Ihnen hier nicht einzelne Fälle erklären, aber das ist die Grundüberzeugung.

Rohde: Ich kann direkt Ihre Anfrage zu den Kapverdischen Inseln beantworten: Das war ein Zwischenstopp zum Zwischentanken auf dem Weg nach Brasilien. In dieser Anfrage sind alle Länder aufgeführt worden, die angeflogen beziehungsweise besucht worden sind. Der Stopp auf den Kapverdischen Inseln war ein reines Auftanken auf einer Reise nach Brasilien. Ansonsten ist der Minister im Rahmen seiner Außenwirtschaftsstrategie im ständigen Dialog mit der Wirtschaft. Er ist damit quasi Türöffner für Infrastrukturunternehmen im Ausland, für Ingenieure und Unternehmen für den Hoch- und Tiefbau. Das betrifft alles die Bereiche Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung in unserem Haus.

Daneben nimmt unser Minister regelmäßig an den Verkehrsministerkonferenzen und Räten in Brüssel und Luxemburg und auch in den Ländern der jeweiligen Ratspräsidentenschaften teil.

Zusatzfrage: Ich hatte die Frage auch zur Mongolei gestellt. Was war dort die Aufgabe des Ministers?

Rohde: Die Antwort in Bezug auf die Mongolei habe ich nicht direkt parat. Die Antwort müsste ich nachreichen.

Zusatzfrage: Und die Frage zu den Zahlen? Wie hoch ist dieser Etat? Wie weit ist er im vergangenen Jahr überzogen worden?

Rohde: Das würde ich in diesem Päckchen nachreichen. Ich glaube, Herr Seibert wollte noch ergänzen. Dann würde ich noch die Frage von eben beantworten.

StS Seibert: Ich kann nicht konkret sagen, was Minister Ramsauer in der Mongolei gemacht hat. Ich kann Ihnen sagen, dass die Mongolei ein wichtiges Land ist, mit dem wir - und das ist eine gute Sache für die deutsche Wirtschaft und die deutsche Bevölkerung - zunehmend breite Beziehungen entwickeln. Es gibt eine Rohstoffpartnerschaft mit der Mongolei. Der mongolische Staatspräsident war vor Kurzem hier auf Staatsbesuch. Die Mongolei ist ein Land, mit dem es sich lohnt, enge Beziehungen zu unterhalten. Diese Beziehungen sind breit gefächert. Das erklärt den Besuch der Bundeskanzlerin dort im vergangenen Jahr, aber auch den Besuch von Bundesministern.

Rohde: Ich würde noch die Frage nach den Lang-Lkw konkret beantworten wollen: Es liegen sechs Anmeldungen vor und das Gespräch findet, wie der Name schon sagt, unter dem Thema "Wo drückt der Schuh?" statt, um diese Probleme zu lösen.

Frage: Eher eine Frage zu den Kapverden als zu den Lang-Lkw. In Bezug auf die Reistätigkeit würde mich doch eine Frage interessieren: Frau Kraus, weshalb verreist eigentlich der Bundeswirtschaftsminister so erstaunlich selten mit einer mehr oder weniger großen Wirtschaftsdelegation zu ausgiebigen Reisen in zukunftsträchtige Länder? Es gibt immer wieder - das wissen Sie auch - Klagen der Wirtschaft, dass der Bundeswirtschaftsminister sich, seitdem er Vizekanzler ist, nicht mehr richtig heraus traue. Es steht beispielsweise immer noch eine USA-Reise in Rede, die einmal stattfindet und einmal nicht.

Konkrete Frage: Kann nicht der Bundeswirtschaftsminister dem Verkehrsminister einen Teil seines nicht aufgebrauchten Reiseetats zur Verfügung stellen, damit das in der Regierung ordentlich abläuft?

Kraus: Das ist wie immer eine sehr gute Idee. Im Ernst: Ich mache mir Ihre Einschätzung, dass Herr Minister Rösler selten ins Ausland reist, ausdrücklich nicht zu eigen. Minister Rösler hat einige Delegationsreisen durchgeführt. Ich darf an die Reise nach Griechenland mit 70 Unternehmern erinnern. Er wird weitere Reisen durchführen, auch mit Unternehmern. Die nächste Auslandsreise wird nach Paris gehen. Es steht auch eine Reise nach Asien an. So pflegt er mit hohem Engagement die bilateralen Kontakte in die internationale Welt. Er treibt die Außenwirtschaft für die Unternehmen voran. Er macht dies im Inland, aber auch im Ausland.

Zusatzfrage: Sie haben den Reisekatalog im Kopf. Wann findet die USA-Reise statt?

Kraus: Die ursprünglich geplante Reise musste aufgrund verschiedener Gründe verschoben werden. Ein neuer Termin steht meines Wissens noch nicht fest.

Frage: Ich wollte gerne in die Niederlande gehen und möchte beim Thema Sparen bleiben. Vielleicht haben Sie, Herr Seibert, gehört, dass die niederländische Regierung diese Woche ihren Rücktritt bei der Königin eingereicht hat. Das bedeutet, dass wieder einmal ein europäisches Land sozusagen am Sparen verzweifelt und eine Regierung verliert. Es ist die erste Regierung, die sozusagen am Fiskalpakt zerbricht.

Da Deutschland und die Niederlande bezüglich der Budgetdisziplin immer sehr gut zusammenarbeiten, ist meine Frage, ob Sie Befürchtungen haben, dass es, was die Partnerschaft betrifft, Schwierigkeiten geben könnte, andere Länder aufzufordern, mit dem Sparen weiter zu machen? Befürchten Sie, dass man nicht mehr so viel Vertrauen in die Niederlande haben kann, weil nicht nur die Regierung das nicht mehr vorantreiben kann? Auch im Parlament gibt es dafür keine Mehrheit mehr.

StS Seibert: Erstens habe ich und hat die ganze Bundesregierung das gehört, was in den Niederlanden geschehen ist. Ich werde jetzt die innenpolitische Situation in den Niederlanden nicht kommentieren, außer dass ich sage, dass die Bundeskanzlerin immer ausgesprochen gut und auch verlässlich mit Ministerpräsident Rutte zusammenarbeitet.

Sie sprechen die allgemeine Situation an, wie Sie sie wahrnehmen. Ich würde dafür plädieren, klugerweise jedes Land für sich zu betrachten. Es gab im letzten Jahr in einigen europäischen Staaten Entwicklungen und auch Wahlen, die sehr reformfreudige, auch im Sinne der Haushaltsdisziplin agierende Regierungen an die Wahl gebracht haben. Ich erinnere an die Wahlen in Spanien, Portugal und an die Entwicklung in Italien. Das sind alles Regierungen, mit denen die Bundesregierung auf das Beste bei der Bewältigung der europäischen Schuldenkrise zusammenarbeitet.

Die Behauptung, die ein bisschen in Ihrer Frage steckt, Deutschland betreibe zusammen mit Partnern wie den Niederlanden eine reine Sparpolitik, ist grundfalsch. Sie wird auch durch Wiederholung kein Stück zutreffender. Vergessen wir einmal nicht: Wir haben es bei dieser europäischen Krise mit einer Verschuldungskrise, mit einer horrenden Verschuldung in verschiedenen Staaten zu tun, die diese Staaten an den Rand ihrer Funktionstüchtigkeit gebracht hat. Darauf zu reagieren, ist natürlich das Gebot der Stunde. Solides Haushalten, finanzielle Disziplin ist die richtige und kluge Reaktion darauf. Ohne eine schrittweise Sanierung der Haushalte können diese Länder nicht erwarten, sich auch in Zukunft Wohlstand und soziale Sicherheit erarbeiten zu können.

Aber solides Haushalten, das Sie "Sparen" nennen - das ist auch noch nicht das Gleiche -, ist eben immer nur eine Säule unserer europäischen Krisenpolitik gewesen. Die andere Säule war es immer, Wachstum und Beschäftigung auf nachhaltige Art und Weise zu fördern. Die andere Säule hat also immer geheißen, Reformen zu fördern, Strukturen zu ändern, Wachstumskräfte zu befreien, Beschäftigungshemmnisse zu lösen, damit eine wirtschaftliche Dynamik entstehen kann. Finanzielle Disziplin und auf der anderen Seite Wachstum und Förderung von Beschäftigung - das sind die beiden Säulen der deutschen und europäischen Krisenpolitik.

Ich will ganz gerne etwas aufgreifen: EZB-Chef Mario Draghi hat sich heute noch einmal vehement für strukturelle Reformen ausgesprochen, um Wachstum zu ermöglichen. Damit liegt er vollkommen auf der Linie dessen, was die Bundesregierung und was die meisten ihrer europäischen Partner auch vertreten. Der europapolitische Berater der Kanzlerin hat sich erst in dieser Woche mit seinem italienischen Gegenüber getroffen, um genau über diese Agenda zu sprechen, um darüber zu sprechen, wie der kommende Europäische Rat Ende Juni - genau wie der Rat im Januar und März - genutzt werden kann, um konkret über wachstums- und beschäftigungsfördernde Maßnahmen zu sprechen.

Zusatzfrage: Aber wenn Sie die Regierung sozusagen an der finanziellen Disziplin, über die Sie sprechen, zerbricht - weil Herr Wilders weggelaufen ist -, sie also nicht mehr in der Lage ist, das Budgetproblem - man liegt über der 3-Prozent-Norm - zu lösen, und zwar nicht in diesem Jahr und auch nicht im nächsten Jahr, dann muss man doch sagen, dass ein Bündnispartner, der das in der Regierung nicht durchsetzen kann und keine Mehrheit im Parlament dafür hat, diese finanzielle Disziplin nicht mehr einhalten kann?

StS Seibert: Sie werden mich nicht zu einem Kommentar zur innenpolitischen Situation in Niederlanden locken. In den Niederlanden hat Mark Rutte einer Minderheitsregierung vorgestanden, und Minderheitsregierungen - das allerdings erfahren wir ja auch hier in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen - unterliegen einem größeren Risiko, nicht das Ende ihrer Legislaturperiode zu erreichen.

Zusatzfrage: Sie sind also nicht besorgt, was die Situation dort angeht?

StS Seibert: Ich werde mich nicht zur Situation in den Niederlanden äußern. Wir sind mit all unseren Kräften dabei, in Europa gemeinsam mit unseren Partnern die begonnenen Schritte fortzuführen, die Europa aus der Krise herausführen können.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert und an das Arbeitsministerium: Reuters meldet, dass sich eine Arbeitsgruppe der Unionsfraktion mit der Arbeitsministerin auf ein Mindestlohnmodell geeinigt habe. Die Frage an das Arbeitsministerium: Stimmt das so, ist man damit glücklich? Die Frage an Herrn Seibert: Ist dann in Bälde mit einem entsprechenden Gesetz zu rechnen?

Helfer: Bevor ich hierhin gekommen bin, war mir noch nicht bekannt, dass es eine Einigung gibt. Ich gehe davon aus, dass es wohl eine Einigung gegeben hat oder im Laufe des Nachmittags geben wird. Unsere ursprüngliche Planung heute Morgen sah vor, dass sich die Ministerin gegen 16 Uhr gemeinsam mit einem Vertreter oder einer Vertreterin aus der Arbeitsgruppe dazu äußern wird und das Ganze dann sicherlich auch bewerten wird.

StS Seibert: Und das warten wir ab.

Helfer: Genau.

Frage: Frau Helfer, das ist doch, wenn ich das richtig verstehe, erst einmal eine CDU-Angelegenheit?

Helfer: Richtig.

Zusatzfrage: Wissen Sie zufällig, an welcher Stelle, wann und wie der Koalitionspartner bei dieser Angelegenheit schon mit eingebunden wurde? Haben Sie, wenn sich Ihre Ministerin - im Ministerium, nehme ich an - heute dazu äußern wird, eine Idee, wann und in welcher Form wird das in Regierungshandeln oder einem Versuch des Regierungshandelns - das muss man angesichts der Praxis jetzt ja sagen - Einfluss findet?

Helfer: Die Ministerin wird sich nicht im Ministerium äußern, sondern im Bundestag beziehungsweise vor einem der Beratungsräume. Ich glaube, es wird dazu eingeladen werden - das wird wahrscheinlich gerade parallel passieren -, da können Sie das dann nachlesen. Wann und wie das jetzt zum Regierungshandeln führt, das muss man sehen; dazu wird sich die Ministerin nachher sicherlich auch äußern. Sie wissen ja, dass sie die Kommissionslösung sehr favorisiert. Entsprechende Vorschläge werden also in diese Richtung gehen.

Zusatzfrage: Wurde der Koalitionspartner in Form von Ministerien oder von zufälligen Bekannten, soweit Sie das wissen, schon irgendwie einbezogen?

Helfer: Sicherlich auf informeller Ebene. Darüber, wie das Ganze dann formell umgesetzt wird, wird sich die Ministerin heute Nachmittag sicherlich noch äußern.

Vorsitzender Mayntz: Vor den Beratungsräumen ist es ja immer ein bisschen eng. Wir könnten das auch hier machen.

Helfer: Danke, darauf kommen wir gegebenenfalls zurück.

Vorsitzender Mayntz: Gut, dann teilen wir mit, was das Ergebnis dieses Angebotes ist.

Frage: Noch eine Frage zum Thema Eurokrise, aber nicht aus den Niederlanden, sondern aus Italien, und zwar an Herrn Seibert und vielleicht auch Herrn Kotthaus: Herr Seibert, haben Sie gesagt, dass eine konkrete neue Initiative zum Thema Wachstum stattfinden wird? Gestern hat auch Giorgio Napolitano in Italien eine wichtige Äußerung gemacht und hat an die Einheit in der italienischen Politik appelliert; er hat außerdem gesagt, dass man aber auch auf europäischer Ebene agiere müsse, um das Wachstum zu verstärken. Dieses Thema wird zurzeit also sehr stark und als eine große Schwierigkeit wahrgenommen, auch in Italien.

StS Seibert: Und da hat der verehrte Staatspräsident Napolitano auch ganz Recht. Genau dieses Agieren findet ja bereits statt. Deutschland, Frankreich und Italien sind Staaten, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass das auf die europäische Ebene gekommen ist, und zwar in einer konkreten Form wie selten zuvor. Der Januar-Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs war ganz diesem Thema gewidmet, da ging es um die Beschäftigung gerade auch von jüngeren Menschen und um Wachstum; der März-Rat war ganz diesem Thema gewidmet, da ging es um die Beschäftigung älterer Menschen und um das Thema Wachstum. In diesem Sinne haben sich natürlich auch Deutschland und Italien jetzt wieder ausgetauscht. Die Frage, die sich dabei stellt, ist: Wie können wir die Dynamik, die da entstanden ist, wie können wir diesen Prozess, der da im Januar und im März entstanden ist, jetzt weiterführen, wie können wir ihn weiter konkretisieren, sodass daraus greifbare Maßnahmen werden, die in den Ländern, die diese Impulse am dringendsten brauchen, auch wirklich ankommen? Das wurde beispielsweise bei dem deutsch-italienischen Treffen, das ich gerade angesprochen habe, zwischen den beiden europapolitischen Beratern auch besprochen. Dabei geht es um die Frage: Wie kann das dann im Juni - wieder entlang der Themen Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung - auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs konkretisiert we rden?

Es geht aber - so meint es sicherlich Staatspräsident Napolitano, so meint es ganz sicherlich der EZB-Chef Draghi - eben nicht um erkauftes Wachstum durch Programme, die unsere Verschuldung erhöhen und die wir uns nicht mehr leisten können, sondern es geht um Wachstum der nachhaltigen Art - Wachstum, weil Arbeitsmärkte reformiert werden und weil Staaten einfach ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückerlangen. Das ist die einzige Form des nachhaltigen Wachstums, und das sollten wir anschieben.

Kotthaus: Ich möchte das noch ganz kurz ergänzen. Ich glaube, die Wahrnehmung der gesamten Diskussion der letzten Jahre, auch der Programme in den Programmländern, ist oft ein bisschen verkürzt. Wenn Sie sich angucken, was in den Programmen für die Programmländer steht - also sowohl für Griechenland als auch für Irland oder auch Portugal - , dann sehen Sie, dass das Element Reformen/Strukturreformen dabei ein ganz wichtiges Element ist, mit dem man auch Wachstumsimpulse auslösen kann. Wenn Sie in einem Land geschlossene Berufe öffnen, machen Sie das Land normalerweise wettbewerbsfähiger in diesem Bereich. Sie können auch am positiven Beispiel in Deutschland sehen, was passieren kann, wenn Sie in einem Land Arbeitsmarktreformen vornehmen.

Soll heißen: Dieses Wachstum ist immer einer der wichtigen Teile für alle Programme und für alle Maßnahmen, die wir in Europa in den letzten Monaten intensiv diskutiert und auch auf den Weg gegeben haben. Natürlich müssen die Regeln eingehalten werden. Im Falle von Holland ist das zum Beispiel die Frage mit den 3 Prozent aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt - da steckt also beides im Namen. Dieses gemeinsame Spiel, also auf der einen Seite, das Vertrauen der Investoren durch entsprechende Konsolidierungen der Staatsausgaben herzustellen, aber gleichzeitig durch Reformen in den Staaten Wachstumskräfte zu generieren und freizutreten, ist das Ziel der gesamten Maßnahmen, die wir hier treffen. Ich glaube, da sind wir uns alle völlig einig und haben auch die gleiche Zielrichtung.

Frage: Um bei den Programmländern zu bleiben: Herr Kotthaus, befürchten Sie, dass auch Holland irgendwann ein Programmland wird? Sie reden davon, dass die 3-Prozent-Norm eingehalten werden muss. Genau aus diesem Grund ist die niederländische Regierung ja zerbrochen; denn Brüssel hat eingefordert, 15 Milliarden Euro zusätzlich einzusparen. Holland hat das nicht geschafft, die Regierung ist zerbrochen. Das Parlament wird es wohl auch nicht schaffen. Befürchten Sie, dass Holland auf dem falschen Weg ist, wenn es darum geht, die 3-Prozent-Norm einzuhalten, wie Brüssel und wie auch Sie fordern?

Kotthaus: Erstens. Die 3-Prozent-Defizit-Regel ist ja eine Regel aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt und nicht eine Regel von uns.

Zweitens. Das ist eine Vorgabe durch die EU-Kommission aufgrund des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Das hat nun wirklich nicht nur nichts, sondern überhaupt gar nichts mit dem Thema Programmland zu tun. Mir fällt es schwer, mir ein Land vorzustellen, das weiter entfernt davon ist als Holland; dafür reicht meine Fantasie wirklich nicht aus.

Wir haben uns alle auf Regeln geeinigt. Ich finde, Sie sind etwas pessimistisch. Die Frage wird sein: Wie kann das eingehalten werden? Wir sind voller Vertrauen, dass sich alle Staaten in Europa diesen Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts verpflichtet fühlen. Dazu gehört auch Holland. Wie das in Holland intern geregelt wird, da werde ich mich nicht zu einmischen. Die Regeln sind aber dafür da, dass man sie gemeinsam einhält und auch umsetzt.

StS Seibert: Es sind, wenn ich das hinzufügen darf, ja auch nicht Regeln, die uns Brüssel gegeben hat. Entsprechend ist - wenn ich das sagen darf - auch die Formulierung "Brüssel fordert" zumindest irreführend. Das sind europäische Verpflichtungen, auf die sich die Nationen gemeinsam geeinigt haben und denen sie deswegen auch nachkommen sollten.

Frage: Ich wollte nur kurz nachfragen, mit welcher fachpolitischen Begründung die Ministerien der Justiz und des Verkehrs gegen den Gesetzentwurf der Bundesarbeitsministerin zur Zuschussrente Einspruch erhoben haben. War das sozusagen ein politischer Akt des Einspruchs oder war der Grund dafür ein fachspezifisch begründbarer?

Merzlufft: Da wissen Sie mehr als ich, ich müsste das nachliefern. Ich weiß nicht, ob das, was Sie fragen, überhaupt zutrifft. Insofern kann ich das gerne beim nächsten Mal oder bilateral begründen, aber im Moment weiß ich es nicht.

Rohde: Dem kann ich mich nur anschließen. Ich würde also auch nachliefern und kann dazu jetzt nichts sagen.

Vorsitzender Mayntz: Dann bekommen wir heute eine lange Liste von Nachlieferungen. - Neue Themen haben wir nicht, aber noch eine Mitteilung vom Auswärtigen Amt.

Schäfer: Obwohl hier heute schon kritische Fragen zum Thema Reisen von Mitgliedern und Angehörigen der Bundesregierung gestellt worden sind, erlaube ich mir, Ihnen mitzuteilen, dass Bundesaußenminister Westerwelle heute Abend zu einer fünftägigen Reise nach Südostasien aufbrechen wird. Diese Reise führt ihn zunächst nach Brunei, dann nach Thailand und schließlich nach Myanmar.

Morgen in Brunei wird der Außenminister die Bundesregierung bei dem Außenministertreffen der Europäischen Union mit den ASEAN-Staaten vertreten. Da geht es um die Zusammenarbeit mit einer Region im politischen Aufbruch und einer Region mit großer wirtschaftlicher Dynamik.

Er wird dann am Freitag nach Thailand weiterreisen und dort Gespräche mit der thailändischen Regierung führen. Anlass ist dort die 150-Jahr-Feier von diplomatischen Beziehungen zwischen dem Königreich Thailand und Deutschland.

Er wird schließlich weiterreisen nach Myanmar, nach Rangun. Dort stehen mehrere Begegnungen auf dem Programm, unter anderem mit der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und dem Präsidenten von Myanmar.

Mit dieser Reise und den angesprochenen Treffen möchte der Außenminister ein weiteres Signal der Ermutigung und Unterstützung für den eingeschlagenen Reformkurs aussenden, den Myanmar jetzt genommen hat. Das geschieht, wie Sie sicherlich wissen, nur wenige Tage, nachdem die Europäische Union einhellig - nämlich am Montag beim Außenministertreffen - die Sanktionen gegen Myanmar, mit Ausnahme des Waffenembargos, suspendiert haben.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 25. April 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/04/2012-04-25-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2012