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PRESSEKONFERENZ/425: Regierungspressekonferenz vom 23. Mai 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 23. Mai 2012
Regierungspressekonferenz vom 23. Mai 2012

Themen waren: Kabinettssitzung (Mietrechtsänderungsgesetz, Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten, Tierschutzgesetz, Jahressteuergesetz 2013), Treffen der Koalitionsspitzen, Nuklearprogramm des Iran, Bundeswehrreformbegleitgesetz, Statistikgesetz, informeller Europäischer Rat

Sprecher: StS Seibert, Kotthaus (BMF), Schäfer (AA), Bauch (BMVg), Wiegemann (BMWi)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Leider erleben die Gäste uns heute wegen der starken Konkurrenz durch die Pressekonferenz im Kanzleramt nicht gerade in Vollbesetzung. Aber so ist das. Es gab eine Kabinettssitzung, und daraus berichte ich Ihnen gerne:

Das Kabinett hat sich heute mit Themen befasst, die wirklich Millionen von Menschen in diesem Lande betreffen. Mieter, Patienten und Patientinnen und Freunde des Tierschutzes sind betroffen. Es sind also sehr lebensnahe Themen heute im Bundeskabinett behandelt worden.

Ich will mit dem Mietrechtsänderungsgesetz beginnen, aus dem ich im Wesentlichen zwei Maßnahmen herausgreifen möchte, die wirklich wichtig sind:

Die energetische Modernisierung vermieteter Wohnungen wird erleichtert. Das Gesetz richtet sich in diesem Fall vor allem an die privaten Vermieter von Wohnungen, deren Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen neue Fenster, Wärmedämmung erleichtert werden. Das ist ein enorm wichtiger Beitrag zur Energiewende und zum Umweltschutz.

Dieses Gesetz enthält im Übrigen auch Regelungen, um das sogenannte Mietnomadentum effektiver zu bekämpfen. Es werden den Vermietern Möglichkeiten gegeben, ihre Rechte sehr viel besser durchzusetzen. Der Gesetzentwurf enthält Änderungen zu Mietprozessen. Die Räumung gekündigter Wohnungen wird vereinfacht werden.

Ich will nur ganz kurz sagen, dass es im Mietrecht natürlich immer eine Abwägung zwischen ökonomischen und sozialen Interessen der Mieter gibt und dass wir in diesem Fall sicher sind, eine sehr gute Abwägung gerade auch im Bereich der energetischen Modernisierung gefunden zu haben.

Das zweite Thema im Kabinett war der Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten. Nach einer weit über ein Jahrzehnt dauernden Diskussion, auch im Bundestag, legt diese Bundesregierung nun tatsächlich zum ersten Mal ein Gesetz vor, das die Rechte von Patientinnen und Patienten auf eine Grundlage stellt. Bisher hat das Wesentliche dazu nicht im Gesetz gestanden, sondern es war Richterrecht.

Künftig wird in das Bürgerliche Gesetzbuch der medizinische Behandlungsvertrag aufgenommen, der die Rechte und auch die Pflichten der behandelnden Ärzte und der Patienten festlegt. Die Patienten werden dadurch über die Behandlung und auch über die anfallenden Kosten verbindlich aufgeklärt. Die Krankenkassen sind künftig angehalten, ihre Versicherten zu unterstützen, wenn es einen Verdacht auf Behandlungsfehler gibt. Es werden verbindliche Richtlinien erarbeitet, um die Qualität medizinischer Behandlungen zu sichern. Es wird ein Beschwerdemanagement in stationären Bereichen im Krankenhausbereich eingeführt. Die Krankenhäuser sollen sich an sogenannten Fehlermeldesystemen beteiligen. Das erste Gesetz auf diesem Gebiet ist also ein erheblicher Schritt für die Patientenrechte.

Wir kommen dann zur Änderung des Tierschutzgesetzes. Auch da geht es um sehr viele Punkte. Ich will nur wenige hervorheben:

Zunächst einmal wird mit dieser Gesetzesänderung die europäische Versuchstierrichtlinie, die im November 2010 in Kraft getreten ist, nun auch in nationales Recht umgesetzt. Es werden also EU-weit gleiche Rahmenbedingungen für Industrie und Forschung herrschen, was den Schutz der Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke benötigt werden, betrifft und was diesen Schutz auch ganz konkret erhöht.

Zwei konkrete Maßnahmen, über die auch in der Öffentlichkeit viel diskutiert worden ist:

Es wird ab Januar 2017 verboten sein, bei Ferkeln eine betäubungslose Kastration vorzunehmen. In Deutschland werden zurzeit jährlich etwa 20 Millionen Ferkel kastriert, bisher nahezu immer betäubungslos. Ferkel werden deswegen kastriert, weil ihr Fleisch sonst einen gewissen Eber-Geschmack annimmt, den die Menschen nicht schätzen und der die Verwertung des Fleisches schwierig macht. Nach einer Übergangszeit, in der andere Methoden sozusagen erprobt werden sollen, wird ab Januar 2017 diese Ferkel-Kastration ganz verboten sein jedenfalls die betäubungslose.

Weiterhin gibt es das Verbot des Schenkelbrandes, also der Brandmarkung beim Pferd. Künftig werden Pferde dann nur noch durch das sogenannte Chippen, also das Einsetzen eines Chips unter die Haut, gekennzeichnet.

Das sind die wesentlichen Punkte im Tierschutzgesetz.

Dann hatte das Kabinett noch das Jahressteuergesetz 2013 zum Beschluss vorliegen. Es gibt etliche Änderungen im Steuerrecht, nämlich 49 einzelne Steuerrechtsänderungen. Ich werde Sie nicht mit Details behelligen. Mehrere Dinge sind wichtig:

Zunächst einmal schreiten wir bei der weiteren Entlastung der Wirtschaft von Bürokratiekosten und Bürokratielasten voran, indem wir nämlich die Aufbewahrungsfrist für Unterlagen verkürzen. Nach Steuerrecht und Handelsgesetzbuch waren das bisher zehn Jahre. Die Unterlagen werden ab 2013 nur noch acht Jahre aufbewahrt werden müssen, ab 2015 dann nur noch sieben Jahre.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen ihre Freibeträge bei der Lohnsteuer ab nächstem Jahr nur noch alle zwei Jahre neu zu beantragen und nicht mehr, wie bisher, jedes Jahr. Auch das halten wir für eine erhebliche Verbesserung.

Und darüber ist ja viel gesprochen und geschrieben worden mit dem Jahressteuergesetz bleibt der reine Wehrsold steuerfrei. Der Wehrsold beträgt gegenwärtig etwa zwischen 280 und 350 Euro. Dieser Wehrsold der freiwillig Wehrdienstleistenden wird auch künftig steuerfrei bleiben. Steuerpflichtig werden ihre weiteren Bezüge sein, die zu diesem Wehrsold hinzukommen: Wehrdienstzuschlag, besondere Zuwendungen usw.

Das wird für den typischen, durchschnittlichen, sich auf ein Jahr verpflichteten freiwillig Wehrdienstleistenden dazu führen, dass er durch Freibeträge künftig keine Steuern zahlt, für einen Teil seiner Bezüge aber steuerpflichtig ist. Für die Wehrpflichtigen ist sicherlich das Entscheidende, dass sie im Schnitt keine Steuern zahlen werden.

Das wollte ich Ihnen aus dem Kabinett berichten.

Frage (zum Jahressteuergesetz): Ich wüsste gerne, wo ich die 46 anderen Änderungen finden kann. Sind diese womöglich auf der Internetseite eingestellt? Eine Presseerklärung des Ministeriums habe ich bis jetzt noch nicht gesehen; vielleicht habe ich sie auch einfach nicht gesehen.

Vielleicht können Sie auch etwas zu den fiskalischen Auswirkungen dieses Gesetzes sagen.

Kotthaus: Zu den gesamtfiskalischen Auswirkungen dieses Gesetzes kann ich leider nichts sagen. Die Pressemitteilung müsste Ihnen eigentlich vorliegen. Sie ist immerhin vier Seiten lang, da sie doch die eine oder andere größere Änderung enthält. Sie müsste auch online stehen zumindest war das meine Wahrnehmung, als ich losgefahren bin.

Herr Seibert hat hier die wesentlichen Punkte herausgegriffen. Es gibt darüber hinaus in den Bereichen EU-Amtshilferichtlinie, Elektromobilität, Lohnsteuerabzugsverfahren und sogar Feuerschutzsteuerverfahren Änderungen und Vereinfachungen. Der Gesamttenor ist, dass wir uns um den Bereich Bürokratieabbau gekümmert haben, aber dass gleichzeitig auch das Steueraufkommen per se weiterhin so gewahrt bleibt, wie es sein sollte.

Wir können gerne nachher noch einmal bilateral die einzelnen Punkte durchgehen. Ich glaube, es macht für alle Beteiligten keinen Sinn, hier 49 Änderungen zu besprechen. Damit quälen wir die Kollegen mehr als notwendig. Die Pressemitteilung müsste Ihnen, wie gesagt, vorliegen. Sie ist dieses Mal lang.

Frage: Herr Seibert, gibt es schon einen Termin für das Treffen der Parteispitzen der Koalition, um den von Herrn Seehofer ja publikumswirksam vorgetragenen Themenstau in der Koalition abzuarbeiten? Wenn es noch keine Termin gibt: Können Sie ausschließen, dass er in dieser Woche stattfindet?

StS Seibert: Ich kann Ihnen von einem Termin für ein solches Dreiertreffen nichts berichten. Ich bin aber ganz zuversichtlich, dass, wenn die drei das wünschen, sie auch bald und zeitnah zu einem Termin finden können.

Frage: Herr Schäfer, gibt es schon eine Reaktion zur gestrigen Einigung zwischen der IAEO und dem Iran?

Schäfer: Bundesaußenminister Westerwelle hat sich bereits gestern im Namen der Bundesregierung dazu geäußert. Das wiederhole ich gerne an dieser Stelle, weil es, glaube ich, auch 24 Stunden, nachdem die Erklärung abgegeben worden ist, immer noch ganz gut den aktuellen Sachstand widerspiegelt. Die Erklärung lautet wie folgt:

"Eine belastbare und substantielle Zusammenarbeit Irans mit der Internationalen Atomenergiebehörde zur Klärung der offenen Fragen rund um das iranische Nuklearprogramm wäre ein wichtiger und gleichzeitig überfälliger Schritt in die richtige Richtung."

Der Konjunktiv in diesem Satz ist von Bedeutung, weil der Bundesregierung bislang noch nicht bekannt wäre, dass es bereits schriftlich fixierte Vereinbarungen in dieser Richtung gibt. Die Erklärung geht folgendermaßen weiter:

"Wir begrüßen und unterstützen alle Anstrengungen der IAEO, Iran zur Umsetzung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen zu bewegen."

Dazu dienen natürlich auch die derzeit laufenden Verhandlungen in Bagdad zwischen der E3+3 unter Beteiligung Deutschlands mit dem Iran. Aber da das zurzeit laufende Gespräche sind, die erst vor Kurzem begonnen haben, ist es mir gar nicht möglich, Ihnen dazu schon etwas Inhaltliches zu sagen.

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium. Es geht um das Bundeswehrreformbegleitgesetz. Da werden unter anderem die Hinzuverdienstmöglichkeiten für ausgeschiedene Bundeswehrangehörige geregelt. Nach meiner Kenntnis wird bei diesen Hinzuverdienstmöglichkeiten zwischen Bundeswehrmitgliedern differenziert, die eine NVA-Vorzeit haben, und solchen, die die eine solche nicht haben. Diejenigen, die eine NVA-Vorzeit haben, haben offenbar geringere Hinzuverdienstmöglichkeiten.

Meine Frage: Wenn das so ist, wie bewerten Sie dies? Versuchen Sie, im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens, also durch den Minister, im Sinne einer Gleichbehandlung Einfluss zu nehmen?

Bauch: Vielen Dank! Sie wissen, dass das Reformbegleitgesetz für uns für die Umsetzung der Bundeswehrreform als solche ein sehr wichtiges Gesetz ist. Es enthält im Schwerpunkt Maßnahmen und Instrumente, die aufgrund der Neuausrichtung notwendige Personalanpassung schnell, aber auch insbesondere sozialverträglich herbeizuführen. Das Bundeswehrreformbegleitgesetz befindet sich, wie Sie richtig sagen, aktuell in der parlamentarischen Beratung. Das Gesetzgebungsverfahren soll bis spätestens Juli 2012 abgeschlossen sein.

Ja, es liegen Änderungsanträge im parlamentarischen Raum vor. Wie es üblich ist, möchte ich hier das Ende der parlamentarischen Beratung abwarten und dem nicht vorgreifen.

Zusatzfrage: Ich würde gerne eine Nachfrage stellen, weil Sie den Begriff "Sozialverträglichkeit" in Ihrer Antwort eingeführt haben. Wäre es im Sinne einer Sozialverträglichkeit, wenn es bei der Ungleichbehandlung bliebe?

Bauch: Es gibt einen Änderungsantrag zu diesem Thema. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, werden wir erst einmal diesen Antrag und die parlamentarische Beratung abwarten.

Frage: Ich habe eine Frage an das Bundeswirtschaftsministerium. Es war heute offensichtlich noch eine Änderung des Statistikgesetzes im Kabinett. Damit wird eine neue Abfrage eingeführt. Können Sie mir sagen, warum Sie das machen? Wir haben ja gerade gehört, dass Bürokratie eigentlich abgebaut werden soll. Das müssten ja zusätzliche Lasten für die Wirtschaft sein.

Wiegemann: Nein, das kann ich leider nicht. Aber ich kann Ihnen die Antwort gerne nachreichen.

Zusatzfrage: Sie können mir jetzt also nicht sagen

Wiegemann: Nein, ich kann es Ihnen nicht sagen. Mir liegen leider die entsprechenden Informationen nicht vor.

Zusatz: Ich kann es Ihnen sagen: Sie haben einen neuen Index für den Auftragsbestand eingeführt. Bis jetzt werden ja nur die Auftragseingänge erfasst.

Wiegemann: Genau. Aber die Antwort, warum wir das gemacht haben, werde ich Ihnen gerne nachreichen. Ich kann Ihnen momentan nichts dazu sagen.

Zusatz: Wird das noch heute sein?

Wiegemann: Ich gehe davon aus.

Zusatz: Ich auch.

Frage: Herr Seibert, was erwartet die Kanzlerin von dem heutigen Treffen in Brüssel? Eine französische Attacke in Sachen Euro-Bonds? Was erwarten Sie?

StS Seibert: Wir haben darüber gestern hier eine Stunde lang sehr ausführlich gesprochen. Ich kann es nur ganz allgemein fassen: Die Kanzlerin erwartet ein gutes Gespräch unter den 27 Staats- und Regierungschefs, einen guten Schritt voran bei der Vorbereitung des aus unserer Sicht sehr wichtigen Europäischen Rates Ende Juni. Sie erwartet, dass alle Ideen, die derzeit im europäischen Raum herumventilieren, offen und vorbehaltlos diskutiert werden.

Deutschland wird seine Argumente einbringen. Für uns ist es wichtig, dass der Weg, den Europa bereits vor Monaten angetreten hat und der die letzten beiden Europäischen Räte geprägt hat nämlich der Weg, Impulse für Wachstum zu setzen, und zwar Impulse, die sich aus Strukturreformen ergeben , sinnvoll und konsequent im Juni weitergeführt wird. Dafür ist das ein sehr nützliches Treffen.

Es ist im Übrigen ein Treffen, bei dem der französische Staatspräsident zum ersten Mal die Gelegenheit hat, seine 26 Kollegen auf einen Schlag zu treffen; was er davon erwartet, müssten Sie ihn dann eher fragen. Aber es ist auf jeden Fall ein sinnvoller Zwischenschritt auf dem Weg zum Treffen Ende Juni.

Frage: Herr Seibert, können Sie bestätigen, dass Frau Merkel am EVP-Treffen teilnimmt?

StS Seibert: Sie meinen heute in Brüssel?

Zusatz: Ja.

StS Seibert: Nein, das wird nicht möglich sein, weil die Kanzlerin erst später aus Berlin abreisen kann. Sie hat einen lange verabredeten Besuchstermin mit der Staatspräsidentin von Costa Rica, Frau Chinchilla. Sie kommt nachher ins Kanzleramt, und mit ihr führt die Kanzlerin ein Gespräch. Wenn dieses vorbei ist, wird sie nach Brüssel abreisen. Das heißt aber bedauerlicherweise, dass sie das EVP-Treffen verpassen wird.

Kotthaus: Kurze Nachlieferung an Sie, zum Jahressteuergesetz: Die Pressemitteilung und das Gesetz mit einem Steuerauswirkungstableau sind online gestellt. Es ist also das Große-Runde-Wohlfühlpaket. Die Pressemitteilung beantwortet auch Ihre zweite Frage hinsichtlich der fiskalischen Auswirkungen. Das Große-Runde-Wohlfühlpaket ist bei uns abzurufen.

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Mittwoch, 23. Mai 2012

Mitschrift Pressekonferenz
Regierungspressekonferenz vom 23. Mai

Themen waren: Kabinettssitzung (Mietrechtsänderungsgesetz, Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten, Tierschutzgesetz, Jahressteuergesetz 2013), Treffen der Koalitionsspitzen, Nuklearprogramm des Iran, Bundeswehrreformbegleitgesetz, Statistikgesetz, informeller Europäischer Rat

Sprecher: StS Seibert, Kotthaus (BMF), Schäfer (AA), Bauch (BMVg), Wiegemann (BMWi)

Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Leider erleben die Gäste uns heute wegen der starken Konkurrenz durch die Pressekonferenz im Kanzleramt nicht gerade in Vollbesetzung. Aber so ist das. Es gab eine Kabinettssitzung, und daraus berichte ich Ihnen gerne:

Das Kabinett hat sich heute mit Themen befasst, die wirklich Millionen von Menschen in diesem Lande betreffen. Mieter, Patienten und Patientinnen und Freunde des Tierschutzes sind betroffen. Es sind also sehr lebensnahe Themen heute im Bundeskabinett behandelt worden.

Ich will mit dem Mietrechtsänderungsgesetz beginnen, aus dem ich im Wesentlichen zwei Maßnahmen herausgreifen möchte, die wirklich wichtig sind:

Die energetische Modernisierung vermieteter Wohnungen wird erleichtert. Das Gesetz richtet sich in diesem Fall vor allem an die privaten Vermieter von Wohnungen, deren Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen neue Fenster, Wärmedämmung erleichtert werden. Das ist ein enorm wichtiger Beitrag zur Energiewende und zum Umweltschutz.

Dieses Gesetz enthält im Übrigen auch Regelungen, um das sogenannte Mietnomadentum effektiver zu bekämpfen. Es werden den Vermietern Möglichkeiten gegeben, ihre Rechte sehr viel besser durchzusetzen. Der Gesetzentwurf enthält Änderungen zu Mietprozessen. Die Räumung gekündigter Wohnungen wird vereinfacht werden.

Ich will nur ganz kurz sagen, dass es im Mietrecht natürlich immer eine Abwägung zwischen ökonomischen und sozialen Interessen der Mieter gibt und dass wir in diesem Fall sicher sind, eine sehr gute Abwägung gerade auch im Bereich der energetischen Modernisierung gefunden zu haben.

Das zweite Thema im Kabinett war der Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten. Nach einer weit über ein Jahrzehnt dauernden Diskussion, auch im Bundestag, legt diese Bundesregierung nun tatsächlich zum ersten Mal ein Gesetz vor, das die Rechte von Patientinnen und Patienten auf eine Grundlage stellt. Bisher hat das Wesentliche dazu nicht im Gesetz gestanden, sondern es war Richterrecht.

Künftig wird in das Bürgerliche Gesetzbuch der medizinische Behandlungsvertrag aufgenommen, der die Rechte und auch die Pflichten der behandelnden Ärzte und der Patienten festlegt. Die Patienten werden dadurch über die Behandlung und auch über die anfallenden Kosten verbindlich aufgeklärt. Die Krankenkassen sind künftig angehalten, ihre Versicherten zu unterstützen, wenn es einen Verdacht auf Behandlungsfehler gibt. Es werden verbindliche Richtlinien erarbeitet, um die Qualität medizinischer Behandlungen zu sichern. Es wird ein Beschwerdemanagement in stationären Bereichen im Krankenhausbereich eingeführt. Die Krankenhäuser sollen sich an sogenannten Fehlermeldesystemen beteiligen. Das erste Gesetz auf diesem Gebiet ist also ein erheblicher Schritt für die Patientenrechte.

Wir kommen dann zur Änderung des Tierschutzgesetzes. Auch da geht es um sehr viele Punkte. Ich will nur wenige hervorheben:

Zunächst einmal wird mit dieser Gesetzesänderung die europäische Versuchstierrichtlinie, die im November 2010 in Kraft getreten ist, nun auch in nationales Recht umgesetzt. Es werden also EU-weit gleiche Rahmenbedingungen für Industrie und Forschung herrschen, was den Schutz der Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke benötigt werden, betrifft und was diesen Schutz auch ganz konkret erhöht.

Zwei konkrete Maßnahmen, über die auch in der Öffentlichkeit viel diskutiert worden ist:

Es wird ab Januar 2017 verboten sein, bei Ferkeln eine betäubungslose Kastration vorzunehmen. In Deutschland werden zurzeit jährlich etwa 20 Millionen Ferkel kastriert, bisher nahezu immer betäubungslos. Ferkel werden deswegen kastriert, weil ihr Fleisch sonst einen gewissen Eber-Geschmack annimmt, den die Menschen nicht schätzen und der die Verwertung des Fleisches schwierig macht. Nach einer Übergangszeit, in der andere Methoden sozusagen erprobt werden sollen, wird ab Januar 2017 diese Ferkel-Kastration ganz verboten sein jedenfalls die betäubungslose.

Weiterhin gibt es das Verbot des Schenkelbrandes, also der Brandmarkung beim Pferd. Künftig werden Pferde dann nur noch durch das sogenannte Chippen, also das Einsetzen eines Chips unter die Haut, gekennzeichnet.

Das sind die wesentlichen Punkte im Tierschutzgesetz.

Dann hatte das Kabinett noch das Jahressteuergesetz 2013 zum Beschluss vorliegen. Es gibt etliche Änderungen im Steuerrecht, nämlich 49 einzelne Steuerrechtsänderungen. Ich werde Sie nicht mit Details behelligen. Mehrere Dinge sind wichtig:

Zunächst einmal schreiten wir bei der weiteren Entlastung der Wirtschaft von Bürokratiekosten und Bürokratielasten voran, indem wir nämlich die Aufbewahrungsfrist für Unterlagen verkürzen. Nach Steuerrecht und Handelsgesetzbuch waren das bisher zehn Jahre. Die Unterlagen werden ab 2013 nur noch acht Jahre aufbewahrt werden müssen, ab 2015 dann nur noch sieben Jahre.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen ihre Freibeträge bei der Lohnsteuer ab nächstem Jahr nur noch alle zwei Jahre neu zu beantragen und nicht mehr, wie bisher, jedes Jahr. Auch das halten wir für eine erhebliche Verbesserung.

Und darüber ist ja viel gesprochen und geschrieben worden mit dem Jahressteuergesetz bleibt der reine Wehrsold steuerfrei. Der Wehrsold beträgt gegenwärtig etwa zwischen 280 und 350 Euro. Dieser Wehrsold der freiwillig Wehrdienstleistenden wird auch künftig steuerfrei bleiben. Steuerpflichtig werden ihre weiteren Bezüge sein, die zu diesem Wehrsold hinzukommen: Wehrdienstzuschlag, besondere Zuwendungen usw.

Das wird für den typischen, durchschnittlichen, sich auf ein Jahr verpflichteten freiwillig Wehrdienstleistenden dazu führen, dass er durch Freibeträge künftig keine Steuern zahlt, für einen Teil seiner Bezüge aber steuerpflichtig ist. Für die Wehrpflichtigen ist sicherlich das Entscheidende, dass sie im Schnitt keine Steuern zahlen werden.

Das wollte ich Ihnen aus dem Kabinett berichten.

Frage (zum Jahressteuergesetz): Ich wüsste gerne, wo ich die 46 anderen Änderungen finden kann. Sind diese womöglich auf der Internetseite eingestellt? Eine Presseerklärung des Ministeriums habe ich bis jetzt noch nicht gesehen; vielleicht habe ich sie auch einfach nicht gesehen.

Vielleicht können Sie auch etwas zu den fiskalischen Auswirkungen dieses Gesetzes sagen.

Kotthaus: Zu den gesamtfiskalischen Auswirkungen dieses Gesetzes kann ich leider nichts sagen. Die Pressemitteilung müsste Ihnen eigentlich vorliegen. Sie ist immerhin vier Seiten lang, da sie doch die eine oder andere größere Änderung enthält. Sie müsste auch online stehen zumindest war das meine Wahrnehmung, als ich losgefahren bin.

Herr Seibert hat hier die wesentlichen Punkte herausgegriffen. Es gibt darüber hinaus in den Bereichen EU-Amtshilferichtlinie, Elektromobilität, Lohnsteuerabzugsverfahren und sogar Feuerschutzsteuerverfahren Änderungen und Vereinfachungen. Der Gesamttenor ist, dass wir uns um den Bereich Bürokratieabbau gekümmert haben, aber dass gleichzeitig auch das Steueraufkommen per se weiterhin so gewahrt bleibt, wie es sein sollte.

Wir können gerne nachher noch einmal bilateral die einzelnen Punkte durchgehen. Ich glaube, es macht für alle Beteiligten keinen Sinn, hier 49 Änderungen zu besprechen. Damit quälen wir die Kollegen mehr als notwendig. Die Pressemitteilung müsste Ihnen, wie gesagt, vorliegen. Sie ist dieses Mal lang.

Frage: Herr Seibert, gibt es schon einen Termin für das Treffen der Parteispitzen der Koalition, um den von Herrn Seehofer ja publikumswirksam vorgetragenen Themenstau in der Koalition abzuarbeiten? Wenn es noch keine Termin gibt: Können Sie ausschließen, dass er in dieser Woche stattfindet?

StS Seibert: Ich kann Ihnen von einem Termin für ein solches Dreiertreffen nichts berichten. Ich bin aber ganz zuversichtlich, dass, wenn die drei das wünschen, sie auch bald und zeitnah zu einem Termin finden können.

Frage: Herr Schäfer, gibt es schon eine Reaktion zur gestrigen Einigung zwischen der IAEO und dem Iran?

Schäfer: Bundesaußenminister Westerwelle hat sich bereits gestern im Namen der Bundesregierung dazu geäußert. Das wiederhole ich gerne an dieser Stelle, weil es, glaube ich, auch 24 Stunden, nachdem die Erklärung abgegeben worden ist, immer noch ganz gut den aktuellen Sachstand widerspiegelt. Die Erklärung lautet wie folgt:

"Eine belastbare und substantielle Zusammenarbeit Irans mit der Internationalen Atomenergiebehörde zur Klärung der offenen Fragen rund um das iranische Nuklearprogramm wäre ein wichtiger und gleichzeitig überfälliger Schritt in die richtige Richtung."

Der Konjunktiv in diesem Satz ist von Bedeutung, weil der Bundesregierung bislang noch nicht bekannt wäre, dass es bereits schriftlich fixierte Vereinbarungen in dieser Richtung gibt. Die Erklärung geht folgendermaßen weiter:

"Wir begrüßen und unterstützen alle Anstrengungen der IAEO, Iran zur Umsetzung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen zu bewegen."

Dazu dienen natürlich auch die derzeit laufenden Verhandlungen in Bagdad zwischen der E3+3 unter Beteiligung Deutschlands mit dem Iran. Aber da das zurzeit laufende Gespräche sind, die erst vor Kurzem begonnen haben, ist es mir gar nicht möglich, Ihnen dazu schon etwas Inhaltliches zu sagen.

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium. Es geht um das Bundeswehrreformbegleitgesetz. Da werden unter anderem die Hinzuverdienstmöglichkeiten für ausgeschiedene Bundeswehrangehörige geregelt. Nach meiner Kenntnis wird bei diesen Hinzuverdienstmöglichkeiten zwischen Bundeswehrmitgliedern differenziert, die eine NVA-Vorzeit haben, und solchen, die die eine solche nicht haben. Diejenigen, die eine NVA-Vorzeit haben, haben offenbar geringere Hinzuverdienstmöglichkeiten.

Meine Frage: Wenn das so ist, wie bewerten Sie dies? Versuchen Sie, im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens, also durch den Minister, im Sinne einer Gleichbehandlung Einfluss zu nehmen?

Bauch: Vielen Dank! Sie wissen, dass das Reformbegleitgesetz für uns für die Umsetzung der Bundeswehrreform als solche ein sehr wichtiges Gesetz ist. Es enthält im Schwerpunkt Maßnahmen und Instrumente, die aufgrund der Neuausrichtung notwendige Personalanpassung schnell, aber auch insbesondere sozialverträglich herbeizuführen. Das Bundeswehrreformbegleitgesetz befindet sich, wie Sie richtig sagen, aktuell in der parlamentarischen Beratung. Das Gesetzgebungsverfahren soll bis spätestens Juli 2012 abgeschlossen sein.

Ja, es liegen Änderungsanträge im parlamentarischen Raum vor. Wie es üblich ist, möchte ich hier das Ende der parlamentarischen Beratung abwarten und dem nicht vorgreifen.

Zusatzfrage: Ich würde gerne eine Nachfrage stellen, weil Sie den Begriff "Sozialverträglichkeit" in Ihrer Antwort eingeführt haben. Wäre es im Sinne einer Sozialverträglichkeit, wenn es bei der Ungleichbehandlung bliebe?

Bauch: Es gibt einen Änderungsantrag zu diesem Thema. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, werden wir erst einmal diesen Antrag und die parlamentarische Beratung abwarten.

Frage: Ich habe eine Frage an das Bundeswirtschaftsministerium. Es war heute offensichtlich noch eine Änderung des Statistikgesetzes im Kabinett. Damit wird eine neue Abfrage eingeführt. Können Sie mir sagen, warum Sie das machen? Wir haben ja gerade gehört, dass Bürokratie eigentlich abgebaut werden soll. Das müssten ja zusätzliche Lasten für die Wirtschaft sein.

Wiegemann: Nein, das kann ich leider nicht. Aber ich kann Ihnen die Antwort gerne nachreichen.

Zusatzfrage: Sie können mir jetzt also nicht sagen

Wiegemann: Nein, ich kann es Ihnen nicht sagen. Mir liegen leider die entsprechenden Informationen nicht vor.

Zusatz: Ich kann es Ihnen sagen: Sie haben einen neuen Index für den Auftragsbestand eingeführt. Bis jetzt werden ja nur die Auftragseingänge erfasst.

Wiegemann: Genau. Aber die Antwort, warum wir das gemacht haben, werde ich Ihnen gerne nachreichen. Ich kann Ihnen momentan nichts dazu sagen.

Zusatz: Wird das noch heute sein?

Wiegemann: Ich gehe davon aus.

Zusatz: Ich auch.

Frage: Herr Seibert, was erwartet die Kanzlerin von dem heutigen Treffen in Brüssel? Eine französische Attacke in Sachen Euro-Bonds? Was erwarten Sie?

StS Seibert: Wir haben darüber gestern hier eine Stunde lang sehr ausführlich gesprochen. Ich kann es nur ganz allgemein fassen: Die Kanzlerin erwartet ein gutes Gespräch unter den 27 Staats- und Regierungschefs, einen guten Schritt voran bei der Vorbereitung des aus unserer Sicht sehr wichtigen Europäischen Rates Ende Juni. Sie erwartet, dass alle Ideen, die derzeit im europäischen Raum herumventilieren, offen und vorbehaltlos diskutiert werden.

Deutschland wird seine Argumente einbringen. Für uns ist es wichtig, dass der Weg, den Europa bereits vor Monaten angetreten hat und der die letzten beiden Europäischen Räte geprägt hat nämlich der Weg, Impulse für Wachstum zu setzen, und zwar Impulse, die sich aus Strukturreformen ergeben , sinnvoll und konsequent im Juni weitergeführt wird. Dafür ist das ein sehr nützliches Treffen.

Es ist im Übrigen ein Treffen, bei dem der französische Staatspräsident zum ersten Mal die Gelegenheit hat, seine 26 Kollegen auf einen Schlag zu treffen; was er davon erwartet, müssten Sie ihn dann eher fragen. Aber es ist auf jeden Fall ein sinnvoller Zwischenschritt auf dem Weg zum Treffen Ende Juni.

Frage: Herr Seibert, können Sie bestätigen, dass Frau Merkel am EVP-Treffen teilnimmt?

StS Seibert: Sie meinen heute in Brüssel?

Zusatz: Ja.

StS Seibert: Nein, das wird nicht möglich sein, weil die Kanzlerin erst später aus Berlin abreisen kann. Sie hat einen lange verabredeten Besuchstermin mit der Staatspräsidentin von Costa Rica, Frau Chinchilla. Sie kommt nachher ins Kanzleramt, und mit ihr führt die Kanzlerin ein Gespräch. Wenn dieses vorbei ist, wird sie nach Brüssel abreisen. Das heißt aber bedauerlicherweise, dass sie das EVP-Treffen verpassen wird.

Kotthaus: Kurze Nachlieferung an Sie, zum Jahressteuergesetz: Die Pressemitteilung und das Gesetz mit einem Steuerauswirkungstableau sind online gestellt. Es ist also das Große-Runde-Wohlfühlpaket. Die Pressemitteilung beantwortet auch Ihre zweite Frage hinsichtlich der fiskalischen Auswirkungen. Das Große-Runde-Wohlfühlpaket ist bei uns abzurufen.

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 23. Mai 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/05/2012-05-23-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2012