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PRESSEKONFERENZ/519: Regierungspressekonferenz vom 26. November 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 26. November 2012 Regierungspressekonferenz vom 26. November 2012

Themen: "Verfassungserklärung" des ägyptischen Präsidenten Mursi, Rentenversicherungsbericht, Steuerabkommen mit der Schweiz, nationalstaatliche Umsetzung der Eigenkapitalvorschriften nach dem Basel-III-Abkommen, Griechenland, Besuch des Bundesgesundheitsministers in Griechenland, Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen durch ein Gutscheinmodell, gesetzliche Regeln für Telefonwerbung, mittelfristiger Finanzrahmen der Europäischen Union, Novelle des Tierschutzgesetzes, UN-Klimakonferenz in Doha

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Wendt (BMAS), Kothé (BMF), Klaus (BMG), Steegmans (BMFSFJ), Kraus (BMWi), Aden (BMJ), zu Erbach-Fürstenau (BMELV), Maaß (BMU)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich wollte eine Stellungnahme der Bundesregierung zur Situation in Ägypten nach der sogenannten Verfassungserklärung abgeben, die Staatspräsident Mursi dort am 22. November abgegeben hat. Die Bundesregierung beobachtet diese jüngsten Entwicklungen und Entscheidungen in Ägypten mit Aufmerksamkeit und durchaus auch mit einiger Sorge. Die Gewaltenteilung ist ein fundamentales Prinzip einer jeden demokratischen Verfassung. Die ägyptische Revolution ist von großen Hoffnungen, von großen Erwartungen begleitet worden. Wir hoffen sehr, dass sie nun auch zu einem demokratisch geordneten Staatswesen führen wird, und das kann eben nur ein Staatswesen sein, das fest auf solchen fundamentalen Prinzipien beruht. Dafür trägt Staatspräsident Mursi große Verantwortung.

Frage : Gab es denn am Wochenende irgendwelche Kontakte mit ägyptischen Kollegen auf Ministerebene oder gar auf Kanzlerebene, im Rahmen derer diese Sorge ausgedrückt wurde?

Schäfer: Der Außenminister hat sich über das gesamte Wochenende hinweg unter anderem vom deutschen Botschafter in Kairo über die Lage in Ägypten unterrichten lassen und auch über den Botschafter mit der ägyptischen Regierung Kontakt gehabt.

Frage : Gibt es innerhalb der Bundesregierung Überlegungen über ein konzertiertes europaweites Vorgehen in diesem Zusammenhang?

Schäfer: Es ist völlig selbstverständlich, dass wir uns mit unseren Partnern in der Europäischen Union hinsichtlich dieser wie vieler anderer Fragen eng abstimmen. Das geschieht natürlich auch im Umgang mit der Lage in Ägypten.

Frage: An das Arbeitsministerium: Können Sie die Zahlen hinsichtlich der Rentenerhöhungen, die heute in den Medien kursieren, so bestätigen? Wenn sie so stimmen, wie kommt es dann, dass die so stark steigen?

Wendt: Wir kommentieren die Zahlen zum Rentenversicherungsbericht im Moment gar nicht, weil der sich erst am Mittwoch im Kabinett befinden wird. Wenn der Bericht verabschiedet worden sein wird, dann werden wir eventuell auch etwas dazu sagen können.

Prinzipiell sind in diesem Rentenversicherungsbericht Projektionen und Prognosen enthalten. Das ist aber nicht neu. Man nimmt also bestimmte Annahmen als Grundlage und entwirft dann entsprechend Zahlen, die daraus resultieren können. Prinzipiell ist es so, dass wir immer im März eines Jahres entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung die konkreten Zahlen der Rentenanpassung vorlegen. Wir arbeiten also auf einer jährlichen Basis. Insofern können wir die Zahlen nicht weiter kommentieren.

Frage: Der Rentenbericht ist ja immer eine Prognose, wie Sie zu Recht sagten. Wie hat sich das denn in den letzten Jahren verhalten? Wie sicher ist diese Prognose gewesen? Können Sie das ungefähr beurteilen?

Wendt: Es gibt immer die verschiedensten Prognosen. Wir haben selbst in diesem Jahr gesehen, dass im Januar Zahlen auf dem Tisch lagen, was die Anpassung der Ost-Renten an die West-Renten anging, die dann im März noch einmal mit den konkreten Zahlen eingefangen wurden. Wie es mit Prognosen und Projektionen so ist, gibt es die verschiedensten Zahlen, die man entwirft, und es ist auch gut, dass man diese Projektionen hat, aber letztlich muss man immer die konkreten wirtschaftlichen Entwicklungen als Grundlage nehmen.

Frage: Frau Kothé, im Zusammenhang mit dem Steuerabkommen mit der Schweiz gibt es auch Forderungen aus der Unionsfraktion nach Neuverhandlungen mit Bern. Wie sieht das das Finanzministerium? Gibt es erste Kontakte mit Bern? Möchte man überhaupt noch einmal neu verhandeln? Herr Schäuble sagte bisher immer, darauf komme es gar nicht an. Nun ist die Lage etwas anders. Wird es Nachverhandlungen geben?

Kothé: Sie wissen, dass es Nachverhandlungen in dem Sinne im Augenblick gar nicht geben kann, weil das Abkommen in der Schweiz voll durchratifiziert und das Verfahren dort abgeschlossen ist. Das Abkommen als solches ist ja auch von unserer Seite aus verhandelt.

Was jetzt in Deutschland ansteht, ist die Entscheidung darüber, ob das in den Vermittlungsausschuss geht. Darüber haben wir Sie auch informiert. Die Entscheidung darüber wird nächste Woche Mittwoch im Kabinett fallen.

Zusatzfrage : Wie könnte es denn zu Nachverhandlungen kommen? Müsste die Bundesregierung dafür quasi noch einmal auf die Schweiz zukommen und darum bitten?

Kothé: Wir haben ein fertig verhandeltes Abkommen, zu dem wir stehen und von dem wir auch überzeugt sind. Weder von Schweizer Seite noch von unserer Seite aus sehen wir im Augenblick Möglichkeiten und Notwendigkeiten, nachzuverhandeln.

Frage : Frau Kothé, können Sie mir vielleicht einmal ein bisschen erläutern, was für einen Sinn ein Vermittlungsverfahren hat, wenn inhaltlich nichts zu verhandeln ist und wenn man hinsichtlich der Inhalte eigentlich gar nichts Neues entwickeln kann?

Zweitens würde mich interessieren: Gab es denn seit Freitag irgendeinen Kontakt zu den Schweizer Behörden? Hat die Bundesregierung irgendwelche Signale von der Schweiz erhalten? Man liest heute relativ viel von Versuchen der Schweizer Banken, ihre Kunden dazu zu veranlassen, Selbstanzeigen zu stellen, und von Ähnlichem. Hat man im Finanzministerium irgendwelche inhaltlichen Reaktionen von der Schweiz erhalten?

Kothé: Offizielle Kontakte sind mir nicht bekannt.

Zusatzfrage: Können Sie mir einmal erläutern, was im Vermittlungsverfahren passieren kann?

Kothé: Das kann ich schlecht. Zuerst einmal habe ich gerade eben auch gesagt, dass die Entscheidung darüber erst am Mittwoch fallen wird. Wir werden uns weiter dafür einsetzen. Deswegen gibt es diesen Vorschlag von unserer Seite; das hat Minister Schäuble gesagt. Wir werben weiterhin für die Umsetzung des Abkommens, dessen Vorteile wir immer wieder hinlänglich und ausreichend dargestellt haben. Wir stehen zu dem Abkommen und hoffen eben, dass es in der Sache vielleicht doch noch einmal zu Bewegung kommen kann, auch auf Länderseite.

Zusatz : Die Macht des Arguments.

Kothé: Ja, sehr schön formuliert!

Zusatzfrage: Frau Kothé, wir haben im Hinblick auf die neuen Eigenkapitalrichtlinien des Basel-III-Abkommens eine Konstellation, in der dieses Abkommen immer fraglicher wird, jedenfalls von seiner bisher zeitlich geplanten Umsetzung her. Gibt es aufseiten der Bundesregierung inzwischen die Sorge, dass man das Inkrafttreten dieses Abkommens doch verschieben muss? Gibt es irgendwelche Bemühungen auf internationaler Ebene - das spielt ja auch im Kreis der G20 eine Rolle -, vor dem nächsten Treffen der G20 in Russland - ich glaube, das wird im Februar stattfinden - irgendwelche Abstimmungen auf hoher Ebene - also der Staatssekretäre oder gar der Ebene der Minister - zu treffen, um dieses Abkommen zu sichern?

Kothé: Zunächst einmal wird die nationalstaatliche Umsetzung dieser Eigenkapitalvorschriften nach Basel III auf internationaler Ebene sehr aufmerksam beobachtet.

Das sogenannte Steuerungskomitee des Finanzstabilitätsrates - Sie kennen das Gremium - fragt regelmäßig den Umsetzungstand ab. Dieses Komitee wird das nächste Mal am 29. November tagen, und auch der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht wird sich mit dem weiteren Prozess in seiner kommenden Sitzung am 13. und 14. Dezember befassen. Aus unserer Sicht festzuhalten ist: Es gibt von keinem Land aus dem Kreis der G20 irgendeinen Widerspruch in Bezug darauf, dass das nicht umgesetzt werden solle. Dass es in einzelnen Ländern Verzögerungen gibt beziehungsweise geben kann, ist bekannt und auch nichts Neues.

Auf europäischer Ebene laufen die Trilogverhandlungen zwischen der EU-Kommission und dem Parlament. Dabei befinden wir uns - das ist aus unserer Sicht das Wichtigste - auf der Zielgeraden.

Zusatzfrage: Heißt "auf der Zielgeraden", dass Europa das nach Ihrem Dafürhalten termingerecht umsetzen kann? Wenn Sie sagen, dass es Verzögerungen gibt, sind das dann nur Verzögerungen um ein paar Wochen oder Monate, oder ist das etwas Gravierendes?

Kothé: Ich glaube, das bewegt sich eher im Bereich einer kurzfristigen Verzögerung, keiner gravierenden Verzögerung.

Zusatzfrage: Europäer fristgemäß?

Kothé: Ja, das halten wir für möglich.

Frage (zu Griechenland): Frau Kothé, mit welchen Erwartungen fährt Bundesfinanzminister Schäuble zu der heutigen Tagung der Eurogruppe nach Brüssel?

StS Seibert: Wir sorgen einmal für ein bisschen Abwechslung. Ich glaube, Sie, Frau Kothé, hätten jetzt nichts anderes gesagt, als dass wir vor den Beratungen in Brüssel stehen. Die werden, glaube ich, um 13 Uhr beginnen. Es ist viel gearbeitet worden in den letzten Tagen. Es ist viel gearbeitet worden seit dem letzten Treffen, nach dem man am Mittwochmorgen auseinanderging, und zwar mit dem Willen, noch einige technische Fragen zu klären. Wir gehen in dieses Treffen mit der Hoffnung, dass wir in allen ausstehenden Fragen eine Lösung finden können. Aber die Musik spielt in Brüssel, und dort wird auch die Presse informiert werden. Alles andere ist wenig sinnvoll.

Ich will bei dieser Gelegenheit vielleicht eine Sache sagen, weil ich jetzt auch am Wochenende immer wieder Berichte über einen öffentlichen Schuldenschnitt, dem sich Deutschland verweigere, gehört und gelesen habe. Dazu muss man einmal ganz klar sagen: Dieser öffentliche Schuldenschnitt ist auch für andere Staaten in der Eurozone kein Thema. Deswegen diskutieren die Finanzminister ihn auch nicht. Er ist auch für die EZB kein Thema, wie gerade erst wieder das Direktoriumsmitglied Asmussen am Wochenende bestätigt hat.

Es stimmt: Wichtige politische Überlegungen stehen einem solchen Schuldenschnitt jetzt entgegen. Vor allem aber stehen ihm klare rechtliche Bestimmungen entgegen, und zwar nicht nur in Deutschland. An diesen Bestimmungen darf keine Bundesregierung vorbeischauen. Da ist zum einen das deutsche Haushaltsrecht, wonach Kredite nur vergeben werden können, wenn der Schadenseintritt als unwahrscheinlich gilt, und zum anderen haben wir in Deutschland ein Bail-out-Verbot zu berücksichtigen. Wir haben bei allem, was eine finanzrelevante Maßnahme ist, und bei jeder Finanzierung den Art. 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU zu berücksichtigen. Wir haben immer wieder die Frage zu stellen: Ist das Bail-out? Ist das Ultima Ratio? Ist die Konditionalität gegeben? - Wir haben also all diese Fragen zu stellen. Wenn wir Schritte ergreifen, die als Verstoß gegen diesen Art. 125 gewertet werden und dann möglicherweise gerichtlich überprüft werden, dann haben wir weder für die Eurozone insgesamt noch für Griechenland etwas Gutes erreicht. Wir hätten lediglich einen gewaltigen Vertrauensverlust hinzunehmen. Genau um das Gegenteil geht es ja. Es geht jetzt darum, die notwendigen Fragen zu lösen, damit die Tranche ausgezahlt werden kann, und Vertrauen zurückzugewinnen.

Das wollte ich einmal in den größeren Zusammenhang stellen, weil ich davon in den Berichten nicht so viel lese.

Zusatzfrage: Dann hätte ich aber doch eine Nachfrage an das Finanzministerium. Am Samstag gab es ja eine Telefonkonferenz der Finanzminister. Wie nah ist die Eurozone am IWF hinsichtlich der Frage der Schuldentragfähigkeit Griechenlands?

Kothé: Es gab die ganze Zeit über verschiedene Gespräche und viele Gespräche, die natürlich alle in der festen Absicht geführt worden sind, die Dinge einer Lösung zuzuführen. Das Thema der Schuldentragfähigkeit ist ein wichtiges; das wissen Sie. Wir arbeiten daran.

Frage: Sie sagten gerade etwas zu den legalen Limitierungen oder Problemen in Sachen öffentlicher Schuldenschnitt. Aber wie steht es mit dem Jahr 2015? Dann wird das Programm ja zu Ende gegangen sein. Dann werden also keine Kredite mehr ausstehen. Auch das politische Problem wäre dann überwunden, weil die Wahlen in Deutschland schon längst abgelaufen sein werden.

StS Seibert: Ihren Blick in das Jahr 2015 kann ich jetzt nicht teilen, und ich will auch selbst keinen Ausblick ins Jahr 2015 vornehmen. Es geht darum, das derzeit laufende Griechenlandprogramm, nämlich das zweite, wieder auf Kurs zu bringen. Es ist uns vollkommen klar, dass dazu innerhalb dieses Programms noch einige Maßnahmen getroffen werden müssen. Der Reformdruck und die Reformnotwendigkeit für die griechische Regierung bleiben aufrechterhalten. Es ist möglich, dass sie für die Erreichung gewisser Ziele, die sie mit diesen Reformen erreichen will, etwas mehr Zeit bekommt. Darüber wird gesprochen. Daraus ergäbe sich eine Finanzierungslücke, und die müsste gefüllt werden, wenn man sich auf diesen Weg machen will. Das ist das, was jetzt zählt, und darum geht es heute in Brüssel und auch bei unserer Pressekonferenz hier.

Zusatzfrage: Ich denke, dass es für die Welt doch sehr wichtig ist, wie man diese Schulden bis 2020 auf 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes schrumpfen kann. Ein öffentlicher Schuldenschnitt innerhalb dieses Zeitraums oder von jetzt bis 2020 wäre ein Schritt dahin. Sagt Deutschland also grundsätzlich Nein zu irgendeinem Schuldenschnitt bis 2020?

StS Seibert: Ich habe Ihnen die rechtlichen Gründe, die aus unserer Sicht einem Schuldenschnitt entgegenstehen, genannt und Ihnen gesagt, weswegen er für uns jetzt kein Thema ist und wir uns in der Eurogruppe jetzt mit gewissem Druck damit befassen, eine Lösung innerhalb des zweiten, laufenden Griechenlandprogramms hinzubekommen, gemeinsam mit unseren Partnern und mit Griechenland.

Frage: Herr Seibert, zu den beiden rechtlichen Gründe, von denen Sie eben sprachen: Der erste, das deutsche Haushaltsrecht, ist relativ leicht nachzuvollziehen. Wären Sie so nett, den zweiten Grund für die Menschen da draußen, die davon eigentlich wenig Ahnung haben, einmal zusammenzufassen und zu sagen, was mit Bail-out usw. gemeint ist? Das Problem ist immer wieder die Frage, wie man das vermittelt.

StS Seibert: Frau Kothé, möchten Sie das beantworten?

Kothé: Die unmittelbare Finanzierung ist eben einfach laut EU-Vertrag untersagt. Ich weiß nicht, wie ich das jetzt erklären soll.

Zusatzfrage: Es geht ja auch um die Frage - zumindest so, wie ich es lese - , dass ein Forderungsverzicht nicht möglich sei, während Bürgschaften sozusagen noch anhängig sind. Bei anderen Staaten oder anderen Gelegenheiten ist das ja sehr wohl möglich.

Kothé: Das ist jetzt wieder etwas anderes.

StS Seibert: Das betrifft die haushaltsrechtliche Frage.

Kothé: Das betrifft die haushaltsrechtliche Ebene in Deutschland, die wohl auch in anderen Ländern ähnlich ist; das kann ich Ihnen jetzt nicht im Detail darlegen. Aber es ist eben einfach so, dass das bei uns nach dem geltenden Haushaltsrecht nicht möglich ist.

Zusatzfrage: Was besagt dieser Art. 125 auf der EU-Ebene?

StS Seibert: Ich habe ihn jetzt nicht zum Vorlesen da. Er besagt, einmal in simples Deutsch übersetzt, dass wir nicht die Schulden anderer Euro-Mitglieder übernehmen können. Wir können ihnen nach der Feststellung, dass das das letzte Mittel ist - die Ultima Ratio, um eine Gefährdung alle anderen Euro-Mitglieder zu verhindern -, gegen eine starke Konditionalität Hilfen zur Verfügung stellen. Das sind also Bedingungen, die eingehalten werden müssen und deren Einhaltung immer wieder überprüft werden muss. Das ist aber etwas anderes als ein Schuldenschnitt der öffentlichen Hand, bei dem man Geld verloren gäbe. Genau das widerspricht nach unserer Auffassung dem Bail-out-Verbot des Art. 125.

Frage: Sie sagten, Herr Seibert, es gebe neben den rechtlichen Bedenken oder Argumenten, die ausschlaggebend sind, auch politische. Welche sind das?

StS Seibert: Zunächst einmal sind die rechtlichen, glaube ich, schon ausreichend. Zweitens müssen wir natürlich überlegen, welche Maßnahmen man jetzt mit Griechenland vereinbart und welche Auswirkungen sie auf andere Staaten in der Eurozone haben, möglicherweise auch auf andere Staaten, die unter Programmen stehen. Dabei könnte man selbst, wenn es die rechtlichen Gründe nicht gäbe, zum Beispiel zu dem Schluss kommen, dass solche Maßnahmen dann auch anderen angeboten werden müssten.

Aber wie gesagt: Die rechtlichen Gründe sind für uns und nicht nur für uns - ich möchte das immer wieder betonen -, sondern auch für andere Länder (ausreichend). Man ist sich einig geworden. Thomas Wieser, der für die Euro Working Group zuständige Staatssekretär aus Österreich, hat schon vor 14 Tagen gesagt, dass das Thema Schuldenschnitt in der Eurogruppe bei der Erörterung der Frage, wie wir das Griechenland-II-Programm wieder auf Kurs bringen können, keine Rolle spielt. Das ist keine deutsche Aussage, sondern das ist eine Aussage der Eurogruppe, der sich aus verschiedenen Gründen - auch nationalen rechtlichen Gründen - auch andere Länder anschließen.

Frage: Frau Lagarde hat eine ganz andere Meinung. China hat eine ganz andere Meinung. Die USA haben eine ganz andere Meinung. Was sagen Sie dazu?

StS Seibert: Ich habe Ihnen hier ja auch keine Meinung, sondern eine rechtliche Einschätzung vorgetragen. Die mag durchaus von Land zu Land verschieden sein. Wir sind aber an unser nationales und an das europäische Recht gebunden. Im Übrigen kommentiere ich in diesem Zusammenhang nicht die Stellungnahmen von Regierungen außerhalb des Euroraums.

Frage: Ich habe zwei Fragen. Ich habe Schwierigkeiten in Bezug auf zwei Positionen, auf die sich der Bundesfinanzminister in der letzten Woche, nachdem er aus Brüssel zurückgekommen war, bezogen hat. Er hat zum einen gesagt: Was die Griechenland-Hilfen betrifft, so berühren sie den Haushalt nicht. Da wird also kein Steuergeld in die Hand genommen, das an Griechenland weitergegeben wird. Auf der anderen Seite sagt er immer: Wir fahren auf Sicht. Man könne nicht genau sagen, was dabei herauskomme. Gilt diese Aussage, dass kein deutsches Steuerzahlergeld - abseits von Garantien, abseits von Bürgschaften -, also kein reales Geld in die Hand genommen wird? Gilt das mit Blick auf die heutigen Verhandlungen?

Zum Zweiten möchte ich doch noch einmal auf die Frage der Kollegin zurückkommen. Herr Seibert, wenn Sie so grundsätzliche Aussagen zum Schuldenschnitt machen, dann denke ich, dass die Frage schon legitim ist, was an einem Punkt passiert, an dem keine weiteren Hilfen mehr anstehen und ob dann quasi als Krönung eines erfolgreichen Reformweges vielleicht doch ein Schuldenschnitt akzeptabel ist, wie es der Bundesbankpräsident schließlich auch ins Gespräch gebracht hat. Gilt die deutsche Ablehnung auch weiterhin für diese Variante?

StS Seibert: Wir sprechen über die bevorstehenden Brüsseler Verhandlungen, über die ich Ihnen sage, dass ein Schuldenschnitt dabei für uns nicht infrage kommt. Ich habe Ihnen unsere Gründe dargelegt. Das sind keine Gründe, die nur am Tage gelten.

Zusatz: Ich möchte eine Antwort auf die Frage, inwiefern die Aussage von Herrn Schäuble noch gilt, dass kein Geld in die Hand genommen wird.

Kothé: Die Aussage gilt so, wie er sie gemacht hat.

Zusatzfrage: Also für die deutsche Seite wird kein Steuerzahlergeld für die heute anstehenden Verhandlungen zur Diskussion stehen?

Kothé: Die Aussage gilt so, wie der Minister sie gemacht hat. Ich werde hier nicht den heutigen Verhandlungsergebnissen vorgreifen, weil ich es schlicht nicht kann. Natürlich - und das unterstreiche ich hier doppelt - gilt die Aussage des Ministers weiter.

Frage: Ich wollte den Blick noch auf einen anderen Bestandteil des Pakets lenken, über den diskutiert wird, nämlich die Rückgabe von Buchgewinnen an Griechenland durch die nationalen Notenbanken. Ich wollte fragen, wie die Bundesregierung die Idee beurteilt, dass Notenbanken Gewinne an Griechenland ausschütten.

Kothé: Auch das sind Vorschläge, die im Gespräch und in der Diskussion sind. Das wissen Sie. Auch hier muss ich Sie leider enttäuschen. Ich werde vor dem Hintergrund der beginnenden Verhandlungen jetzt nicht alle Vorschläge einzeln kommentieren. Das macht auch wenig Sinn.

Zusatz: Dann fragen wir Sie hinterher wieder.

Kothé: Dann haben wir hoffentlich ein gutes Ergebnis. Das erläutern wir Ihnen dann gerne und detailliert.

StS Seibert: Die Unabhängigkeit der Bundesbank gilt natürlich vorher und hinterher.

Frage : Bundesgesundheitsminister Bahr war am Wochenende in Griechenland. Ich hätte gerne dazu Details gehört.

Klaus: Er war nicht in Griechenland, sondern er ist am Sonntag abgereist und ist noch in Griechenland. Er kommt am Dienstag erst wieder nach Berlin zurück.

Es stehen einige Gespräche mit dem griechischen Gesundheitsminister auf der Tagesordnung. Geplant war auch ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten. Zumindest mir ist aber noch nicht bestätigt worden, ob das aus terminlichen Gründen auch zustande gekommen ist.

Es ist so, dass das Bundesgesundheitsministerium schon seit einer Weile die Griechen darin unterstützt, ihr Gesundheitssystem effizienter zu gestalten. Es gibt zahlreiche Kooperationsprojekte auf diesem Gebiet. Vor etwa einem Jahr haben wir dazu eine Pressemitteilung herausgegeben, und ich habe das hier kurz vorgestellt.

Im Prinzip geht es um die Unterstützung in allen Bereichen, so auch um den Aufbau einer Art Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung, wie es ihn hier in Deutschland gibt. Es gibt in Griechenland einen Träger für Gesundheitsleistungen. Es geht darum, beratend aktiv zu werden und diesen so zu stärken, dass die Strukturen effizienter werden und Bürokratie abgebaut werden kann. Das spart Ressourcen und auch Geldmittel. Das ist der Beitrag des Bundesgesundheitsministeriums außerhalb der finanziellen Hilfen.

StS Seibert: Sie wissen, dass Deutschland sich im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit mit Griechenland vor allem auf zwei Gebieten engagieren will. Das eine sind die Gesundheitssystemstrukturen, wie gerade genannt. Das andere sind lokale und kommunale Verwaltungsreformfragen, die ebenso wichtig ist. Das sind zwei Gebiete, auf denen sich Deutschland zusammen mit unseren griechischen Partnern sehr engagieren wird.

Frage: Zwei Fragen zum Thema "Gutscheinmodell für Haushaltshilfen". Zum einen würde ich mich interessieren, wie das Familienministerium dazu steht.

Zum Zweiten: Hat sich das Finanzministerium denn schon damit beschäftigt?

Steegmans: Ich möchte einmal zwei Dinge auseinanderklamüsern, die am Wochenende ein bisschen zusammengerührt und vermengt wurden. Das eine ist der konkrete Vorschlag der CDU/CSU-Fraktionsarbeitsgruppe. Die Einzelheiten dazu wären eben auch bei dieser Fraktionsarbeitsgruppe zu erfragen. Das ist ja kein Vorschlag aus unserem Haus, sondern aus dem parlamentarischen Raum.

Die Bundesministerin hat sich gestern geäußert und eine grundsätzliche Haltung kenntlich gemacht. Wir wissen spätestens seit dem Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, dass die Einführung von familiennahen oder haushaltsbefördernden Dienstleistungen die Wiedereinstiegsperspektive gerade von jungen berufstätigen Müttern in den Beruf befördert. Wir müssen nur nach Frankreich schauen und sehen, dass dort beispielsweise haushaltsnahe Dienstleistungen deutlich häufiger bis hinein zur unteren Mittelschicht eine Selbstverständlichkeit sind und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf entscheidend erleichtern.

Deshalb hat sich auch die Bundesregierung dieses Thema schon vor einiger Zeit vorgenommen. Es ist auch Bestandteil der Demografiestrategie. Aber wir müssen natürlich auch immer schauen, dass wir das Wünschenswerte und das Machbare in Einklang bringen. Das heißt also: Das Familienministerium kümmert sich eben nicht nur um die Möglichkeiten für haushaltsnahe Dienstleistungen, sondern hat immer auch die bislang beschränkten Möglichkeiten des Bundeshaushalts im Blick. Dementsprechend gibt es bislang vom Familienministerium noch keinen Vorschlag in diese Richtung, weil wir eben immer schauen müssen, dass wir auch begrenzte Mittel zur Verfügung haben. Da geht es uns wie jedem Haushalt in Deutschland: Wir müssen den Euro eben immer zweimal umdrehen, bevor wir ihn ausgeben können.

Kothé: Diese Regierung hat sich ein anspruchsvolles haushaltspolitisches Ziel gesetzt, nämlich 2014 die strukturelle Null zu schaffen. Das als kleine Vorbemerkung.

Wir haben uns mit dem konkreten Vorschlag - das hat Herr Steegmans gerade gesagt - noch nicht befasst. Das ist im Augenglick kein Regierungsvorschlag. Selbstverständlich sind wir, wenn er uns erreicht, sehr daran interessiert, wie die Finanzierungsmodalitäten eines solchen Vorschlags aussehen, also wie konkret die Gegenfinanzierung erfolgen soll.

Frage: Nun könnte man einen gewissen Gegensatz sehen, wenn auf der einen Seite mit Hilfe des Betreuungsgeldes gefördert wird, wenn Frauen nicht in den Beruf zurückkehren, und gleichzeitig mit diesen Gutscheinen gefördert werden soll, dass sie in den Beruf zurückkehren. Welchen politischen Sinn erkennen Sie denn darin, Herr Steegmans?

Ist das Geld für das Betreuungsgeld vielleicht schon zweimal umgedreht worden? Ist das der tiefere Grund, warum das andere jetzt nicht mehr geht?

Steegmans: Zum einen vorab: Der Etatposten für das Betreuungsgeld ist nicht nur zweimal, sondern dreimal, viermal, fünfmal umgedreht worden. Deshalb befinden sich beispielsweise im Bundeshaushalt für 2013 auch nur 55 Millionen Euro für das Betreuungsgeld. Gleichzeitig gibt die Bundesregierung mehr als das Zehnfache, nämlich 580 Millionen Euro, für den Kitaausbau aus.

Mit einem Vorurteil müssen wir einmal gründlich aufräumen: Das Betreuungsgeld ist nicht an die Voraussetzung geknüpft, dass irgendjemand aus dem Beruf ausscheidet. Ich wundere mich, was ich dazu tagtäglich lese. Das Betreuungsgeld ist einzig und allein daran geknüpft, dass man keine öffentlich finanzierte Kita in Anspruch nimmt. Aber das hat überhaupt nichts mit der Frage zu tun, ob man aufhört zu arbeiten oder nicht - ganz im Gegenteil.

Übrigens fördert das Bundesfamilienministerium mehrere Maßnahmen, um Eltern, die eine Zeitlang für ihre Kinder nicht gearbeitet haben, anschließend wieder in den Beruf zu bringen. Ich denke beispielsweise an die "Perspektive Wiedereinstieg", die von uns finanziert wird, und zwar dankenswerterweise seit diesem Jahr nicht nur als Pilotprojekt, sondern an allen Standorten der Bundesagentur für Arbeit. Wenn wir uns anschauen, welche Maßnahmen die Bundesregierung ansonsten auch beispielsweise über das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf den Weg bringt, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch eine schnelle Rückkehr von jungen Eltern in den Beruf zu ermöglichen, brauchen wir uns wahrlich nicht zu verstecken.

Frage : Frau Wendt, ist es überhaupt so, dass Frau von der Leyen auf diesen Vorschlag Bezug nimmt? Oder meint sie etwas ganz anderes? Sie spricht von der Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen. Aber ich bin mir gar nicht sicher, ob sie mit ihren Äußerungen konkret auf das Gutscheinmodell Bezug genommen hat.

Wendt: Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Die Berichterstattung, dass es in unserem Haus eine Arbeitsgruppe gibt, die sich mit diesem Thema beschäftigt, ist nicht korrekt. Dementsprechend wird es im Dezember auch aus unserem Haus keine Ergebnisse geben. Federführend bei dem Thema ist das BMFSFJ. Dass es sicherlich zu diesem Thema immer wieder in der Bundesregierung Diskussionen gibt und sich die verschiedenen Ressorts dazu austauschen, ist auch bekannt. Insofern ist das Zitat, das jüngst - sprich im "Focus" - gelaufen ist, nicht direkt zu dem Thema "Gutscheinmodell" zu sehen.

Frage: Herr Steegmans, mich würde interessieren, ob Ihre Ministerin plant, noch in dieser Legislaturperiode ein Modell, gar einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Ich würde gerne noch einmal an die Frage des Kollegen Kolhoff anknüpfen. Mir ist offen gestanden die Philosophie, die dahinter steht, auch noch nicht so ganz klar geworden.

Steegmans: Wir gehen mit unseren Überlegungen dann an die Öffentlichkeit, wenn auch eine Finanzierung gesichert ist. Wann das der Fall sein wird, kann ich Ihnen im Augenblick nicht sagen, weil wir um die Haushaltslage wissen. So, wie sich die Lage insgesamt darstellt, wird der Haushalt nicht unendlich groß aufwachsen.

Die Philosophie, die dahinter steht, ist, dass wir nicht der Auffassung sind, dass jedes Gesetz automatisch auch mit einer dirigistischen Denkweise verbunden sein muss. Es gibt durchaus im Bereich der familienbezogenen Leistungen unterschiedliche Ansätze, aus denen die Familien auswählen sollen. Sonst müssten wir uns in Deutschland nur ein einziges Familienmodell in Deutschland ausdenken, machten ganz passgenau ein Gesetz, das nur auf dieses Familienmodell passt und hätten dann eine Familienpolitik aus einem Guss, möglicherweise anschließend auch Familien aus einem Guss. Aber zum Glück sind die Menschen - die Eltern, die Kinder, die Familien - in Deutschland unterschiedlich. Dementsprechend gibt es auch verschiedene familienbezogene Leistungen für verschiedene Lebensentwürfe.

Zusatzfrage: Haben Sie denn eine grobe Vorstellung, was das in etwa kosten würde?

Steegmans: Wie gesagt: Wir gehen mit unseren Überlegungen dann an die Öffentlichkeit, wenn wir die Finanzierung fertig haben - aber nicht vorher. Die Zahlen, die am Wochenende in den Medien waren, sind Zahlen aus dem Fraktionsarbeitsentwurf. Dazu können wir en détail, weil wir diesen Fraktionsarbeitsentwurf eben nicht bei uns im Haus erarbeitet haben, keine Stellung beziehen. Sie müssten sich bitte an die Fraktionen wenden.

Frage: Herr Steegmans, in einer Agenturmeldung war die Rede davon, dass Frau Schröder diesen Vorschlag aus der Union unterstützt. Wenn in Ihrem Haus ein eigener erarbeitet wird, heißt das, dass die Unterstützung für den Vorschlag jetzt wegfällt, gar nicht existiert oder da einfließt?

Steegmans: Wir unterstützen, dass es Überlegungen in dieser Richtung gibt. Wir haben, soweit mir das aus den Zitaten bekannt ist, keinen Bezug auf exakt diesen Entwurf. Aber wir finden es natürlich grundsätzlich gut, wenn die Mehrheiten in diesem Bereich eher größer als kleiner werden und dass sich dort etwas tun sollte.

Frage: Ich möchte noch einmal versuchen, den aktuellen Stand zu klären. Dieser AG-Fraktionsarbeitsentwurf - das ist kein Fraktionsantrag - ist gut anderthalb Jahre alt und immer wegen mangelnder Finanzierbarkeit zurückgestellt worden. Ich würde gerne alle drei Ministerien fragen: Bezieht sich irgendjemand konkret auf diesen Entwurf aus der AG Familie der Unionsfraktion in der Hinsicht, dass man daraus ein Regierungshandeln entwickeln will? Ja oder nein?

Vorsitzende Sirleschtov: Wer möchte beginnen?

Steegmans: Ich fange dann einmal an. - Wir haben uns heute Morgen in der Schaltkonferenz schon abgestimmt und haben festgestellt, dass wir als Regierung mit einem Entwurf dann an die Öffentlichkeit gehen, wenn wir als Regierung sowohl die Frage, was wir machen möchten, als auch die Frage, wie wir es finanzieren wollen, abschließend entschieden haben. Da das bislang nicht der Fall ist, können Sie davon ausgehen, dass es bislang auch keinen Regierungsentwurf in dieser Frage gibt.

Kothé: Genau so ist es, dem kann ich mich nur anschließen.

Wendt: "Nein" heißt die Antwort.

Zusatzfrage: Kann sich die Frage der Finanzierbarkeit aus Ihrer Sicht bis zur Wahl noch ändern?

Steegmans: Die Hoffnung stirbt zuletzt, Frau Markmeyer. Wir haben aber gerade erst, nämlich am vergangenen Freitag, den Bundeshaushalt für 2013 unter Dach und Fach gebracht. Ich glaube, da war schon eine ordentliche Portion Schweiß der Edlen drin. Ich könnte mir vorstellen, dass die Situation im kommenden Jahr nicht wahnsinnig fantasievoller wird.

Kothé: Auch das kann ich nur unterstreichen. Ich hatte vorhin ja schon gesagt: Wir haben uns ein anspruchsvolles Ziel gesetzt. Aus unserer Sicht gibt es relativ wenige denkbare Spielräume für zusätzliche Ausgaben.

Frage: Ich möchte noch Frau Kraus vom Wirtschaftsministerium fragen, was denn das Wirtschaftsministerium davon hält, eine solche zusätzliche Leistung einzuführen?

Kraus: Das steht bei uns derzeit nicht auf der Agenda.

Zusatzfrage: Aber Sie werden ja eine Position dazu haben?

Kraus: Wir kennen den Entwurf nicht, deswegen können wir ihn auch nicht bewerten.

Frage : Herr Steegmans, wenn Sie sagen "Wir unterstützen, dass es solche Überlegungen gibt", gleichzeitig aber sagen "Wir gehen erst an die Öffentlichkeit, wenn es eine Finanzierung gibt", kann man daraus dann schließen, dass es derzeit in der Bundesregierung Überlegungen gibt, einen solchen Regierungsentwurf zu erarbeiten?

Steegmans: Ich glaube, alles, was die Regierung einmal in ihren strategischen Überlegungen beschlossen hat, ist grundsätzlich anschließend auch Arbeitsauftrag an alle beteiligten Ressorts. Ich sagte ja schon einmal, dass die Unterstützung haushaltsnaher Dienstleistungen sowohl Gegenstand des Gleichstellungsberichtes als auch Gegenstand der Demografiestrategie ist. Es ist aber eben immer unterschiedliche Möglichkeiten und vor allen Dingen Geschwindigkeiten, die Ziele, die man sich selber steckt, dann auch zu erreichen. Man muss möglicherweise auch den einen oder anderen Umweg akzeptieren, den man gehen muss, um am Ende dann doch zum selbst gesteckten Ziel zu kommen.

Zusatzfrage: Frau Kothé, wenn man formulieren würde "Die Bundesregierung prüft derzeit Gutscheine für haushaltsnahe Dienstleistungen, sieht aber wenig Spielraum, sie in der laufenden Legislaturperiode einzuführen", wäre das dann eine korrekte Beschreibung?

Kothé: Wir - ich spreche für das Finanzministerium - prüfen im Augenblick noch nichts. Wir prüfen dann, wenn es - das ist das normale Verfahren, das wissen Sie auch - einen entsprechenden Regierungsvorschlag gibt. Herr Steegmans hat ja bereits gesagt, dass es den nicht gibt. Was den zweiten Teil, also die finanziellen Spielräume angeht, so würde ich Ihre Ausführungen dazu so unterschreiben.

Frage : Was ist denn die Haltung der Bundeskanzlerin zu diesem Thema? Sieht sie in solchen Haushaltsgutscheinen eine adäquate Möglichkeit, den Wiedereinstieg in den Beruf zu fördern, oder nicht?

StS Seibert: Herr Steegmans hat, glaube ich, wirklich abschließend für die ganze Bundesregierung gesagt, wo wir in diesem Punkt stehen. Als Regierungssprecher kommentiere ich ohnehin auch nicht, was in Parteigremien - wo es ja herkam - besprochen wird. Die Feststellung, dass wir uns in der Demografiestrategie der Bundesregierung tatsächlich verständigt hatten, haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien zu stärken, ist und bleibt richtig. Es gibt keinen Regierungsentwurf und es gab noch keine Ressortabstimmung dazu. Es gibt offenbar Überlegungen. Da stehen wir.

Frage : Eine Frage an das Justizministerium zum Thema Telefonwerbung: Ist es richtig, dass in Ihrem Haus ein Gesetzentwurf erarbeitet wird, solche Werbung, wenn es um Gewinnspiele geht, schärferen Regeln zu unterwerfen? Falls ja, in welche Richtung soll das gehen? Die Debatte darüber, dass das, wenn es für den Fall gilt, dass Telefonverträge abgeschlossen werden, dann auch für den Pizza-Lieferservice gelten müsste, hatten wir ja schon.

Aden: Es gibt einen im Bundesjustizministerium erarbeiteten Entwurf zu unseriösen Geschäftspraktiken. Da gehört auch dieses Thema dazu. Informationen dazu können Sie auch auf unserer Homepage einsehen, da haben wir Einzelheiten veröffentlicht.

Zusatzfrage: Können Sie vielleicht kurz die Eckpunkte nennen, in welche Richtung das gehen soll und wann das Gesetz kommen soll?

Aden: Zum Zeitplan kann ich Ihnen im Moment nichts sagen.

Zusatzfrage: Könnten Sie das nachreichen?

Aden: Das kann ich tun.

Frage: Herr Seibert, nach dem erfolglosen Gipfel letzte Woche wird der mehrjährige Finanzrahmen der Europäischen Union nun von Zypern an Irland übergeben. Sind die Chancen auf eine Einigung damit gestiegen?

StS Seibert: "Erfolglos" ist schon ein Wort, über das wir hier länger sprechen könnten, Herr Scally. Sie erinnern sich, dass auch die mehrjährigen Finanzrahmen der EU in den letzten beiden Perioden, die ja jeweils sieben Jahre umfassen, jeweils erst in einem zweiten Rat festgelegt wurden. Da sind wir also noch völlig im Bereich des Normalen.

Die Bundeskanzlerin hat sich in ihrer Pressekonferenz am Freitagabend in Brüssel relativ zufrieden damit geäußert, dass bei den Gesprächen doch Einiges klar geworden ist, dass dieses sehr komplexe Thema vorangekommen ist, aber dass es eben am Freitag noch nicht für einen Abschluss, dem alle 27 Regierungs- und Staatschefs zustimmen können - und das ist für uns ein sehr wichtiger Wert gewesen -, gereicht hat. Wir sind also guten Mutes, dass das Anfang nächsten Jahres gelingen wird. Bis dahin wird es aber sicherlich noch eine ganze Reihe von Gesprächen und auch Kompromissbereitschaft geben müssen.

Frage: Ich habe gehofft, jemand anders stellt diese Frage: Was sagen Sie zu den Berichten in der "taz" und der "Bild", in denen es darum geht, was man in Deutschland mit Tieren machen darf und was man nicht machen darf? Ist das einfach skurril, ist da etwas dran? Wenn es keinen öffentlichen Schuldenschnitt für Griechenland gibt, ich aber einiges mit Tieren machen darf, dann finde ich das ein etwas merkwürdiges Verhalten in Deutschland.

StS Seibert: Die Verbindung, die Sie da gerade hergestellt haben, kann ich jetzt nicht nachvollziehen. Skurril finde ich es auch nicht. Das fällt sicherlich in ein Ressort, das hier jetzt einmal dazu Auskunft geben kann, was es da für Pläne geben mag. Ich bin nicht im Detail über diese Pläne informiert, aber wir können Ihnen das erklären, und dann wird es Ihnen nicht mehr skurril erscheinen.

Zu Erbauch-Fürstenau: Vielleicht in aller Kürze: Das ist ein Teil eines umfassenden Tierschutzpaketes, mit dem sich die Bundesregierung befasst hat. Ich habe das auch heute in der Tageszeitung gelesen. Es ist schade, dass sich in der Berichterstattung nur dieser eine Teil, der in Abstimmung mit den Bundesländern aufgenommen wurde, wiederfindet. Wir arbeiten an verschiedenen Aspekten, und dieser Aspekt ist ein kleiner Detailpunkt unserer Tierschutzstrategie. Die Verbindung zu Europa, die Sie hier ziehen, kann ich nicht ziehen.

Zusatzfrage: Dann entschuldige ich mich, dass ich mich nicht klar geäußert habe: Stimmt es, dass in Deutschland Sex mit Tieren nicht strafbar ist, oder stimmt das nicht, und wird das jetzt geändert?

Zu Erbauch-Fürstenau: Das war vorher schon strafbar und das wird weiterhin strafbar sein.

Zusatzfrage: Wie ist dann diese Berichterstattung zu erklären?

Zu Erbauch-Fürstenau: Es ändert sich nur etwas am Verfahren. Es ist ja so, dass Sie einem Tier nicht unnötig Schmerzen zufügen dürfen. Bisher war es so, dass man im Nachhinein nachweisen musste, dass das geschehen ist - was nicht immer so einfach war. Jetzt wird das im Vorhinein geregelt. Insofern ändert sich nichts am Status quo, dass das verboten ist; es ändert sich nur etwas an der rechtlichen Handhabe.

Frage: Herr Seibert, mich hätte kurz interessiert, mit was für Erwartungen die Bundesregierung in die UN-Klimakonferenz in Doha geht, die ja jetzt anläuft.

Zweitens. Ist es nicht ein relativ schlechtes Signal, das Deutschland sendet, wenn man sich in Fragen der Reform des Emissionshandels oder auch ehrgeizigerer Klimaschutzziele in Europa zwischen den betroffenen Ressorts nicht einig ist?

StS Seibert: Zu den Detailfragen können sich ja die Ressorts noch äußern.

Deutschland wird sich auch in Doha wieder für mehr Klimaschutz einsetzen. Es geht uns zum einen um einen Verhandlungsplan für ein gemeinsames weltweites Abkommen ab 2020. Es geht uns zum anderen darum, das Kyoto-Abkommen bis 2020 zu verlängern und Beiträge zum Klimaschutz bis 2020 zu definieren. Vor allem sind Beiträge von den Ländern zu leisten, die nicht am Kyoto-Abkommen beteiligt sind. Deutschland bleibt - übrigens gemeinsam mit der gesamten Europäischen Union - weltweit Vorreiter beim Klimaschutz. Wir sind deshalb auch zu einer zweiten Kyoto-Periode bereit, und wir setzen uns dafür ein, dass die europäische Klimapolitik ambitioniert bleibt. Das ist die Haltung, die der Bundesumweltminister in der zweiten Woche dieser Klimakonferenz in Doha vertreten wird, wenn das sogenannte Ministersegment stattfindet, also auch die Amtskollegen aus den anderen Ländern dort sind.

Maaß: Ich kann dazu kaum noch etwas ergänzen. Der Minister hat ja darauf hingewiesen, dass es nicht nur wichtig für den Klimaschutz, sondern auch in unserem nationalen wirtschaftlichen Interesse ist, dass Deutschland seine Rolle als Vorreiter im europäischen und internationalen Klimaschutz behält. Er hat sich ja auch sehr sorgenvoll über das internationale Tempo der Klimaschutzbemühungen geäußert, das er im Hinblick auf die Erreichung des angestrebten Zwei-Grad-Ziels als absolut unzureichend bezeichnet hat.

Kraus: Ich kann beides nur unterstreichen. Zu diesen Themen laufen die Gespräche zwischen den Ressorts. Wichtig ist, dass Deutschland beim Klimaschutz ein Vorreiter ist; es ist auch wichtig, das immer wieder deutlich zu machen. Wichtig ist auch, dass hier international weitere Anstrengungen unternommen werden. Die Gespräche über höhere Ziele in der EU laufen. Eine abschließende Verständigung hierzu steht noch aus. Das BMWi hat hier natürlich immer ein Augenmerk darauf, dass weitere Belastungen der Industrie und der damit verbundenen Arbeitsplätze so weit wie möglich vermieden werden.

Frage: Wäre der Emissionshandel denn nicht eine zentrale Stellschraube, um diese Vorreiterrolle glaubwürdig zu machen?

Maaß: Der Emissionshandel ist natürlich eine Stellschraube, auch eine sehr wichtige. Sie sehen ja auch, dass das Instrument Emissionshandel von immer mehr Regionen und Ländern der Welt aufgegriffen wird. Sie haben sicherlich die letzten Meldungen verfolgt, dass Kalifornien - für sich genommen die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt - den Emissionshandel jetzt einführt. Das ist ein zentrales Instrument des Klimaschutzes, selbstverständlich.

Zusatzfrage: Aber warum nutzt Deutschland diese Stellschraube dann nicht?

Maaß: Ich glaube, wir haben noch ein bisschen Zeit, um uns zu verständigen und auch zu einer gemeinsamen Position im europäischen Rahmen zu kommen.

Frage: Zwei Wochen lang soll in Doha verhandelt werden, der Minister sagt aber schon heute Früh, er sei sehr skeptisch, was ein Ergebnis in Doha betrifft. Warum geht man eigentlich mit einer so tiefen Skepsis in diese Gespräche hinein, um dann zu sagen: Das ist ganz wichtig und das Tempo ist absolut unzureichend? Was kann man da von deutscher Seite jetzt noch als Schippe drauflegen, um nachzuweisen, dass Deutschland der Vorreiter im Klimaschutz ist, der andere auch mitzieht? Bisher war es ja so, dass man in der EU sagte: Wenn andere mitziehen, erhöhen auch wir unsere Ziele. Wäre es nicht auch denkbar, dass die EU einseitig höhere Ziele verkündet?

Maaß: Was im europäischen Rahmen denkbar ist oder nicht, kann ich hier nicht sagen; dafür bin ich nicht der Richtige. Ansonsten wissen Sie ja, dass die internationalen Klimaschutzverhandlungen doch ein sehr langfristig angelegter Prozess sind. Es wäre derzeit sicherlich unangemessen, überschäumenden Optimismus zu verbreiten. Insofern ist das, denke ich, eine sehr realistische Einschätzung, wenn wir vorher sagen, auf welchem Stand wir sind und was wir realistischerweise erwarten können und was nicht.

Zusatzfrage: Und die Frage nach einem deutschen Zusatzbeitrag?

Maaß: Die Frage nach einem individuellen deutschen Zusatzbeitrag stellt sich in dieser Weise nicht. Sie wissen ja, dass dort vor allem Europa auftritt.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 26. November 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/11/2012-11-26-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2012