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PRESSEKONFERENZ/632: Regierungspressekonferenz vom 8. Juli 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 8. Juli 2013
Regierungspressekonferenz vom 8. Juli 2013

Themen: Einigung der Nationalen Koalition der syrischen Opposition auf eine neue Führungsspitze, angebliche Umtriebe der NSA in Deutschland, Medienberichte über die Nachfolge des Nato-Generalsekretärs, Rüstungsprojekte der Bundesregierung/Eurofighter, Finanzkrise in Portugal
Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Beyer-Pollok (BMI), Albin (BMJ), Narzynski (BMF)



Vors. Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Schäfer: Ich würde Ihnen gerne im Namen von Außenminister Westerwelle einige Worte zur neugewählten Führungsmannschaft der Nationalen Koalition der syrischen Opposition sagen. Der deutsche Außenminister begrüßt die Einigung der Nationalen Koalition der syrischen Opposition auf eine neue Führungsspitze und gratulierte dem neuen Präsidenten Ahmed Jarba und seinen Stellvertretern zu der am Wochenende erfolgten Wahl.

Es kommt jetzt aus Sicht der Bundesregierung darauf an, die Geschlossenheit der syrischen Opposition weiter zu stärken und die Nationale Koalition auf eine möglichst breite Grundlage zu stellen. Wir erwarten von der neuen Führung der Nationalen Koalition ein Signal der Bereitschaft, am Genfer Friedensprozess teilzunehmen. Das Assad-Regime muss endlich den Weg für eine politische Lösung frei machen. Wir fordern ein Ende der Kampfhandlungen gegen die eigene, die syrische Bevölkerung. Insbesondere fordert Außenminister Westerwelle das Regime dringend auf, medizinischen und humanitären Zugang zu der in der Stadt Homs eingeschlossenen Zivilbevölkerung zu gewährleisten.

Frage: Herr Seibert, vor genau einer Woche haben wir hier ausführlich über das Thema NSA, Abhören usw. gesprochen. Damals hieß es ja "Berichte sind nicht Fakten" und "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit". Aber sind im Laufe dieser zurückliegenden sieben Tage vielleicht irgendwelche Fakten der Bundesregierung zur Kenntnis gelangt?

StS Seibert: Es gilt heute wie vor einer Woche das, was ich gesagt habe, nämlich dass es jetzt die Aufgabe der Bundesregierung ist, sich um Sachaufklärung zu bemühen. Dafür ist sozusagen ein Prozess in Gang geleitet worden. Sie wissen, dass in dieser Woche eine Reihe von Spitzenbeamten verschiedener Ministerien und der Dienste in Washington Gespräche führen wird, auch in Vorbereitung eines dann Ende dieser Woche folgenden Besuchs des Bundesinnenministers. Sie wissen, dass heute - zeitgleich mit dem Auftakt der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen - auch ein Expertengespräch zwischen EU-Experten und US-Experten zu den Themen "Datenschutz", "Schutz der Privatsphäre" und "Aufsicht über die Geheimdienste" geführt wird. Das heißt, wir sind jetzt im Prozess der Sachaufklärung.

Zusatzfrage: Heißt das, in der zurückliegenden Woche gab es noch keinerlei Kenntnisse?

StS Seibert: Das heißt, dass wir diesen Prozess der Sachaufklärung organisiert haben, und zwar mit den Ergebnissen, die ich Ihnen gerade vorgetragen habe.

Zusatzfrage: Da muss ich nicht aufgepasst haben. Welche Ergebnisse meinen Sie?

StS Seibert: Ich meine die Ergebnisse, dass heute Gespräche auf EU-US-Ebene beginnen, dass in dieser Woche Spitzenbeamte aus verschiedenen deutschen Ministerien mit amerikanischen Vertretern zusammentreffen werden und dass der Innenminister Ende dieser Woche reisen wird. Die Bundeskanzlerin hat in der vergangenen Woche ein Telefonat mit US-Präsident Obama geführt, das auch dem Ziel diente, dieses Verfahren der Gespräche in Gang zu setzen. Genau das halten wir für die richtige Art und Weise, wie man Aufklärung herstellt.

Frage: Herr Seibert, trifft es zu, dass es vertragliche Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA gibt, die der NSA das gestatten, was sie offenbar tut, nämlich massenhaft Daten abzugreifen?

StS Seibert: Der Bundesnachrichtendienst kooperiert im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags mit Partnerdiensten, seit Jahrzehnten auch mit der NSA. Im Kampf gegen terroristische Bedrohungen können wir die Bevölkerung nur schützen, wenn wir mit anderen zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit erfolgt ganz streng nach Recht und Gesetz, und sie wird durch das zuständige parlamentarische Gremium kontrolliert. Daher können weitere sensible Fragen nach dieser Kooperation auch nur im Parlamentarischen Kontrollgremium besprochen werden. Sie wissen, dass der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Herr Schindler, in der vergangenen Woche im Parlamentarischen Kontrollgremium war und über Einzelheiten der Zusammenarbeit unterrichtet hat. Sollten sich weitere Fragen dazu ergeben, wird die Bundesregierung selbstverständlich jederzeit dem Parlamentarischen Kontrollgremium diese Fragen beantworten.

Zusatzfrage: Heißt das, Sie können uns nicht sagen, ob es vertragliche Vereinbarungen gibt?

StS Seibert: Das heißt, ich habe Ihnen gesagt, dass es - das ist auch keine Überraschung und auch nie verheimlicht worden - eine schon sehr lang zurückreichende Zusammenarbeit mit der NSA gibt, und zwar nach Recht und Gesetz. Der BND hält sich bei allem, was er tut, an Recht und Gesetz. Bei allem, was die Bundesregierung und was die Nachrichtendienste zum Schutz der Bürger tun, muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Bei allem ist immer die zentrale Frage: Haben wir die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit gewahrt? Deswegen wird gearbeitet, im Rahmen der Fernmeldeaufklärung nach dem G10-Gesetz. Deswegen wird nach dem Gesetz über den Bundesnachrichtendienst gearbeitet und strikt auf die Wahrung dieser Balance geachtet.

Ob nun auch die Maßnahmen, von denen Medien berichten und mit denen die NSA angeblich auf deutsche Bürger oder die Daten deutscher Bürger zugreift, dieser Verhältnismäßigkeit genügen, ist eben etwas, das in diesen Gesprächen, die nun zu führen sind und geführt werden, geklärt werden soll.

Frage: Herr Seibert, inwieweit spielt denn der im Raum stehende Vorwurf der Wirtschaftsspionage eine Rolle bei den jetzt beginnenden Verhandlungen über das Freihandelsabkommen?

StS Seibert: Wir haben heute den ersten Tag des ersten Treffens der Verhandlungsteams. Sie wissen, dass das Verhandlungen von sehr großer Reichweite, sehr umfassende und sehr viele Felder betreffende Verhandlungen sind. Sie wissen, dass sie heute von einem Gespräch von Expertengruppen aus den USA und der EU begleitet werden, die sich genau über Fragen des Datenschutzes, des Schutzes der Privatsphäre und der Aufsicht über die Geheimdienste unterhalten. Das ist das, was ich dazu sagen kann. Möglicherweise wird in Washington kommuniziert werden, wenn diese erste Runde vorbei sein wird. Mehr kann ich dazu jetzt nicht sagen.

Frage: Herr Seibert, die Kanzlerin hat am Wochenende auf einem CDU-Parteitag in NRW einen Satz gesagt, den Sie, glaube ich, vergangenen Montag so ähnlich gesagt haben: "Abhören unter Freunden, das geht gar nicht." Können Sie mir noch einmal erklären, was eigentlich genau damit gemeint ist? Um welches Abhören geht es, das gar nicht geht?

StS Seibert: Ich glaube nicht, dass ich es Ihnen wirklich erklären muss, weil es eigentlich auch letzte Woche schon klar war, aber ich tue es gerne noch einmal: Das bezog sich auf die Berichte über angebliche Zugriffe oder angebliche Wanzenangriffe und Ausspähungsversuche durch die NSA, gerichtet gegen EU-Botschaften und Botschaften einzelner europäischer Staaten. Das ist das, worauf sich die Kanzlerin bezog, und was, wenn es zuträfe, selbstverständlich vollkommen inakzeptabel wäre.

Frage: Heißt das, alle anderen Dinge, die jetzt im Raum stehen - Sie sprechen immer von Medienberichten -, sind damit definitiv nicht gemeint?

StS Seibert: Nein. Das heißt, alle anderen Dinge, die im Raum stehen, müssen aufgeklärt werden, und es muss das gelten, was für den BND gilt, nämlich dass jeder Eingriff in die Privatsphäre und auch in die Datenselbstbestimmung der Menschen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehorchen muss und dass nach Recht und Gesetz vorgegangen werden muss. Das ist ein Zustand, der hergestellt sein muss. Das, was uns hier in Deutschland rechtlich leitet, muss auch bei allem gelten, was hier in Deutschland von anderen getan wird.

Frage: Ich würde gerne noch einmal zu den vertraglichen Vereinbarungen zurückkommen, Herr Seibert. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es im Nato-Truppenstatut von 1959 die Vereinbarung, dass Deutschland zur Zusammenarbeit verpflichtet ist, wenn es um den Schutz der Truppen in den USA oder hier geht. Gibt es jetzt Veranlassung, diese Formulierung zu konkretisieren?

StS Seibert: Ich weiß nicht, ob sich das Bundesinnenministerium oder das AA zu der Frage von Vereinbarungen und Altabkommen äußern möchten.

Beyer-Pollok: Dann beginne ich einmal. Das war Ende des vergangenen Jahres auch schon einmal Thema einer Parlamentsanfrage. Demnach gibt es ein Nato-Truppenstatut, auf das sich Ihre Frage wahrscheinlich bezieht. Das enthält aber keine Rechtsgrundlage, nach der Entsendestaaten Kommunikation in Deutschland überwachen dürfen.

Ich kann das noch so ergänzen, dass die sich darauf beziehenden Verwaltungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Westalliierten aus Sicht des BMI zwar noch in Kraft sind, aber faktisch keine Bedeutung mehr haben. Seit der Wiedervereinigung, also 1990, sind in der Praxis der Nachrichtendienste keine entsprechenden Ersuchen mehr von den drei Westalliierten an Deutschland gestellt worden.

Schäfer: Ich könnte nur ergänzen, dass das Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut in der Tat natürlich weiterhin gültig ist, aber keine Rechtsgrundlage enthält, wonach die Entsendestaaten die Kommunikation in Deutschland überwachen dürften.

Frage: Herr Schäfer, verstehe ich es richtig, dass es keine Verträge gibt, die wir haben, die das Abhören in Deutschland erlauben?

Schäfer: Ich habe über das Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut gesprochen.

Zusatzfrage: Dann frage ich noch einmal Herrn Seibert: Sie haben jetzt umfänglich beschrieben, dass sich der BND an Recht und Gesetz halte. Das hatte der Kollege Decker ja auch gar nicht so richtig bezweifelt. Er wollte nur wissen, ob sich diese langwierige Zusammenarbeit irgendwie auf Grundlage von Nießbrauch entwickelt hat - man arbeitet so zusammen, wie man seit 1959 oder möglicherweise schon früher, schon immer, zusammengearbeitet hat, und das hat sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnten entwickelt - oder ob es Verträge gibt, die Rechte und Pflichten beider Seiten in dieser Kooperation definieren, also auch die der Partner, zum Beispiel der NSA. Gibt es solche Verträge? Das müsste doch auch ohne wochenlange Sachaufklärung herauszufinden sein.

StS Seibert: Ich dachte, dass ich auch schon gesagt hätte, dass über die Art und Weise sowie auch über mögliche Absprachen bei dieser Zusammenarbeit dem Parlamentarischen Kontrollgremium berichtet wird. Das ist der Ort, an dem das wie alle anderen Fragen, die die geheimdienstlichen Aktivitäten betreffen, geklärt wird. Die Bundesregierung ist jederzeit bereit, und die Dienste sind es mit Sicherheit auch, Fragen, die aufkommen, dort in den anliegenden Sitzungen auch zu klären.

Zusatzfrage: Können Sie also auch nicht die Existenz solcher Verträge bestätigen oder dementieren? Wäre selbst das geheim, jenseits des Inhaltes? Verstehe ich das richtig?

StS Seibert: Ich kann hier nur auf das Parlamentarische Kontrollgremium verweisen.

Frage: Herr Seibert, ich versuche jetzt noch einmal zu verstehen, wie das mit dem ist, was wünschenswert ist, was die Kooperation mit den Amerikanern einerseits und die Praxis der Amerikaner andererseits angeht. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, erwarten Sie, dass die Amerikaner die für uns geltenden Maßstäbe der Verhältnismäßigkeit und der rechtlichen Bedingungen respektieren, wenn sie auf unserem Territorium Abhör- oder Datenüberwachungsmaßnahmen unternehmen. Wenn sie das jetzt nicht auf unserem Territorium machen, sondern Daten deutscher Bürger sozusagen von ihrem Territorium aus überwachen, weil diese Daten um die ganze Welt reisen, erwarten wir von ihnen dann auch, dass sie unsere Maßstäbe der Verhältnismäßigkeit respektieren, oder haben wir dann keinen Einfluss darauf? Äußern wir damit einen Wunsch?

Die abschließende Frage wäre: Was machen wir, wenn dieser Wunsch nicht respektiert wird, weil die amerikanischen Regelungen und Vorstellungen von Verhältnismäßigkeit andere als unsere sind?

StS Seibert: Nein, wir äußern keinen Wunsch, sondern wir vertreten mit Überzeugung den Standpunkt, der uns bei unserer Arbeit seit vielen Jahrzehnten leitet. Diesen Standpunkt werden wir auch in den Gesprächen vertreten, die jetzt geführt werden. Diesen Standpunkt hat die Bundeskanzlerin bereits gegenüber Präsident Obama sowohl bei seinem Berlin-Besuch als auch im Telefonat in der vergangenen Woche vertreten. Das ist die Leitlinie, die über unseren Vorstellungen von geheimdienstlicher Tätigkeit steht.

Zusatzfrage: Wenn ich da noch einmal um Präzisierung bitten darf: Gibt es jetzt eine Differenzierung zwischen dem, was unsere Freunde auf unserem Territorium machen, und dem, was unsere Freunde auf ihrem Territorium, aber mit unseren Daten, machen?

StS Seibert: Ich kann Ihnen diese Frage an dieser Stelle nicht beantworten. Das muss ich leider sagen.

Das, was uns leitet, muss auch bezüglich dessen gelten, was hier gemacht wird und was deutsche Bürger betrifft.

Frage: Ich möchte zum einen noch einmal auf Anfragen zurückkommen, die von Seiten der Bundesregierung an die US-Regierung gestellt worden sind, und zwar konkret das Justizministerium. Gilt es nach wie vor, dass Frau Leutheusser-Schnarrenberger keine Antwort auf ihren Brief an ihren US-Kollegen bekommen hat? Ist das bei ihr eine nicht ganz ungewohnte Praxis, dass sie an Freunde schreibt und keine Antwort bekommt?

Zum Zweiten würde mich interessieren: Wir diskutieren jetzt sicherlich seit zwei Wochen über diesen Komplex NSA und bekommen von Mitgliedern der Bundesregierung immer das Wort "umgehende Aufklärung" geliefert. Bin ich naiv, enttäuscht zu sein, wenn ich nach zwei Wochen lediglich berichtet bekomme, dass man jetzt Klarheit über den Prozess geschaffen hat, aber ich in der Sache kein bisschen schlauer geworden bin als zuvor? Hat dieses "umgehend" eine richtige Grundlage gehabt?

StS Seibert: Ich weiß nicht ganz, wie Sie sich vorstellen, dass diese Aufklärung hergestellt werden könnte. Unsere Vorstellung ist, dass sie im gründlichen Gespräch mit unseren Verbündeten aus den USA hergestellt werden muss. Diese Gespräche sind jetzt terminiert, und sie beginnen diese Woche. Es sind sehr umfangreiche Themenkomplexe, die da zu klären sind. Ich kann mir keinen anderen und auch keinen besseren Weg vorstellen, als dass die Spitzenbeamten und die Spitzenleute beider Seite zusammensitzen und sich darüber sehr gründlich austauschen.

Albin: Es ist zutreffend, dass Frau Leutheusser-Schnarrenberger noch keine Antwort auf den Briefbogen an den amerikanischen Minister bekommen hat. Sie hat aber zum Beispiel eine Antwort bekommen - das hat sie in einem Interview in der "Süddeutschen" am Samstag auch gesagt - auf ihren Brief an den britischen Amtskollegen.

Zusatzfrage: Ist das so üblich bei Briefen an Freunde?

Albin: Ich glaube, Herr Seibert hat darauf schon geantwortet, indem er darauf hingewiesen hat, dass es ja Kontakte auf Arbeitsebene gibt.

Frage: Ich wollte Herrn Seibert zum einen fragen: Sie haben gesagt, es kann nichts Besseres passieren, als wenn sozusagen die Spitzenleute darüber reden. Jetzt hat ja Frau Merkel mit Herrn Obama letzte Woche darüber gesprochen. Mich würde schon interessieren: Ist denn auch konkret über diesen Vorwurf gesprochen worden, dass Wanzen in EU-Einrichtungen sind, und hat er dazu etwas entgegnen können? Oder wurde wirklich nur der Prozess besprochen, wie man jetzt vorgeht?

Die andere Frage an Herrn Beyer-Pollok: Können Sie sagen, wie genau die Reise von Herrn Friedrich in die USA aussieht? Trifft er sich mit dem NSA-Chef? Mit wem trifft er sich? Wie lange dauert es?

StS Seibert: Vernünftig ist, dass die politischen Spitzen, wenn sie miteinander sprechen, darüber sprechen, wie mit der Sache umzugehen ist, wie ernst Vorwürfe zu nehmen sind und wie man damit umgeht, Vorwürfe zu besprechen, zu klären, zu verifizieren oder aus der Welt zu schaffen. Vernünftig ist, dass über die tatsächliche Art dessen, was nachrichtendienstlich auf der einen oder anderen Seite getan worden ist, diejenigen sprechen, die die intensive Detailkenntnis davon haben.

Frage: Herr Seibert, der Bundesnachrichtendienst hält sich ja streng an Recht und Gesetz. Dazu gehört ja u. a. die Einschränkung, dass er bei deutschen Grundrechtsträgern bei der Kommunikationsüberwachung - sagen wir einmal - zurückhaltend sein muss oder eingeschränkt ist in dem, was er machen darf.

Wenn ich Sie richtig verstehe, dann muss diese Einschränkung auch für die Kooperationspartner des Bundesnachrichtendienstes gelten, da ja leitend ist, dass auf deutschem Boden andere nicht machen dürfen, was der BND auch nicht darf. Habe ich das richtig verstanden?

StS Seibert: Also ich wiederhole jetzt noch einmal und werde nicht darüber hinausgehen, dass für uns das Leitbild ist, dass bei jedem Eingriff in Bürgerrechte, in Datensicherheit, die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein muss. Das ist unser Leitbild. Das schlägt sich in den Gesetzen nieder, die die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes ausformen. Das ist unsere Haltung, die wir auch allen Partnern - den USA, den Briten und anderen gegenüber - in diesen Gesprächen vertreten.

Zusatzfrage: Sie erlauben mir vielleicht trotzdem einen Zusatz: Das bedeutet nicht, dass aus deutscher Sicht die Beschränkungen, die für den BND auf deutschem Boden gelten, auch für dessen Kooperationspartner gelten müssen?

StS Seibert: Ich möchte jetzt über das nicht hinausgehen, was ich gesagt habe, weil die Gespräche noch gar nicht stattgefunden haben. Diesen möchte ich jetzt nicht vorgreifen. Ich habe Ihnen unsere Philosophie, mit der wir an die Sache herangehen, und unsere Überzeugungen geschildert.

Frage: Herr Seibert, Sie haben die Gespräche über das Freihandelsabkommen angesprochen. Ich hätte gern gewusst, inwiefern die Vorwürfe in Sachen NSA diese Verhandlungen belasten. Ich hätte auch gern gewusst, mit welcher Position die deutsche Seite in die Gespräche geht. Reicht es aus, dass wir so eine Art "allgemeine Anerkennung des Datenschutzes in dem jeweiligen Land" zum Gegenstand machen und das dann Teil dieses Abkommens werden soll?

StS Seibert: Die Verhandlungen über dieses Freihandelsabkommen werden so viele Kapitel enthalten, so viele Themen umfassen und am Ende auch so viele Monate, vermutlich Jahre, dauern, dass es wirklich nicht sinnvoll ist, wenn ich jetzt hier als Regierungssprecher am ersten Tag der Gespräche ultimative Forderungen stelle.

Ich glaube, es ist aus Sicht der Europäischen Union und aus Sicht der Bundesregierung sehr zufriedenstellend, dass es heute bereits möglich ist, auf Expertenebene die für uns wichtigen Themen - Datenschutz, Schutz der Privatsphäre, Aufsicht über die Nachrichtendienste - mit den USA zu besprechen. Wie es sich dann im weiteren Verlauf der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen ergibt, das will ich jetzt hier nicht voraussagen.

Frage: Herr Seibert, wir haben ja in den letzten Tagen oder in den letzten Wochen - das muss man inzwischen sagen - von der Praxis Kenntnis genommen, dass Informationen, die wir von befreundeten Diensten bekommen, sozusagen nicht auf ihre Herkunft bewertet oder geprüft werden. Also wir nehmen die Informationen an, aber wir kümmern uns nicht darum oder fragen nicht danach, auf welche Weise sie erlangt worden sind. Gibt es Überlegungen, an dieser Praxis etwas zu ändern, oder ist das sozusagen ein ehernes Gesetz der Zusammenarbeit der befreundeten Geheimdienste?

StS Seibert: Sie unterstellen jetzt eine geheimdienstliche Praxis auf deutscher Seite, die ich hier überhaupt nicht bestätigen kann und die auch nicht in diese Runde gehörte, wenn sie denn so wäre, sondern in das Parlamentarische Kontrollgremium. Aber diese Unterstellung, wie gesagt, kann ich mir nicht zu eigen machen.

Zusatzfrage: Ich streiche die Unterstellung und ersetze die Frage durch: Ist es richtig? Würden wir uns auch in Zukunft nicht dafür interessieren wollen? - Ich versuche, die Umstellung zu umgehen, die Sie mir unterstellen.

Können wir also mit befreundeten Diensten zusammenarbeiten, ohne danach zu fragen, woher die Informationen stammen, die wir bekommen und nutzen, und wie sie erhoben worden sind?

StS Seibert: Sehen Sie, wir führen doch in dieser Woche diese Gespräche auf Delegationsebene und dann später auch auf Ministerebene in Washington, eben weil wir Fragen haben und die Berichte in den Medien bei uns Fragen aufgeworfen haben. Diese Fragen werden wir dort stellen, und diese Fragen hätten wir natürlich auch gern beantwortet. Das ist doch das Interesse, das überhaupt zu diesem Treffen geführt hat.

Frage: Herr Seibert, ich habe noch einmal eine Frage zum Komplex Aufklärung: Wir haben also gelernt, dass der Brief von Frau Leutheusser-Schnarrenberger unbeantwortet geblieben ist. Wir wissen, dass der Brief von Herrn Friedrich an die US-Kollegen unbeantwortet geblieben ist. Das Gespräch von Frau Merkel mit Herrn Obama war offensichtlich in Sachen Aufklärung wenig zielführend. Woher nehmen Sie eigentlich Ihre Hoffnungen, dass jetzt die Delegation, die dieser Tage nach Washington reist, und dann Minister Friedrich, der nach Washington reist, die Antworten bekommen werden, die uns befriedigen würden?

StS Seibert: Also erstens sind sowohl das Bundesinnenministerium als auch das Bundesjustizministerium mit Spitzenbeamten in der Delegation vertreten, die jetzt Anfang dieser Woche nach Washington reist. Das heißt, da beginnt der Gesprächsfaden.

Zweitens wird der Bundesinnenminister selber Gespräche in Washington führen.

Drittens weise ich die Unterstellung zurück, dass das Gespräch der Bundeskanzlerin mit Herrn Obama nicht zielführend gewesen sei. Es war ausgesprochen zielführend, weil es nämlich genau diesen Prozess möglich gemacht hat, den Prozess des Gesprächs. Die Vorgänge, um die es hier geht, sind so komplex, dass sie nicht "mal eben" in einem kurzen Gespräch geklärt werden können. Wir werden vielleicht auch mehrere Gespräche dafür brauchen. Wir werden auf jeden Fall Gespräche auf Sach- und Fachexpertenebene brauchen. Genau diese leiten wir jetzt ein.

Frage: Herr Beyer, noch einmal eine Nachfrage, da ich technisch ein völliger Laie bin: Können unsere Dienste denn ausschließen, dass die NSA oder wer auch immer an Netzknoten, die sich auf deutschem Territorium befinden, Daten abfischen und archivieren - wie auch immer?

Beyer-Pollok: Ich kann jetzt natürlich nicht für "die Dienste" oder für alle Stellen sprechen, die auf Bundes- und Landesebene mit technischen Fragen dieser Art beschäftigt sind. Insofern fragt jetzt der technische Laie den technischen Laien. Sehen Sie es mir nach.

Aber nach den Berichten, die ich kenne, ist bisher von den zuständigen Stellen erklärt worden, dass es keine Erkenntnisse gibt, die auf ein solches Auslesen oder Ausspähen von Kommunikationsverbindungen, von Kommunikationsdaten und Inhalten, hindeuten. - Aber das kann ich jetzt nur so global aus den bisher bekannten Meldungen berichten.

Zusatzfrage: Ich frage ja auch deshalb, weil es so ein großes Zentrum für Cyber-Sicherheit gibt, ob da irgendwelche Erkenntnisse vorhanden sind oder man sich damit nicht beschäftigt hat.

Beyer-Pollok: Das berührt jetzt - deswegen sage ich das nur so global - die Zuständigkeit verschiedener Ressorts, und dort sind auch unterschiedliche Aufgabenwahrnehmungen. Telekommunikationsdienstleistungen gibt es ja an anderen Stellen als die, die Sie jetzt vielleicht unter den Nachrichtendiensten verstehen. Die Äußerungen vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst kennen Sie ja auch zu diesem Punkt.

Frage: Herr Seibert, ich habe noch einmal eine Frage zu dem Umgang mit etwaigen Geheimabkommen. Wie legitimieren Sie, dass über etwaige Geheimabkommen, die potenziell den Umgang mit den Daten von 80 Millionen Deutschen betreffen, nur das Parlamentarische Kontrollgremium informiert wird, aber nicht die Öffentlichkeit?

StS Seibert: Sie sagen "nur das Parlamentarische Kontrollgremium". Das ist der Bundestag. Das ist die gewählte Vertretung unseres Volkes. Das halte ich nicht für ein "nur".

Zusatzfrage: Informationen, die dort gegeben werden, dürfen aber nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben werden. Also es ist zu 100 Prozent ein geheimes Gremium.

StS Seibert: - - weil es sich um geheimdienstliche Tätigkeiten handelt. Geheimdienstliche Tätigkeiten liegen einer besonderen Geheimhaltung. Sonst wären sie das eben nicht mehr.

Es ist im Interesse eines jeden demokratischen freiheitlichen Staates, einen funktionierenden Geheimdienst zu haben. Es ist gleichzeitig im Interesse, diesen funktionierenden Geheimdienst an Recht und Gesetz und an parlamentarische Kontrolle zu binden - so wie sich das, ich glaube, in der Geschichte der Bundesrepublik nun über Jahrzehnte bewährt hat.

Frage: Ich will noch einmal auf die Reiseaktivitäten hinaus. Die Frage ging vorhin ein bisschen unter, ob schon feststeht, wen Herr Friedrich dort tatsächlich treffen wird.

Vielleicht können Sie auch Ihre Zuversicht beschreiben - vielleicht auch Herr Seibert -, die Sie bei dem Gedanken erfüllt, dass eine Delegation aus hochrangigen Beamten - aus Unterabteilungsleitern - dorthin geht und Fragen beantwortet bekommt, wenn noch nicht einmal die Briefe von Ministern an ihre Kollegen beantwortet werden. Ich meine, vielleicht gab es ja Eingangsbestätigungen oder (Floskeln wie) "Ich freue mich über den Brief und antworte später" oder so.

Beyer-Pollok: Was die Briefe und Reisen angeht, so hat es Herr Seibert ja schon für die Bundesregierung eingeordnet - das gilt ja für uns gleichermaßen -, dass das aufeinander aufbaut und man das unter dem Aspekt subsumieren kann "Man ist im Gespräch; man steht im Kontakt". - Nur die Art und Weise der Kontakte, wie man das jetzt fortführt, entwickelt sich weiter. Daraus ergeben sich zum Beispiel Delegationsreisen von Fachbeamten, aber auch am Ende dieser Woche die Reise des Bundesinnenministers nach Washington.

Bevor ich es vergesse, möchte ich - anknüpfend an die Frage nach dem Antwort-Brief von der britischen Ministerin May - nachtragen: Auch der Bundesinnenminister hat ein Antwortschreiben seiner britischen Kollegin erhalten.

Zur USA-Reise des Ministers hatten wir letzte Woche skizziert, dass es die Reise gibt. Unser Minister hat am Wochenende betont, dass aus seiner Sicht in den nächsten Wochen zwei Dinge wichtig sind:

Erstens ist aufzuklären, was von dem wahr und nicht wahr ist, was jetzt in den Medien berichtet wird, was sich belegen und verifizieren lässt.

Zweitens geht es ihm auch darum deutlich zu machen, was wir von unseren amerikanischen Freunden im Zusammenspiel und in der Zusammenarbeit erwarten. Deswegen wird Minister Friedrich in die USA reisen und dort auf politischer Ebene Gespräche führen. Davon unabhängig gibt es die Delegationsreise, über die wir schon berichtet haben.

Zusatz: Das habe ich kapiert. Ich will nur wissen, ob Sie schon wissen, wen er trifft.

Beyer-Pollok: Sehen Sie es mir nach, dass ich das an dieser Stelle zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht näher ausführen möchte.

Ich habe ja gesagt: Wir teilen Ihnen das mit, sobald das konkretisierbar und mitteilungsfähig ist. Solche Reisen werden geplant und abgestimmt. Dann gibt es irgendwann - wie das üblich ist - den Punkt, an dem man das konkreter mitteilen kann. Deswegen kann ich den Verlauf der Reise bisher nur so beschreiben: Unser Minister wird Gespräche auf politischer Ebene führen.

Zusatzfrage: Da wir ja noch auf eine Antwort der Amerikaner warten, können Sie vielleicht noch einmal sagen, mit wem er denn gern sprechen würde?

Beyer-Pollok: Es ist nicht üblich, dass wir Gesprächswünsche hier über diesen Saal kommunizieren, sondern dafür gibt es unter befreundeten Staaten und Partnern eingespielte Wege, die auch in diesem Falle greifen.

Frage: Herr Beyer, im Anschluss an die Frage des Kollegen habe ich da auch noch ein laienhaftes Frageinteresse: Wenn ich mir vorstelle, dass wir beim Bundesamt für Verfassungsschutz sozusagen über die zentralisierte Spionage-Abwehr verfügen, und dann kommen Berichte heraus, dass Daten von Deutschen ausspioniert werden, liege ich dann völlig falsch, wenn ich die Erwartung habe, dass die Spionage-Abwehr da nachlegt und schaut, wie man diese Daten besser schützen kann, vielleicht auch zusammen mit den Experten vom BSI?

Beyer-Pollok: Da muss man natürlich unterscheiden, ob wir jetzt über Datenschutz oder die Sicherung von elektronischen Daten sprechen. Bezüglich des E-Mail-Verkehrs, den die Bürger untereinander und auch Unternehmen pflegen, gibt es in der Tat das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik, das BSI, das ja auch im Internet ein umfangreiches Beratungsangebot für Bürgerinnen und Bürger vorhält, um auf ein sicheres Kommunizieren im Internet hinzuweisen. Es gibt aber auch spezielle Bereiche für die Unternehmen, um branchenspezifisch auf Sicherheitsaspekte hinzuweisen. Das läuft ja auch.

Ihre andere Frage - das vermischt sich jetzt ein bisschen, deswegen muss man das vielleicht voneinander trennen - bezog sich auf die Spionage-Abwehr. Da haben ja, glaube ich, die Bundesregierung insgesamt und auch unser Minister deutlich gemacht, dass wir hier in dem konkreten Fall keine Aufklärung gegenüber Partnern - gegenüber amerikanischen und britischen Stellen - pflegen und umgekehrt dasselbe erwarten.

Frage: Herr Seibert, um wieder mit einer Unterstellung zu beginnen, weil das so viel Spaß macht:

Unterstellen wir einmal, es ginge bei der Überwachung der Daten - also es geht mir nicht um das Abhören von EU-Einrichtungen oder dergleichen, der Speicherung von Verbindungsdaten bei der Überwachung von E-Mail-Verkehr usw. - um die Sicherheit, also insbesondere um die Vorbeugung gegen den internationalen Terrorismus.

Wenn wir jetzt von unseren amerikanischen Freunden oder anderen befreundeten Diensten erwarten, dass sie die gleichen Verhältnismäßigkeiten respektieren, die wir zur Leitlinie unserer geheimdienstlichen Tätigkeit gemacht haben, sind wir denn bereit, gegebenenfalls sozusagen auf ein Sicherheits- oder Erkenntnisniveau zu verzichten, weil wir eben nicht so umfassend über den Datenverkehr der "bösen Jungs" Bescheid wissen, wie das möglicherweise der Fall ist, wenn die Maßstäbe der Verhältnismäßigkeiten andere sind als unsere?

StS Seibert: Also ich würde das jetzt einmal keine Unterstellung nennen, was Sie gemacht haben, eher eine Hypothese - und auch auf die möchte ich mich eigentlich nicht gern einlassen.

Wir sind froh, dass wir mit den Partnerdiensten eine gute Zusammenarbeit haben, die nachweislich in einzelnen Fällen von diesem Land, von den Menschen in diesem Land, schweren Schaden hat abwenden helfen. Das ist etwas, was wir bei alledem, was wir jetzt diskutieren, im Hinterkopf haben müssen.

Gleichzeitig haben wir unsere Überzeugung, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden muss und es eine Balance von Freiheit und Sicherheit gibt. Diese Überzeugung werden wir nicht aufgeben. Sie ist zentral für unsere Überlegungen, und wir vertreten sie auch in allen Gesprächen.

Frage: Eine Frage an "wen auch immer": Es wurde vorhin gesagt, dass die Verträge, die gestern in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" beschrieben wurden, praktischerweise ruhen. Aber ruht auch die "verbal note" von 1968, die angesprochen wurde, die in Deutschland angeblich bis 2004 unter dem Namen "Echelon" zur Anwendung gekommen ist? Also die Verträge ruhen, aber ruht diese "verbal note" auch?

Zweitens. Auch wenn Verträge ruhen, erlaubt das Prinzip der gewachsenen Beziehungen einen direkten NSA-Zugriff auf Daten in Deutschland? Oder bedeutet das Prinzip der gewachsenen Beziehungen, dass der BND verpflichtet ist, die Informationen zu geben, wenn eine Anfrage aus Amerika kommt?

StS Seibert: Es gab ja genau zu dem Punkt, den Sie erfragen, im Dezember 2012 eine schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ströbele - sie wurde heute schon erwähnt -, die vom Parlamentarischen Staatssekretär Bergner beantwortet worden ist. Die Antwort lautet:

"Die in der Frage genannten Verwaltungsvereinbarungen aus den Jahren 1968/69 sind zwar noch in Kraft, haben jedoch faktisch keine Bedeutung mehr. So sind seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 in der Praxis des BfV und des BND keine entsprechenden Ersuchen der drei Westalliierten mehr gestellt worden."

Ich denke, das ist die Antwort, die ich Ihnen hier auch geben kann.

Zusatzfrage: Es gab 1968 aber nicht nur eine Verwaltungsvereinbarung, sondern auch eine "verbal note", was auch immer das heißt. Das ist angeblich die Grundlage für die Spionage von "Echelon" in 2004 gewesen. Ist diese "verbal note" genauso zur Akte gelegt, oder kann das wie in 2004 auch heute von den Amerikanern in Washington auf den Tisch geschmissen werden (mit den Worten) "Das ist unsere Grundlage"?

Beyer-Pollok: Es ist genau, wie wir das eben schon bezogen auf die Parlamentsdrucksache erläutert haben und was ich eben schon auf die Frage der Kollegin sagte.

Mit dem Begriff "verbal note" kann ich jetzt nichts anfangen. Das kommt so ein bisschen aus der Diplomatensprache. Aber hier meinen Sie möglicherweise etwas anderes, was mit dem Verwaltungsabkommen zu tun hat. Dazu habe ich ja eben schon etwas ausgeführt.

Aufgrund dieser Verwaltungsvereinbarung, die jetzt faktisch keine Rolle mehr spielt, haben damals die drei Westalliierten die Befugnis zur Beantragung einer Fernmeldeauskunft zugrunde gelegt. Man muss allerdings wissen, dass damals auch das einschlägig bekannte G 10-Gesetz der Bundesrepublik Deutschland seine Gültigkeit hatte. Das war also keine Zusatzvereinbarung, die das hätte umgehen können. Es gilt - damals wie heute -, dass über Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis die G 10-Kommission des Deutschen Bundestages wacht und dass Anträge der Nachrichtendienste über diese Kommission des Deutschen Bundestages zu laufen haben.

Zusatzfrage: Sie sagen, seit 1990 sei diese Verwaltungsvereinbarung nicht zur Anwendung gekommen. Wenn aber 2004 diese "verbal note" Grundlage für "Echelon" war, nehme ich an, dass da noch irgendetwas aktiv ist.

Meine zweite Frage zielte auf die gewachsenen Beziehungen. Auch wenn Verträge nicht aus der Schublade geholt werden, gibt es Praktiken, die über Jahre gewachsen sind, die außerhalb von Verträgen zur Anwendung kommen können. Ist der BND verpflichtet, aufgrund von gewachsenen Beziehungen für die NSA etwas zu unternehmen, oder darf die NSA aufgrund des Prinzips der gewachsenen Beziehungen selber Leitungen abhören?

StS Seibert: Der BND ist Recht und Gesetz - dem Gesetz über den Bundesnachrichtendienst sowie dem G 10-Gesetz - verpflichtet. Er ist auch verpflichtet, dem Parlamentarischen Kontrollgremium über seine Tätigkeit Auskunft zu geben. Die Bundesrepublik hat durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag ihre volle Souveränität wiedererlangt. Das markiert das Ende der Nachkriegszeit. Es gibt keine Einschränkungen dieser Souveränität.

Vors. Detjen: Vielleicht kann Herr Schäfer vom Auswärtigen Amt noch etwas beitragen zur Qualifizierung der Diplomatensprache "verbal note".

Schäfer: Das kann ich gern erklären, aber ausdrücklich nicht im konkreten Zusammenhang mit der Verbalnote, die hier angeführt wurde, die mir nämlich nicht bekannt ist.

Eine Verbalnote oder ein Verbalnotentausch ist die offizielle, förmliche Kommunikation zwischen Staaten. Das sind Schreiben beziehungsweise Briefe, die zwischen Staaten in einer bestimmten Form ausgetauscht werden und einen bestimmten politischen, manchmal auch juristischen Inhalt haben.

Zuruf: - - die sozusagen völkerrechtlich gültig sind.

Schäfer: So einfach ist das dann nicht, sondern das kommt dann sehr darauf an. Es gibt Verträge, die nach den Regeln des Grundgesetzes ratifiziert werden oder die nicht ratifiziert werden müssen. Dann gibt es Verträge und Vereinbarungen, die die Form eines Vertrages haben müssen, und Absprachen. In der Regel sind es technische Absprachen, die im Wege einer Verbalnote getroffen werden können.

Aber ich glaube, es bringt uns jetzt wenig, abstrakt und theoretisch darüber zu debattieren und hier sozusagen einen Grundkurs "Grundlagen in Staatenkommunikation" zu betreiben.

Zusatz: Ich frage nur nach der Grundlage der Berichterstattung der gestrigen Sonntagszeitung.

Frage: Zum Randaspekt des Ganzen - deswegen die Frage an das Justizministerium: Wie weit ist denn die Reichweite von G 10, was die Briefkommunikation angeht? Unterliegen die - ich sage einmal - Metadaten, also die von außen erkennbaren Informationen einer Briefpostsendung - Absender, Empfänger usw. - dem gleichen Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses wie der Inhalt?

Albin: Ich glaube, diese Frage muss ich an meinen Kollegen richten. Denn nach § 1 G 10-Gesetz geht es um die Ermächtigung der Sicherheitsbehörden, und das BMJ hat keine Sicherheitsbehörden.

Zusatzfrage: Es geht ja um die Frage nach der Reichweite des Post- und Fernmeldegeheimnisses. Aber mir ist es egal, ob BMI oder BMJ das beantworten möchten.

Beyer-Pollok: Es gibt das eben schon zitierte G 10-Gesetz, also das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses.

Die Kontrolle des Briefverkehrs - ich kann das allgemein nur so erklären, wie es dem Wesen des Gesetzes nach vorgesehen ist - kann in Deutschland nur im Rahmen einer im Einzelfall angeordneten sogenannten G 10-Maßnahme stattfinden, also einer Maßnahme, die sich nach den engen Vorschriften des G 10-Gesetzes - abgeleitet von Artikel 10 Grundgesetz - richtet. Das heißt, eine solche Kontrolle muss nach entsprechender Anordnung durch die Bundesregierung von der G 10-Kommission zuvor genehmigt werden. Eine flächendeckende Kontrolle des Briefverkehrs wäre demnach in Deutschland nicht zulässig und findet sich auch aus dem G 10-Gesetz nicht legitimiert.

Zusatzfrage: Wären Sie denn so nett, den Begriff "Kontrolle" einmal zu definieren?

Beyer-Pollok: "Kontrolle" heißt im Einzelfall, dass auf Antrag eines Nachrichtendienstes ein genau definierter Bereich - sozusagen ein Fall oder eine entsprechende Maßnahme - bestimmt wird und dann als Antrag formuliert in das Bundestagsgremium geht.

Zusatzfrage: Das ist keine Definition.

Meine Frage war ja konkret: Bezieht sich der Schutz des Postgeheimnisses auf den Inhalt brieflicher Kommunikation oder auch auf das, was man als Metadaten bezeichnen kann, also die von außen erkennbaren Informationen "Absender und Empfänger"?

Beyer-Pollok: Das betrifft, wenn ein Brief durch eine staatlich angeordnete Maßnahme kontrolliert werden soll, beides, also sowohl die Briefkontrolle im Sinne von "von A nach B", also den Weg des Briefes, als auch die inhaltliche Kontrolle einer Briefsendung.

Zusatzfrage: Das heißt, wenn automatisiert Absender und Empfänger von Briefsendungen erfasst werden, dann dürfen die dabei anfallenden Daten nur im Einzelfall auf Grundlage einer Ermächtigung nach dem G 10-Gesetz durch das dafür vorgesehene Gremium des Deutschen Bundestages zur Kontrolle von Maßnahmen genutzt werden? Das ist korrekt?

Beyer-Pollok: Ja, das ist korrekt. Also umgekehrt formuliert: Wenn es eine staatlich angeordnete Maßnahme ist, die im Einzelfall begründet werden muss, dann spricht man von einer nach G 10-Gesetz angeordneten Briefkontrolle.

Zusatzfrage: Heißt das im Umkehrschluss, dass die Speicherung dieser Daten durch ein Unternehmen rechtswidrig ist?

Beyer-Pollok: Das wäre dann eine Frage, die nach den Datenschutzgesetzen für das Unternehmen zu beantworten ist. Da kann ich jetzt nicht für die Post-Unternehmen sprechen. Ich kann jetzt nur aus dem Blickwinkel einer staatlich angeordneten Kontrolle etwas sagen. Grundlage ist das G 10-Gesetz.

Vors. Detjen: Ich würde an der Stelle darum bitten, weil Herr Schäfer darauf aufmerksam gemacht hat, dass er diese Pressekonferenz gleich wegen eines dringenden Termins verlassen muss, konkrete Fragen an das Auswärtige Amt jetzt zu stellen.

Frage: Herr Schäfer, können Sie uns etwas sagen zum aktuellen Prozess der Suche nach einem neuen Nato-Generalsekretär?

Schäfer: Kein Wort. Keine Ahnung.

Vors. Detjen: Weitere Fragen an das Auswärtige Amt gibt es nicht. Herr Schäfer ist damit verabschiedet.

Dann können wir noch einmal zum Themenkomplex NSA zurückkommen.

Frage: Herr Seibert, wenn Sie gestatten, noch eine Frage zum Komplex Aufklärung: Wenn diese beiden Reisen dann stattgefunden haben, die offenbar aufeinander aufbauen, wie will man dann mit den Erkenntnissen umgehen, die daraus gewonnen wurden? Wird Herr Friedrich Anfang nächster Woche in die Bundespressekonferenz gehen und uns erzählen, was er alles erfahren wird? Wird er nur mit der Kanzlerin darüber sprechen, oder wird er möglicherweise auch nur den Kollegen im PKG darüber Auskunft geben? Also wie will man sozusagen die Erkenntnisse öffentlich oder auch nicht öffentlich machen?

StS Seibert: Das werden wir sehen, wenn diese Gespräche stattgefunden haben. Es sind in Wirklichkeit ja sogar drei. Denn auch auf der Ebene der Experten auf europäischer Ebene, die mit den amerikanischen Experten zusammentreffen, erhoffen wir uns ja Aufschluss.

Wir werden das sehen, wenn die Gespräche vorbei sind. Es wird sich auch zeigen, ob es bei diesen Gesprächen bleibt oder es weitere Runden gibt. Ich kann das nicht vorwegnehmen.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium: Der "Spiegel" meldet am Wochenende, dass die NSA ein neues Abwehrzentrum in Wiesbaden bauen möchte. Hat die Bundesregierung eigene Erkenntnisse in Richtung eines solchen Zentrums?

Beyer-Pollok: Da liegen mir keine Erkenntnisse vor.

Frage: Die Antwort von Herrn Beyer-Pollok bedeutet, dass die Bundesregierung keine Erkenntnisse darüber hat, ob die Amerikaner in Wiesbaden ein solches Zentrum bauen?

Vors. Detjen: Die Antwort kam vom Bundesinnenministerium. Für die Bundeskanzlerin müsste das Herr Seibert beantworten.

StS Seibert: Ich kann Ihnen an dieser Stelle nichts dazu sagen, weil ich, ehrlich gesagt, in diesem Sachverhalt nicht genug bewandert bin. Aber wir können versuchen, eine Antwort für Sie zu finden.

Frage: Ich würde gerne vom Verteidigungsministerium wissen, ob es ein Naturgesetz ist, dass sich große Rüstungsprojekte immer weiter verzögern, ihre Kosten immer weiter aus dem Ruder laufen und ob wir uns damit ganz einfach begnügen müssen oder ob das Verteidigungsministerium für die Zukunft versucht, solche Entwicklungen einzugrenzen, ihnen entgegenzutreten.

Paris: Was sind Naturgesetze? Darüber kann man trefflich philosophieren und bestimmt auch formulieren.

Ich will die Frage einmal so beantworten, dass wir uns dieses Themas seit geraumer Zeit angenommen haben. Die Erfahrung lehrt, dass für Rüstungsprojekte, die von der Natur der Sache her sehr spezielle Projekte sind - es gibt letztendlich dafür nur einen Abnehmer, und das ist entweder das deutsche Militär oder auch verbündete Staaten -, der Bereich von Angebot und Nachfrage im Unterschied zu anderen Gütern sehr beschränkt ist.

Wir haben insbesondere schon verschiedentlich darauf hingewiesen, dass möglicherweise in der Vergangenheit industrieseitig nicht so gearbeitet worden ist, wie sich der Abnehmer das vielleicht hätte wünschen können. Wir haben aber auch eingeräumt, dass auch der Nachfragende, sprich die Bundeswehr, vielleicht Anforderungen an die Industrie gestellt hat, die vielleicht dem - ich sage es einmal so - Produktionsprozess nicht in allen Fällen immer dienlich gewesen sind.

Deshalb gilt, dass Beschaffungsvorhaben - insbesondere, wenn sie noch eine Entwicklung vorangeschaltet haben - sehr intensiv begleitet werden müssen. Sie wissen, dass wir dabei sind - wir haben dabei auch schon wesentliche Schritte gemacht -, das sogenannte Beschaffungsverfahren neu zu ordnen und insbesondere im Bereich des Ministeriums wie auch im Bereich der Bundeswehr die Zügel etwas straffer gehalten werden, als das vielleicht in der Vergangenheit der Fall gewesen ist, und dass man insbesondere mit der Industrie sehr intensive vertragliche Verhandlungen auch über die Fragen führt: Wann fließen Gelder? Wann haben sie zu fließen? Wann haben sie nicht zu fließen? Viele Projekte müssen mit erheblichen Kosten vorfinanziert werden.

Das liegt alles ein Stück weit in der Natur der Sache. Das ist ein kompliziertes Geschäft. Nichtsdestotrotz sollte man letztendlich nie die Anstrengungen sein lassen, diese komplizierten, sehr aufwendigen und auch sehr teuren Prozesse hautnah zu begleiten, um sie so günstig wie nur möglich zu gestalten. Aber das ist nun einmal schwer. Das sind keine Stangenprodukte. Je komplizierter und technisch komplizierter diese Geräte sind, umso intensiver muss man natürlich dabei bleiben.

Zusatzfrage: Eine Nachfrage dazu: Was bedeutet das, was Sie gesagt haben, konkret für das Projekt Eurofighter? Heißt das, dass Sie jetzt, nachdem der Prozess so läuft, wie er läuft, überlegen, zusätzliche Mittel zu beantragen? Wie sind Ihre Schätzungen der Dimensionierung, die man da braucht? Oder gibt es andere Instrumente, wie zum Beispiel Neuverhandlungen über die Abnahmegrößen oder Ähnliches?

Paris: Ihre erste Frage bezog sich auf die Allgemeinheit der Rüstungsbeschaffung.

Ihre zweite Frage formulieren Sie jetzt konkret bezogen auf ein Rüstungsprojekt, das am vergangenen Wochenende und auch heute, wie ich finde, sehr verkürzt insbesondere in Bezug auf Zeitdauer und Konfiguration im "Spiegel" wiedergegeben worden ist.

Vielleicht einmal zur Erinnerung: Der Eurofighter ist ein Projekt von vier Partnernationen. Das sind Italien, Spanien, Großbritannien und Deutschland. Das Ganze geht in das Jahr 1997 zurück. Das ist eine doch recht große Zeitspanne bis heute. Es ist damals vereinbart worden, dass 620 Eurofighter insgesamt abgenommen werden sollen. Das ist im Jahr 1997 auch im Deutschen Bundestag bewilligt worden. Seitdem läuft die Abwicklung dieses Vertrags.

Für die deutsche Sicht - ich formuliere ganz bewusst, dass das der deutsche Anteil ist; man darf aber nie vergessen, dass immer auch die drei Partnernationen mit betrachtet werden müssen - verhält es sich so, dass wir, wie dort geschrieben worden ist, derzeit keine vertragliche Verpflichtung in Bezug auf 180 Luftfahrzeuge des Typs Eurofighter, sondern lediglich in Bezug auf 143 Luftfahrzeuge des Typs Eurofighter haben. Davon entfallen verschiedene Mengen von Eurofightern auf verschiedene Tranchen. Die erste Tranche beinhaltete 44 Flugzeuge. Dann gab es eine zweite Tranche, die 68 Flugzeuge beinhaltete. Nunmehr sind wir im Bereich der sogenannten Tranche 3a, die 31 Eurofighter beinhaltet.

Die Differenz zwischen den 143 von mir gerade genannten und den 180, die eben noch nicht vertraglich abgebunden sind, beträgt weitere 37. Darüber besteht derzeit kein eigener industrievertraglicher Anspruch. Darüber ist auch im Moment noch gar nicht entschieden worden. Da kommen jetzt wieder die Partner mit ins Spiel. Wenn man diese sogenannte Tranche 3b abrufen möchte, dann muss man sich darüber verständigen möchte, ob man es machen möchte oder ob man es nicht machen möchte.

Darüber sprechen wir derzeit natürlich mit den Partnern. Darüber sprechen die Partner, also auch wir, mit dem Hersteller. Aber eine Entscheidung ist da noch nicht getroffen. Man wird weiter sehen, wie das sein wird. Das wird sich im Zuge dieses Jahres noch gestalten. Ich denke, dass wir wahrscheinlich zu Beginn des kommenden Jahres dazu Entscheidungen treffen werden können. Derzeit ist es nicht spruchreif.

Alles andere, was ich Ihnen gerade vorgetragen habe, verhält sich so, dass wir seit 1997 diese Verträge abrufen - auch in den gerade von mir in den Tranchen beschriebenen Mengen. Man muss natürlich wissen, dass diese Kosten, die damit verbunden sind, immer auf bestimmten Kalkulationszeitpunkten beruhen. Das sind sogenannte Preisstände, die da anfallen. Diese werden jährlich im Haushalt entsprechend angeglichen.

Es kommt hier - das ist mein letzter Satz - zunächst einmal dazu, dass es eine erheblich lange Produktionszeit gibt. Ich habe gesagt, dass die Produktion 1998 begonnen worden ist. Im Zuge dieser Produktion mussten sogenannte Obsoleszenzen - ich erkläre gleich, was das ist - beseitigt werden. Auch technische Änderungen mussten herbeigeführt werden, weil sich dieses Produkt natürlich auch über Jahre entwickelt. Es verbessert sich auch. Diese Beseitigung von Obsoleszenzen bedeutet eigentlich nichts anderes, als dass man Komponenten beispielsweise eines Waffensystems nicht mehr versorgbar hat und dies dann durch neue Komponenten ersetzt werden muss, die dann auch integriert werden müssen. Das führt dann auch zu Kosten. Das gilt insbesondere für die sogenannte Hardware wie für die sogenannte Software. Das ist der Stand der Dinge. Bisher ist es im Kostenrahmen geblieben. Vonseiten des Parlaments ist zugestimmt worden.

Ich möchte noch einen Punkt sagen: Es wurde der Eindruck erweckt, wir hätten das Parlament nie unterrichtet. Das ist falsch. Es gibt eine regelmäßige Unterrichtung des Haushaltsausschusses, die, wie ich glaube, seit den letzten drei, vier Jahren jährlich stattfindet; davor waren es halbjährliche Berichte. Diese Berichtspflicht auf ein Jahr ist vom Haushaltausschuss so beschlossen worden, sodass bitte niemand hergehen und sagen sollte, hier sei wieder etwas irgendwie am Haushaltausschuss vorbei gemacht worden. Das ist schlicht und ergreifend einfach falsch. Ich würde vielleicht auch einmal anregen, dass die Verteidigungspolitiker sich dann einfach einmal bei den Kollegen des Haushaltsausschusses erkundigen. Der Weg ist ja nicht so weit.

So viel erst einmal dazu.

StS Seibert: Wenn ich noch etwas hinzufügen darf: Zusätzlich zu dem, was Herr Paris zu der aktuellen Lage ausgeführt hat, möchte ich für die Bundesregierung festhalten: Diese vor vielen Jahren getroffene Entscheidung, den Eurofighter zu bauen, war richtig. Das war die Entscheidung, die eigene Systemfähigkeit der europäischen Luftfahrtindustrie auf diesem Gebiet zu erhalten und nicht ausschließlich auf internationale Ankäufe zu setzen. Für ein Land wie unseres, für Europa ist es wichtig, das Know-how für solche Systeme hier bei uns zu pflegen, zu entwickeln. Das trägt eben auch dazu bei, dass wir Hochtechnologiearbeitsplätze hier in Deutschland und in Europa sichern können. Deswegen unterstützt die Bundesregierung, wie übrigens alle Vorgängerregierungen, dieses Projekt - unabhängig von dem, was Herr Paris gerade sehr richtig ausgeführt hat.

Frage: Herr Paris, können Sie in Bezug auf die Zahlen, die Sie genannt haben, sagen, was der Auslieferungsstand ist? Wie viel von diesen bestellten Maschinen hat die Industrie sozusagen auf den Hof gestellt?

Herr Seibert, Ihre Aussage verleitet mich jetzt zu der Frage: Ist diese Ansicht der Bundesregierung auch handlungsleitend, wenn wir demnächst über unbemannte fliegende Systeme reden?

Paris: Um Ihre Frage zu beantworten: Mit Stand 30. Juni 2013 wurden 101 Luftfahrzeuge des Typs Eurofighter an uns ausgeliefert, davon werden 99 Luftfahrzeuge des Typs Eurofighter durch die Luftwaffe betrieben, zwei Luftfahrzeuge des Typs Eurofighter dienen als Erprobungsträger bei der Wehrtechnischen Dienststelle 61.

Zusatzfrage: Haben Sie zufällig die Zahl, wie viel bis zum Jahresende im Zulauf in der Planung sind?

Paris: Das bezieht sich auf die Frage, die auch der "Spiegel" gestellt hat, die ich hier vorlese: "Wie viele werden es nach Ihren Schätzungen bis Ende 2013 sein? Bis Ende 2013 sollen insgesamt 108 Luftfahrzeuge ausgeliefert werden."

Wenn Sie Interesse haben, stelle ich Ihnen auch gerne den gesamten Fragenkomplex - es sind 18 Fragen des "Spiegel" gewesen - mit den entsprechenden Antworten, die dem "Spiegel" fristgemäß zugegangen sind, zur Verfügung. Dann werden Sie sehen, was der Unterschied zwischen der Beantwortung der Fragen und der Berichterstattung ist.

Zuruf: Können das alle haben?

Paris: Da müssten Sie bitte nachfragen. Ich glaube, es ist nicht tunlich, das über die Bundespressekonferenz zu verteilen. Fragen Sie bei uns nach. Wir schicken dann die E-Mails raus.

Zusatz: Ich hatte noch eine Frage an Herrn Seibert.

StS Seibert: Ich habe hier über den Eurofighter und die grundsätzliche Richtigkeit der Entscheidung damals gesprochen, einen Eurofighter gemeinsam mit unseren Partnern zu bauen. Wir haben hier schon lange Gespräche über Drohnen geführt. Ich möchte deswegen jetzt keine weitere wehrtechnische Diskussion losgetreten haben. Es geht um den Eurofighter.

Frage: Ich wollte noch einmal nachfragen, Herr Paris, nachdem Sie gesagt haben: bisher im Kostenrahmen. Wenn wir das, was vertraglich vereinbart ist - Sie sprachen von 143 Maschinen -, nehmen, ist absehbar, dass in naher Zukunft dieser ursprünglich gesetzte Kostenrahmen überschritten wird? Das heißt, muss er für die Endzahl von 143 Milliarden Euro aufgestockt werden?

Paris: Es ist immer durch entsprechende Vorlagen im Haushaltsausschuss zu dieser Beschaffung der letzten Tranche 3a der Nachweis erbracht worden, dass die Industrie die im Jahre 1997 vorgegebene Kostenobergrenze zur Beschaffung des Grundsystems eingehalten hat. Das ist der eine Punkt. Darüber hinaus kann ich nicht so weit in die Zukunft blicken. Das hängt auch mit entsprechenden Preissteigerungen zusammen. Die hängen wiederum damit zusammen, wie entsprechend die Fertigung der Maschinen laufen wird, insbesondere möglicherweise auch, ob von den Partnernationen im Zusammenhang mit der herstellenden Firma EADS noch weitere Absprachen getroffen werden.

Fest steht aber, dass im Haushalt 2013 für den Eurofighter Gesamtkosten von 16,826 Milliarden Euro inklusive 19 Prozent Umsatzsteuer mit der Grundlage Preisstand 20/2012 veranschlagt sind. Dann müssen wir schauen, wie sich das verhalten wird.

Frage: Herr Paris, braucht denn die Bundeswehr alle 140 Exemplare? Es gibt ja Abgeordnete, die sagen, dass man die eigentlich nicht brauche, der jetzige Stand reiche, dabei könne man es belassen und die Differenz verkaufen. Meine Frage an Sie: Wie schätzt das das Verteidigungsministerium ein? Was braucht die Bundeswehr? Wie viele Maschinen braucht sie? Gibt es aktuell Pläne, eventuell überschüssige Maschinen aus dieser Bestellung zu verkaufen? Wenn ja, an wen?

Paris: Sie wissen ja, dass wir bei vielen Großgeräten - dazu kann man sicherlich den Eurofighter zählen - im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr entsprechende Entscheidungen getroffen haben. Dementsprechend ist im Zuge der Neuausrichtung entschieden worden, dass wir - nageln Sie mich nicht fest - rund 140 benutzen möchten. Das ist für die Fähigkeiten, die die Luftwaffe benötigt, auch im Verbund mit den Nato-Partnern, die diese Maschinen haben und betreiben möchten, (entschieden worden). Man darf ja nicht vergessen, dass der Eurofighter durchaus in der Lage ist, bisherige Systeme zu ersetzen.

Darüber hinaus muss man schauen, ob man die Flugzeuge darüber hinaus wird veräußern können. Das ist aber auch eine Frage dieser sogenannte Tranche 3b, Herr Petersen. Da hatte ich ja deutlich gemacht, dass wir noch mit den Partnern und auch dem Hersteller im Kontakt und im Gespräch sind, wie sich das in der Zukunft verhalten wird.

Frage: Herr Paris, in dem Zusammenhang steht ja auch der Vorwurf im Raum, der Minister halte Probleme zurück, um die Debatte erst nach der Bundestagswahl führen zu müssen. Wie stehen Sie dazu?

Paris: Das ist schlichtweg Unsinn. Nur um das noch einmal zu unterstreichen: Die letzte Unterrichtung des Haushaltsausschusses zu diesem Thema war im Juni dieses Jahres, also letzten Monat. Der Haushaltsausschuss hat das, was ihm vorlegt worden ist, billigend zur Kenntnis genommen. Punkt. Jetzt möge keiner behaupten, wir hielten irgendwelche Dinge zurück.

Frage: Entschuldigen Sie, Herr Paris. Da muss ich aber doch einmal nachfragen. Die Unterrichtung von Juni trug den Sachstand Ende 2012, also ein halbes Jahr vorher. Hatte das einen bestimmten Grund?

Paris: Weil das der jährliche Bericht ist. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat am 2. Dezember 2004 der Fortsetzung des Beschaffung des Waffensystems Eurofighter mit der Maßgabe zugestimmt, dass das Bundesministerium der Verteidigung halbjährlich über den Fortschritt des Vorhabens Eurofighter insbesondere zu dessen operationeller Einsatzfähigkeit berichtet. In seiner Sitzung am 16. Dezember 2009 hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags eine Umstellung auf eine jährliche Berichterstattung, beginnend mit dem Jahresbericht 2009, beschlossen. Das ist der Jahresbericht, den wir an das Parlament schicken. Der Jahresbericht ist nicht am 2. Januar fertiggestellt. Das schaffen wir einfach nicht, weil natürlich eine Vielzahl von Daten abgefragt werden muss. Dann wird das in den parlamentarischen Raum hineingegeben, und dann wird es beraten. In diesem Fall ist es ohne Aussprache, aber mit zustimmender Kenntnisnahme beraten worden.

Frage: Herr Paris, wenn Sie sagen, es sei schlichtweg Unsinn, dass der Minister irgendwelche Informationen zurückgehalten habe, heißt das mit anderen Worten, dass für alle Mitglieder des Haushaltsausschusses, gegebenenfalls auch des Verteidigungsausschusses, das bekannt war, was jetzt im "Spiegel" steht, also dass das Ganze zumindest für Insider nichts Neues enthält?

Paris: Ich denke, dass das schon eine recht lange Beschaffungsgeschichte hat. Für diejenigen, die sich, glaube ich, laufend mit diesem Projekt beschäftigt haben und sich insbesondere auch mit den Haushaltsveranschlagungen für das Jahr 2013, natürlich mit der Mittelfristigen Finanzplanung und darüber hinaus beschäftigt haben, dürfte der "Spiegel" eigentlich keine Neuigkeiten enthalten haben. Aber da müssten Sie vielleicht diejenigen befragen, die es angeht, und nicht mich.

Frage: Ich wollte noch kurz das Finanzministerium fragen, wie es beurteilt, dass die portugiesische Regierung, die ja in Turbulenzen war, nun davon spricht, dass sie neue Schwerpunkte im Kampf gegen die Schuldenkrise setzt. Es ist die Rede von verstärkter Wachstumsförderung. Der Außenminister wird jetzt die Verhandlungen mit der Troika führen. Ganz konkret gefragt: Macht die Bundesregierung sich Sorgen, dass Portugal aus der Spur kommen könnte?

Zweitens. Hat es vonseiten der Bundesregierung in den letzten zehn Tagen direkte Kontakte mit der portugiesischen Regierung gegeben, in der sie ihre Position zu dem Prozess der Krisenbekämpfung in Portugal noch einmal deutlich gemacht hat? Gab es möglicherweise ein Gespräch zwischen dem Finanzminister und der jetzigen Nachfolgerin des bisherigen Finanzministers?

Narzynski: Zu Gesprächen kann ich aus meiner Kenntnis definitiv nichts sagen. Nach meinem Wissen hat es in den letzten Tagen keine Gespräche zwischen Minister Schäuble und der neuen Regierung gegeben. Wenn es so gewesen ist, würde ich das gegebenenfalls nachreichen.

Wir sind weiter davon überzeugt, dass Portugal auch aus seinem eigenen Interesse heraus sich weiter auf dem Pfad befindet, dass es an den Zielen des wirtschaftlichen Anpassungsprogramms festhält und dass es das auch einhält. Dafür gibt es Überprüfungswege und -methoden, die nicht neu sind, die bekannt sind. Die Erfolge in der Vergangenheit, insbesondere die Verbesserungen der portugiesischen Leistungsbilanz, zeigen ja auch, dass der Weg, den Portugal gegangen ist, ein guter und erfolgreicher Weg war. Insofern gehen wir davon aus, dass auch die neue Regierung an den Zielen dieses Weges unverändert festhalten wird.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 8. Juli 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/07/2013-07-08-regpk.html;jsessionid=3BB42B6C1D6F46E55102BC90B454C85B.s4t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2013