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PRESSEKONFERENZ/640: Regierungspressekonferenz vom 24. Juli 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 24. Juli 2013
Regierungspressekonferenz vom 24. Juli 2013

Themen: Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Vorschlag des Bundeaußenministers und der Bundesjustizministerin zu einer Änderung des Internationalen Pakts über bürgerliche und zivile Rechte, Auszahlung der nächsten Hilfstranche an Griechenland, Syrien, Unterfinanzierung im Straßenbau/Pkw-Maut

Sprecher: SRS Streiter, Peschke (AA), Zimmermann (BMJ), Narzynski (BMF), Bethge (BMVBS)



Vors. Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Streiter: Ich wollte im Vorgriff auf die morgige Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums noch einmal kurz etwas mitteilen: An dieser Sitzung wird vonseiten der Bundesregierung morgen nicht nur der Chef des Bundeskanzleramtes, Herr Ronald Pofalla, teilnehmen, sondern es werden der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Herr Gerhard Schindler, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Herr Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Amts für den Militärischen Abschirmdienst, Herr Ulrich Birkenheier, der Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, Herr Michael Hange, der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Herr Klaus-Dieter Fritsche, und der Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung, Herr Rüdiger Wolf, zur Verfügung stehen.

Frage: Herr Streiter, würden Sie das als einen normalen Vorgang bezeichnen?

SRS Streiter: Ja. Die Bundesregierung ist um Auskunft gebeten worden, und die Bundesregierung wird die Auskünfte, die sie geben kann, erteilen.

Zusatzfrage: Würden Sie die große Zahl der Auskunftsgebenden nicht als Anzeichen einer gewissen Alarmstimmung ansehen?

SRS Streiter: Nein. Es handelt sich ja um sehr komplexe Sachverhalte, und es gibt für die verschiedensten Aspekte Experten. Alle Experten werden da sein und können gefragt werden. Es war ja auch danach gerufen worden, und dieser Bitte kommen wir sehr gerne nach.

Frage: Werden die Experten gemeinsam oder nacheinander befragt? Gemeinsam können sie sich ja sozusagen gegenseitig helfen.

SRS Streiter: Das haben wir ja nicht zu entscheiden. Man ist ja Gast des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Die können sich das dann so einteilen, wie sie wollen. Auf jeden Fall wird für jede Frage ein kompetenter Ansprechpartner da sein.

Frage: Wenn schon alle, die gerufen worden sind, kommen, warum kommt dann nicht auch die Kanzlerin? Die ist doch von grüner Seite aus auch gerufen worden.

SRS Streiter: Meines Wissens ist sie nicht gerufen worden. Außerdem werden diejenigen, die zuständig sind, dort sein.

Frage: Herr Streiter, Fragen zu beantworten, ist das eine, Erkenntnisse mitzuteilen, das andere. Hat die Bundesregierung neue Erkenntnisse, was die NSA, PRISM oder dieses andere Programm angeht, die Sie morgen dem PKGr mitteilen können, oder können Sie uns heute vielleicht schon etwas mitteilen?

SRS Streiter: Nein. Das Parlamentarische Kontrollgremium hat ja den Zweck, über solche Erkenntnisse, wenn es sie gibt, informiert zu werden. Ich selbst verfüge über keine Erkenntnisse, und wenn ich über Erkenntnisse verfügen würde, würde ich sie Ihnen hier nicht mitteilen können, weil es sich ja um Geheimdienste handelt.

Frage: Ich würde doch noch einmal konkret nachfragen wollen, Herr Streiter: Gab es vonseiten des PKGr explizit den Wunsch, dass an dieser Sondersitzung all diese Herren, die Sie aufgezählt haben, teilnehmen? Ist dieser Wunsch vonseiten des PKGr in dieser Form geäußert worden, oder haben all diese Herrschaften sozusagen proaktiv ihr Kommen angekündigt und angeboten?

SRS Streiter: Nein. Der Chef des Bundeskanzleramtes hatte am Montag Kontakt mit Herrn Oppermann, dem Vorsitzenden des PKGr, aufgenommen und ihm angeboten, eben von heute an mit allen Personen und Informationen, die verfügbar sind, zur Verfügung zu stehen. Es ist dann zu diesem morgigen Termin gekommen. Dabei handelt es sich um ein Angebot der Bundesregierung.

Zusatzfrage: Kann man daraus schließen, dass der Chef des Bundeskanzleramtes und Geheimdienstkoordinator eben nicht für all diese Herrschaften, die jetzt dort auftreten werden, sprechen will, sondern sie in dieser Sache lieber selbst sprechen lassen will?

SRS Streiter: Nein, Sinn und Zweck ist es, dass für jede Frage, die sich ergibt - wir reden ja jetzt schon eine Weile über dieses komplexe Thema und haben festgestellt, dass es sehr viele Detailfragen gibt, die wirklich sehr speziell sind und unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche betreffen -, ein kompetenter Antwortgeber dort ist. Die haben auch Zeit! Es ist jetzt nicht so, dass die nach einer Stunde "Wir müssen jetzt wieder los" sagen werden. Diese Herren sind bereit, so lange dort zu bleiben, bis auch die letzte Frage beantwortet sein wird.

Frage: Ich habe in diesem Zusammenhang eine Frage an Herrn Peschke. Die Bundesregierung hatte der US-Regierung in den USA zwei Anliegen vorgebracht, wenn ich Sie letztes Mal richtig verstanden habe. Zum einen ging es um die Aufhebung dieser alten Vorbehalte aus dem Jahr 1968 und zum anderen um die Zusicherung der USA, sich künftig in Deutschland bei Späh- oder Überwachungsaktionen an deutsches Recht zu halten. Haben Sie denn bereits zu einem dieser Punkte Reaktionen erhalten? Wann rechnen Sie mit einer Reaktion?

Peschke: Ich kann Ihnen dazu sagen, dass die Gespräche andauern und dass wir noch nicht zu einem definitiven Ergebnis gekommen sind. Aber der Prozess dauert an. Ich kann Ihnen keinen Zeitpunkt nennen, an dem das erledigt sein oder gelöst sein wird. Aus unserer Sicht gilt natürlich "so schnell wie möglich", und deswegen bleiben wir da natürlich intensiv dran.

Zusatzfrage: Auf welcher Ebene werden diese Gespräche geführt?

Peschke: Auf ganz unterschiedlicher Ebene. Ein Gespräch - darüber hatten wir ja schon einmal informiert - war noch in der letzten Woche das Gespräch der Staatssekretärin aus unserem Haus mit dem amtierenden amerikanischen Botschafter. Aber die werden auf ganz unterschiedlicher diplomatischer Ebene geführt. Es gibt immer einen ganz engen Gesprächsdraht mit der amerikanischen Seite auf ganz verschiedenen Ebenen.

Frage: Herr Streiter, Sie sagten, die Chefs der Dienste würden morgen so lange bleiben, bis alle Fragen beantwortet worden sind. Heißt das, die Bundesregierung geht davon aus, dass die Affäre morgen beendet werden kann?

SRS Streiter: Nein. Ich möchte hier auch gar nicht von einer Affäre sprechen. Es gab am Wochenende eine Berichterstattung, die auch bei Ihnen und im parlamentarischen Raum viele Fragen aufgeworfen hat. Da halte ich es für relativ selbstverständlich und auch für völlig richtig, dass die Bundesregierung sagt: Wir werden versuchen, all diese Fragen zu beantworten, und wir werden für jede Frage den richtigen Mann haben.

Frage: Ich möchte zu der Frage an Herrn Peschke hinsichtlich der Gespräche mit den USA zurückkommen. Kann es sein, Herr Peschke, dass man in diesen Gesprächen an einen Punkt kommt, an dem man sagt, man kommt nicht mehr weiter? Würde sich der Minister dann selbst engagieren, vielleicht selbst zum Telefonhörer greifen und in dieser Sache aktiv werden, oder kann man sagen "Das bleibt auf unterer Ebene"?

Peschke: Zunächst einmal würde ich sagen: Wenn die Staatssekretärin spricht, dann ist das aus meiner Sicht keine untere Ebene, sondern eine sehr hochrangige Ebene. Aber natürlich wird das dem Gesprächsbedarf entsprechend kalibriert. So, wie wir das jetzt einschätzen, sind die Gesprächskanäle sehr kompetent und zuständig. Je nach Bedarf werden wir natürlich auch andere in die Gespräche einschalten. Aber das ist ein Gesprächsfaden, der jetzt aufgenommen wurde. Es ist ja bezüglich dieser Anliegen auch so, dass der Ball jetzt zunächst erst einmal im Feld der Amerikaner liegt und wir natürlich immer wieder den Kontakt suchen. Aber inwiefern sich weitere Gesprächsnotwendigkeiten ergeben, wird man dann sehen.

Frage: Es gibt heute einen Bericht, Herr Peschke, wonach sich Herr Westerwelle und Frau Leutheusser-Schnarrenberger brieflich für eine Änderung des UN-Datenschutzabkommens eingesetzt haben. Dafür ist ja die Unterstützung durch eine bestimmte Zahl von Mitgliedstaaten - ich glaube, 28 - notwendig. Woher nimmt die Bundesregierung die Zuversicht, dass diese Zahl zusammenkommen wird? Gab es schon Gespräche in dieser Richtung?

Peschke: Zunächst einmal - ich würde mir die Antwort dann gerne mit dem Kollegen aus dem BMJ teilen - ist es so, dass es richtig ist, dass sich der Bundesaußenminister und die Bundesjustizministerin bezüglich einer Datenschutzinitiative beziehungsweise eines Zusatzprotokolls zu Art. 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und zivile Rechte an die EU-Amtskollegen gewendet haben. Das ist, kurz gesagt, der sogenannte Zivilpakt. Der enthält in Art. 17 einen Artikel zum Schutz der Privatsphäre.

Nun ist das natürlich ein Pakt, der aus einer Zeit vor dem Internetzeitalter stammt und der bestimmte technische Entwicklungen nicht aufgreifen konnte. Ziel der Initiative ist es, durch ein Zusatzprotokoll diese technischen Entwicklungen auch im Bereich des Menschenrechtsschutzes nachzuvollziehen und einen entsprechenden Schutz der Privatsphäre auch angesichts der neuen technischen Möglichkeiten im Internetzeitalter möglich zu machen.

Das war ein Brief an die EU-Amtskollegen. Bundesaußenminister Westerwelle hat das am Montag beim Treffen der EU-Außenminister in der Runde der EU-Außenminister gegenüber den EU-Amtskollegen auch thematisiert. Es gab bereits explizite Unterstützung - das ist in dem Bericht meines Erachtens auch vermerkt - durch einige EU-Mitgliedstaaten; Dänemark und Ungarn wurden genannt. Neben denen, die in dem Artikel ohnehin genannt sind, hat sich auch Finnland positiv geäußert. Es gab also bereits eine positive Rückmeldung. Dieser Dialog wird weitergeführt.

Unser Ziel ist es eigentlich, dass man sozusagen mit EU-Rückenwind in die Vereinten Nationen geht und dort eine entsprechende zusatzvertragliche Regelung anregt. Dafür gibt es verschiedene Wege. Es gibt sozusagen eine gemeinsame Initiative einer bestimmten Anzahl von Mitgliedstaaten gegenüber dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der dann ein entsprechendes Zusatzprotokoll in Auftrag geben könnte. Es gibt die Möglichkeit einer Vertragsstaatenkonferenz, um ein entsprechendes Zusatzprotokoll zu verabschieden. Die letzte Vertragsstaatenkonferenz zum Zivilpakt - die gibt es regelmäßig, und die kann man dann natürlich auch nutzen - fand im Jahr 2012 statt. Das ist also ein Prozess, und der wurde jetzt angestoßen.

Zur Zuversicht, von der Sie sprachen, würde ich sagen: Wir haben auf die Initiative zunächst einmal ein positives Echo von einer Anzahl von Partnerstaaten erhalten. Deswegen sind wir zuversichtlich, dass man, wenn man beharrlich und mit einem langen Atem hieran arbeitet, dann auch entsprechende Ergebnisse erzielen können wird. Das liegt ja nicht nur in unserem Interesse. Es liegt letztlich auch im internationalen Interesse, dass man internationale vertragliche Regelungen und den Menschenrechtsschutz an die technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit anpasst. Das sollte also am Ende ein internationales Interesse sein. Insofern werden wir auf diesem Weg beharrlich weiter arbeiten. Aber auch da gilt, und ich habe es schon gesagt: Das ist ein Prozess, der einen langen Atem verlangt.

Zimmermann: Ich kann nicht viel ergänzen, sondern schließe mich gerne den Ausführungen des Kollegen an. Das positive Echo gibt es bereits. Insofern ist auch die Bundesjustizministerin zuversichtlich, dass man hier zeitnah zu einem Ergebnis kommt.

Zusatzfrage: Sie sagen "zeitnah" und Herr Peschke spricht von einem "langen Atem". Herr Peschke, können Sie eine diplomatische Schätzung abgeben, ob wir hier von Jahren reden? Manchmal sind es ja - zum Beispiel bei den Vereinten Nationen - auch Jahrzehnte. Wie lange wird es dauern, bis man dabei zu Ergebnissen kommt?

Peschke: Aus unserer Sicht natürlich am besten morgen, aus Sicht der internationalen Verhandlungsprozesse so bald wie möglich. Wir wünschen uns natürlich zeitnah Fortschritte. Jetzt wird erst einmal in die EU-Ebene hineingegangen, und dann kommt die nächste Steigerung mit der Ebene der Vereinten Nationen. Allein die formalen Prozeduren in diesen Fragen werden natürlich einige Zeit in Anspruch nehmen. Insofern kann ich keine Prognose abgeben.

Wir werden uns bemühen, so schnell wie möglich Fortschritte zu erzielen. Das ist eine völkervertragliche Regelung, die - das muss man ganz realistisch sehen - zeitnah erfolgen sollte, aber auch eine gewisse Zeit braucht. Wir wünschen uns natürlich morgen (Ergebnisse), aber realistischerweise wird das nicht morgen umgesetzt sein können. Da muss man intensiv und auf breiter diplomatischer Front arbeiten, viele Staaten überzeugen und Überzeugungsarbeit leisten. Das wird einige Anstrengungen fordern.

Zimmermann: Ich darf vielleicht ergänzen: Mit "zeitnah" meinte ich nicht den Abschluss sämtlicher Beratungen, die natürlich auf internationaler Ebene erforderlich sind, sondern mit "zeitnah" meinte ich, dass man im Hinblick auf das positive Echo weitere Rückmeldungen bekommt.

Frage: Ich hätte gerne vom Finanzministerium gewusst, ob Ihnen inzwischen der endgültige Bericht der Troika zu den von Griechenland erbetenen kurzfristigen Maßnahmen vorliegt. Es gab ja gestern die Übersendung eines vorläufigen Berichts an das Parlament.

Können Sie mir zum Zweiten sagen, wann die Telefonrunde stattfinden soll, in der die Euro-Finanzminister den ersten Teil der Hilfen an Griechenland freigeben? Sie sollte ursprünglich heute um 14 Uhr stattfinden. Das muss sich ja offenbar verschoben haben.

Narzynski: Es ist richtig, dass ein vorläufiger Bericht der Troika vorliegt, der in Bezug auf einen Großteil der Maßnahmen bestätigt, dass die Umsetzung erfolgt ist. Bei einigen Maßnahmen steht allerdings noch die Bestätigung aus.

Die Kommission als ein Mitglied der Troika erwartet in sehr kurzer Zeit die Bestätigung, dass auch die anderen vorrangigen Maßnahmen umgesetzt werden. Die Telefonkonferenz, in der dann endgültig entschieden wird, dass die Tranche freigegeben wird, kann erst erfolgen, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen und wenn auch der Haushaltsausschuss Gelegenheit hatte, Stellung zu nehmen.

Zusatzfrage: Gibt es dafür einen Termin? Es war, wenn ich das richtig weiß, dem Haushaltsausschuss eine Frist bis Montag 12 Uhr gesetzt worden. Das heißt, man könnte in Übertragung der ursprünglichen Planung sagen, dass man eigentlich am Montag um 14 Uhr auch die Telefonkonferenz vornehmen und die Sache freigeben könnte. Ist das die Planung?

Narzynski: Wir warten jetzt auf den endgültigen Bericht. Solange dieser nicht vorliegt, können keine weiteren Terminplanungen vorgenommen werden. Wie gesagt, wir stützen uns darauf, dass vonseiten der Troika erwartet wird, dass man in Kürze diese Bestätigung wird liefern können.

Frage: In dem Schreiben von Herrn Kampeter hieß es auch, dass die Aktualisierung des Berichts schon heute erfolgen würde. Muss man damit rechnen, dass es jetzt doch länger dauert?

Zweitens. Ein Punkt, der noch offen ist, ist offensichtlich auch die Übertragung der 4.200 Staatsbeamten in die Transfergesellschaft. Ist das ein Grund zur Beunruhigung?

Narzynski: Wie gesagt, wir stützen uns auf die Erwartung der Troika, dass zeitnah die Bestätigung vorliegt. Wenn das erfolgt, ist auch nicht mit irgendeiner Verzögerung zu rechnen. Im Hinblick auf diese Aussage, dass eben zeitnah die Bestätigung vorliegen wird, ist auch die Frist für die Möglichkeit, dass der Haushaltsausschuss eine Stellungnahme abgibt, gesetzt worden.

Die ausstehende Maßnahme betrifft die Quantifizierung der Mitarbeiter, die in diese mobile Reserve überführt werden. Wie gesagt, wir rechnen damit, dass in Kürze bestätigt wird, dass diese Quantifizierung erfolgen kann und damit diese vorrangige Maßnahme umgesetzt ist.

Frage: Herr Peschke, ich hätte gerne zum Stichwort "Syrien" gewusst, wie das Ministerium beziehungsweise der Minister die Lage jetzt dort einschätzt. Ich beziehe mich auf den Brief des US-Generalstabschefs. Teilen Sie die Meinung, dass man mit einer Zweiteilung Syriens rechnen muss?

Zweitens. Gibt es noch Aktivitäten der Freundesgruppe Syriens?

Peschke: Soweit ich es kenne, kommt in dem Schreiben des amerikanischen Generalstabschefs eine sehr große Sorge angesichts der Lage in Syrien zum Ausdruck. Diese Sorge angesichts der doch sehr bedrückenden Lage vor Ort teilen wir ausdrücklich. Es ist ein wirklich bedrückendes Bild, das sich da ergibt: täglicher Zoll sehr vieler Menschen, die die unverminderte Gewalt kostet, sich zunehmend verschleiernde und verkomplizierende Gegensätze innerhalb Syriens, das Regime, das einen völlig unverantwortlichen Kurs der Gewalt fährt, aber natürlich auch islamistische Kräfte, die versuchen, auf dem Konflikt in Syrien ihr extremistisches Süppchen zu kochen.

Das ist alles extrem besorgniserregend; deswegen sind alle Anstrengungen, um Ansätze zu einer Lösung des Konfliktes zu entwickeln, weiterhin notwendig und werden mit Hochdruck betrieben. Da ist der Stand so, dass es auf vier Ebenen Bemühungen gibt.

Die erste Ebene ist die humanitäre Ebene für die Flüchtlinge in Syrien und um Syrien, um ihr persönliches Leid zu mindern. 2012 hat Deutschland dafür insgesamt Mittel in Höhe von 170 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das sind im Wesentlichen Mittel, die der Not- und Erstversorgung von Flüchtlingen zugutekommen sollen. Darüber hinaus haben wir weitere umfangreiche Mittel für die verschiedenen Fonds der Vereinten Nationen zugesagt. Das ist unsere Arbeit, um das unbeschreibliche Leid der Menschen zu erleichtern.

Die zweite Komponente ist unsere Arbeit mit der Nationalen Koalition der Opposition. Für uns liegt der Schlüssel für eine sinnvolle, bessere und am Ende auch friedliche Zukunft Syriens in einer Stärkung der Nationalen Koalition der Opposition als den entscheidenden gemäßigten Kräften der Opposition, die eine gute Zukunft Syriens herbeiführen könnten. Die unterstützen wir, und zwar mit einer ganzen Bandbreite von organisatorischen, technischen und logistischen Maßnahmen - auch mit Maßnahmen, die ihre Schutzfähigkeit erhöhen. Es gibt einen neuen Vorsitzenden der Nationalen Koalition, der gestern nach Europa gereist ist und Gespräche in Paris führt. Er wird Ende der Woche wahrscheinlich informelle Gespräche in New York führen. Wir gehen davon aus, dass er bald auch Gespräche hier in Berlin führen wird. Er ist auf jeden Fall herzlich willkommen.

Die dritte Komponente ist der politische Prozess. Da gibt es die amerikanisch-russische Einigung auf eine Genf-Nachfolgekonferenz. Diese Konferenz - da sind wir uns auch mit unseren internationalen Partnern einig - ist dringender denn je. Aus unserer Sicht sollten sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung bewusst sein, dass die dauerhafte Beilegung der Gewalt letztendlich nur im Wege einer solchen politischen Lösung erfolgen kann. Diesbezüglich sprechen wir mit den Russen, mit den Amerikaner, aber auch mit den ganzen Umfeldstaaten - der Türkei, den arabischen Partnern - und versuchen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass eine solche Konferenz stattfinden kann.

Das vierte Feld der Aktivität ist die Arbeit in der Gruppe der Freunde Syriens. Da gab es im Juli, also noch Anfang des Monats, das letzte Treffen. Wir gehen davon aus, dass sich auch nach Ende des Ramadans erneute Aktivitäten auch auf höchstrangiger Ebene entfalten werden - natürlich sind wir auf Arbeitsebene ständig mit den Kollegen in Kontakt -, mit dem Ziel, zum einen die Nationale Koalition zu stärken - das ist auch unser nationales Anliegen - und zum anderen eine Genf-Nachfolgekonferenz zustande zu bringen.

Ein letzter Aspekt - ich hatte gesagt, es seien vier Aspekte; ich möchte aber noch einen viereinhalbten Aspekt erwähnen, der auch wichtig ist - ist die Frage von Chemiewaffen. Da sind wir wie viele andere auch "on the record", dass die Vorwürfe an verschiedene Seiten in Syrien, chemische Substanzen anzuhäufen und in einer gewissen Menge sogar eingesetzt zu haben, dringend aufgeklärt werden müssen. Das ist eine Angelegenheit der Vereinten Nationen. Wir unterstützen ausdrücklich, dass sich Experten der Vereinten Nationen nach Damaskus aufgemacht haben, um diesen Vorwürfen nachzugehen. Da ist unsere klare Erwartung an alle Verantwortlichen in Syrien, dass diese Experten ihre Arbeit machen können, damit die Vorwürfe aufgeklärt werden können.

Frage: Ich würde gerne vom Verkehrsministerium wissen, was man dort von der Idee hält, die Mittel aus dem Solidaritätszuschlag langfristig womöglich auch zweckzubestimmen, um die Unterfinanzierung im Straßenbau zu beheben. Man könnte ja argumentieren, dass man dann auf die Pkw-Maut, die Ihr Minister so gerne hätte, verzichten könnte.

Herr Streiter, mich würde auch interessieren, was die Regierung von dem Vorschlag aus Nordrhein-Westfalen hält, Solidaritätsfondsmittel quasi in der Form eines Tilgungsfonds langfristig laufen zu lassen, um Länder bei der Schuldentilgung zu unterstützen und ihnen damit mehr Spielraum für Investitionen zu geben.

Bethge: Ich denke, der Minister begrüßt es grundsätzlich, wenn erkannt wird, dass der Infrastrukturhaushalt gestärkt werden muss. Viel mehr lässt sich auch zu diesem Vorschlag oder zu dieser Anregung aus unserer Sicht jetzt erst einmal nicht sagen.

Zusatzfrage: Heißt das, er ist offen dafür?

Bethge: Das heißt genau das, was ich gesagt habe, nämlich dass grundsätzlich erst einmal sehr begrüßt wird, dass mittlerweile das Bewusstsein vorhanden ist - das war zu Beginn der Legislaturperiode sicherlich noch nicht so -, dass der Infrastrukturhaushalt strukturell unterfinanziert ist. Es hat sich im Laufe der Legislaturperiode ja gezeigt, dass der Minister mit den 1,75 Milliarden Euro, die er extra erkämpfen konnte, ein Stück weit das Bewusstsein auf breiter Basis geschärft hat. Ich denke, alles Weitere sich zeigen.

SRS Streiter: Das Thema Tilgungsfonds ereilt uns ja nicht zum ersten Mal. Da hat sich an der ablehnenden Haltung nichts geändert.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 24. Juli 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/07/2013-07-24-regpk.html;jsessionid=3C6FE6D1E1A885E98BF6BC7AEBA4A9BD.s4t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2013