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PRESSEKONFERENZ/664: Regierungspressekonferenz vom 13. September 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 13. September 2013
Regierungspressekonferenz vom 13. September 2013

Themen: Kabinettssitzung, Bundestagswahl, Vorschlag für eine europäische Banken-Abwicklungsbehörde, Titelbild des "Süddeutsche Zeitung Magazins", russischer Vorschlag zur Kontrolle von Chemiewaffen in Syrien, Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Finanzierung von Kita-Plätzen, Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Deutschland, geplante Übernahme eines Großteils der Rhön-Klinikum AG durch Fresenius

Sprecher: StS Seibert, Kothé (BMF), Peschke (AA), Steegmans (BMFSFJ), Lörges (BMI), Albrecht (BMG)



Vors. Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag! Am kommenden Mittwoch wird die 158. Sitzung des Kabinetts in dieser Legislaturperiode stattfinden, wie immer um 9.30 Uhr. Ich weise Sie schon einmal darauf hin, dass am darauf folgenden Mittwoch, dem 25. September, dann keine Kabinettssitzung stattfinden wird, die nächste also erst wieder am Mittwoch, dem 2. Oktober.

Ansonsten, weil das viele interessiert: Am Sonntag, dem 22. September, wird die Bundestagswahl stattfinden. Das wussten Sie schon. Viele wollen aber wissen, wann und wo genau die Bundeskanzlerin ihre Stimme abgeben wird. Darüber werden wir Sie kommende Woche rechtzeitig informieren.

Frage: Was wird die Kanzlerin denn machen, bevor sie ihre Stimme abgibt, und was danach?

StS Seibert: Wir geben hier über die Sonntagsgestaltung der Bundeskanzlerin nie Auskunft, und das werde ich auch heute nicht einführen.

Frage : Ich würde gerne vom Finanzministerium wissen, wie der bisherige Zeitplan für die Verabschiedung der Abwicklungslösung für Banken in Europa aussieht. Wann soll das entscheidungsreif sein? Man will das ja auch noch in dieser Legislaturperiode - zumindest des Europaparlaments - über die Bühne bringen.

Zum Zweiten meine ich irgendwo gelesen zu haben, dass, nachdem die EU-Kommission einen Vorschlag hat, den sie selbst für rechtens und vereinbar hält, die Bundesregierung anderer Meinung ist. Ich las irgendwo, dass von Ihnen inzwischen ein Kompromissvorschlag erarbeitet wird. Ich würde gerne wissen, ob dem so ist und ob man an Varianten des bekannten Vorschlags arbeitet.

Kothé: Zunächst einmal ein Hinweis, von dem Sie sicherlich wissen, aber vielleicht sage ich das für alle: Gerade in diesem Moment treffen sich die Finanzminister bei einem informellen Treffen in Vilnius, bei dem das Thema des Abwicklungsmechanismus und der entsprechende Kommissionsvorschlag erstmalig im Kreise der Finanzminister diskutiert werden.

Was den Zeitplan anbetrifft, vielleicht so viel: Das ergibt sich jetzt, sodass ich Ihnen jetzt kein konkretes Datum nennen kann. Der Minister hat sich aber vorhin selbst geäußert und gesagt: Er strebt natürlich an, dass man möglichst schnell zu einer Lösung kommt. Das Ziel ist natürlich, und das haben wir auch gesagt, dass das dann möglichst parallel zum Inkrafttreten der gemeinsamen Bankenaufsicht der Fall sein soll.

Aber wir sind, wie gesagt, am Anfang. Der Wille ist da, schnell zu Lösungen zu kommen. Das ist eine komplexe Materie, die es da zu behandeln gilt. Sie haben auch die verschiedenen Schwierigkeiten angedeutet, die es da im Augenblick noch gibt. Selbstverständlich arbeiten wir immer an Kompromissen, um möglichst schnell zu diesem Ziel, nämlich der Vollendung der Bankenunion, kommen zu können.

Zusatzfrage : Aber haben Sie vor, selbst initiativ zu werden und einen wie auch immer modifizierten Vorschlag in die Diskussion einzubringen?

Kothé: Wir sind ganz am Anfang dieser Beratung. Heute gibt es ein informelles Treffen, bei dem erstmalig darüber gesprochen wird und bei dem erst einmal die Standpunkte ausgetauscht werden. Dann gehen die Verhandlungen ihren auf europäischer Ebene normalen und üblichen Verlauf.

Frage: Ich weiß, dass Wahlkampfscharmützel hier nicht hingehören, aber vielleicht ist die allgemeine Frage an Sie, Herr Staatssekretär Seibert, erlaubt, ob Sie sich nach der Veröffentlichung eines bestimmten Fotos Sorgen um die Kultur und den Umgang im politischen Geschäft machen. Ganz übergeordnet hätte ich das gerne einmal gewusst.

StS Seibert: Ganz übergeordnet mache ich mir keine Sorgen. Was die konkrete Geschichte betrifft, die Sie ansprechen, kann ich dazu nur sagen: Ich habe dafür keine Worte.

Frage : Herr Seibert, ich würde gerne wissen, ob es schon eine Anfrage des "Süddeutsche Zeitung Magazins" an die Kanzlerin gegeben hat, bei so einem Interview ohne Worte mitzumachen, und wie sie damit umgegangen ist.

StS Seibert: Erkennbarerweise ist sie in dieser Rubrik noch nicht aufgetaucht.

Zusatzfrage : Deswegen bezog sich die Frage ja auch auf die Anfrage. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Kollegen vom "Süddeutsche Zeitung Magazin" schon einmal im Kanzleramt nachgefragt haben, ob die Kanzlerin auch teilnehmen wird.

StS Seibert: Sie hat daran noch nicht teilgenommen. Es gibt sehr viele Anfragen. Ich kann mich nicht an jede einzelne erinnern. Sie hat daran noch nicht teilgenommen, sonst hätten Sie es gesehen.

Zusatzfrage : Würde sie daran teilnehmen, oder gibt es da Bedenken?

StS Seibert: Wollen wir jetzt potenzielle und hypothetische Interviews behandeln? Wenn die Bundeskanzlerin ein Interview gibt oder an einem sonstigen medialen Format teilnimmt, dann erleben Sie das, wenn es geschehen ist.

Zusatzfrage : Ich würde ganz gerne wissen, wie die Bundesregierung den Vier-Punkte-Plan der Russen zur Abgabe von Chemiewaffen in Syrien beurteilt. Die zweite Teilfrage dazu lautet, ob eine mögliche UN-Resolution zu diesem Thema auch die Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegenüber dem Assad-Regime beinhalten sollte.

Peschke: Das kann ich gerne übernehmen. Wie Sie wissen, sind jetzt direkte Gespräche zwischen dem amerikanischen Außenminister Kerry und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow zu diesen russischen Vorschlägen eingeleitet worden. Unserer Haltung dazu ist, dass wir die Erwartung an diese Gespräche haben, dass es jetzt um belastbare Zusagen des Assad-Regimes geht. Aus Sicht von Außenminister Westerwelle steht hierbei in erster Linie Russland im Wort und in der Pflicht. Moskau muss Druck auf Damaskus ausüben, damit diese Vorschläge, die es selbst zur Kontrolle und Vernichtung der syrischen Chemiewaffen gemacht hat, schnell in die Tat umgesetzt werden.

Entscheidend ist, dass es hierbei kein Spiel auf Zeit gibt, sondern dass es schnell zu einer belastbaren Umsetzung der Vorschläge kommt, insbesondere auch des syrischen Antrags auf den Beitritt zum Chemiewaffenübereinkommen der Vereinten Nationen. Diesbezüglich wurde ja gestern ein entsprechendes Schreiben bei den Vereinten Nationen hinterlegt. Auch dazu hat Außenminister Westerwelle gesagt: Das ist ein erster positiver Schritt. Entscheidend ist jetzt aber, dass die mit diesem Schritt und mit dem Übereinkommen verbundenen Verpflichtungen vonseiten Syriens jetzt auch konsequent umgesetzt werden. Das ist das Entscheidende, und daran werden wir jede weitere Entwicklung messen.

Zusatz : Der zweite Teil meiner Frage betraf die mögliche UN-Resolution und Zwangsmaßnahmen.

Peschke: Wir müssen ja einen Schritt nach dem anderen gehen. Es gibt jetzt diese amerikanisch-russischen Gespräche. Es gibt auch Gespräche zwischen den derzeitigen Mitgliedern des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Diese Gespräche sind sehr komplex. Sie wissen, was bei diesen Gesprächen auf dem Tisch liegt. Sie wissen auch, dass verschiedene Länder, darunter wir, immer wieder deutlich gemacht haben, dass sie sich eine Befassung des Internationalen Strafgerichtshofs wünschen. Aber dem Ergebnis dieser Gespräche jetzt, zu dieser Stunde, vorgreifen kann ich nicht.

Frage: Herr Seibert, die Bundeskanzlerin hat ja sehr entschieden ausgeschlossen, dass sich Deutschland an militärischen Operationen gegen Syrien beteiligen könnte. Ist es denn der Wunsch der Bundeskanzlerin, dass sich Deutschland, sollte es jetzt in Genf zu einer Einigung kommen, an der Kontrolle und Vernichtung der syrischen Chemiewaffen beteiligt? Wenn ja, in welcher Form?

StS Seibert: Ich wiederhole noch einmal, was Herr Peschke gerade gesagt hat: Wir müssen doch jetzt einen Schritt nach dem anderen machen. Es gibt jetzt erfreulicherweise die Gespräche in Genf zwischen dem russischen und dem amerikanischen Außenminister. Die begrüßen und unterstützen wir. Diese Gespräche bieten eine Chance für eine diplomatische Lösung. Wir hoffen auf schnelle Ergebnisse, damit der UN-Sicherheitsrat seiner Verantwortung wirklich wieder nachkommen kann. Wir begrüßen auch die syrische Ankündigung, dem Chemiewaffenübereinkommen beizutreten. Das ist ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung. Aber dem müssen nun unverzüglich glaubwürdige Taten folgen. Also eines nach dem anderen! Jetzt konzentrieren wir uns darauf, dass diese Gespräche in Genf hoffentlich Fortschritte mit sich bringen werden.

Zusatzfrage: Verstehe ich Sie richtig, dass es jetzt aus Sicht der Bundeskanzlerin verfrüht wäre, eine deutsche Mithilfe anzubieten?

StS Seibert: Dazu hat sich ja der Außenminister neulich schon geäußert, und diese Aussage steht natürlich auch. Heute konzentrieren wir uns genau auf das, was ich und Herr Peschke Ihnen gerade gesagt haben.

Frage: Herr Peschke, eine Kontrolle und Sicherung der syrischen Chemiewaffen würde ja auch voraussetzen, dass die Rebellen einer Waffenruhe zustimmen, damit man überhaupt Zugang zu den möglichen Lagerstätten hätte. Gibt es irgendwelche Signale von den Rebellen, dass sie einem solchen Prozess aufgeschlossen gegenüberstehen und an ihm mitwirken würden?

Peschke: Ich kann Sie da auch nur auf entsprechende Äußerungen verweisen, die in Syrien von verschiedener Seite gemacht wurden. Über mehr verfüge ich hier aus eigener Erkenntnis heraus nicht. Es ist natürlich so, dass sich diese amerikanisch-russischen Gespräche derzeit auf ganz Syrien beziehen und am Ende alle Kräfte in Syrien aufgefordert sind, diesem übergeordneten Anliegen der Sicherung, Kontrolle und schlussendlich Vernichtung der Chemiewaffen ihre Unterstützung zu verleihen. Das betrifft in erster Linie - da liegt die Hauptverantwortlichkeit - das syrische Regime - das ist ganz klar -, das ja nach allem, was wir wissen, über die Chemiewaffen verfügt. Aber das betrifft natürlich auch alle anderen Kräfte, die derzeit in Syrien eine Rolle spielen.

Zusatzfrage: Aber man möchte doch trotzdem gerne wissen, wie man überhaupt noch Einfluss auf diese sehr divergierenden Kräfte der bewaffneten Opposition hat. Wenn das entscheidend dafür wäre, eine Sicherung der Chemiewaffen überhaupt zu erreichen, welche Ansprechpartner hätte man dann noch, und wie verlässlich wären diese Ansprechpartner?

Peschke: Das ist eine komplexe und berechtigte Frage, die Sie stellen, Herr Henze. Deswegen sind die Gespräche, die geführt werden, ja auch sehr komplex. Natürlich haben wir Ansprechpartner auf der Seite der Rebellen. Der Präsident der Nationalen Koalition der syrischen Opposition, Herr Dscharba, war ja kürzlich in Berlin und hat hier Gespräche geführt. Das war vor den jüngsten Entwicklungen. Das sind natürlich Gesprächskanäle, die auch genutzt werden.

Aber jetzt geht es ja zunächst einmal darum, wie Herr Seibert es auch sagte, einen Schritt nach dem anderen zu tun. Wir müssen jetzt erst einmal sehen, dass in den russisch-amerikanischen Gesprächen Ergebnisse erzielt werden können. Wir müssen sehen, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zur Handlungsfähigkeit im Syrien-Dossier zurückfindet. Wir müssen sehen, dass die Beitrittserklärung Syriens zum Chemiewaffenübereinkommen der Vereinten Nationen Rechtskraft erlangt. Wir müssen sehen, dass erste Schritte im Sinne einer Umsetzung dieses Abkommens und im Geiste dieses Abkommens eingeleitet werden. Das sind zahlreiche Schritte, und darin müssen sich natürlich auch Bemühungen einfügen, auf alle Kräfte in Syrien, die dafür relevant sind, einzuwirken. Dabei spielen dann - das muss man auch so offen sagen - auch die Partner aus der Region eine wichtige Rolle, die ja auch über sehr enge Beziehungen verfügen, zum Beispiel zu den Rebellen.

Frage : Herr Peschke, es gab Informationen darüber, dass in Syrien angeblich schon wieder Chemiewaffen hin- und hertransportiert werden, um sie möglicherweise zu verstecken oder was auch immer zu tun. Haben Sie irgendwelche eigenen Erkenntnisse hinsichtlich solcher Berichte?

Peschke: Dazu verfügen wir über keine eigenen Erkenntnisse.

Frage: Herr Seibert, hat die Bundesregierung durch Abhöraktionen des BND eigene Erkenntnisse über den gegenwärtigen Standpunkt und Lagerungsort von Chemiewaffen in Syrien?

StS Seibert: Über solche Erkenntnisse könnte und würde dem Parlamentarischen Kontrollgremium berichtet werden. Ich kann Ihnen hierüber keine Auskunft geben.

Frage : Ich habe noch eine kleine Frage an das Familienministerium, und zwar, ob das Familienministerium eine Haltung zu dem gestrigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen Kindertagesstättenfinanzierung hat. Haben Sie im Moment eine relativ aktuelle Zahl hinsichtlich der Lücke, die es womöglich noch zwischen Angebot und Bedarf an Kinderbetreuung für unter 3-Jährige gibt?

Steegmans: Die zweite Frage ist ganz schnell zu beantworten: Die Bundesländer haben - das haben wir ja am 1. Juli auch hier in der Bundespressekonferenz gesagt - zum laufenden Kita-Jahr 2013/2014 rund 814.000 Plätze gemeldet. Das sind etwa 30.000 Plätze mehr, als für den Bedarf in Höhe von 780.000 Plätzen errechnet wurde.

Wir haben von Seiten des Städte- und Gemeindebundes, des Deutschen Landkreistages und des Deutschen Städtetages keine nennenswerte Zahl an Klagen genannt bekommen. Wir kennen aus den Nachrichtenagenturen beziehungsweise Zeitungen derzeit eine Hand voll Klagen, die bislang verhandelt worden sind. Wir haben aber keinen Hinweis auf irgendwelchen zahlenmäßigen Lücken vor Ort. Da wären eventuell der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag oder der Deutsche Städte- und Gemeindebund die besseren Ansprechpartner, um das zu erfragen.

Was das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von gestern angeht, da muss man darauf schauen, dass es um einen Fall aus Rheinland-Pfalz geht, der, glaube ich, auf das Jahr 2010 zurückgeht. Er betrifft also nicht den gegenwärtigen Rechtsanspruch, sondern den vom Land Rheinland-Pfalz vorab eingeführten Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Das heißt, wir reden nicht über ein Urteil zum gegenwärtigen Bundesrechtsanspruch, sondern zum damals landeseigen vorab verfügten Rechtsanspruch.

Das Gericht verweist in seiner Pressemitteilung zum Urteil - das konkrete Urteil kennen wir auch noch nicht - ausdrücklich darauf, dass jeder Fall einzeln betrachtet werden muss und dieses Urteil nicht automatisch, auch wenn es als Grundsatzurteil verkündet wurde, Präzedenzcharakter für jeden denkbaren Fall haben muss. Das Gericht hat ausdrücklich mehrere Fragen, die im Zusammenhang mit dem Urteil standen, an das Land Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.

Insofern können wir keine grundsätzliche Stellungnahme zu diesem Urteil abgeben. Denn erstens betrifft es, wie gesagt, nicht den gegenwärtigen Rechtsanspruch ab dem 01.08.2013, sondern einen landesrechtlichen Rechtsanspruch des Landes Rheinland-Pfalz. Zum Zweiten haben wir schon aus der Erfahrung der Jahre 1996 bis 1998, als der Rechtsanspruch für Kinder über drei Jahren eingeführt wurde, den Schluss gezogen, dass Einzelfälle vor Gericht auch tatsächlich als Einzelfälle betrachtet werden und man nicht pauschal von einzelnen Urteilen auf alle Urteile schließen kann.

Frage: Ganz kurz noch einmal, wenn es erlaubt ist, zurück zum Komplex Syrien. Ich hatte in der vergangenen Regierungspressekonferenz nach syrischen Flüchtlingen gefragt. Das Auswärtige Amt hat mir freundlicherweise anschließend Zahlen über die bisher ausgesuchten syrischen Flüchtlinge übermittelt. Es handelt sich um etwas mehr als 1.000, die bisher ausgewählt worden sind.

Die Entscheidung, 5.000 syrische Flüchtlinge bei uns aufzunehmen, datiert ja vom März. Jetzt ist September. Über 1.000 sind bisher ausgewählt. Meine Frage ist jetzt: Wieso dauert es so furchtbar lange, all diese Flüchtlinge zu finden, wenn man sich bereits vor fünf Monaten darauf festgelegt hat?

Wie ist denn jetzt der Zeitplan für die verbleibenden 700, die jetzt noch nicht da sind, beziehungsweise die 4.700, die noch nicht da sind? Was ist die ungefähre Vorstellung: Wann kommen sie nach Deutschland?

Die Frage richtet sich an das BMI oder an das AA - ich weiß nicht, wer sich da berufen fühlt.

Lörges: Ich kann gern anfangen.

Warum dauert es so lange? - Gut, man muss ja erst einmal die Kriterien festlegen. Es hat Mitte Mai die erste Erkundungsmission mit Partnern aus dem Auswärtigen Amt und der Bundesländer gegeben. Es waren konkret Vertreter aus Nordrhein-Westfalen dabei, weil sie ja dann die Flüchtlinge übernehmen. Es war jemand vom UNHCR dabei sowie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Dann hat man sich die Situation vor Ort genau angeschaut.

In der Folge müssen Sie sehen, dass wir - ich sage es etwas vereinfacht - die Leute nicht einfach da herausholen können, sondern wir müssen uns mit vielen verschiedenen Partnern abstimmen, natürlich mit den Ländern, aus denen die Flüchtlinge geholt werden; denn das ist deren Hoheitsgebiet. Mit dem UNHCR und auch der Caritas arbeiten wir ganz eng zusammen. Sie schlagen dann die Flüchtlinge vor, sofern sie den von uns festgelegten Kriterien entsprechen.

Ich glaube, Herr Peschke hatte am Mittwoch schon ausführlich berichtet, welche Formalitäten noch erledigt werden müssen. Es gibt auch noch eine Gesundheitsüberprüfung. Das alles dauert etwas.

Peschke: Ich kann das gern ergänzen. - Wir haben ja bereits am Mittwoch hier an der Stelle dargelegt, dass das ein sehr komplexes Verfahren ist, an dem mehrere nationale und internationale Behörden und Stellen beteiligt sind.

Zunächst muss die Auswahl der Flüchtlinge durch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, dem UNHCR, erfolgen. Dann erfolgt die Erteilung von Aufnahmebescheiden durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Schließlich müssen noch Ausreisegenehmigungen durch die libanesischen Behörden, von der sogenannten Sûreté Générale, erteilt werden. - Also das ist ein sehr komplexes Verfahren.

Was die Durchführung der Aufnahme angeht, so versuchen wir zu tun, was wir können, um in diesem Verfahren möglichst zügig vorzugehen. Dazu wurde auf Veranlassung des Außenministers unsere Botschaft in Beirut mit Personal verstärkt, um die große Anzahl von Visa zu erteilen.

Was den Zeitplan betrifft: Wir wollen da so schnell wie möglich weitermachen. Ziel ist, dass Ende 2013 ein Großteil dieser 5.000 Menschen im Bundesgebiet sein kann.

Frage: Gibt es einen Schlüssel, wie sich die Flüchtlinge auf die Nachbarländer Syriens verteilen? Bisher haben Sie vom Libanon gesprochen, von Beirut. Wie weit sind Jordanien, Türkei und Irak beteiligt?

Lörges: Sie meinen einen Schlüssel für die Aufnahme?

Zuruf: Ja.

Lörges: Der Schwerpunkt bei diesem Aufnahmeprogramm liegt auf dem Libanon, also die ganz überwiegende Anzahl kommt aus dem Libanon. Da ist der Flüchtlingsdruck sehr hoch. Man hat sich eben dementsprechend entschieden.

Zusatzfrage: Vielleicht noch die Frage an den Regierungssprecher: Ist das aus Sicht der Bundeskanzlerin ein befriedigendes Verfahren oder ein befriedigender Zustand - wenn es jetzt bis zum Ende des Jahres dauern sollte, dann würde das Verfahren neun Monate in Anspruch nehmen -, diese deutsche Zusage der Flüchtlingsaufnahme zu erfüllen?

StS Seibert: Hier ist ja gerade dargelegt worden, wie kompliziert und komplex das Ganze ist. Wir wissen, dass da Menschen mit sehr schweren Schicksalen sind, die unsere Hilfe brauchen. Deutschland ist zu dieser Hilfe bereit. Wir haben jetzt von beiden Häusern gehört, dass auch alles Mögliche getan wird, damit diese 5.000 Menschen - oder wenigstens ein Großteil von ihnen - tatsächlich bis Ende dieses Jahres auf Bundesgebiet und damit in Sicherheit sind.

Peschke: Wenn ich das vielleicht noch ergänzen darf: Ich verstehe ja die Ungeduld, die ihren Fragen innewohnt, Herr Siebert, aber ich möchte noch einmal betonen, dass das ein sehr komplexer Prozess ist. Wir sind da in sehr engem Kontakt mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, dem UNHCR. Wir hatten Ihnen ja mitgeteilt - am Mittwoch war das, glaube ich -, dass der UNHCR, der die Hauptlast der Auswahl trägt, mit seinen Mitteln mit Stand 9. September 851 Flüchtlinge ausgewählt hatte. Das ist eine Auswahl, die der UNHCR trifft. Wir operieren da ja nicht im luftleeren Raum, sondern wir operieren da in einem sehr komplexen Raum und müssen uns natürlich auf die zuständigen Stellen gerade der wichtigen internationalen Organisationen stützen. Wir respektieren die Sorgfalt, mit der der UNHCR vorgeht. Es ist doch ganz klar, dass jeder Fall einer gründlichen Prüfung durch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen bedarf. Aber natürlich versuchen wir, unseren Teil dazu beizutragen, dass die Dinge so schnell wie möglich abgewickelt werden können.

Noch einmal: Es ist ein komplexes Verfahren und wir operieren hier nicht im luftleeren Raum. Wir müssen, da wir mit dem UNHCR zusammenarbeiten, dessen Arbeit schon respektvoll behandeln.

Frage: Vielleicht ist mir das im März bei der Pressekonferenz vom Innenminister durchgerutscht, dass sich das jetzt überwiegend auf den Libanon bezieht. Deshalb die Frage: Gibt es, da zum Beispiel auch der Druck auf Jordanien sehr groß ist - in der Medienberichterstattung werden ja sehr stark die gigantischen Zeltdörfer in Jordanien gezeigt -, jetzt schon Absprachen mit anderen Staaten, dass die dann sozusagen arbeitsteilig für die Aufnahme von besonders bedürftigen Flüchtlingen aus Jordanien zuständig sind, oder bleibt Jordanien da im Moment alleingelassen?

Lörges: Mir ist von Absprachen dieser Art nichts bekannt. Wie gesagt, Bundesinnenminister Friedrich wirbt gerade auch auf dem G6-Treffen mit den großen europäischen Innenministern für eine Aufnahme auch durch andere europäische Staaten. Die Haltung ist eben, dass ein gemeinsames europäisches Vorgehen die Lösung dieser Situation stark voranbringen würde. Wir sind mit unserem Programm eben schon Vorreiter.

Frage: Herr Lörges, wenn ich den Bundesinnenminister richtig verstanden habe, ist er der Auffassung, dass diese 5.000 nicht das letzte Wort sein können. Jetzt haben wir gelernt, dass diese 5.000 bis Ende des Jahres in Deutschland eingetroffen sein sollen. Heißt das, dass man erst dann, wenn sich diese Tranche von 5.000 in der Bundesrepublik befindet, über eine neue Zahl spricht? Oder muss das nach Auffassung des Bundesinnenministers vorher geschehen?

Lörges: Im Moment geht es darum, erst einmal die 5.000 nach Deutschland zu holen - wir sind eben noch dabei. Der Bundesinnenminister wirbt zeitgleich für eine Aufnahme durch andere Länder. Es gibt schon erste positive Reaktionen aus Österreich: Die haben jetzt angekündigt, 500 Personen aufzunehmen. Auch Herr Seibert hatte am Mittwoch den Blick schon etwas geweitet und darauf verwiesen, dass wir seit Anfang der Krise in Syrien 18.000 Asylbewerber hier aufgenommen haben. Von denen wird niemand zurückgeschickt. Im Übrigen bildet die Hilfe vor Ort den Schwerpunkt der deutschen Hilfe.

Zusatzfrage: Das heißt, an eine Aufnahme über die 5.000 hinausgehend - von den Asylbewerbern abgesehen - ist eigentlich nicht gedacht?

Lörges: Wie gesagt, im Moment kümmern wir uns um die Aufnahme der 5.000. Sie wissen, dass der Bundesinnenminister gegenüber den Ländern angeregt hat, dass Personen mit syrischem Hintergrund, die in den Bundesländern leben, Verwandte aufnehmen können. Dafür brauchen die Bundesländer das Einvernehmen des Bundesinnenministeriums. Der Bundesinnenminister hatte früh signalisiert - schon im Mai -, dass er dieses Einvernehmen erteilen wird. Insofern werden da schon mehr kommen als die 5.000. Es gibt da keine Deckelung durch die Bundesländer. In einzelnen Bundesländern gibt es sogenannte Kontingente - Baden-Württemberg nimmt 500, soweit ich weiß; Nordrhein-Westfalen hat angekündigt, das auf 1.000 zu begrenzen. Es sind jedenfalls nicht nur die 5.000, denen in Deutschland Schutz gegeben wird.

Frage : Eine Frage an das Gesundheitsministerium: Herr Albrecht, befürchtet die Bundesregierung durch die geplante Übernahme des Großteils von Rhön-Klinikum durch Fresenius eine zu starke Konzentration auf dem Gesundheitsmarkt in Deutschland?

Albrecht: Das ist keine Frage, die sich an uns richtet. Das Kartellamt wird das ja prüfen. Wir haben dazu keine Einschätzung zu geben.

Ich habe jetzt in den Agenturen gelesen, dass wir uns dabei über knapp 5 Prozent des Klinikmarktes, also knapp 120 Kliniken unterhalten - es gibt im Moment 2050 Kliniken in Deutschland. Aber wie gesagt, das Kartellamt wird das prüfen und wird dann eine Einschätzung dazu liefern.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 13. September 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/09/2013-09-13-regpk.html;jsessionid=8DCB094F7886A5377ADF9E527D881866.s3t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2013