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PRESSEKONFERENZ/665: Regierungspressekonferenz vom 16. September 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 16. September 2013
Regierungspressekonferenz vom 16. September 2013

Themen: Kontrolle und Vernichtung von Chemiewaffen in Syrien, Einsatz einer Spielzeug-Drohne auf einer Wahlkampfveranstaltung der Bundeskanzlerin, EU-Pläne für einen Bankenabwicklungsmechanismus

Sprecher: StS Seibert, Peschke (AA), Teschke (BMI), Roth (BMVg), Kotthaus (BMF)



Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Herr Peschke, ich habe eine Frage zu dem Kerry-Lawrow-Plan bezüglich der Chemiewaffen in Syrien. Das Auswärtige Amt hat erklärt, man sei bereit, technische und finanzielle Unterstützung zu leisten. Können Sie spezifizieren, was genau damit gemeint ist, und haben Sie so etwas schon einmal gemacht?

Peschke: Vielen Dank für die Frage. Es ist zur Stunde noch zu früh, um über Details zu sprechen. Außenminister Westerwelle hatte ja gestern unsere Bereitschaft deutlich gemacht, einen Beitrag zu dieser wichtigen Aufgabe der Vernichtung chemischer Waffen aus Syrien zu leisten. Er hat deutlich gemacht, dass es aus deutscher Sicht in unserem Interesse liegt, dass Chemiewaffen weltweit geächtet und auch vernichtet werden, weil die Welt dadurch sicherer wird, und dass wir deshalb bereit sind, die OVCW, die Organisation für das Verbot chemischer Waffen, dabei zu unterstützen, die Chemiewaffen in Syrien, wie es die amerikanisch-russische Vereinbarung vorsieht, einer Vernichtung zuzuführen.

Das knüpfte natürlich daran an, dass Deutschland in vorherigen Fällen der Chemiewaffenvernichtung umfangreiche Erfahrungen gesammelt hat. Das war in Russland so. Dort hat Deutschland in einer mehr als zehnjährigen Tätigkeit mit dazu beigetragen - finanziell und technisch -, Chemiewaffen zu vernichten. Das knüpft an ein Engagement Deutschlands in Libyen an, wo wir Unterstützung bei der Vernichtung von Chemiewaffen und beim Umgang des Landes mit den Chemiewaffen aus der Gaddafi-Zeit geleistet haben. Das knüpft an deutsches Engagement im Irak an, wo wir auch in selbiger Mission unterstützend gewirkt haben. Das konzentriert sich vor allem auf den Bereich der technischen Unterstützung - also die Technologie zur Vernichtung von Chemiewaffen; diesbezüglich kann Deutschland aufgrund dieser Vorerfahrung auf Expertise verweisen -, und das betrifft den Bereich der Finanzen, weil die Vernichtung von Chemiewaffen auch ein sehr kostspieliger Prozess ist. Auch dabei sind wir bereit, uns einzubringen.

Für eine konkrete Spezifizierung eines möglichen Beitrages ist es aber natürlich zu früh. Dazu müssen natürlich auch erst die Gespräche mit den internationalen Organisationen laufen, insbesondere der zuständigen Organisation für das Verbot chemischer Waffen in Den Haag. Diese Gespräche in Umsetzung der russisch-amerikanischen Einigung beginnen ja gerade erst. Wir werden unsere Expertise in diese Gesprächen einbringen. Ich möchte sagen, dass es natürlich auch vonseiten der internationalen Experten zur Kontrolle und Vernichtung von Chemiewaffen eine gewisse Erwartungshaltung an Deutschland gibt, weil natürlich alle wissen, dass wir in diesem Feld eine besondere Expertise haben.

Frage Mänz: Herr Peschke, finanziell verstehe ich das Angebot zur Hilfe ja. Aber Ihr eigenes Haus hat letzte Woche noch gesagt: Bevor wir inhaltliche Hilfe anbieten können, müssen wir erst einmal wissen, was das überhaupt für Chemiewaffen und was das für Stoffe sind, weil man je nach Stoff überlegen muss, ob der Transport sinnvoll ist, ob der Stoff verbrannt werden muss oder ob er in irgendeiner anderen Weise neutralisiert werden kann. - Wissen Sie also erstens schon, was das für Stoffe sind, weil Sie sagen, dass Sie konkrete Hilfe anbieten? Wo soll das Ganze denn zweitens passieren? Sähe das so aus, dass Deutschland technische Hilfe vor Ort in Nachbarländer bringt? Geht es um bestehende Anlagen, beispielsweise in Russland? Haben Sie sich dazu schon Möglichkeiten überlegt?

Peschke: Herr Mänz, deswegen habe ich ja gesagt: Es ist zu früh, um über diese konkreten Details zu sprechen. Dafür ist es nämlich einfach noch zu früh. Wir sind im Vergleich zur letzten Woche, in der wir das Thema ja schon einmal angerissen haben, einen erheblichen Schritt weiter; denn es gibt inzwischen eine Einigung zwischen Russen und Amerikanern auf ein schrittweises Vorgehen zur Kontrolle, Sicherung und Vernichtung von Chemiewaffen aus Syrien. Dieses Vorgehen ist durch eine geplante Befassung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen abgesichert, (außerdem durch eine Befassung) der Organisation für das Verbot chemischer Waffen mit Sitz in Den Haag, die im Übrigen inzwischen schon befasst worden ist. Insofern sind wir einen erheblichen Schritt weiter gekommen, und in diesem Zusammenhang steht die Erklärung unserer Bereitschaft, dabei technisch und finanziell mitzuwirken.

Wie wir dabei dann konkret einwirken können, wird sich natürlich sozusagen in dem Maße spezifizieren, in dem die Arbeitspläne erstellt werden und in dem konkrete Schritte durch die zuständigen Experten in Den Haag ins Auge gefasst werden. Das kann ich Ihnen im Moment noch nicht sagen. Dafür ist es einfach noch zu früh. Aber wir werden diese Gespräche führen, und wir werden diese Gespräche natürlich von unserer Seite aus in einem konstruktiven Geist und mit dem Willen führen, hilfreich zu sein.

Es geht darum - das will ich noch einmal sagen -, dass wir diese Vereinbarung jetzt auf dem Tisch haben. Ich glaube, das ist eine sehr anspruchsvolle und ambitionierte Vereinbarung, deren Umsetzung auch von den Experten in Den Haag - von der zuständigen OVCW, der Organisation für das Verbot chemischer Waffen - ein hohes Engagement und sehr große Anstrengungen verlangt. Ich glaube, in dieser Situation ist es auch die Pflicht von Mitgliedern der internationalen Staatengemeinschaft - gerade von solchen, die auch schon einmal Erfahrung mit der Vernichtung gesammelt haben -, ihre Bereitschaft zu erklären, dabei unterstützend zu wirken, damit dieses gemeinsame Interesse eben auch zu einem Erfolg werden kann.

Zusatzfrage Mänz: Herr Peschke, verknüpft die Bundesregierung mit dieser Einigung Russlands und der USA im Bereich der Chemiewaffen auch die Hoffnung, dass sich die beiden Mächte näher kommen, was einen Friedensprozess in Syrien angeht?

Peschke: Zunächst einmal muss man diese beiden Prozesse natürlich voneinander trennen. In dem einen Fall geht es um den Umgang mit dem beängstigenden Arsenal, das es übrigens noch genau zu bestimmen gilt. Das ist ja gerade der Sinn der Offenlegung innerhalb einer Woche. Also geht es zum einen um den Umgang mit dem syrischen Chemiewaffen-Arsenal. Die andere, darüber hinausgehende Frage ist natürlich die Fortsetzung oder die Wiederbelebung des politischen Prozesses in Syrien. Damit besteht insoweit ein Zusammenhang, als natürlich durch diese Einigung über die Chemiewaffen und durch hoffentlich zu erzielende Fortschritte auf dem Weg zur Kontrolle, Sicherung und Beseitigung der Chemiewaffen auch ein neues Fenster für die Diplomatie zur Beilegung der Krise und des Konfliktes in Syrien insgesamt entsteht. Aber das ist natürlich alles andere als ein Selbstläufer. Dazu wird es getrennter Anstrengungen bedürfen, und dazu müssen auch alle Konfliktparteien an einen Tisch gebracht werden. Der Weg zu einem solch umfassenden politischen Prozess und auch zu einer Konferenz, die ja von den Vereinten Nationen geplant wurde, um einen solchen Prozess zu befördern, ist ein Weg, der noch sehr lang ist und der, glaube ich, nur mit großer Beharrlichkeit, aber auch Geduld weiter betrieben werden kann.

Zusatzfrage Mänz: Wenn man sich mit Experten darüber unterhält, wie diese Kontrolle und auch weitere Schritte in Syrien aussehen könnten, was das Thema Chemiewaffen angeht, dann sagen die alle: Ganz wesentlich ist erstens, dass diese Kontrolleure Bewegungsfreiheit haben, und zweitens, dass die Sicherheit der Kontrolleure gegeben ist. Alle, mit denen ich gesprochen haben, haben gesagt: Ohne einen von beiden Seiten garantierten Waffenstillstand ist das ein utopischer Plan, wenn die Kontrolleure bestimmte Zonen einfach nicht betreten können.

Herr Seibert, schließt sich die Bundesregierung denen an und fordert einen Waffenstillstand, damit diese Chemiewaffenkontrolle auch sinnvoll umgesetzt werden kann, oder was sind Ihre Vorstellungen dazu?

StS Seibert: Herr Peschke hat ja gerade sehr klar gesagt, was unserer Haltung ist. Wir begrüßen zunächst einmal die Einigung, die die beiden Außenminister über die Vernichtung von syrischen C-Waffen erzielt haben. Das eröffnet ein Fenster der Hoffnung darauf, dass wir dabei vorankommen. Nun ist es natürlich in erster Linie an Syrien, überhaupt einmal seine C-Waffen-Bestände umfassend aufzulisten, sie vollständig offenzulegen und klar zu sagen, was in welchem Umfang an welchem Standort vertreten ist. Es ist also jetzt an der Assad-Regierung, die Umsetzung auch wirklich voranzutreiben. Wir appellieren vor allem an Russland, das erkennbar den größten Einfluss auf die syrische Regierung ausübt, sich wirklich dafür einzusetzen, dass die Assad-Regierung auch diese Vereinbarung nun in die Praxis umsetzt. Dann werden wir genau die Schritte gehen, die notwendig sind, um wirklich am Ende da anzukommen, wo wir ankommen wollen, nämlich bei aus dem Verkehr gezogenen und vernichteten C-Waffen Syriens.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert zu dem Drohnenangriff - Angriff in Anführungszeichen - am Wochenende auf einer Wahlkampfkundgebung, zu dem sich jetzt die Piraten bekannt haben: Können Sie sagen, wie Sie das bewerten und wie Sie die Urheberschaft bewerten?

An das Verteidigungs- und das Innenministerium: Wie sehen Sie das unter Sicherheitsaspekten?

StS Seibert: Ich bewerte das gar nicht. Das war ein Vorkommnis bei einer Wahlkampfkundgebung, insofern betrifft das nicht Regierungshandeln und auch nicht den Regierungssprecher.

Zusatzfrage: Kann man die Integrität der Person Merkel in diesem Fall in diese unterschiedlichen Funktionen aufspalten?

StS Seibert: Sie möchten von mir eine Bewertung, und die kann ich Ihnen nicht geben. Dass so etwas aufgeklärt werden muss, versteht sich von selbst. Auf der Basis des Ergebnisses der Untersuchung wird man dann - aber nicht ich und nicht die Bundesregierung - wird man dann weitere Überlegungen anstellen.

Teschke: Das BKA hat den Vorfall zur Kenntnis genommen und wird seine Schlüsse daraus ziehen.

Zusatzfrage: Gibt es denn für künftige Fälle sozusagen die Notwendigkeit einer gestiegenen Aufmerksamkeit? Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass dann mal nicht nur eine Kamera in so einer Drohne ist und dass so etwas auch bei anderen Kundgebungen - und möglicherweise auch mit anderen Konsequenzen - passiert.

Teschke: Die Bundeskanzlerin ist ja vom Personenschutz her die bestgeschützte Person. Insofern wird das alles in die Vorkehrungen mit einbezogen.

Vorsitzender Mayntz: Hat das Verteidigungsministerium noch Drohneninformationen?

Roth: Nein, den Worten von Herrn Seibert habe ich nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Teschke, vielleicht fangen wir dann ein bisschen früher an: Wie ist denn eigentlich die Rechtslage, was den Betrieb dieser Drohnen angeht, insbesondere bei solchen sicherheitsrelevanten Veranstaltungen. Darf da jeder mit so einem Ding rumfliegen? Das Phänomen dieser kleinen Drohnen beziehungsweise das Vorhandensein dieser kleinen Drohnen ist ja nicht erst gestern überraschend aufgetreten, sondern das gibt es ja schon seit einigen Monaten oder Jahren - die Dinger fliegen herum. Gibt es möglicherweise bereits jetzt irgendwelche Überlegungen seitens des BKA, die zur Abwehr einer damit verbundenen Gefahr geeignet sind, oder ist man davon gestern überrascht worden und wird irgendwann seine Schlüsse daraus ziehen?

Teschke: Meines Wissens war es der erste Einsatz einer Drohne bei einer Wahlkampfveranstaltung, insofern habe ich jetzt keine Kenntnis darüber, inwieweit das schon öfter vorgekommen sein soll. Ich habe jetzt aber, ehrlich gesagt, keinerlei Vorbereitung, inwiefern man sich darauf jetzt einstellt oder welche Grundlage es dafür gibt. Dem müsste ich noch nachgehen.

Zusatzfrage: Das wäre nett.

Ich möchte außerdem vielleicht doch noch einmal die Frage an Herrn Seibert wiederholen, weil es ja doch die Bundeskanzlerin ist, die davon betroffen ist - auch, wenn sie sich in ihrer Funktion als Spitzenkandidatin und Parteichefin auf einer Parteiveranstaltung aufhält. Die Sicherheitsbedürfnisse der Person Merkel lassen sich ja, wie Herr Kollege Decker schon sagte, nicht oder nur sehr unvollständig auf zwei Ämter verteilen.

StS Seibert: Es war eine Wahlkampfveranstaltung. Ich war nicht dabei. Ich habe der Bild-Berichterstattung entnommen, dass sich die Bundeskanzlerin den Vorfall relativ entspannt angeschaut hat. Im Übrigen vertraut sie darauf - wie sie das immer tut -, dass für ihre Sicherheit das Notwendige getan ist.

Frage: Herr Teschke, kann man die Täterschaft "Piraten" denn näher kennzeichnen? Ist unstrittig, wer das eigentlich veranstaltet hat?

Zweite Frage - größer gefasst -: Es gibt meines Wissens Ermittlungen im süddeutschen Raum gegen einen einschlägig bekannten Rechtsradikalen, der ähnliche Sachen bastelt und sogar mit Sprengstoff ausrüsten wollte. Tut sich hier eine Sicherheitslücke auf, oder was auch immer?

Teschke: Ich muss leider passen, ich habe keinerlei Vorbereitungen auf diese Fragen getroffen beziehungsweise mir ist jetzt auch nichts dazu bekannt. Das recherchiere ich gerne nach.

Vorsitzender Mayntz: Dann rechnen wir damit, dass wir das in unseren Verteiler nehmen.

Teschke: Das bekommen Sie, ja.

Frage: Herr Kotthaus, können Sie bestätigen, dass das Finanzministerium an einem Kompromissvorschlag für die EU-Bankenabwicklungsbehörde arbeitet? Ist es richtig, dass sich die Bundesregierung jetzt auch eine EU-Behörde vorstellen kann?

Kotthaus: Nein.

Zusatzfrage: Zu beidem nein?

Kotthaus: Ich kann es auch ein bisschen ausführlicher machen. Wir hatten in Vilnius eine sehr intensive Diskussion zu den verschiedenen Themen gehabt, wie sie für informelle Räte normal ist. Einer der Tagesordnungspunkte war die Frage des Abwicklungsregimes und damit eines Teils der Bankenunion. Wie Sie wissen, gehören dazu die Einlagensicherungsrichtlinie, die Restrukturierungsrichtlinie, der Aufsichtsmechanismus und auch der Abwicklungsmechanismus. Sie wissen, dass zum Abwicklungsmechanismus ein Vorschlag der Kommission auf dem Tisch liegt. Der wurde jetzt zum ersten Mal im Kreise der Minister diskutiert, und im Kreise der Minister wurde relativ klar, dass sehr viele Mitgliedstaaten Probleme mit dem Vorschlag haben, so wie er auf dem Tisch liegt.

Die Probleme beziehen sich auf zwei Hauptkomplexe. Das ist einmal die Frage: Ist das die richtige Rechtsgrundlage für einen derartig weitgehenden Vorschlag? - Da ist die Frage, wie weit der Artikel 114 reicht.

Das zweite Problem, das aufgeworfen wurde, war die Frage: Kann es sein, dass die Kommission Abwicklungsbehörde wird, wenn sie nicht gleichzeitig auch Beihilfebehörde ist? Auch da kamen bei mehreren Mitgliedstaaten Zweifel auf, ob das der richtige Weg ist. Der zuständige Kommissar, Herr Barnier, hat am Ende der Sitzung festgestellt, dass man jetzt einmal gucken müsse, welche Kompromisse es gibt.

Ich glaube, das richtige Gremium dafür werden die normalen Treffen der Finanzminister sein. Das nächste Treffen ist, soweit ich weiß, am 15. Oktober. Danach gibt es eins im November. Danach gibt es eins im Dezember.

Ich glaube, man kann festhalten: Der Wille, schnell eine Lösung zu finden, ist bei allen gegeben. Es ist bei allen der Wille gegeben, diese Bankenunion möglichst schnell zu vervollkommnen und abzuschließen. Sie wissen auch, dass bei allen ein Datum im Kopf ist. Das ist Mitte 2014, wenn das gegenwärtige Europäische Parlament seine Legislaturperiode beendet. Denn sie müssen da ja auch involviert werden.

Also lange Rede, kurzer Sinn: Alle haben den Willen, schnell voranzukommen. Der Vorschlag der Kommission, so wie er jetzt auf dem Tisch liegt, hat bei sehr vielen Mitgliedstaaten Fragen aufgeworfen - um nicht zu sagen: "Das kann man so nicht machen." Deswegen werden wir jetzt in dem üblichen Verfahren schauen müssen, wie es sich in Brüssel immer abspielt, welche Lösungsmöglichkeiten gegeben sind.

Aber zu dem, was Sie gerade erwähnten, die Kommission als Abwicklungsbehörde einzusetzen, gab es nicht nur von deutscher Seite, sondern von vielen Mitgliedstaaten große Fragezeichen. Deswegen wird man jetzt schauen müssen, was man machen kann.

Sie wissen, dass Deutschland in der Vergangenheit immer einen Zwei-Schritt-Ansatz vorgeschlagen hat, also einen ersten Schritt im Rahmen dessen, was die Verträge hergeben, und dann einen zweiten Schritt mit einer begrenzten Vertragsänderung, um das Ganze auf eine solide Basis zu stellen. Auch das wurde wieder in Vilnius diskutiert.

Da stehen wir im Augenblick. Alles andere wird sich in den nächsten Monaten ergeben. Dazwischen sind auch noch Wahlen, wenn ich das richtig gesehen habe. Also schauen wir einmal.

Zusatzfrage: Noch einmal die Frage: Arbeitet das Finanzministerium denn an einem Kompromissvorschlag?

Kotthaus: Liebe Kollegin, die Kompromissvorschläge müssen nicht vom deutschen Ministerium kommen, sondern es ist ein EU-Prozess. Normalerweise kommen Kompromissvorschläge von der EU-Kommission respektive, da es mittlerweile in den Händen der Präsidentschaft ist, von der Präsidentschaft. So haben sich sowohl der zuständige Kommissar als auch der Finanzminister Litauens und andere mehr eingelassen, sodass ich davon ausgehe, wir werden dann bei den normalen Treffen - also bei den nächsten Treffen im Oktober, November und Dezember - dementsprechende Kompromissvorschlage vorlegen.

Wir haben gesagt - das ist aber nichts Neues -, dass wir uns einen Zwei-Schritt-Ansatz vorstellen können. Was den Vorschlag angeht, dass die Kommission, wie gesagt, Abwicklungsbehörde sein könnte, so glaube ich nicht, dass nur die Deutschen große Fragezeichen daran setzen, sondern es sind auch sehr viele andere Mitgliedstaaten. Das wurde relativ klar bei diesem informellen Treffen.

Noch einmal: Da werden keine Entscheidungen gefällt. Da wird auch nicht abgestimmt. Da hebt keiner die Hand. Man kann nur sagen: Alle gehen in einer Runde herum. Daraus kann man als Fazit feststellen: Ja, einzelne Staaten haben den Vorschlag gut gefunden. - Aber, wie gesagt: Sehr viele Staaten haben den Vorschlag auch sehr kritisch betrachtet aus den beiden Gründen, die ich vorhin genannt habe.

Frage: Herr Kotthaus, Sie haben ja angedeutet, dass es da nicht nur politische Probleme gibt, sondern auch sehr gravierende Unterschiede in der Rechtsauffassung, was im Rahmen des geltenden EU-Vertrags möglich ist und was nicht. Ich erinnere mich, da fliegen im Augenblick auch viele Rechtsgutachten hin und her, sei es vom juristischen Dienst der Kommission oder dem des Rates. Wer legt eigentlich verbindlich fest: Was ist die korrekte Auslegung der Verträge, in deren Rahmen Sie sich bewegen müssen?

Kotthaus: Im Endeffekt werden die Minister entscheiden müssen, was der richtige Weg ist. Sie müssen immer die verschiedenen Aspekte betrachten und abwägen. Sie haben zurzeit verschiedene Gutachten, die nicht komplett kongruent sind, die aber in einzelnen Aspekten eine hohe Übereinstimmung aufweisen.

Zum Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates, auf das Sie sich beziehen: Grundsätzlich sagt der Juristische Dienst, dass Artikel 114 vorstellbar ist, aber es das Problem gibt, wie wir die Budgethoheit der Mitgliedstaaten sichern. Das ist im gegenwärtigen Vorschlag nicht ausreichend gewährleistet. Wie sichern wir das dagegen ab, dass das nicht schleichend erodiert wird? Sie fragen sich auch: Ist das wirklich die Methode, um den Binnenmarkt sicherzustellen? Ist also die Zentralisierung wirklich notwendig? Es geht also auch hier um ein abgebogenes Gutachten.

Dann gibt es die Aussage des Generalanwaltes beim Europäischen Gerichtshof in einem völlig anders gelagerten Fall. Es geht um einen anderen Sachverhalt. Aber auch dort wird geprüft: Wie weit kann man Artikel 114 ausdehnen? Wie weit kann man ihn interpretieren?

In dieser Stellungnahme des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs - das ist kein Urteil, sondern eine Stellungnahme; dieser würde aber normalerweise der EuGH folgen; so war es zumindest in der weit überwiegenden Zahl der Fälle in der Vergangenheit - sagt der Generalanwalt: Vorsicht, Artikel 114 ist in dem Fall, den er betrachtet, zu weitgehend ausgelegt.

Dieser Fall - da geht es um das Verbot der Leerverkäufe, "naked short selling" - ist eigentlich weniger tief eingreifend als das, was die Kommission mit dem Abwicklungsmechanismus vorschlägt. Also man könnte auch da mit dem juristischen Argument argumentieren: Wenn das schon nicht geht, dann kann das andere erst recht nicht gehen.

Es gibt da verschiedene Fragen. Im Endeffekt werden alle im Saal überzeugt sein müssen, dass die Version, die dann zur Entscheidung auf dem Tisch liegt, all die Kriterien, die ich jetzt erwähnt habe, erfüllt: dass sie eine vernünftige Rechtsgrundlage haben und keine Interessenkonflikte bestehen zwischen der Kommission als Abwicklungsbehörde und als Beihilfebehörde. Das wird dann ein Prozess sein - wir müssen uns eben annähern -, bis alle überzeugt sind: Ja, das ist jetzt richtig.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 16. September 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/09/2013-09-16-regpk.html;jsessionid=03B77899560383C0E5C1333942EE4C59.s2t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2013