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PRESSEKONFERENZ/743: Regierungspressekonferenz vom 24. Februar 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 24. Februar 2014
Regierungspressekonferenz vom 24. Februar 2014

Themen: Situation in der Ukraine, Abhörmaßnahmen der NSA in Deutschland, Besuch der Bundeskanzlerin in London, Causa Edathy, Personalie

Sprecher: StS Seibert, Chebli (AA), Paris (BMI), Rülke (BMJ), Diroll (BMZ), Ulbert (BMZ)



Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Meine Damen und Herren, ich wollte noch einmal kurz mit Ihnen über die Situation in der Ukraine und die Ereignisse des Wochenendes sprechen. Es ist ja so, dass sich die Entwicklungen in der Ukraine über das Wochenende hinweg sehr beschleunigt haben. Zunächst war ein ganz wichtiger Schritt, dass es am Freitag mithilfe von Außenminister Steinmeier, seiner französischen und polnischen Kollegen sowie eines Sondergesandten des russischen Präsidenten möglich war, eine Vereinbarung zwischen Janukowitsch und der Opposition zu erreichen. Daraufhin hat sich augenscheinlich eine neue Mehrheit im Parlament gefunden, die bedeutende formelle und personelle Entscheidungen für die Übergangszeit getroffen hat. Es ist - das ist vielleicht das Allerwichtigste - in der Ukraine ganz überwiegend friedlich geblieben, und das ist nach den Tagen, in denen wir entsetzliche Szenen und entsetzliches Blutvergießen verzeichnen mussten, sicherlich eine sehr erfreuliche Entwicklung, die wir begrüßen. Aber die Lage bleibt sehr angespannt und sehr unsicher.

In dieser Situation hat die Bundeskanzlerin Kontakte gehabt und mehrere Telefonate mit den Oppositionsführern Klitschko und Jazenjuk sowie mit Frau Timoschenko geführt. Sie hat ebenso Telefonate mit Präsident Putin und mit Frankreichs Staatspräsident Hollande geführt. Ein Gespräch mit dem bisherigen Präsidenten Janukowitsch kam nicht zustande. In all diesen Gesprächen hat die Bundeskanzlerin um Augenmaß geworben. Alle müssen nach unserer Überzeugung ein Interesse daran haben, dass die Ukraine zu einem rechtsstaatlichen und transparenten Prozess zurück findet, damit die Krise demokratisch gelöst werden kann. Jetzt ist die Chance dafür gegeben. Die Akteure müssen ihrer Verantwortung gerecht werden. Diejenigen, die jetzt die Verantwortung übernehmen, müssen den Zusammenhalt des Landes wahren, und diese Absicht muss sich in der Zusammensetzung, in den politischen Inhalten und auch im Ton einer neu zu bildenden Regierung widerspiegeln. Das muss berücksichtigt werden. Das gilt gerade auch mit Blick auf den Osten der Ukraine sowie auf den Süden des Landes, die Krim.

Am Ende des Übergangs sollten dann nach Überzeugung der Bundesregierung transparente, freie, faire und demokratische Wahlen stehen, die eine volle demokratische Legitimation für die neugewählte politische Führung begründen. Die EU und auch Deutschland werden dazu ihren Beitrag leisten. Heute ist Lady Ashton in Kiew. Dort werden möglicherweise auch weitere Unterstützungsmaßnahmen diskutiert werden.

Frage: Herr Seibert, ich habe zwei Fragen, wenn Sie gestatten. Zuerst einmal: Können Sie vielleicht noch einmal ein bisschen erläutern, inwiefern das Gespräch mit Herrn Janukowitsch nicht zustande kam? Hatte das technische Gründe, lag es daran, dass Herr Janukowitsch nicht mit der Kanzlerin sprechen wollte, oder hatte das andere Gründe?

Zweite Frage: Macht sich die Kanzlerin denn Sorgen um die körperliche Unversehrtheit von Janukowitsch?

StS Seibert: Das Gespräch kam nicht zustande. Die Gründe dafür kann ich Ihnen nicht nennen. Es wäre der Wunsch der Kanzlerin gewesen, dass das Gespräch zustande kommt. Woran das dann gescheitert ist, kann ich hier nicht sagen.

Es versteht sich von selbst, dass wir für einen in jeder Weise friedlichen Übergang zu einer neuen, rechtsstaatlichen, demokratischen Ukraine werben, und das tun wir auf allen Seiten.

Frage: Ich habe eine Frage, die am Freitag bereits gestellt wurde. Es gibt Meldungen darüber, dass an die 30 schwerverletzte Demonstranten in der Charité behandelt werden sollen. Heute oder morgen sollen die ankommen. Ist das richtig?

Chebli: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Die Informationen habe ich gelesen, aber ich kann sie nicht bestätigen.

Frage: Ich würde gerne auf die Gespräche zwischen Frau Merkel und Frau Timoschenko zurückkommen. Gab es irgendwelche konkreten Termine? Wann könnten sich Frau Merkel und Frau Timoschenko treffen, auch wegen der Behandlung Frau Timoschenkos in Deutschland?

StS Seibert: Nein, es gab keine konkreten Terminabsprachen. Die Bundeskanzlerin hat angeboten - das haben wir dann ja auch öffentlich gemacht -, dass die weitere medizinische Rehabilitation von Frau Timoschenko, wenn sie das für geeignet hält, natürlich auch hier in Deutschland vorgenommen werden kann. Aber es gab keine Terminabsprache.

Frage: Herr Seibert, aus der Ukraine hört man jetzt, es solle möglichst innerhalb von zwei Wochen eine Geberkonferenz geben. Halten Sie diesen Zeitrahmen für realistisch?

StS Seibert: Ich habe jetzt keine Zeitrahmen zu bewerten oder Zeitpläne aufzustellen. Es ist ganz klar, dass die Ukraine ein großes Land in einer schwierigen Situation ist. Es liegt in unserem Interesse und auch im Interesse aller Partner, mit denen die Bundeskanzlerin gesprochen hat, dass die Ukraine nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich in eine Situation der Stabilität hineinkommt. Die Unterstützung vonseiten Europas und auch der Staatengemeinschaft an sich muss deshalb einen umfassenden Ansatz haben. Es ist ja bereits auf europäischer Ebene zur Sprache gebracht worden, dass der IWF helfen kann. Der IWF wäre auch genau der richtige Partner. Er kann dann helfen, wenn sich eine Übergangsregierung auf wichtige Reformen verständigt, die eben auch notwendig sind, um die wirtschaftlichen Probleme des Landes langfristig in den Griff zu bekommen.

Zusatzfrage: Was die Hilfe angeht, stehen ja enorme Zahlen im Raum, zuletzt 25 Milliarden Euro. Ist das auch der Rahmen, von dem die Bundesregierung ausgeht?

Wenn ich es richtig sehe, hat die EU bislang etwa 1 Milliarde Euro zugesagt. Bleibt es dabei?

Egal, um wie viel Geld es bei der EU geht: Ist Deutschland mit den üblichen Anteil dabei, oder könnte das mehr sein?

StS Seibert: Ich glaube, dass es in dieser schwierigen Situation - ich habe ja zu schildern versucht, wie sie sich in den letzten Tagen sehr dynamisch entwickelt hat - wirklich zu früh dafür ist, mit konkreten Zahlen zu hantieren. Die Hauptelemente einer möglichen Unterstützung sind, wie gesagt, bekannt. Es kann eine Hilfe des IWF geben, der wirtschaftliche Reformen so unterstützend begleitet. Die EU ist, wie sie gesagt hat, unter den gleichen Voraussetzungen - also der Voraussetzung der Reformbereitschaft - bereit, mithilfe der Makrofinanzhilfe das Land zu unterstützen. Weitere Unterstützungsmöglichkeiten werden zurzeit geprüft. Auch diesem Ziel dient ja der Besuch von Lady Ashton in Kiew.

Ich will hier nicht mit Zahlen hantieren. Auch Bundesminister Müller hat ja schon verdeutlicht, dass die Bundesregierung ebenfalls bereit ist, sich im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit noch intensiver zu engagieren, um bei anstehenden Reformen zu helfen. Aber noch einmal: Das muss sicherlich ein umfassender Prozess werden - multilateral, nicht nur auf nationaler oder bilateraler Ebene.

Frage: Es wird ja immer wieder gesagt, dass Finanzhilfe in Verbindung mit Reformen geleistet werden könne. Können Sie ein paar Beispiele dafür nennen, welche Reformen die Bundesregierung in der Ukraine für notwendig hält?

StS Seibert: Ich habe hier keine Reformliste vorzulegen. Es ist klar, dass das dann in Gesprächen zum Beispiel des IWF mit der neuen politischen Führung des Landes, der neuen Regierung der Ukraine, zu leisten sein wird. Wir hören ja aus der Ukraine, dass die wirtschaftliche Situation sehr schwierig ist und sich zuspitzt. Deswegen, denke ich, werden auch in der Ukraine sehr klare Vorstellungen davon herrschen, was sich ändern soll. Der IWF wird mit seiner Erfahrung im Umgang mit Staaten mit Problemen auch eigene Vorstellungen haben.

Chebli: Ich wollte nur Folgendes ergänzen: Gestern hat der Minister gesagt, dass er in Washington auf jeden Fall mit dem IWF - eventuell mit Frau Lagarde - sprechen möchte, um genau über die Frage der Finanzhilfen und darüber, wie diese Finanzhilfen aussehen können, zu sprechen. Für den Minister, der ja die ganze Zeit über auch in sehr engem Kontakt mit der Kanzlerin und mit Akteuren in der Ukraine steht, ist ganz klar, dass wir jetzt schnell handeln müssen, und zwar nicht nur im Hinblick auf eine nationale Einheit, sondern auch im Hinblick darauf, dass wir verhindern müssen, dass dieses Land finanziell bankrott geht. Deutschland wird sich maßgeblich daran beteiligen.

Vielleicht noch eine Information: Das Auswärtige Amt hat unter der Leitung von Staatssekretär Ederer gestern eine Arbeitsgruppe zur Ukraine gebildet, in die auch Vertreter anderer Ressorts eingebunden werden sollen, um ein kohärentes Auftreten der Bundesregierung weiterhin zu sichern und um letztendlich den Weg der Ukraine in Richtung wirtschaftlicher Stabilität und politischer Einheit zu begleiten.

Zusatzfrage: Herr Seibert, hängt die Position in puncto Hilfe auch davon ab, welche konkreten Personen in die Regierung der Ukraine kommen? Wird sich die Haltung der Bundesregierung ändern, wenn zum Beispiel jemand aus dem rechten Sektor zum Ministerpräsidenten oder Wirtschaftsminister ernannt wird?

StS Seibert: Die Bundesregierung versteht die Ereignisse in der Ukraine in den letzten Tagen und Wochen als einen ganz deutlichen Ausdruck, dass die ukrainische Bevölkerung Rechtsstaat, Frieden, Demokratie und Freiheit will. Es ist natürlich an den Bürgern der Ukraine, nun den Weg zu bestimmen, den das Land nach dieser schweren Krise aus dieser schweren Krise heraus geht und unter welcher politischen Führung sie ihn geht.

Wir haben immer ganz klar gemacht: Wir unterstützen den Wunsch, den Hunderttausende von Ukrainern auf den Straßen ausgedrückt haben, dass europäische Werte von Rechtsstaat, Demokratie und freier Meinungsäußerung in ihrem Land die Oberhand gewinnen sollen. So verhalten wir uns auch in unseren Gesprächen mit den ukrainischen Parteien.

Frage: Herr Seibert, erwartet die Bundesregierung, dass dieses Assoziierungsabkommen mit der EU relativ rasch unterzeichnet wird oder wäre es sinnvoller, wenn man damit bis nach den Wahlen am 25. Mai warten würde?

StS Seibert: Wir haben immer gesagt, dass die Tür weiterhin offen steht, dass die Ukraine dieses Assoziierungsabkommen tatsächlich auch unterzeichnet. Ich denke, in diesen Tagen ist erst einmal die Herstellung einer gewissen politischen und staatlichen Stabilität in der Ukraine vorrangig. Aber wie gesagt: Die Tür steht offen - das ist immer gesagt worden, und das bleibt auch weiterhin richtig.

Zusatzfrage: Zum ersten Mal ist in einem EU-Dokument die Formulierung aufgetaucht, dass dieses Assoziierungsabkommen nicht der letzte Schritt sein muss. Frau Timoschenko hat am Samstag auf dem Maidan ja wohl klar gesagt, dass sie davon ausgeht, dass die Ukraine in ein paar Jahren Mitglied der EU ist. Schließt die Bundesregierung diese Perspektive immer noch kategorisch aus, wie das bisher der Fall war, wenn ich das richtig wahrgenommen habe, oder sieht man schon die Möglichkeit, dass irgendwann auch die Ukraine EU-Mitglied sein könnte?

StS Seibert: Wir haben immer gesagt, dass der Abschluss des Assoziierungsabkommens eine Dynamik in Bewegung setzen könnte, von der die Ukraine dann auch in anderer Weise noch weiter profitieren könnte. Gleichzeitig sollten wir hier nicht Erwartungen schüren oder Hoffnungen wecken, die nicht zu erfüllen sind.

Ich glaube, wir sollten uns jetzt auf das konzentrieren, was Europa tun kann und wozu Deutschland seinen Beitrag leisten will, nämlich die Ukraine auf diesem Weg aus der Krise heraus zu begleiten, Reformen zu unterstützen und unsere Unterstützung immer wieder anzubieten.

Wie wir es immer gesagt haben: Das Angebot für ein Assoziierungsabkommen, das großen Nutzen für die Ukraine hätte, besteht unverändert fort.

Frage: Herr Seibert, vielleicht könnten Sie Näheres zum Telefongespräch von Frau Bundeskanzlerin Merkel mit Frau Timoschenko erzählen. Ich sage Ihnen auch, warum ich frage: Von ukrainischer Seite gibt es Meldungen, dass Frau Merkel gesagt hat, die Rückkehr von Frau Timoschenko in die große Politik sei einer der wichtigsten Faktoren. Das sieht für mich schon nach einer klaren Unterstützung von Frau Timoschenko als Politikerin aus. Können Sie das vielleicht ein bisschen klären?

StS Seibert: Ich kann aus diesem vertraulichen Gespräch nur noch einmal das sagen, was wir am Wochenende bereits bekannt gegeben haben. Die Bundeskanzlerin hat Frau Timoschenko in der Freiheit willkommen geheißen. Es ist natürlich unsere Überzeugung, dass das gut ist. Wir haben uns sehr gefreut, dass die Befreiung von Frau Timoschenko möglich war.

Es wurde über das Angebot gesprochen, die medizinische Rehabilitation möglicherweise hier in Deutschland ablaufen zu lassen. Es wurde dann, wie bei den anderen Gesprächen auch, über unsere Überzeugung gesprochen, dass die Einheit des Landes zu bewahren ist, dass das ein sehr wichtiger politischer Punkt ist, dass es deswegen auch notwendig ist, jetzt auf die östlichen, auf die südlichen Landesteile der Ukraine zuzugehen, dass es notwendig ist, in der ehemaligen Opposition den Zusammenhalt zu bewahren, damit die Früchte der letzten Tage, die ja nun wirklich blutig erkauft worden sind, der Bevölkerung auch mittel- und langfristig zugutekommen.

Zusatzfrage: Aber man darf ja nicht sagen, dass die Bundesregierung jetzt auf Frau Timoschenko als zukünftige Präsidentin oder Ministerpräsident des Landes besondere Hoffnungen setzt?

StS Seibert: Ich habe Ihnen zu dem Gespräch das gesagt, was ich zu dem Gespräch zu sagen habe.

Frage: Ich muss jetzt doch noch einmal nachfragen, was die Wiedergabe des Gesprächs der Kanzlerin mit Frau Timoschenko von ukrainischer Seite angeht, was auch gerade die Kollegin erwähnt hat. Es gibt offensichtlich zwei Dinge, die das Lager von Frau Timoschenko über das Gespräch berichtet, was Sie nicht bestätigen können. Das eine ist das, was die Kollegin gerade gesagt hat, und das andere ist ein baldiges Treffen, das angeblich besprochen wurde, von dem das Timoschenko-Lager gesprochen hat. Wie kommt denn so etwas? Haben da beide Seiten verschiedene Gespräche wahrgenommen? Können Sie das irgendwie erläutern?

StS Seibert: Sie müssen bestimmte Fragen natürlich in Kiew stellen. Grundsätzlich sind es vertrauliche Gespräche, die die Bundeskanzlerin führt, aus denen wir das aus unserer Sicht Wichtigste dann bekannt geben. Das habe ich in diesem Zusammenhang getan. Ich habe gesagt, es sind keine Termine für Begegnungen besprochen worden. Jetzt werden wir weitersehen.

Es ist an den Bürgern der Ukraine und an den jetzt politisch Verantwortlichen, auch das richtige Personal zu finden, um die Krise zu überwinden. Das haben wir von außen nicht durch Wünsche oder Forderungen zu begleiten.

Frage: Hatte die Kanzlerin denn in den letzten Tagen noch einmal direkten telefonischen Kontakt mit Herrn Klitschko?

StS Seibert: Ja, ich hatte gesagt, dass es am Wochenende auch einen Kontakt mit Herrn Klitschko und Herrn Jazenjuk gab.

Frage: Herr Seibert, als die Kanzlerin im Herbst erfuhr, dass ihr Handy von der NSA abgehört wurde, hat sie gesagt: Das geht gar nicht. - Nun lassen Presseberichte vermuten, dass sie indirekt weiter abgehört wird, weil nämlich ihr komplettes Umfeld von den Amerikanern abgehört wird. Können Sie sich dazu äußern?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat über diese in der Berichterstattung aufgestellten Behauptungen keine eigenen Erkenntnisse. Deswegen kann ich hier auch zu Einzelheiten keine Kommentare abgeben.

Zusatzfrage: Werden Sie denn versuchen, eigene Erkenntnisse dazu bekommen? Denn es kann Ihnen ja nicht passen, was Sie da lesen.

StS Seibert: Wir sind natürlich ohnehin seit Monaten dabei, Sachaufklärung zu betreiben, und natürlich werden alle neuen Berichte, wo auch immer sie herkommen und wie auch immer sie faktisch gestützt sind, zum Anlass genommen, diese Sachaufklärung auch weiterzutreiben. Das ist ganz klar.

Ich möchte aber trotzdem noch einmal darauf hinweisen: Es geht für die Bundesregierung und ging auch nie nur um ein einzelnes Handy oder um das Handy von Ministern. Es ging immer um den Anspruch der Menschen in Deutschland, dass ihre Rechte gewahrt bleiben. Deswegen bleibt es für uns das Entscheidende, dass auf deutschem Boden auch deutsche Gesetze eingehalten werden und dass die Bürger sich darauf verlassen können. Das ist die Überzeugung, die wir vertreten und auch weiterhin vertreten werden.

Zusatzfrage: Nun gibt es ja von einigen Abgeordneten aus der Koalition die ziemlich deutliche Ansage: Die hören damit nicht auf; daher müssen wir jetzt mal zurückschlagen. - Ist das eigentlich auch die Meinung der Bundesregierung?

StS Seibert: Die Bundesregierung vertritt diese feste Überzeugung, die ich Ihnen gerade gesagt habe.

Es ist erkennbar, dass es zwischen den amerikanischen Partnern und uns zum Teil unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, wie das Verhältnis von Sicherheit und Eingriff in Freiheit zu gestalten ist. Wir werden diese Überzeugung weiterhin vertreten. Wir brauchen und wollen die Zusammenarbeit mit den USA auch auf dem Gebiet der Nachrichtendienste. Aber wir müssen eben auch immer wieder dafür werben, dass die Mittel, die wir in dieser Zusammenarbeit anwenden, auch im rechten Verhältnis zu den Gefahren stehen, gegen die sie eingesetzt werden. Dieses Problem der Verhältnismäßigkeit ist zentral und muss immer wieder angesprochen werden.

Frage: Ich hätte im Zusammenhang mit den Fragen der Kollegin eine Frage an Herrn Paris. Wie bewertet denn Innenminister de Maizière die Darstellung, dass er offensichtlich in der Vergangenheit massiv abgehört wurde und immer noch abgehört wird? Passt ihm das?

Paris: Ich habe den Äußerungen von Herrn Seibert, der das Thema sehr, sehr umfänglich hier beantwortet hat, überhaupt nichts hinzuzufügen. Er hatte ja am Anfang seines Statements auch deutlich gemacht, dass das eine Berichterstattung ist, die sich auf namentlich nicht genannte Quellen bezieht. Das habe ich nicht weiter zu kommentieren.

Frage: Herr Seibert, können Sie bitte die Prioritäten für den Besuch der Bundeskanzlerin am Donnerstag in London nennen?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin - darüber haben wir am Freitag hier schon gesprochen - hat die große Ehre vor sich, als erste deutsche Bundeskanzlerin, und ich glaube als erste deutsche Politikerin, seit Mitte der 80er-Jahre vor beiden Häusern des Parlaments zu sprechen. Sie empfindet das als eine Ehre und wird sicherlich in ihrer Rede auch Grundzüge unserer Überzeugungen, sowohl, was das deutsch-britische Verhältnis bilateral, als auch, was unsere Überzeugungen von Europa betrifft, ausdrücken.

Ansonsten hat sie eine Begegnung mit Premierminister Cameron und zu ihrer Freude auch die Ehre einer Audienz bei der Königin.

Es wird ein Tag sein, an dem das deutsch-britische Verhältnis in all seiner Tiefe und seiner bewährten Freundschaft im Mittelpunkt stehen wird.

Frage: Zu dem Komplex Edathy: Die Staatsanwaltschaft wird ja wohl ein Ermittlungsverfahren einleiten, wogegen vor allen Dingen die CSU stark Sturm läuft und was sie unmöglich findet. Wie beurteilt die Kanzlerin den Fall im Moment?

An Herrn Paris die Frage: Braucht das BKA aus Ihrer Sicht deutlich mehr Personal?

StS Seibert: Ich habe hier für die Bundeskanzlerin in den vergangenen Regierungspressekonferenzen sehr ausführlich über den Fall Edathy berichtet. Es gibt keinen neuen Stand, auf den ich hier eingehen könnte. Deswegen gebe ich an Herrn Paris weiter.

Paris: Ich kann zu dem Stand der Bemühungen der Staatsanwaltschaft auch nichts beitragen; ich habe auch nur am Wochenende gelesen, was dazu berichtet worden ist.

Bei Ihrer zweiten Frage an mich gehe ich davon aus, dass Sie die Berichterstattung in der "Bild"-Zeitung von heute ansprechen. Ist das richtig? - Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal daran erinnern, dass sich der Präsident des Bundeskriminalamtes, Herr Ziercke, in der vergangenen Woche am Mittwoch nach der Sitzung des Innenausschusses, in der er befragt worden ist, sehr umfassend geäußert hat. Er hat sich auch zu dem Thema, das heute via diese Zeitung und vereinzelte Protagonisten, die da zu Wort kommen, angesprochen wurde, denke ich, ganz klar eingelassen, weshalb ich Ihre Frage zunächst einmal mit Nein beantworten würde.

Aber ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen wörtlich zu zitieren, was der BKA-Präsident gesagt hat - ich zitiere nur die entscheidenden Sätze -:

"Im Oktober 2011 wurde dem Bundeskriminalamt von den Kanadiern insgesamt 450 Gigabyte Beweismaterial zu etwa 800 deutschen Kunden übergeben. (...) Das Bundeskriminalamt konnte wegen eines anderen größeren Ermittlungsverfahrens - zum selben Zeitpunkt lief die Operation "Tornado" mit etwa eintausend Beschuldigten in Deutschland (...) - mit den konkreten Ermittlungen in der Sache Kanada erst 2012 beginnen und im November 2012 die 16 Bundesländer auch um Unterstützung, das heißt um Anreicherung der Informationen, bitten. (...)

Da unterschiedliche Bestelladressen zwischen Wohnort und Bestellort vorlagen - bei einem Wechsel des Wohnorts innerhalb von acht, neun Jahren, denn der Beginn der Maßnahmen datiert zurück in Kanada bei dieser Firma bis ins Jahr 2004 -, wurde die Liste an alle Landeskriminalämter verschickt, und zwar nur auf der Ebene der Spezialisten der Dienststellen für Kinderpornografie. Das war auch so mit der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt, die unser Ansprechpartner als Bundeskriminalamt ist, vereinbart.

Auf einer Liste mit 80 Personen war dann auch der Name Edathy. Dass es sich um den ehemaligen Abgeordneten handelte, war bis dahin nicht bekannt. Das Land Niedersachsen, das Landeskriminalamt leitete die Anfrage, die wir an die Niedersachsen gerichtet hatten, zur Bestelladresse in den Bereich der Polizeiinspektion Nienburg-Schaumburg weiter.

Das BKA erfuhr dann am 15.10.2013 genau um 15.21 Uhr durch den Rückruf eines Kommissariatsleiters von der Polizeiinspektion in Nienburg davon, dass es sich bei Edathy um den ehemaligen Bundestagsabgeordneten handelte. Es gab also - das ist mir wichtig zu betonen - keine gezielte Übermittlung der Personalie Edathy an andere Bundesländer. Jeder wurde auf dieser Liste gleich behandelt."

Dem habe ich nichts hinzuzufügen, und ich beantworte Ihre Frage vor diesem Hintergrund mit Nein.

Frage: Dazu gleich noch eine Nachfrage, Herr Paris; ich habe es noch nicht ganz verstanden: Wurden an die Niedersachsen nur die Informationen zu den möglicherweise betroffenen niedersächsischen Kunden geschickt? Hatte man das da sozusagen nach Bundesländern aufgesplittet?

Paris: Das liegt, Frau Müller, daran, dass das Bundeskriminalamt in solchen Verfahren selbst nicht als Ermittlungsbehörde tätig wird, sondern das Bundeskriminalamt die sogenannte Zentralstellenfunktion innehat. Wir leben in einem föderalen Staat. Die Polizeiangelegenheiten sind Sachen der Länder. Wenn es Hinweise aus dem Ausland gibt, dann können diese Hinweise nur über eine zentrale Stelle an Deutschland herangetragen werden. Das ist das Bundeskriminalamt. Dieses gibt dann diese Hinweise an die zuständigen ermittelnden Behörden weiter. Das sind alle Polizeibehörden der Länder, sprich: die LKÄ. Das ist ein geübtes und seit vielen Jahren auch gewöhnliches Verfahren, das so auch mit der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main abgestimmt ist.

Um das vielleicht einmal plastisch zu machen: Sie müssen sich das so vorstellen, dass beim BKA solche Hinweise und Informationen anlangen, und dann verteilen die Spezialisten des BKA das quasi in 16 Landes-Körbchen. Dann wird es dorthin geschickt, und die Ermittlungen und alles, was daraus weiter an Schlussfolgerungen gezogen werden muss, ist dann Aufgabe der Landespolizeibehörden.

Zusatzfrage: Das verstehe ich. Meine Frage war: Lagen in dem Landes-Körbchen Niedersachsen nur die Niedersachsen, oder lagen da alle Verdächtigen?

Paris: Nein. Das habe ich ja gerade vorgelesen. Es geht bei den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen immer um das sogenannte Wohnortprinzip. In Niedersachsen landen all die Fälle von Personen an, die wohnhaft in Niedersachsen sind - so wie auch in anderen Bundesländern die vielen Fälle anlanden, bei denen sich aus dem Wohnortprinzip die Zuständigkeit für die entsprechenden Landesbehörden ergibt.

Zusatzfrage: Wie läuft denn da die Auswahl? Da muss ja irgendjemand im BKA - ob das nun ein Computer oder ein Mensch war - gesehen haben: Nienburg. Der hat also zumindest den Ort gesehen. Muss man da mutmaßen, dass er möglicherweise auch den Namen gesehen hat? Hat irgendjemand im BKA mutmaßlich den Namen "Sebastian Edathy" schon einmal gelesen, bevor er weitergegeben wurde?

Paris: Davon gehe ich aus, ja.

Zusatzfrage: Erstaunt es Sie, dass da bei niemandem Alarmglocken geklingelt haben? Der Mann war ja kein unbekannter Hinterbänkler.

Paris: Wenn Sie sich die Vielzahl der Namen anschauen, die ich gerade auch zitiert habe - der BKA-Präsident hatte ausgeführt, dass rund 800 deutsche Kunden aus Kanada entsprechend erwähnt worden sind -, dann ist da eine sehr umfängliche Arbeit geleistet worden, und ich teile Ihre Bewertung nicht, nein. Das liegt an der Zentralstellenfunktion des Bundeskriminalamtes.

Frage: Herr Paris, ich habe dazu eine Nachfrage, weil ich eine Sache immer noch nicht verstehe. Wenn im Oktober 2011, wenn ich es richtig verstanden habe, die Informationen beim BKA gelandet waren und man damals, wie Sie ja berichtet haben, wegen der Ermittlungseinheit "Tornado" nicht in der Lage war, sich selbst darum zu kümmern, und das deswegen erst 2012 an die LKAs ging, warum hat man nicht einfach schon im Oktober 2011, wenn man das doch sowieso abgegeben hat, sofort diese Informationen an die LKÄ weitergegeben?

Paris: Zunächst einmal habe ich nicht selbst berichtet, sondern ich habe mehrfach deutlich gemacht, dass ich wortwörtlich referiere. Das ist mir wichtig; das ist ein gewisser Unterschied.

Der zweite Punkt ist der, dass die Dinge so bearbeitet werden, wie sie auch im BKA eingehen. Das muss dann sorgfältig bearbeitet werden, und das brauchte aufgrund der Belastung durch ein anderes noch laufendes Verfahren eine gewisse Zeit. Das ist so.

Zusatzfrage: Das heißt, man hat ungefähr ein Jahr gebraucht, um alleine die Informationen weiterzugeben? Man konnte nicht einmal die Informationen weitergeben?

Paris: Aber ich habe Ihnen doch vorgelesen, was der BKA-Präsident, ich glaube, sehr umfänglich dazu gesagt hat. Ich glaube, das, was er nach der Innenausschusssitzung am vergangenen Mittwoch dazu gesagt hat, erklärt auch all die Fragen, die Sie mir gerade stellen.

Ich kann Ihnen das gerne noch einmal vorlesen. Ich habe es bewusst heute vorgelesen, denn nach der Innenausschusssitzung war viel los. Da wird vielleicht nicht all das gehört, was gehört werden sollte. Deshalb habe ich dies zum Anlass genommen, heute aus der Mitschrift dieses Statements vorzulesen.

Ich glaube, dass er gegenüber den Journalisten, die sich am vergangenen Mittwoch um 13 Uhr vor dem Sitzungsraum des Innenausschusses aufgehalten haben, eine sehr nachvollziehbare und auch gute Begründung offen abgegeben hat. Das ist auch live übertragen worden. Ich habe aus der Originalquelle zitiert. Wenn Sie mir bei der Zitierweise nicht so ganz trauen: Das hat er gesagt. Ich finde, die Erklärung ist so auch nachvollziehbar und richtig.

Frage: Ich habe noch eine Frage zu den möglichen Ermittlungen gegen Herrn Friedrich. Nachdem es hier zunächst ein bisschen Unklarheit gab, ist jetzt, glaube ich, geklärt, dass es dann eine Ermächtigung aus dem Innenministerium geben müsste. Wäre das nur eine Formsache, oder gibt es dann tatsächlich eine eingehende Prüfung, bevor der Innenminister sagt, ja, Sie dürfen formell ermitteln?

Paris: Ihre Frage bleibt bis zur Stunde immer noch eine hypothetische Frage, weil ich nicht beantworten kann, was die Staatsanwaltschaft tun wird. Ich würde aber sagen: Sobald eine Staatsanwaltschaft, egal welche, mit einem Begehren an unser Haus herantreten würde, dann würden wir dies prüfen und bescheiden.

Ich habe im Moment nicht mehr dazu zu sagen, tut mir furchtbar leid.

Zusatzfrage : Kennt sich vielleicht das Justizministerium aus der Vergangenheit mit solchen Geschichten aus? Ist das normalerweise eine Formsache, oder schaut man sich da die Unterlagen noch einmal ganz genau an?

Rülke: Einen Hinweis vorab: Wir reden hier immer noch von einem möglichen Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft Berlin selbst hat immer noch nicht bestätigt, dass es zu einem Ermittlungsverfahren kommen wird. Das heißt, wir sind hier in mehreren Hypothesen unterwegs.

Nein, ich habe keinerlei Erfahrung, wie das mit Ermittlungen gegen Minister ist. Das ist mir nicht bekannt, tut mir leid.

Diroll: Eine kurze Meldung aus unserer Pressestelle: Das Team des BMZ ist seit heute komplett. Ich darf Ihnen sagen, dass ich mich freue, mit allesamt Kollegen aus dem Haus ein sehr erfahrenes Team an meiner Seite zu wissen. Katharina Mänz kennen Sie bereits alle. Frau Veronika Ulbert möchte sich gerne bei Ihnen heute vorstellen. Vierter im Bunde ist René Franke, der heute seinen ersten Arbeitstag hat und in Zukunft auch gerne zu Ihnen in die Bundespressekonferenz kommt.

Wir können Sie nur dazu einladen: Fragen Sie uns. Wir wechseln auch gerne mal den Platz für Sie und kommen hier nach vorne. - Vielen Dank.

Ulbert: Mein Name ist Veronika Ulbert. Ich bin seit zwölf Jahren im BMZ und seit einigen Wochen in der Pressestelle. Ich hoffe, dass ich Ihnen gut Auskunft geben kann.

Vorsitzender Leifert: Vielen Dank. Auf gute Zusammenarbeit! Ich habe auch für Sie ein kleines Begrüßungspaket. Das überreiche ich Ihnen gleich im Anschluss.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 24. Februar 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/02/2014-02-24-regpk.html;jsessionid=062BD84E6F24431030B722ED5B7C138B.s4t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2014