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PRESSEKONFERENZ/807: Merkel, Reinfeldt, Cameron und Rutte zum informellen Treffen der Regierungschefs, 10.06.14 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz in Schweden - Dienstag, 10. Juni 2014
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, schwedischem Ministerpräsident Reinfeldt, britischem Premierminister Cameron und niederländischem Ministerpräsident Rutte zum informellen Treffen der Regierungschefs

Sprecher: Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Premierminister David Cameron, Ministerpräsident Dr. Mark Rutte

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)



MP Reinfeldt: Ich begrüße Sie alle sehr herzlich, auch meine Kolleginnen und Kollegen, zu diesem wunderbaren Treffen bei bestem Wetter in Schweden. Es ist schön, dass Sie alle hier sind.

Ich möchte beginnen, indem ich darauf hinweisen, dass das Treffen in Harpsund zu einem Zeitpunkt stattfindet, zu dem sich die Europäische Union allmählich aus der Krise heraus bewegt und sich wichtigen institutionellen Veränderungen gegenübersieht. Die Länder, die in Harpsund vertreten sind, sind alle reformorientierte Länder; sie konzentrieren ihre Wirtschaftspolitik darauf, wie man die Wettbewerbsfähigkeit verbessern kann, um so neue Arbeitsplätze und Wachstum zu generieren. Die vier hier vertretenen Länder sind gemäß dem "World Economic Forum" in Davos auf der Liste der zehn wettbewerbsfähigsten Länder der Welt. Deshalb ist es sehr nützlich und wertvoll für uns alle, einen Erfahrungsaustausch im Rahmen dieser Gruppe der "like-minded countries" durchzuführen.

Unter anderem haben wir uns heute darüber unterhalten, wie die EU sich an die sich verändernde Weltwirtschaft anpassen kann, in der das Gewicht der entwickelten Volkswirtschaften allmählich zurückgeht. Dazu gehört auch die EU, während gleichzeitig 50 Prozent der Sozialausgaben der Welt auf die EU entfallen und die Bevölkerung immer älter wird.

Bei dem heutigen und gestrigen Treffen ging es darum, weitere Arbeitsplätze in unseren Volkswirtschaften zu schaffen. Die Veränderung in der Weltwirtschaft macht es erforderlich, dass wir uns reformieren, dass wir unsere Industrien, unsere Arbeitsmärkte, unsere Bildungssysteme anpassen und Innovationsfähigkeit schaffen, um somit die Arbeitsplätze der Zukunft zu sichern. Dabei müssen wir uns aber auch darauf konzentrieren, die bereits getroffenen Entscheidungen zu respektieren.

Wir haben uns auch darüber unterhalten, dass wir die Handelspolitik der EU an die sich verändernde Weltwirtschaft anpassen müssen. Wir haben uns auf die Notwendigkeit geeinigt, Maßnahmen zu ergreifen, um die verbleibenden Hindernisse auf dem Binnenmarkt abzuschaffen, um die Cost-benefit-Analyse der Regulierungen zu verbessern, und wir haben bereits jetzt Gespräche mit allen Mitgliedstaaten über die Reform des nächsten EU-Haushalts begonnen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass die hier vertretenen vier Länder in diesem Sinne einen Beitrag zu der Diskussion der politischen Prioritäten Ende Juni beim Europäischen Rat leisten werden. Wir haben uns auch darauf geeinigt, dass die zukünftigen politischen Prioritäten der EU beschlossen werden müssen, bevor wir uns dem Thema Personalfragen zuwenden.

Noch einmal: Es ist ganz wunderbar, dass Sie alle heute hier sind. Bitte kommen Sie bald wieder!

BK'in Merkel: Ich möchte mich für die Einladung bedanken, die ausgesprochen wurde. Ich bin schon zum zweiten Mal hier und ich kann sagen: Es ist und bleibt schön hier.

Wir haben die Gelegenheit genutzt das war ja schon seit Monaten verabredet , uns nach den Europawahlen mit der Agenda für die nächsten fünf Jahre zu befassen, weil wir, wie Fredrik Reinfeldt es eben gesagt hat, der Meinung sind, dass wir zwar ein fragiles Wachstum haben, aber eben ein fragiles, dass wir um unsere Position Europas in der Welt kämpfen müssen und dass es deshalb ganz, ganz wichtig ist, jetzt die Chance zu nutzen, auch mit dem Parlament darüber zu sprechen, was die wesentlichen Aufgaben für die nächsten fünf Jahre sind.

Wir brauchen eine bessere Wettbewerbsfähigkeit, Strukturreformen, eine wachstumsfreundliche Konsolidierung unserer Haushalte, eine Fortentwicklung des Binnenmarktes, insbesondere in den Bereichen Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Möglichkeiten des Dienstleistungssektors, einen Energiebinnenmarkt und wir brauchen einen digitalen Binnenmarkt. Das sind die Stichworte, über die wir hier gesprochen haben und die für uns wichtig sind.

Wenn wir uns überlegen, wo Millionen neuer Jobs herkommen werden, dann werden das insbesondere Jobs im Bereich der digitalen Wirtschaft sowie Jobs im Bereich der Dienstleistungen sein. Deshalb ist das Thema "Freihandel mit anderen Regionen der Welt" für uns ein zentrales Thema.

Jeder von uns hat hier seine Gedanken für diese Agenda eingebracht. Wir werden das Herman Van Rompuy, der den Konsultationsauftrag für den Rat hat, mitteilen und ihm deutlich machen, wo unsere Schwerpunkte liegen. Es hat sich in der Diskussion ergeben, dass diese Schwerpunkte zwischen uns sehr gleich verteilt sind, das heißt, dass wir keine Meinungsverschiedenheiten darüber haben. Auch ich möchte noch einmal sagen: Wir müssen die Chance für die Festlegung von Inhalten jetzt nutzen, denn wir haben in den vergangenen Jahren erlebt, dass Parlament und Rat die Prioritäten doch oft in sehr unterschiedliche Richtungen gesetzt haben. Wenn Europa erfolgreich sein will und das wollen die Mitglieder des Europäischen Parlaments genauso wie die Mitglieder des Europäischen Rates , dann müssen wir diese Agenda fest miteinander vereinbaren. Dazu ist nicht mehr sehr viel Zeit; aber dazu ist Zeit, und diese haben wir hier durch unsere Diskussionen genutzt.

Noch einmal herzlichen Dank für die Gastfreundschaft!

PM Cameron: Vielen Dank! Auch ich freue mich, heute hier zu sein. Wir hatten wirklich sehr gute Gespräche, und ich möchte Fredrik dafür danken, dass er uns hier zusammengebracht hat.

Wir sind entschlossen, eine bessere Zukunft für unsere Bevölkerung zu sichern, indem wir unsere Volkswirtschaft wettbewerbsfähiger machen. Wir glauben auch, dass die EU sich gemäß den Anliegen der einzelnen Wähler verändern muss; das ist in den europäischen Wahlen klar geworden, und darauf haben wir uns zum Teil auch in den Diskussionen hier konzentriert.

Ich habe deutlich gemacht, dass ich glaube, dass die EU sich verändern muss, um offener, wettbewerbsfähiger, flexibler zu werden und sich weniger in Bereiche einzumischen, in denen sie nichts zu suchen hat. Die Europäische Kommission wird dafür sorgen müssen, dass die EU den Weg der Reform beschreitet. Wir haben demokratisch gewählte Vertreter der einzelnen Nationalstaaten, die sich hier einig sein sollten.

Es geht darum, die Prioritäten für die nächsten fünf Jahre festzulegen, mit dem Ziel, Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze zu schaffen, das heißt, es geht um die Vervollständigung des Binnenmarktes, den Dienstleistungssektor, die digitale Wirtschaft, es geht darum, die Regulierungen, die eine Einschränkung für unsere Unternehmen bedeuten könnten, zurückzuführen, und es geht darum, ehrgeizig zu sein, wenn es um Freihandelsabkommen mit anderen Regionen in der Welt geht.

Wir müssen uns hier insbesondere darüber klar werden, dass wir den Anliegen und den Interessen der Bevölkerung gerecht werden müssen. Ja, das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein wichtiges Grundrecht, aber das sollte keine negativen Auswirkungen auf unsere Sozialsysteme haben. Wir müssen eine Lösung für die zunehmende Desillusionierung unter den Wählern in unseren Ländern finden. Wir müssen dafür sorgen, dass die EU stärker und erfolgreicher wird.

MP Rutte: Vielen Dank, Fredrik, dass du uns hierhin eingeladen hast! Es ist wirklich ein ganz zauberhafter Ort.

Wir hatten in der Tat einen sehr guten Meinungsaustausch, und wir haben uns auf die Zukunft der EU konzentriert. Wir sind uns einig, dass die EU weiter relevant bleiben muss und sich auf bestimmte wichtige Prioritäten zu konzentrieren hat, Arbeitsplätze schaffen und Wachstum generieren muss.

In der Tat brauchen wir eine neue Art von Europa. Wenn wir neue Arbeitsplätze schaffen wollen, müssen wir den Binnenmarkt vertiefen und wir brauchen ehrgeizige Handelsvereinbarungen. Wenn wir die Freizügigkeit der Arbeitnehmer sichern wollen, dann brauchen wir auch gleiche Bedingungen auf den Arbeitsmärkten. Das heißt, der Missbrauch muss bekämpft werden. Wir müssen außerdem eine abgestimmte Energie- und Klimapolitik verfolgen auch, um unsere Abhängigkeit von Importen zu reduzieren.

Für meine Regierung ist sehr wichtig, dass wir sehr sorgsam darauf achten müssen, dass die Subsidiarität als ein Grundprinzip eingehalten wird, dass regulatorische Hindernisse reduziert werden und dass die Kommission neu organisiert wird, um sicherzustellen, dass wir uns auf die Prioritäten konzentrieren, die der Europäische Rat beschlossen hat europäisch, wo es notwendig ist, und national, wo es möglich ist.

Kurz zusammengefasst: Wir wollen gemeinsam Fortschritte auf dem Weg zu einer Agenda erzielen, deren Ziel es ist, die europäische Zusammenarbeit zu modernisieren. Wir müssen uns wieder auf die Kernaufgaben, nämlich Wachstum zu generieren und Arbeitsplätze zu schaffen, konzentrieren.

Wir haben uns dahingehend geeinigt, dass wir uns zunächst einmal darauf konzentrieren müssen, was die Arbeit der nächsten Kommission sein wird, das heißt, auf die politischen Prioritäten, und erst dann werden wir uns mit den Personalfragen befassen.

Frage: Eine Frage an die deutsche Bundeskanzlerin: Es ist Ihnen gelungen, drei Wahlen hintereinander zu gewinnen. Für Herrn Reinfeldt sieht es weniger positiv aus. Welchen Rat können Sie ihm geben, was haben Sie dazu zu sagen?

Eine zweite Frage: Wären Sie bereit, den Namen Juncker durchzusetzen, obwohl viele auch einige wichtige Länder sich dagegen ausgesprochen haben?

Eine Frage an den britischen Premierminister: Gibt es irgendeinen greifbaren Kompromiss, der für Sie Juncker auf dem Sitz des Kommissionspräsidenten ermöglicht?

BK'in Merkel: Erstens. Mein einziger Rat ist: Man soll immer man selbst sein. Das ist Fredrik und deshalb wird er für Schweden und für sich die richtigen Antworten finden.

Zweitens. Es ist hier von uns allen gesagt worden, dass die Personalien nicht der Schwerpunkt unserer Diskussionen waren, sondern dass wir das tun wollen, was bis jetzt so wenig getan wurde, nämlich über Inhalte zu sprechen, was aber für Europa und seine Bürgerinnen und Bürger so wichtig ist.

Unbeschadet davon habe ich mich in Deutschland das kann ich gerne auch hier tun zu Personalfragen geäußert. Ich habe gesagt, dass Jean-Claude Juncker für mich der Kandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten ist, dass ich ihn auch als Kommissionspräsidenten haben möchte. So habe ich es in Deutschland gesagt, so sage ich es gerne hier wieder. Das ist aber hier nicht unser Hauptthema gewesen. Deshalb haben wir über hypothetische Situationen nicht gesprochen, haben keine Antworten darauf, und deshalb kann ich auf diese Frage auch nicht antworten.

PM Cameron: Lassen Sie mich nur darauf hinweisen, dass wir hier sind, um über die Politiken, unsere Prioritäten für die nächsten fünf Jahre zu sprechen darum ging es hier. Natürlich braucht man aber auch das entsprechende Personal, um die Politik umzusetzen. Insofern das habe ich auch gestern gesagt gibt es hier ein sehr wichtiges Prinzip, das zum Tragen kommt: Die Regeln der EU lauten, dass der Europäische Rat, das Organ der gewählten nationalen Führer, sich zusammenfinden und eine Kandidatenempfehlung vorlegen sollte. Ich glaube, dieser Prozess, dieses Vorgehen sollte sich nicht ändern.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, es geht ja nicht nur um Personal-, sondern auch um Machtfragen: Europaparlament gegen den Rat der 28 Staats- und Regierungschefs. Bestehen Sie darauf, dass Sie das alleinige Vorschlagsrecht haben, oder sind Sie dafür, dass das Parlament jetzt mehr Rechte bekommt, die es sich durch die Aufstellung von Spitzenkandidaten erkämpft hat? Der Wähler hat entschieden, und der Wähler hat für Jean-Claude Juncker entschieden.

Eine zweite Frage vielleicht an Herrn Cameron: Haben Sie jetzt auch in diesem Kreis mit einem Austritt Großbritanniens gedroht, sollte Jean-Claude Juncker Kommissionspräsident werden?

BK'in Merkel: Obwohl die Frage an David gerichtet war, will ich eine Bemerkung dazu machen:

Ich habe neben der Tatsache, dass ich für Jean-Claude Juncker eintrete, in Deutschland auch gesagt: Alle unsere Entscheidungen treffen wir in einem bestimmten europäischen Geist. Das zeichnet die Arbeit im Rat aus und ansonsten würden wir nie einen Kompromiss finden. Wir können diese Frage des europäischen Geistes jetzt nicht ad acta legen, weil wir über Personen sprechen. Das bleibt auch bestehen. Drohungen gehören nicht dazu; das ist nicht Teil unserer Vorgehensweise.

Zu der Frage bezüglich Parlament und Rat: Ich glaube, jeder, der Mitglied im Europäischen Parlament ist, legt sehr viel Wert darauf, dass die Verträge eingehalten werden. Was die Verträge angeht, hat das Parlament Schritt für Schritt immer mehr Macht und Möglichkeiten bekommen. Jetzt gibt es eine ganz klare Verhaltens- und Vertragssituation, nach der sich auch das Europäische Parlament verhalten muss. Die heißt: Der Rat der Staats- und Regierungschefs macht einen Vorschlag. Die Staats- und Regierungschefs wissen ja, dass anschließend das Parlament mit Mehrheit entscheiden muss. Das heißt, wir wissen, dass es 376 Stimmen für denjenigen geben muss, den wir vorschlagen. Insofern wissen wir, dass wir die Dinge nicht alleine bewegen können. Aber das Parlament ist in der Situation, dass der Rat einen Vorschlag zu machen hat.

Wenn wir klug sind, dann respektieren wir uns als unterschiedliche Institutionen. In diesem Geist müssen wir auch die Dinge machen. Das heißt, auch hier sind Drohungen falsch. Der Rat ist sich aber völlig gewiss, dass er anschließend die Stimmen des Parlaments braucht. In diesem Sinne reden wir ja auch miteinander, und deshalb haben wir Herman Van Rompuy als unseren Ratspräsidenten gebeten, inhaltliche Konsultationen mit dem Parlament zu führen und dann natürlich später auch Namen mit dem Parlament zu diskutieren. Öffentliche Statements sind ja von allen Seiten genug abgegeben worden. Nun müssen wir einmal die Arbeit machen, und deshalb möchten wir mit den Inhalten beginnen.

Zusatz: Bleibt der Zeitplan Ende Juni bestehen?

BK'in Merkel: Der Zeitplan, dass wir Ende Juni über die Dinge reden müssen, ist weiter existent, und davon weichen wir nicht ab. Das Parlament wird Anfang Juli zusammentreten. Dann werden dort erste Entscheidungen getroffen, und darauf werden wir Rücksicht nehmen.

PM Cameron: Ich würde gerne auch auf die Frage antworten. Ich habe einen sehr ehrlichen und offenen Ansatz verfolgt. Ich habe gesagt, dass Großbritannien in der reformierten EU bleiben sollte. Das ist meine Überzeugung. Ich glaube, das ist für Europa am besten, aber es ist auch für mein Land am besten. Aber die Entscheidung, ob wir in der EU bleiben oder nicht, wird vom britischen Volk Ende 2017 im Rahmen eines Referendums zu treffen sein.

Was immer die EU zwischen heute und dann tun wird, wird deshalb von entscheidender Bedeutung sein. Wir müssen bekunden, dass wir offen, wettbewerbsfähig, flexibel sind und uns weniger einmischen, dass die Menschen in der Lage sind, die EU auch in diese Richtung voranzubringen. Das alles wäre hilfreich. Wenn die EU nicht in diese Richtung voranschreitet, wird das nicht hilfreich sein. Ich glaube, das ist doch ganz offensichtlich.

Noch kurz zu der Frage der Spitzenkandidaten: Solche Kandidaten gab es erkennbar nicht in Großbritannien. Wie ich es auch gesagt habe, glaube ich, dass der Europäische Rat nun die Aufgabe hat wir sind ja die gewählten Vertreter unserer Länder , sich zusammenzufinden und Kandidaten zu empfehlen, die in der Lage sein werden, die Reformprogramme in dem Maße voranzutreiben, wie wir sie in Europa brauchen.

Frage: Zunächst eine Frage an die Frau Bundeskanzlerin: In Großbritannien gibt es eine riesige Debatte darüber, ob Schottland Teil des Vereinigten Königreichs bleiben wird oder nicht. Wenn Schottland sich für einen Austritt entscheiden würde, könnte es dann aus Ihrer Sicht Mitglied in der EU bleiben oder müsste Schottland einen neuen Antrag stellen? Würde es zu einer Art Balkanisierung der britischen Inseln führen, wie das der britische Außenminister vor Kurzem bekundet hat? Ich wäre auch sehr dankbar für die niederländische und britische Stellungnahme, was diese Frage angeht.

Herr Premierminister, Mr. Cameron, wenn Ihre deutschen Alliierten und Partner Ihnen nicht zuhören, wenn Sie von Jean-Claude Juncker sprechen und deutlich machen, dass sie ihn in dieser Position nicht haben wollen, welche Chancen haben Sie dann bei den schwierigen Fragen wie zum Beispiel die Arbeitnehmerfreizügigkeit, was ja doch zurzeit in der EU ein sehr umstrittenes Thema ist? Wir haben auch schon gehört, dass die britischen Schulen britische Werte unterrichten sollen. Welche Werte sind das in Ihren Augen?

BK'in Merkel: Ich beantworte hypothetische Fragen nie. Die Frage, die Sie gestellt haben, fällt in diese Kategorie von hypothetischen Fragen, und deshalb kann ich Ihnen darauf keine Antwort geben und möchte das auch nicht.

Zweitens will ich nur noch einmal deutlich machen, dass gerade das Thema der Freizügigkeit, das in Großbritannien sehr intensiv diskutiert wird, auch in Deutschland sehr intensiv diskutiert wird und dass es ein gemeinsames Auftreten vor dem Europäischen Gerichtshof bezüglich der anstehenden Verfahren gibt. Wir sind für die Freizügigkeit, aber wir wollen alles tun, damit sie nicht missbraucht wird. In diesem Sinne arbeitet Großbritannien zusammen mit anderen Ländern komplett in die gleiche Richtung.

MP Reinfeldt: Ich glaube, Mark und ich können auch sagen, dass wir unsere Erfahrungen mit Referenden in Europa gesammelt haben. Wir haben uns, wie Angela das auch gesagt hat, daran gewöhnt, die Ergebnisse zu respektieren und nicht vorab zu spekulieren.

PM Cameron: Grundwerte wie Freiheit, Toleranz, Achtung des Rechts, Glaube an soziale und persönliche Verantwortung sind die Dinge, die, so hoffe ich, auch Teil des Lehrplans jeder britischen Schule ob das private, staatliche oder glaubensbasierte oder freie Schulen sind. Das ist der Wertekanon. Das, was Michael Gove gesagt hat, ist sehr wichtig. Ich denke, er hat in Großbritannien die volle Unterstützung eines jeden. Dazu gehören auch jene, die als Einwanderer nach Großbritannien gekommen sind, um dort zu leben und sich zu integrieren.

Was unsere Zusammenarbeit anbetrifft, so schauen wir uns doch einmal an, was wir bisher geleistet haben. Wir vier haben im Verlauf der letzten vier Jahre doch einiges vorzuweisen, wo ich oft am Tisch des Europäischen Rates gesessen habe. Wir haben die Deregulierung, den Bürokratieabbau vorangetrieben. Wir haben uns für die kleinen und mittelständischen Unternehmen eingesetzt, damit sie nicht zu starken Beschränkungen unterliegen. Wir haben darauf gedrängt, dass wir in den Bereichen digitale Volkswirtschaft, Energie und Klima Fortschritte erzielen. Wir vier haben beschlossen, uns zusammenzusetzen, um den Preis Europas für unsere Wähler, für unsere Bürger niedrig zu halten, damit wir einen reformierten Haushalt in den nächsten sechs bis sieben Jahren vorlegen können. Das war letztendlich auch ein Bereich, wo wir deutlich machen konnten, dass wir nicht nur auf nationaler Ebene die Haushalte beschränken müssen, sondern dass wir auch darauf achten müssen, dass wir auch auf der EU-Ebene nicht mehr ausgeben. Ich glaube, wir haben den Erfolg dieser Zusammenarbeit mehr als einmal bewiesen.

Bei unserem Treffen in den letzten 24 Stunden haben wir uns mit der zukünftigen Agenda der EU befasst. Wir waren uns dahingehend sehr weitreichend einig, was erzielt und erreicht werden muss. Wir brauchen jetzt noch die richtigen Leute, um dies umzusetzen. Die anderen werden mir zustimmen: Ich bin der Auffassung, dass das sehr fruchtbare Gespräche waren.

Frage: Herr Rutte, stimmen Sie Ihrem britischen Kollegen zu, dass Europa sich verändern muss und dass die Veränderung sich auf der Personalebene widerspiegeln sollte? Sehen Sie, wenn Sie sich Herrn Juncker anschauen, den Wandel?

Frau Bundeskanzlerin, wie hat Ihnen die Bootsfahrt gefallen? War Herr Reinfeldt ein guter Kapitän? Ist er vielleicht ein Kapitän, den Europa auch noch braucht?

MP Rutte: Zu Ihrer ersten Frage: Ich glaube, dass es zunächst um den Inhalt geht und dann entscheiden wir, wer welche Position übernehmen sollte. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis unseres Treffens hier. Wir sind uns hinsichtlich der europäischen Agenda für die nächsten fünf Jahre weitestgehend einig gewesen. Wir werden gemeinsam im Europäischen Rat daran arbeiten, selbstverständlich auch mit unseren Kollegen in Europa, um dafür zu sorgen, dass dieses Arbeitsprogramm umgesetzt wird. Das ist wichtig. Vor diesem Hintergrund müssen wir darüber diskutieren, wer für welche Position am besten geeignet zu sein scheint. Das Europäische Parlament muss dann natürlich auch über die Rolle des Präsidenten im Parlament entscheiden. Das sind die wichtigen Fragen, aber immer vor dem Hintergrund der Diskussion zum eigentlich Inhalt des Arbeitsprogramms.

Die Frage der Spitzenkandidaten ist für mich kein Automatismus. Ich könnte mir vorstellen, dass der eine der beiden Präsident der Kommission werden könnte, aber nicht als Automatismus. Zunächst wollen wir über die Inhalte sprechen und dann über die Personalfragen.

BK'in Merkel: Erstens. Seit der letzten Bootsfahrt, die ich hier machen durfte, hat es einen Innovationsschub bei den Sicherheitswesten gegeben, sodass sie dieses Mal leicht und bequem zu tragen waren.

Zweitens. Die Fähigkeit von Fredrik, was das Rudern angeht, ist auch in einem größeren Boot unter Beweis gestellt worden.

Drittens war ich gestern mehr damit beschäftigt, ob er mit uns noch um die Ecke und an der langen Seite des Sees entlang fährt, als dass ich mir Gedanken über irgendetwas anderes gemacht habe als die Tatsache, dass er schwedischer Premierminister ist.

MP Reinfeldt: Vielen Dank!

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 10. Juni 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/06/2014-06-10-merkel-schweden.html;jsessionid=6123D63346948840BBB6B10AB2B6918D.s1t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2014