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PRESSEKONFERENZ/827: Regierungspressekonferenz vom 14. Juli 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 14. Juli 2014
Regierungspressekonferenz vom 14. Juli 2014

Themen: WM-Sieg der deutschen Fußballnationalmannschaft in Brasilien, Sonderbriefmarke zur Fußball-WM, Spionageaffäre, Finanzierung von Kohlekraftwerken im Ausland durch die KfW, Strafzahlungen gegen europäische Geldinstitute, Lage in der Ukraine, Situation im Nahen Osten, Reise des Bundesaußenministers in den Nahen Osten, Verdacht auf illegale Lieferung von Waffen der Firma SIG Sauer nach Kolumbien

Sprecher: SRS'in Wirtz, Müller-Niese (BMI), Modes (BMWi), Kothé (BMF), Chebli (AA), Gerhartz (BMVg), Franke (BMZ)



Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'IN WIRTZ sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage (zum WM-Sieg der deutschen Fußballnationalmannschaft in Brasilien): Morgen ist ja der große Empfang in Berlin. Wer wird denn von der Bundesregierung den - ich wollte schon sagen - Gastgeberpart übernehmen? Wird das möglicherweise der Innenminister sein? Denn ich glaube, die Kanzlerin ist morgen nicht hier. - Das ist die eine Frage.

Zum Zweiten würde ich gerne vom Wirtschaftsministerium wissen: Ich habe noch keinen Wirtschaftsminister gekannt, der nicht gesagt hat, die Hälfte der Wirtschaft sei Psychologie. Nachdem die Psychologie jetzt nach oben durchschlägt, erwarte ich natürlich in Kürze eine Pressekonferenz, in der die Revision der laufenden Wirtschaftsprognosen vorgenommen wird. Oder ernst gefragt: Hat das Wirtschaftsministerium irgendwelche Indizien, Mutmaßungen, dass über diesen psychologischen Effekt auch das Wirtschaftsleben in irgendeiner Weise profitieren könnte?

SRS'in Wirtz: Ihnen ist nicht verborgen geblieben, dass die Bundeskanzlerin gestern Gelegenheit hatte, der deutschen Nationalmannschaft zu ihrem Sieg zu gratulieren. Sie hat zum Ausdruck gebracht, was für eine großartige Mannschaftsleistung das ganze Turnier war und dass sie von Herzen zu dem vierten WM-Sieg der deutschen Mannschaft gratuliert, dem ersten Sieg auf südamerikanischem Boden.

Ich kann nur berichten: Die Stimmung war großartig, auch hinterher in der Kabine, und man hat dort ausgiebig gefeiert.

Wie Sie ganz richtig sagen, ist die Kanzlerin morgen leider nicht in Berlin. Sie ist auf dem Weg nach Dubrovnik, wenn die deutsche Mannschaft hier eintrifft. Insofern wird sie selbst nicht da sein. Inwieweit andere Ministerinnen oder Minister dort vertreten sein werden, kann ich Ihnen leider zentral nicht beantworten. Da müssten sich die Kollegen zu Wort melden.

Zusatz: Dann würde ich das Innenministerium bitten; das ist ja das zuständige Haus.

Müller-Niese: Bundesinnenminister de Maizière wird morgen nicht anwesend sein, wenn die Mannschaft eintrifft, weil er eine Reise mit seinem französischen Amtskollegen nach Serbien und Albanien unternimmt und heute Abend fliegt.

Vorsitzender Mayntz: Das Wirtschaftsministerium war angesprochen.

Modes: Für das Wirtschaftsministerium kann ich sagen, dass uns keine Untersuchungen vorliegen, die darauf abzielen, welche Auswirkungen der Sieg der deutschen Mannschaft auf die wirtschaftliche Lage hat. Derzeit bleibt es bei unseren Prognosen. Es bleibt jetzt abzuwarten, was die möglicherweise geänderten Stimmungsindikatoren der Institute sagen.

Zusatzfrage: Ich darf noch einmal nachfragen, nachdem auch das Innenministerium morgen nicht da ist: Ist irgendein anderer Minister der Bundesregierung morgen bei dem Großereignis zugegen und wird zur Nationalmannschaft Kontakt haben?

Vorsitzender Mayntz: Kann jemand nicken?

Zusatz: Das ist enttäuschend.

SRS'in Wirtz: Bis morgen kann sich ja noch etwas ändern; man weiß es ja nicht.

Vorsitzender Mayntz: Kann das Finanzministerium eventuell ergänzen?

Kothé: Nein. Was die Teilnahme morgen anbetrifft, kann ich nichts ergänzen. - Aber nicht umsonst bekomme ich jetzt das rote Licht, damit ich sprechen darf. Wie Sie vielleicht schon in einer Presseerklärung gelesen haben, haben wir heute eine Sonderbriefmarke zur WM herausgegeben. Seit 1998 ist es eine der schönen Aufgaben des Bundesfinanzministers, dass er Briefmarken herausgeben kann. Wir haben uns darüber gefreut, dass die Möglichkeit vorhanden ist, jetzt den Fußballsport zu ehren. Ich habe Ihnen eine druckfrische Sondermarke mitgebracht. Alle, die es heute hierher geschafft haben, können sich bei Frau Kreutzmann ein Exemplar abholen, beziehungsweise Frau Kreutzmann verteilt sie.

Frage: Die Leute in der Welt fragen sich, warum es hier in Deutschland keinen Nationalfeiertag gibt, weil die deutsche Mannschaft Weltmeister geworden ist. Gibt es irgendwelche Planungen, oder warum nicht? Was kann ich den Leuten, die mich fragen, antworten?

SRS'in Wirtz: Sagen wir es einmal so: Wir haben in Deutschland das Vergnügen, heute mit großer Freude zu arbeiten. Man kann diese Freude auch in den Arbeitstag hineintragen. Insofern gibt es, soweit mir bekannt ist, keinerlei Überlegungen, einen Nationalfeiertag auszurufen, und wenn, dann müsste man wohl auch mit dem BMF darüber sprechen, ob wir uns das finanziell leisten und auf einen Arbeitstag verzichten können. Nein, es gibt keine ernsthaften Überlegungen dazu.

Frage: Frau Wirtz, vielleicht haben Sie schon mit der Kanzlerin darüber sprechen können. Erfüllt die Kanzlerin ein besonderer Stolz? Wenn ja, ist das ein anderer Stolz als früher, den die Kanzlerin damit verbindet, was jetzt in Brasilien passiert ist? Wie würden Sie das umschreiben? Hat sich da aus der Sicht der Bundesregierung irgendetwas geändert?

SRS'in Wirtz: Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Freude nach dem gestrigen Spiel wirklich sehr groß war und dass in der Kabine hinterher eine fabelhafte Stimmung herrschte, die natürlich auch die Kanzlerin geteilt hat. Aber ob sich der Stolz der Kanzlerin auf die Nationalelf im Laufe der Jahre verändert hat, das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen sozusagen keine Typografie des Stolzes mitteilen, tut mir leid.

Frage : Ich würde nach dem Wochenende und einer doch relativ umfangreichen Berichterstattung dazu in verschiedenen Medien zum Thema NSA und Spionageaffäre gerne Folgendes fragen: Wie verhält es sich nach Ihrer Einschätzung mit dem Wahrheitsgehalt - ich frage sowohl die Regierungssprecherin als auch Ministerien wie das Wirtschaftsministerium - der "Bild am Sonntag"-Geschichte, dass vermutet wird, dass noch mehr als ein Dutzend Mitarbeiter der US-Geheimdienste in deutschen Ministerien am Werke sind?

Mich würde zum Zweiten noch etwas eingehender interessieren zu erfahren, was bei dem Gespräch Kerry/Steinmeier zu diesem Thema besprochen wurde, ob es da irgendwelche Zusicherungen von US-Seite gab, das Verhalten vielleicht doch zu ändern.

SRS'in Wirtz: Wir haben in der vergangenen Woche sehr ausführlich über zwei Verdachtsfälle gesprochen, in denen der GBA ermittelt. Diese Ermittlungen dauern an.

Was die Berichte vom Wochenende anbelangt: Auch ich habe natürlich die entsprechenden Medienberichte gesehen, kann diese Verdachtsfälle aber nicht bestätigen. Mir liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass es weitere solche Fälle in den Ministerien geben sollte, und ich kann das nicht bestätigen.

Modes: Für das BMWi kann ich sagen, dass mir keinerlei Anhaltspunkte für derlei Verdachtsfälle vorliegen.

Chebli: Der Minister hat sich nach dem Gespräch mit Außenminister Kerry geäußert und noch einmal klargestellt, was diese Überwachungsaktivitäten und Spionagevorwürfe für das transatlantische Verhältnis bedeuten. Dies war ein Vertrauensbruch, und es ist ein spürbarer Schaden entstanden. Über die Bewertung der amerikanischen Aktivitäten - das können wir sagen - gibt es weiterhin keine Einigung.

Nichtsdestotrotz können wir angesichts der Vielzahl der Konflikte - das sehen sowohl Außenminister Kerry als auch Außenminister Steinmeier so -, von Afghanistan über den Irak bis hin zum Nahen Osten, nicht aufeinander verzichten. Wir brauchen eine Zusammenarbeit zwischen den USA und Deutschland, um zu einer Entschärfung der Konflikte zu kommen.

Natürlich gibt es Belastungen und zahlreiche Meinungsverschiedenheiten, über die beide gesprochen haben. Es ist klar geworden - das hat der Minister gesagt -, dass es jetzt darum geht, dass die USA an einer Aufklärung der Fälle mitwirken. Der Minister hat gleichzeitig klargemacht, dass das verloren gegangene Vertrauen nicht per Dekret wiederhergestellt werden kann; es muss neu wachsen.

Wir sehen an den Reaktionen der USA, dass das, wozu sich die Bundesregierung entschlossen hat, nämlich zur Ausweisung, sehr wohl gehört wurde und durchaus angekommen ist. Das sieht man, wenn man am Wochenende die Presselage in den Vereinigten Staaten, in den amerikanischen Medien gelesen hat. Das sieht man in den Äußerungen verschiedener amerikanischer Akteure. Die Reaktion der Bundesregierung wurde durchaus wahrgenommen. Ich glaube, es ist dort angekommen, dass die Spionageaffäre schon einen Bruch darstellt und wir nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen können.

Aber noch einmal, dies ist wichtig - das hat der Minister mehrfach unterstrichen; das möchte ich auch in diesem Raum noch einmal tun -: Wir brauchen eine auf Vertrauen und Respekt basierende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika.

Zusatzfrage: Ich darf die Frage wiederholen, ob irgendwelche Zusicherungen oder Ankündigungen auf Aktionen von US-Seite von Herrn Kerry gekommen sind.

Chebli: Sie wissen - das gilt auch für dieses Gespräch -, dass wir aus internen Gesprächen nicht zitieren. Aber das, was ich gesagt habe, steht. Beide haben sich geäußert und klargemacht, dass wir einander brauchen, dass Vertrauen zerstört wurde und dass es jetzt darum geht, dieses Vertrauen wieder aufzubauen. Das wird dauern. Das kann nicht von heute auf morgen geschehen. Außenminister Kerry hat eindeutig gesagt, dass er in Deutschland einen Partner sieht, den man vor dem Hintergrund der Vielzahl der Konflikte in der Welt braucht.

Frage: Ich habe zwei Fragen an Frau Wirtz: Laut Medienberichten wurde der eine BND-Mensch in Deutschland von einem CIA-Agenten aus Wien gesteuert. Gibt es einen Auslieferungsantrag, oder gibt es Kontakte zur österreichischen Regierung, um mit diesem Menschen in Kontakt zu treten? - Das wäre die erste Frage.

Die zweite Frage ist - Frau Chebli hat gerade gesagt, dass die deutsche Reaktion durchaus in den USA angekommen sei -: Gibt es die Erwartung, dass am Ende vielleicht doch noch ein No-Spy-Abkommen mit den USA möglich wäre, weil die USA jetzt möglicherweise einsehen, dass es auf dieser Ebene so nicht weitergehen kann? Es heißt ja immer, man könne nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Das wäre beispielsweise eine Möglichkeit, um die Sache für die USA vielleicht wieder etwas vertrauenswürdiger zu gestalten.

SRS'in Wirtz: Zu Ihrer ersten Frage, die sich auf Medienberichte vom Wochenende bezieht: Bevor die Bundesregierung irgendwelche Schritte einleiten würde, müsste der Sachverhalt erst einmal geklärt sein. Die Meldungen, wie sie am Wochenende liefen, kann ich nicht bestätigen. Insofern kann ich Ihnen auch keine entsprechenden Konsequenzen ankündigen.

Was das No-Spy-Abkommen anbelangt, so wissen Sie, dass die Bundesregierung sehr lange, nämlich über Wochen und Monate, mit den USA verhandelt hat, um ein solches No-Spy-Abkommen zu verhandeln und zu schließen. Ich sehe derzeit, auch nach den neuesten Entwicklungen, keine neuen Anläufe, weder von der einen noch von der anderen Seite, ein solches No-Spy-Abkommen auf den Weg zu bringen, was sich natürlich nicht für alle Zukunft ausschließt. Aber derzeit sehe ich keine Bestrebungen, ein solches Abkommen auf den Weg zu bringen.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Nachfrage zu Ihrer ersten Antwort: Läuft aufgrund dieser Medienberichte noch eine Überprüfung, ob diese Berichte stimmen, oder wissen Sie schon, dass sie nicht stimmen?

SRS'in Wirtz: So es einen begründeten Verdacht gibt, wird diesen Fragen natürlich nachgegangen. Aber über den Stand der Ermittlungen kann ich Ihnen keine Auskunft geben.

Zusatzfrage: Aber es wird ermittelt?

SRS'in Wirtz: So es begründete Verdachtsfälle oder Verdachtsmomente gibt, wird dem nachgegangen.

Frage: Die Frage an die vier genannten Ministerien, aber natürlich nicht nur: Denkt man im Zusammenhang mit den Verdachtsfällen darüber nach, die Sicherheitsmaßnahmen vor möglichen Spionageangriffen in den einzelnen Ministerien zu verschärfen? Vielleicht gibt es eine neue Anweisung über das BSI. Vielleicht kann das Innenministerium etwas dazu sagen.

Ganz grundsätzlich die Frage an Frau Wirtz, nachdem Herr Sensburg fast schon dabei ist - das sagt er selbst -, zur alten Schreibmaschine zurückzukehren: Halten Sie das für ein gängiges Mittel, um einer solchen Art von Spionage aus dem Weg zu gehen?

SRS'in Wirtz: Kann vielleicht die Kollegin aus dem BMI kurz etwas zu der ersten Frage sagen?

Müller-Niese: Ich kann gerne etwas sagen. Die Spionageaffäre ist in unserem Geschäftsbereich. Der Minister hat sich letzten Freitag dazu geäußert. Wir müssen die Spionageabwehr stärken und ausweiten.

Zu Ihrer Frage, ob es irgendeine Weisung an das BSI gibt, kann ich nur sagen: Es ist mir nicht bekannt, dass es die gäbe.

Zusatzfrage : Und ganz konkret die einzelnen Ministerien? Ich kann sie noch einmal aufzählen: Verteidigung, Wirtschaft, Inneres und Entwicklungshilfe. Ich nehme an, auch das Finanzministerium dürfte interessant sein. Gibt es in den einzelnen Ministerien besondere Vorkehrungen gegen mögliche Spionagemaßnahmen? Holen Sie alle jetzt die Schreibmaschinen wieder heraus?

Modes: Wir haben einen Geheimschutzbeauftragten, der sich um die Sicherheit in der Bundeswirtschaftsverwaltung kümmert. Dabei geht es unter anderem um die Rechtsfragen des Geheimschutzes und um die Weiterentwicklung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes sowie deren Verordnungen und Verwaltungsvorschriften. Alle Mitarbeiter, die im geheimschutzsensiblen Bereich tätig sind, werden nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz überprüft. Es gibt also bereits Vorkehrungen, um Ihre Frage zu beantworten.

Zusatzfrage: Um das nicht bei jedem Ministerium abzufragen, was Sie ohnehin schon an rechtlichen Regelungen haben: Wird in einem Ministerium irgendetwas verschärft?

SRS'in Wirtz: Ich kann es nur wiederholen: Derzeit gibt es keine Anhaltspunkte für die geäußerten Vorwürfe.

Gerhartz: Wir kehren bestimmt nicht zur Schreibmaschine zurück. Ich denke, im jetzigen Zustand müssen wir erst einmal abwarten. Es sind auch viele Spekulationen dabei. Wir haben schließlich den Militärischen Abschirmdienst, den MAD. Er verrichtet seine Arbeit schon seit Jahren gut und effektiv. Ob sich in Zukunft etwas ändern wird, das möchte ich erst einmal dahin gestellt lassen; das ist abzuwarten.

Kothé: Wir waren in der Berichterstattung am Wochenende nicht erwähnt. Bei uns ist kein aktueller Fall bekannt. Wir haben, wie es die Kollegen bereits gesagt haben, ohnehin strenge Sicherheitsbestimmungen und -überprüfungen. Eine Verschärfung ist im Augenblick nicht geplant.

Franke: Dadurch, dass auch uns keine Informationen zu den Behauptungen vom Wochenende vorliegen, gibt es auch keine Überlegungen hinsichtlich einer Verschärfung.

Zusatzfrage: Ich möchte noch eine Nachfrage an das Wirtschaftsministerium stellen: Wird darüber nachgedacht, als Konsequenz aus dem Verhalten der USA das Safe-Harbour-Abkommen auf Eis zu legen?

Modes: Das Safe-Harbour-Abkommen ist meines Wissens nicht in unserer Zuständigkeit.

Müller-Niese: Über das Safe-Harbour-Abkommen ist bei uns zu sprechen. Es gibt keine Überlegungen, es auf Eis zu legen. Es gibt konstruktive Gespräche, und die werden weiter geführt.

Frage: Frau Wirtz, verstehe ich Sie richtig, dass Sie zwar keine Anhaltspunkte sehen, aber auch nicht ausschließen können, dass weitere Spione in deutschen Ministerien arbeiten? Die zweite Frage: Verstehe ich Sie richtig, dass der "Bild am Sonntag"-Bericht für Sie keinen Anlass gibt, weitere Nachforschungen anzustellen?

SRS'in Wirtz: Ich habe auf die Frage eben gesagt, dass ich derzeit keine Anhaltspunkte dafür habe, dass es auch in anderen Ministerien solche Verdachtsmomente beziehungsweise Verdachtsfälle gibt. Insofern gibt es jetzt für mich keinen Anlass, das eine zu bestätigen oder zu dementieren. Sie können sicher sein, dass, wenn die Ermittlungsbehörden in Deutschland auf irgendwelche Art und Weise von ernst zu nehmenden Verdachtsmomenten erfahren, denen auch nachgegangen wird. Es ist Sache der Ermittlungsbehörden einzuschätzen, welchen Verdachtsmomenten sie so viel Relevanz zugestehen, dass man weiter ermittelt.

Frage: Ein Teil der Meldungen am Wochenende bezog sich auch auf Manipulationen an Handys von Abgeordneten durch unbekannte Dritte. Frau Wirtz, vielleicht können Sie es zentral beantworten: Werden diese Berichte zum Anlass genommen, die Handys von Mitarbeitern der Ministerien systematisch auf Manipulationen hin zu untersuchen? Wann ist das das letzte Mal geschehen?

SRS'in Wirtz: Ob und wann es eine generelle Überprüfung von Regierungshandys gegeben hat, kann ich nicht sagen. Das entzieht sich meiner Kenntnis. Für den Moment kann ich Ihnen auch nicht bestätigen, dass es eine generelle Überprüfung von Handys von Regierungsmitarbeitern gibt. Wir koordinieren unsere Sicherheitsvorkehrungen immer auch über das BSI. Insofern weiß ich nicht, ob die Kollegin etwas dazu sagen kann, ob es da weitere Erkenntnisse gibt.

Müller-Niese: Es gibt die Secusmart-Mobiltelefone. Diejenigen Mitarbeiter, die sie haben, bekommen sie vom BSI zur Verfügung gestellt, auch die Regierungsmitglieder. Es gibt regelmäßig Sicherheitsupdates, wie auch immer. Aber mir ist jetzt kein konkreter Fall bekannt, dass aufgrund dessen ein Sicherheitsupdate gemacht oder irgendwelche anderen Vorkehrungen getroffen werden.

Zusatzfrage: Da es Berichte über Manipulationen gibt: Es ist das eine, mit Sicherheitsupdates aktiv auf einen solchen Vorwurf zu reagieren. Zu schauen, ob an Handys manipuliert wurde, ist etwas ganz anderes. Deswegen die Frage, ob und wann dies stattgefunden hat. Das kann vielleicht von den Ministerien nachgereicht werden.

Müller-Niese: Ich kann mich gerne darüber schlaumachen und dies nachreichen.

Frage: Ich habe zwei Fragen. Erstens. Mir wurde vom Auswärtigen Amt erklärt, dass es eine Frist für die betroffene Person gibt, die Deutschland verlassen muss. Hat diese Person, der Repräsentant der amerikanischen Geheimdienste, Deutschland schon verlassen? Wie geschieht das? Kommt jemand Neuer? Hat sich die Bundesregierung diesbezüglich mit der amerikanischen Regierung ausgesprochen?

Die zweite Frage: Wie ist die Situation seit Donnerstag? Ändert das irgendetwas an der Haltung der Bundesregierung gegenüber Edward Snowden? Denkt die deutsche Regierung darüber nach, Snowden hierher einzuladen und als Zeugen zu vernehmen?

Chebli: Zu der ersten Frage, ob der Mitarbeiter der US-Botschaft ausgereist ist: Darüber habe ich keine Kenntnis. Das Verfahren wäre so, dass die Botschaft dem Auswärtigen Amt die Ausreise ankündigt, damit die betreffende Person von der Diplomatenrolle gestrichen wird. Das ist bisher nicht geschehen. Aber so wäre das Verfahren.

Zusatzfrage: Wie lange wartet man ungefähr?

Chebli: Das ist ja eine politische Angelegenheit. Wir haben gesagt, wir erwarten, dass der Verbindungsmann so schnell wie möglich ausreist. Diese Aussage steht. Da gibt es keine formelle Frist. Sie bestünde dann, wenn wir ein formelles Verfahren einleiten würden, was bedeutet, dass diese Person zur Persona non grata erklärt würde. Das ist bisher nicht geschehen. Es war ja eine höfliche Aufforderung, das Land zu verlassen.

SRS'in Wirtz: Zu Ihrer Frage bezüglich Herrn Snowden: Es gibt einen Untersuchungsausschuss, der sich ausführlich mit den Fragen befasst, die sich im Zusammenhang mit Edward Snowden und seinen Enthüllungen stellen. Der Untersuchungsausschuss entscheidet in eigener Organisationshoheit, welche Beweismittel er zulässt, welche Zeugen er lädt und in welcher Art und Weise er Zeugen vernimmt. Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang einen Fragenkatalog beantwortet, den die Abgeordneten ihr vorgelegt haben. Das ist der Stand der Dinge. Es ist erst einmal die Sache des Untersuchungsausschusses zu überlegen, wie man vorgeht. Die Bundesregierung hat zu den verschiedenen Möglichkeiten einer Vernehmung umfänglich gutachterlich Stellung genommen.

Frage: Frau Chebli, Sie sagten eben, nach der Ausreise des US-Repräsentanten würde die Botschaft das Auswärtige Amt unterrichten. Habe ich das richtig verstanden?

Chebli: Ja, weil er dann seine Diplomatenrolle verliert. Wir als Auswärtiges Amt müssten formell unterrichtet werden.

Zusatzfrage: Das ist also der Grund, weswegen unterrichtet wird? Der Grund ist nicht, weil dieser Mensch ausreisen muss, sondern weil er ein Diplomat ist?

Chebli: Genau.

Zusatzfrage: Gibt es eine Frist, bis wann die Unterrichtung stattfinden muss?

Chebli: Nicht dass ich wüsste, dass es da eine formelle Frist gibt. Aber das kann ich noch nachchecken. Die Frist besteht quasi in diesem formellen Verfahren. Da gibt es die Frist von 24 bis 72 Stunden, wenn es ein formelles Verfahren gegeben hätte. Aber das gibt es ja nicht. Deswegen ist keine formelle Frist gesetzt.

Zusatzfrage: Das heißt, theoretisch kann er schon ausgereist sein und die Bundesregierung weiß es vielleicht gar nicht?

Chebli: Theoretisch, glaube ich schon, ja. Aber ich gehe nicht davon aus, dass das bereits geschehen ist. Aber ich weiß es nicht. Uns als Auswärtigem Amt liegen jedenfalls keine Erkenntnisse darüber vor, dass er ausgereist ist.

Zusatz: Frau Wirtz sieht so aus, als ob sie etwas wüsste.

SRS'in Wirtz: Wie sehe ich aus? Sie können in meinen Augen lesen. Das ist interessant, Herr Delfs. - Nein. Ich habe den Ausführungen der Kollegin nichts weiter hinzuzufügen.

Vorsitzender Mayntz: Grenzpolizeiliche Feststellungen hat das BMI auch nicht?

Müller-Niese: Mir liegen keine Erkenntnisse vor, die ich noch ergänzen könnte.

Frage: Herr Gerhartz, ist der im Verteidigungsministerium der Spionage verdächtigte Mitarbeiter heute zur Arbeit erschienen, oder hat er vielleicht Urlaub genommen?

Gerhartz: An dem Status hat sich nach wie vor nichts geändert. Da derzeit laufende Ermittlungen zugange sind, ist er nach wie vor beurlaubt.

Frage: Frau Wirtz, kurz zurück zu der No-Spy-Frage: Soweit ich das in Erinnerung habe, hat Deutschland immer gesagt, dass man nicht daran interessiert sei, Teil des Five-Eyes-Netzwerks zu sein, aber man wolle das No-Spy-Abkommen. Könnten Sie mir kurz sagen, was aus der Sicht der Bundesregierung der Unterschied zwischen den beiden ist und weshalb man das eine will und das andere nicht?

SRS'in Wirtz: In Bezug auf die No-Spy-Verhandlungen kann ich Ihnen nur sagen, dass es lange Bemühungen mit den Amerikanern gegeben hat, zu einem Ergebnis zu kommen. Wir haben auch an dieser Stelle immer wieder darüber gesprochen. Die Bemühungen waren nicht von Erfolg gekrönt. Insofern kann ich Ihnen, jedenfalls in Bezug auf das No-Spy-Abkommen, sagen, dass das zunächst einmal nicht weiterverfolgt wird.

Zusatzfrage: Meine Frage war eher grundsätzlicher Natur. Man hat ja Interesse an dem No-Spy-Abkommen. Warum wollte man das, aber nicht Five Eyes?

SRS'in Wirtz: Das kann ich Ihnen jetzt nicht weiter ausführen. Das würde ich Ihnen nachreichen. Wenn ich Ihnen eine gute Antwort geben kann, würde ich das über die Bundespressekonferenz nachreichen.

Frage: Ich habe noch eine Nachfrage zu dem, was die Kollegin gefragt hat, nämlich zu den Fristen einer Ausreise des US-Repräsentanten. Ist man im Auswärtigen Amt befremdet darüber, dass man bisher von den USA nichts gehört hat, obwohl man doch "so schnell wie möglich" gesagt hat?

Chebli: Ich habe dem, was Herr Schäfer am Freitag gesagt hat, nichts hinzuzufügen. Wir haben unsere Position klar und deutlich kommuniziert. Wir haben gesagt, dass eine Ausweisung so schnell wie möglich erfolgen muss. Das gilt nach wie vor. Dem habe ich an dieser Stelle nichts hinzuzufügen. Ich habe vorhin schon gesagt, dass die Message anscheinend angekommen sein muss, dass er schnell ausreisen muss.

Zusatz: Er ist noch nicht weg, und er hat es auch noch nicht angekündigt. Angekommen ist die Message offenbar allerhöchstens verbal.

Chebli: Ich habe ja gesagt: Uns liegen jedenfalls noch keine Erkenntnisse vor, dass er ausgereist ist. Fakt ist und bleibt: Unsere Aufforderung ist, dass er so schnell wie möglich ausreist. Wenn er es noch nicht getan haben sollte - auch das hat Herr Schäfer gesagt -, gibt es noch immer die Möglichkeit, ein formelles Verfahren einzuleiten.

Frage: Das heißt, der Repräsentant der Geheimdienste darf, wenn er noch hier ist, nicht mehr als Diplomat, im diplomatischen Dienst oder beispielsweise in einer Vertretungsrunde agieren?

Chebli: Wenn er noch hier ist, dann ist er noch Diplomat. Er hat seinen Status noch nicht verloren.

Frage: Eine kurze Frage an Finanz- und Wirtschaftsministerium: Frau Hendricks hat heute Morgen bei dem Petersberger Klimadialog noch einmal betont, wie wichtig es ihr sei, dass Deutschland keine Kohlekraftwerke mehr im Ausland finanzieren würde - Stichworte KfW, eventuell auch Hermes -, hat aber auf notwendige Abstimmungsprozesse mit den anderen beteiligten Ministerien verwiesen. Ich wollte einmal hören, ob es von Ihrer Seite aus dazu eine Haltung gibt und ob gegebenenfalls das Kanzleramt vermittelnd tätig werden wird.

Modes: Ich kann gerne einmal anfangen. Bezüglich der Frage der Finanzierung von Kohlekraftwerken im Ausland durch die KfW ist es Auffassung der Bundesregierung, dass die CO2-Emissionen aus der Verbrennung von Kohle dringend und nachhaltig reduziert werden müssen. Das Engagement der KfW im Bereich der erneuerbaren Energien wurde in den letzten Jahren deutlich erhöht und im Bereich Kohle deutlich reduziert. Es ist so, dass derzeit die KfW nur Kohlekraftwerke weltweit finanziert, wenn die beste verfügbare Technik dafür eingesetzt wird.

Außerdem kann ich Ihnen noch sagen, dass die Bundesregierung derzeit die Kriterien der Finanzierung von Kohlekraftwerken aus globaler Perspektive überprüft. Grundprinzip dabei ist, dass die Finanzierung mit fortgeschrittener Technologie weiterhin möglich sein soll. Hierzu soll im Herbst ein Bericht vorgelegt werden.

Kothé: Dem kann ich nichts mehr hinzufügen.

Zusatzfrage: Ist die Haltung, dass das weiterhin möglich sein soll, die Haltung, mit der Sie jetzt in die Verhandlungen hineingehen oder ist das aus Ihrer Sicht schon das Ergebnis?

Modes: So gehen wir in die Verhandlungen hinein. Das ist unsere Vorstellung.

Zusatzfrage: Mich würde zu der Briefmarke, die Sie vorhin erwähnt haben, noch interessieren, wann die Entscheidung gefällt worden ist, sie zu drucken und was damit passiert wäre, wenn es ein anderes Ergebnis gegeben hätte.

Kothé: Wir haben immer fest an den Erfolg der deutschen Mannschaft geglaubt.

Zusatz: Das beantwortet aber nicht meine Frage.

Kothé: Doch!

SRS'in Wirtz: Das ist eine Wenn-Frage. "Wenn es anders gelaufen wäre", ist eine hypothetische Frage.

Zusatzfrage: Die Briefmarken werden ja nicht gestern nach Mitternacht gedruckt worden sein. Insofern lagen sie schon vor, und insofern müsste es auf diese Frage eine praktische Antwort geben.

SRS'in Wirtz: "Wenn sie nicht gewonnen hätte", ist eine hypothetische Frage. Die deutsche Mannschaft hat gewonnen. Wir sind zum vierten Mal Weltmeister geworden. Insofern haben wir jetzt die Briefmarke und sind glücklich darüber, die Briefmarke zu haben.

Vorsitzender Mayntz: Ansonsten wäre sie wahrscheinlich im Wert sehr stark gestiegen, oder?

Vorsitzender Mayntz: Das war auch eine Frage, aber gut. - Herr Blank.

Frage: Wenn ich darf, würde ich da gleich anschließen und fragen: Was kostet denn so ein Sonderdruck in der Produktion?

Kothé: Ich kann Ihnen nicht sagen, was der Druck genau kostet. Ich kann Ihnen sagen, wie hoch die Auflage ungefähr ist. Ich hatte vorhin vergessen zu sagen, dass die Briefmarken am 17. Juli in den Verkauf gehen - das können Sie auch in unserer Pressemitteilung nachlesen -, und zwar als 60 Cent Standardbriefmarke. Das für jeden, der gerne noch einen Brief schreiben möchte.

Herr Blank, was die reinen Produktionskosten angeht, so habe ich die Zahl im Augenblick nicht parat.

Vorsitzender Mayntz: Können Sie das nachliefern?

Kothé: Das kann ich bestimmt nachliefern.

Zuruf: Und die Auflage?

Kothé: Circa fünf Millionen. Das wird von der Deutschen Post AG festgelegt. Wir geben die Briefmarken - jetzt gehen wir ins Detail - nur heraus und vertrieben werden sie durch die Deutsche Post AG.

Frage: Ich möchte beim Finanzministerium bleiben, und zwar zum Thema "Strafzahlungen gegen europäische Geldinstitute" fragen. Dieses Thema - wir hatten es schon öfter angesprochen - ist nun auch von der Bundesbank aufgegriffen worden. Sie spricht von einer erheblichen Belastung, auch von einer aufmerksamen Verfolgung von dem, was da läuft. Dahinter steht die Mutmaßung, dass das mögliche wettbewerbspolitische Hintergründe haben könnte.

Mich würde interessieren, ob die Bundesregierung die Bedenken der Bundesbank teilt, auch die Einordung, von "erheblichen Belastungen" zu sprechen, ob sie das zum Anlass nimmt, bei der US-Regierung vorstellig zu werden oder schon vorstellig geworden ist. Wenn ja, mit welchem Ziel?

Kothé: Erst einmal vorab von mir der Hinweis, dass wir uns zu einzelnen Banken und dem Stand von Verfahren, Gesprächen usw. grundsätzlich nicht äußern. Wir verfolgen das natürlich aufmerksam. Das war - das hat auch Minister Schäuble angesprochen - auch ein Thema des bilateralen Gesprächs mit dem amerikanischen Finanzminister Lew vor zwei, drei Wochen.

Zusatzfrage: Könnten Sie mir sagen, in welcher Weise das angesprochen worden ist? War das insofern, als der Minister Aufklärung von der US-Seite über die Hintergründe dieser Geschichte verlangt hat oder hat er das mit einer Bitte verbunden, daran etwas zu ändern? Wie war das?

Kothé: Grundsätzlich sind bilaterale Gespräche vertraulich und somit geben wir auch nicht über Details Auskunft. Der Minister hat öffentlich gesagt, dass das Thema in dem Gespräch angesprochen wurde. Mehr kann ich Ihnen dazu im Augenblick auch nicht berichten.

Zusatzfrage: Teilt die Bundesregierung die Einordnung der Bundesbank, dass das eine Belastung ist? Hat das Ansprechen des Ministers dazu geführt, dass ein Gesprächsprozess in Gang gekommen ist, dass sich möglicherweise eine Arbeitsgruppe damit befasst oder auf einer anderen Ebene dieses Thema weiter diskutiert wird?

Kothé: Noch einmal der Hinweis, dass es rechtsstaatliche Verfahren in den USA gibt. Wir haben dazu weder eine Arbeitsgruppe noch Sonstiges ins Leben gerufen. Was die Bewertung angeht, hatte ich Ihnen gerade gesagt, dass wir das aufmerksam verfolgen.

Zusatzfrage: Ich würde gerne das Außenministerium und Sie, Frau Wirtz, zu den jüngsten Ereignissen in der Ukraine fragen. Geben Meldungen, dass am Wochenende angeblich tausend Separatisten gestorben sind sowie die relativ martialische Wortwahl des Herrn Poroschenko der Bundesregierung Anlass, den ukrainischen Präsidenten kritischer zu bewerten? Wie bewerten Sie das, was da im Moment an Kriegsrhetorik von der ukrainischen Seite gebraucht wird?

Chebli: Fakt ist, dass die Ereignisse am Wochenende uns sehr beunruhigen und uns eindringlich vor Augen führen, wie brandgefährlich die Situation in der Ukraine ist. Wir rufen alle Seiten auf, in dieser brenzligen Lage alles zu tun, damit die Situation nicht vollkommen außer Kontrolle gerät. Unsere Überzeugung ist und bleibt, dass dieser Konflikt nicht militärisch gewonnen werden kann. Das haben wir an dieser Stelle schon mehrfach gesagt und ich wiederhole es hiermit.

Es gilt - das hat auch die Bundeskanzlerin gegenüber Präsident Putin kommuniziert -, dass wir jetzt einen Dialog zwischen der ukrainischen Regierung und den Vertretern im Osten des Landes brauchen, dass es ein Kontaktgruppentreffen - in welcher Form auch immer, Hauptsache es findet statt - gibt, um einen Weg aus dieser sehr verschärften und mit jedem Tag weiter explodierenden Lage herauszufinden. Es gab am Wochenende Gespräche, wo das natürlich Thema war. Es werden in diesen Tagen auch weitere Gespräche mit allen Akteuren stattfinden. Wir brauchen dieses Kontaktgruppentreffen. Wir brauchen Vertrauen und Gespräche auf beiden Seiten. Wir können und dürfen nicht zurück zu einer Sprachlosigkeit zwischen den Vertretern in der Ukraine und in Russland.

SRS'in Wirtz: Vielleicht darf ich ergänzen, Herr Heller: Es gab ja die Möglichkeit für die Bundeskanzlerin, am Rande des Fußballspiels auch mit Präsident Putin über die Situation in der Ukraine zu sprechen. In diesem Gespräch sind sich die Bundeskanzlerin und der russische Präsident einig gewesen, dass es, wie Frau Chebli gerade auch sagte, diese Gespräche zwischen der ukrainischen Regierung und den Separatisten geben müsse, vermutlich in Form einer Videokonferenz. Darüber hinaus waren die Kontrolle der ukrainisch-russischen Grenze und der Austausch von Gefangenen Thema dieses Gesprächs. Auch darin waren sich beiden einig, dass das eine wichtige Voraussetzung ist, um zu einer beidseitigen Waffenruhe zu kommen.

Was Sie in Bezug auf Herrn Poroschenko ansprechen, so hatte die Bundeskanzlerin am Freitag auch Gelegenheit, noch einmal mit Herrn Poroschenko zu telefonieren. Sie hat in diesem Telefonat ihre Unterstützung zugesichert, den Friedensplan von Herrn Poroschenko zu unterstützen, hat aber gleichzeitig ganz deutlich gemacht, dass selbstverständlich - das gilt natürlich für die ukrainische Regierung ganz genauso - die Verhältnismäßigkeit in der Wahl der Mittel zu wahren und abgesehen davon auch die Zivilbevölkerung zu schützen ist.

Zusatzfrage: Dieser Appell, Verhältnismäßigkeit zu wahren, ist ja kein neuer, sondern den haben wir in der letzten Woche auch schon wiederholt gehört. Von daher stellt sich die Frage, ob die Entwicklungen, insbesondere die Äußerungen von Herrn Poroschenko, von der Bundesregierung schon insofern mit Beunruhigung zu bewerten sind, als die Appelle offenbar fruchtlos geblieben sind und seine Anstrengungen in der Ukraine selbst eine verstärkte militärische Note bekommen haben.

Chebli: Ich glaube, ich habe den Punkt eigentlich ganz klargemacht. Jeder souveräne Staat - das haben wir gesagt - hat das Recht, seine territoriale Integrität im völkerrechtlich erlaubten Rahmen zu verteidigen. Das gilt. Dennoch gilt - das hat die Bundesregierung klargemacht und macht sie auch weiterhin klar -, dass das nicht auf Kosten der Zivilbevölkerung geschehen darf. Es muss Verhältnismäßigkeit gewahrt werden, es müssen internationale Normen und Menschenrechtsstandards gewahrt werden.

Außenminister Klimkin hat am Freitag in einem Interview betont - ich weiß nicht, ob Sie es gelesen haben -, dass es das Ziel der Offensive sei, den Menschen in den zeitweise von den Separatisten besetzten Gebieten wieder ein normales Leben zu ermöglichen. Er hat auch betont, dass kein Angriff auf Donezk direkt beabsichtigt sei.

Hier kann ich mich nur wiederholen: Ich glaube, es ist wichtig, dass auch die ukrainische Regierung weiß, dass dieser Konflikt nicht militärisch gewonnen werden kann. In den Gesprächen mit uns wird auch betont, dass man nach wie vor an der Berliner Erklärung festhält, wo wir uns unter anderem darauf geeinigt haben, dass es einen dauerhaften Waffenstillstand geben muss. Alle Konfliktparteien halten an dieser Erklärung fest und das gilt für uns. In diesem Zusammenhang kann ich nur wiederholen, was ich schon gesagt habe: Wir brauchen jetzt dieses Treffen, damit nicht noch mehr kaputtgeht und damit die Lage in der Ukraine nicht weiter explodiert.

Frage: In den ja fast täglichen Mitteilungen über Telefongespräche zwischen verschiedenen Staats- und Regierungschefs zum Thema Ukraine ist immer von gemeinsamen Positionen die Rede. Da bekommt man den Eindruck, dass es zwischen diesen Telefonpartnern nie irgendwelche Differenzen gibt. Ist dieser Eindruck richtig, und falls ja, sind die einzigen, die diesem Ganzen nicht zustimmen, die Separatisten? Oder gibt es aus Ihrer Sicht auf der einen oder anderen Seite noch eine Möglichkeit, sich zu bewegen, was die Position angeht?

SRS'in Wirtz: Herr Jordans, Sie wissen, dass diese Telefongespräche vertraulich sind. Insofern kann ich Ihnen bezüglich des Verlaufs dieser Gespräche jetzt nicht - und schon gar nicht pauschal - sagen, dass es nie irgendwelche Konflikte, Diskussionen oder sonst irgendetwas gäbe. Das kann ich mitnichten pauschal für Telefongespräche jedweder Art tun. Insofern: Die Gespräche, die geführt werden, sind vertraulich. Wir entscheiden beziehungsweise die Bundeskanzlerin entscheidet am Ende eines solchen Gespräches, was wir Ihnen über Pressemitteilungen oder ähnliche Wege mitteilen. Insofern kann ich mich nicht weiter dazu einlassen, wie diese Gespräche verlaufen.

Zusatzfrage: Können Sie denn ganz grundsätzlich sagen, ob Sie noch irgendwelche Erwartungen an Russland haben?

SRS'in Wirtz: Ganz grundsätzlich, welche Erwartungen die Bundesregierung an Russland hat?

Zusatzfrage: Über das hinausgehend, was die Russen bisher gemacht haben, ja.

SRS'in Wirtz: Ich habe gerade ja erwähnt, dass die Bundeskanzlerin mit Putin gesprochen hat und dass man sich im Hinblick auf die Frage, wie man zu einer Deeskalation in der Ostukraine beitragen kann, über verschiedene Punkte einig geworden ist. Damit verbunden ist jetzt natürlich auch die Hoffnung, dass ebendiese Punkte auch Realität werden und umgesetzt werden.

Abgesehen davon wird es Mitte dieser Woche, am Mittwoch, wieder ein Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel geben, die sich erneut ganz intensiv mit der Lage in der Ukraine auseinandersetzen werden.

Frage: Der "Spiegel" behauptet in seiner neuen Ausgabe, Bundeskanzlerin Merkel könnte dabei sein, ihren Rücktritt vorzubereiten. Was hält die Bundesregierung von dieser "Spiegel"-Nachricht und wie geht die Bundesregierung damit um?

SRS'in Wirtz: Die Bundeskanzlerin gedenkt, weiter zu regieren.

Zusatzfrage: Das heißt, Sie halten davon nichts, dieser "Spiegel"-Bericht hat keine Substanz?

SRS'in Wirtz: Nein.

Frage: Die "Spiegel"-Geschichte war ja nicht, dass Frau Merkel sofort zurücktritt, sondern die "Spiegel"-Geschichte ist ja eigentlich die, dass sie, wenn sie irgendwann einmal zurücktritt, dies freiwillig machen wird. Was sagen Sie dazu? Ist auch das falsch, will sie also irgendwann nicht freiwillig zurücktreten?

SRS'in Wirtz: Sie erwarten jetzt doch nicht im Ernst, dass ich darauf irgendetwas sage oder dass ich darauf eingehe. Nein, die Bundeskanzlerin ist für vier Jahre gewählt. Sie regiert. Es gibt keinerlei Anlass, keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es eine solche Entwicklung gibt. Insofern kann ich dem einfach nicht mehr hinzufügen als dass sie gedenkt, weiter zu regieren.

Frage (zur Situation im Nahen Osten): Frau Chebli, Sie haben zur Ukraine gerade gesagt, dass es wichtig sei, bei der Verteidigung des eigenen Territoriums verhältnismäßig vorzugehen, und etwas Ähnliches wurde letzte Woche auch zum israelischen Vorgehen gesagt. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte hat ja gesagt, sie bezweifle, dass das im Moment im Gazastreifen der Fall sei, und hat angedeutet, dass man möglicherweise untersuchen müsste, ob dort internationales Recht gebrochen wurde. Wie sieht das die Bundesregierung?

Chebli: Ich nutze Ihre Frage einmal, um zu sagen, wo der Außenminister gerade ist und was er zu tun plant beziehungsweise welche Gespräche er führen wird: Er ist auf dem Weg nach Jordanien, nach Israel und nach Palästina. In Jordanien wird er Gespräche mit dem Außenminister und mit dem Premierminister führen, in Israel wird er Gespräche mit Premierminister Netanjahu und mit Außenminister Lieberman führen, und er wird in Ramallah auch Präsident Abbas treffen.

Die Lage im Nahen Osten kann uns nicht gleichgültig sein. Wir sehen auf beiden Seiten Bilder, die uns erschrecken. Wir sehen auf der einen Seite Bilder von Kindern und von Zivilisten, die vor Raketen flüchten und sich in Bunkern verstecken, und wir sehen auf der anderen Seite Bilder von toten Kindern und Frauen, von verletzten Menschen in Krankenhäusern. All das führt uns vor Augen, wie dramatisch die Lage im Nahen Osten ist.

In dieser Situation reist der Außenminister in die Region, um mit den Akteuren vor Ort zu sprechen und zu schauen: Welche Möglichkeiten gibt es, um diesen Konflikt, um diesen Terror zu beenden? Letztendlich geht es darum, die Konsequenzen, die eine weitere Eskalation bedeuten würde, mit den Partnern vor Ort zu besprechen. Wir haben mehrfach betont - und das wissen Sie -, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen. Wir haben aber auch betont, dass bei all der Verteidigung die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss. Dem habe ich in diesem Fall eigentlich nichts hinzuzufügen. Letztendlich geht es darum, dass verhindert werden muss, dass Menschen kollektiv bestraft werden. Wir verurteilen aufs Schärfste, dass die Hamas Zivilisten missbraucht und letztendlich als Schutzschilder nutzt, um sich gegen Israel zu verteidigen. Diese Nachricht, diese Messages wird der Minister auch mitnehmen und an die Gesprächspartner übergeben.

Ich warne aber davor, zu sagen, dass es irgendwelche einfachen Lösungen für diesen Konflikt gibt. Die Gewaltspirale der letzten Wochen hat eine Lage geschaffen, die die Ansätze für eine Deeskalation eigentlich nur erschwert. Wir haben ja nicht nur den Konflikt zwischen Israel und Palästina, sondern wir haben auch den Bürgerkrieg in Syrien, wir haben eine Lage im Irak, wo wir nicht wissen, ob der Irak am Ende ein einheitlicher Staat bleibt, wo wir aber darauf dringen, dass die Regierung im Irak alles tut, damit dieser Staat nicht auseinanderfällt, und wir haben eine fragile Situation im Libanon und in Jordanien. In dieser ganzen Gemengelage muss jetzt vor allen Dingen in Israel und Palästina darauf gesetzt werden, dass die Lage nicht weiter eskaliert und dass die Raketenschüsse von Hamas sofort beendet werden. Dann schaffen wir es vielleicht, einen Weg aus dieser Krise heraus zu finden; denn am Ende sind die Menschen auf beiden Seiten die Leidtragenden.

Frage: Würden Sie das, was Herr Steinmeier mit seiner Reise verbindet, als eine Art Vermittlungsmission bewerten? Ist seine Reise in die Region ein Hinweis darauf, dass er im Moment eine Chance dafür sieht, dass sich die Diplomatie wieder einklinken kann, selbst wenn die Lage in den zurückliegenden Tagen und Wochen quasi jeden Tag weiter eskaliert ist?

Chebli: Ich habe ja gesagt, dass ich vor der Erwartung warne, dass es irgendwelche einfachen Lösungen geben wird. Das bezieht sich natürlich auch auf das Erreichen einer Waffenruhe. Ziel der Reise ist es vor allem, die bestehenden Gesprächsfäden nicht abreißen zu lassen und mit den Akteuren vor Ort zu eruieren, welche Möglichkeiten für einen Waffenstillstand es gibt. Deshalb werden sich im Übrigen auch die EU-Außenminister am 22. Juli mit der Situation im Nahen Osten befassen. Der Bundesaußenminister ist sozusagen nicht der Einzige - es gibt verschiedene Bemühungen auch regionaler Akteure, den Konflikt zwischen Israel und Palästina zu entschärfen. Deswegen würde ich sagen, dass es erst einmal darum geht, sich ein Bild von der Lage zu machen, vor Ort zu sein und zu zeigen: Wir sind da, wir hören zu und wir wollen mit euch gemeinsam schauen, welche Möglichkeiten es gibt, aus dieser Situation herauszukommen - wie gesagt, weil wir alle nicht wissen, welche Konsequenzen eine weitere Eskalation dieses Konflikts am Ende für die gesamte Region haben wird.

Frage: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Es gibt Berichte, dass das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle die Ausfuhranträge der Firma SIG Sauer sozusagen auf Eis gelegt habe. Ging dem eine Weisung des Wirtschaftsministeriums voraus?

Modes: Wie Sie wissen, ist das BAFA dafür zuständig. Wir haben das BAFA um Aufklärung des Sachverhalts gebeten, aber ich kann jetzt nicht sagen, dass wir um einen Stopp gebeten hätten.

Zusatzfrage: Aber den Fakt bestätigen Sie?

Modes: Da müsste ich Sie an das BAFA verweisen.

Zusatzfrage: Und zu einer politischen Anweisung können Sie im Moment nichts sagen?

Modes: Nein. Wir haben nur um Aufklärung des Sachverhalts gebeten.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 14. Juli 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/07/2014-07-14-regpk.html;jsessionid=50B86FEA9ACFFAF56BAED143C24E5DA9.s1t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2014