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PRESSEKONFERENZ/838: Regierungspressekonferenz vom 13. August 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 13. August 2014
Regierungspressekonferenz vom 13. August 2014

Themen: Reise der Bundeskanzlerin nach Lettland, Kabinettssitzung (Gesetzentwurf zur gegenseitigen Anerkennung strafrechtlicher und zivilrechtlicher Gewaltschutzanordnungen der EU-Mitgliedstaaten, Unterzeichnung des Übereinkommens des Europarates gegen die Manipulation von Sportwettbewerben, Lage in der Ukraine, im Irak und in Gaza), Lage in Westafrika in Bezug auf den Ebola-Virus, innenpolitische Schwerpunkte der Bundeskanzlerin nach der Sommerpause, Listerien-Alarm in Dänemark, mögliche Entführung eines deutschen Ehepaars auf den Philippinen, Vorstellung des Eckpunktepapiers zum Prostitutionsgesetz

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Fronczak (BMEL), Plate (BMI), Flosdorff (BMVg), Ulbert (BMZ), Alemany (BMWi), Herb (BMFSFJ), Scholz (BMJV)



Vorsitzender Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag! Ich möchte, bevor ich zum Kabinett komme, einen kurzen Hinweis auf eine Reise der Bundeskanzlerin geben, die schon am Montag stattfindet. Deswegen warten wir jetzt nicht bis zum üblichen Freitag. Am kommenden Montag wird die Bundeskanzlerin, wie schon seit einiger Zeit geplant, nach Lettland reisen. Zum Auftakt ihres Besuchs in Riga legt sie am Freiheitsdenkmal Blumen nieder. Anschließend gibt es ein Gespräch mit der Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma und danach mit dem Staatspräsidenten Andris Berzins. Am Abend gibt es eine Diskussion über die lettisch-deutsche Wirtschaftszusammenarbeit. Sie findet in der lettischen Nationalbibliothek statt. Gegen Abend wird die Bundeskanzlerin dann nach Berlin zurückfliegen.

Jetzt zu den beiden Beschlüssen, die das Kabinett heute gefasst hat. Das eine ist ein Beschluss, der mit dem großen Thema Opferschutz zu tun hat. Die Bundesregierung will einen besseren Schutz für Opfer von Gewalt schaffen, nämlich einen grenzüberschreitenden Schutz. Dazu hat das Kabinett heute einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem in erster Linie die EU-Richtlinie über die Europäische Schutzanordnung umgesetzt und die EU-Verordnung über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen durchgeführt werden. Das heißt, dass, wenn in einem Mitgliedstaat zum Schutze einer Person vor Gewalt durch eine andere Person Maßnahmen erlassen worden sind, diese dann genauso in den anderen Mitgliedstaaten wirksam sind. Das ist ein erheblicher Beitrag zum Opferschutz.

Das zweite Beschlussthema im Bundeskabinett heute war die Unterzeichnung des Übereinkommens des Europarats gegen die Manipulation von Sportwettbewerben. Der Bundesinnenminister, der ja auch Sportminister ist, hat dies mit den schönen Worten eingeleitet: Der Sport lebt davon, dass der Ausgang eines Wettbewerbs offen ist.

Wenn im Sport betrogen und manipuliert wird, dann geht das an den Kernwert des Sportes. Diesen Kernwert gilt es zu schützen. Das Übereinkommen des Europarates, dem zuzustimmen die Bundesregierung heute beschlossen hat, ist die erste internationale Rechtsgrundlage, um die Manipulation von Sportwettbewerben zu bekämpfen. Dieses Übereinkommen ist auch für Staaten außerhalb des Europarates offen.

Deutschland hat sich in dem Entstehungsprozess dieses Übereinkommens sehr aktiv eingebracht und wesentliche Regeln mit entwickelt. Bei dieser Konvention sollen geeignete Maßnahmen gegen die Manipulation von Sportwettbewerben eingeleitet werden. Es soll eine effektive Sportwettenregulierung eingeführt werden. Die nationale und internationale Kooperation auf diesem Gebiet soll verbessert werden. Es werden strafrechtliche Mindeststandards sichergestellt usw.

Wir sind überzeugt: Das ist ein wichtiger Beitrag der Staaten, um die Integrität des Sports zu wahren. Unterzeichnet wird das Übereinkommen am 18. September im Rahmen eines Sportministertreffens des Europarats.

Daran anschließend wurde im Kabinett über die drei außenpolitischen Brennpunkte, Krisenherde gesprochen, die uns und auch die Menschen in Deutschland derzeit intensiv beschäftigen und besorgen, nämlich die Ukraine, die Lage im Nordirak und Gaza. Dazu trug der Bundesaußenminister vor. Die Verteidigungsministerin, der Entwicklungsminister und auch andere haben dazu das Wort ergriffen.

So weit mein Bericht aus dem Kabinett.

Schäfer: Ich nutze die Gelegenheit, Ihnen mitzuteilen, dass der Krisenstab der Bundesregierung heute Morgen getagt hat und sich intensiv mit der Lage in Westafrika und den Infektionen mit dem Ebola-Virus beschäftigt hat. Dort ist entschieden worden, dass alle deutschen Staatsangehörigen in den Ländern Guinea, Sierra Leone und Liberia wegen der weiterhin kritischen Lage zur Ausreise aufgefordert werden. Das gilt ausdrücklich nicht für dringend vor Ort benötigtes medizinisches Personal zur Bekämpfung des Virus. Auch die deutschen Auslandsvertretungen, die deutschen Botschaften vor Ort bleiben geöffnet. Sie werden in Kürze auf der Website des Auswärtigen Amtes bei den Reise- und Sicherheitshinweisen die entsprechenden Texte angepasst sehen.

Fronczak: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

Frage: Ist das Gesetz gegen die Manipulation von Sportwettbewerben sozusagen der Ersatz für ein Antidopinggesetz, das damit nicht kommen wird oder soll?

StS Seibert: Wenn ich das noch einmal sagen darf: Die Bundesregierung hat heute der Unterzeichnung eines Übereinkommens des Europarates zugestimmt. Das ist noch einmal etwas ganz anderes. Die Dopingbekämpfung wird von der Konvention gegen Manipulationen im Sport ausgenommen. Ich glaube, es gibt schon seit 1989 auf der Ebene des Europarates und seit 2005 auf Unesco-Ebene eigene das Doping betreffende internationale Regelwerke.

Vorsitzender Wefers: Möchte das Innenministerium noch ergänzen?

Plate: Das hat sich damit im Prinzip schon erledigt. Ich wollte nur sagen: Das sind sozusagen zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Das Übereinkommen, von dem die Rede war, ist jetzt noch nicht in Kraft. Es wurde jetzt beschlossen, dass es unterzeichnet werden soll. Es wird dann noch ein sogenanntes Vertragsgesetz brauchen, um es auch für Deutschland in Kraft zu setzen.

Frage (zur Lage im Irak): Herr Seibert, am Montag ist es hier sehr ausführlich um das Thema Waffenlieferungen gegangen. Sie und der Sprecher des Auswärtigen Amtes haben sehr dezidiert und überzeugend gesagt, es bleibe bei dem bisherigen Grundsatz: Keine Waffen in Krisengebiete. - Da ich annehme, Sie sagen hier immer nach bestem Wissen und Gewissen die Wahrheit, muss sich das danach verändert haben. Was hat sich wann, wie, wo oder durch wen verändert, dass wir die heutige Situation haben? Dann wüsste ich gerne noch, was die offizielle rechtliche Begründung für diese Lieferung ist. Denn die Rüstungsexportrichtlinien schließen ja auch sonstige Rüstungsgüter aus.

StS Seibert: Danke erst einmal für die Frage. - Außenpolitik muss ja immer Grundsätze haben und auf Entwicklungen reagieren. Deutschland hat solche Grundsätze beim Rüstungsexport. Auf deren Gültigkeit habe ich am Montag hingewiesen. Grundsätze lassen auch immer Beurteilungsspielräume offen. Wir sind bereit, in der dramatischen Situation, die sich im Nordirak zeigt, wenn nötig, Beurteilungsspielräume auszuschöpfen.

Wir verfolgen die Entwicklung im Nordirak ständig. Wir nehmen die Berichte, die Informationen von dort auf. Wir stehen mit unseren engsten Partnern in Europa ständig dazu in Verbindung. Wir sprechen darüber, was jeder Einzelne tun kann und was auch auf europäischer Ebene getan werden kann, getan werden muss. Das ist ein normaler Prozess. Unsere Einschätzung hier in Berlin wie auch in den anderen europäischen Hauptstädten - das ergeben alle diese Gespräche - ist identisch. Wir erleben im Nordirak etwas, das uns alle angeht. Wir erleben den Vormarsch blutrünstiger Extremisten. Wir erleben den Vormarsch von Menschen, denen nichts heilig ist, obwohl sie sich ständig auf die Religion berufen, die weder Frauen noch Kinder schonen und die in ihrem Kampf gegen Andersdenkende und Andersglaubende eine enorme Grausamkeit an den Tag legen. Das geht uns alle an. Diesen Vormarsch zu stoppen, den verfolgten, notleidenden und traumatisierten Menschen zu helfen, ist eine Aufgabe für die gesamte internationale Gemeinschaft. Da kann und soll auch jeder nach seinen Möglichkeiten helfen.

Der Schwerpunkt unserer Hilfe ist der humanitäre. Wir arbeiten dazu effektiv und eng mit den internationalen Organisationen zusammen. Darüber hinaus prüft die Bundesregierung - wiederum in engstem Kontakt mit ihren europäischen Partnern, auch mit den USA -, was noch an Kapazitäten, an Ausstattungshilfe gebraucht wird. Da sind noch keine Entscheidungen gefallen. Aber, wie ich es schon gesagt habe: Angesichts der dramatischen Situation sind wir bereit, den politischen, den rechtlichen Spielraum, den wir haben, auch zu nutzen.

Zusatzfrage: Ich bin ein bisschen überrascht: Da sind noch keine Entscheidungen gefallen. Denn die Verteidigungsministerin hat heute Morgen gesagt: Wir sind dabei. Wir sammeln alles ein. Es geht auf dem schnellsten und direktesten Weg. Es geht jetzt nur noch darum, Flugrouten und Landeplätze zu prüfen. - Sie hat detailliert gesagt, was alles in den Flugzeugen drin ist, Unimogs und Pipapo. Das klingt nicht nach: noch keine Entscheidungen getroffen.

StS Seibert: Vielleicht kann sich der Sprecher der
Verteidigungsministeriums dazu äußern.

Flosdorff: Da ich bei dem Pressetermin heute Morgen, als sie das gesagt hat, glücklicherweise dabei war, kann ich Ihnen Folgendes sagen: Diese Dinge werden zurzeit geprüft. Es gibt natürlich politische Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Aber in dem Moment, in dem man grundsätzlich weiß, was überhaupt gefragt wird, was andere Nationen eventuell liefern können, in welcher Reihenfolge dies getan wird, ob man erst humanitäre Güter liefert und erst dann den sicherlich aufwendigeren Abgleich mit anderen macht, was an Ausrüstungsmaterial gebraucht wird, überhaupt zur Verfügung steht und auch in Form von Fracht logistisch zu bewältigen ist - das ist eine Reihe von Fragen, die parallel geklärt werden muss. Ich kann Ihnen an dieser Stelle sagen: Es steht noch zu keinem Punkt fest, welches Gut zu welchem Zeitpunkt zu welchen Kriterien irgendwohin geliefert wird.

Zusatzfrage: Meine Frage, was die rechtliche Begründung für eine solche Lieferung ist, weil die Rüstungsexportrichtlinien auch sonstige Rüstungsgüter ausschließen, ist noch nicht beantwortet worden. Wird man sich auf die UN-Charta berufen, Herr Flosdorff, oder was wäre Ihr rechtliches Konstrukt dafür?

Flosdorff: Die ganzen rechtlichen, völkerrechtlichen Fragen und auch Fragen der Rüstungskontrolle werden sorgfältigst innerhalb der Bundesregierung abgestimmt und geprüft. Danach wird entschieden, was wann geliefert werden kann.

Frage: Herr Seibert, Sie haben gerade zu Recht gesagt, dass eine solche Hilfe international koordiniert werden müsse und dass man sich die Aufgaben teile. Wie ist denn die Aufgabenteilung mit Großbritannien, Frankreich und den USA, um einmal diese drei zu nennen? Liefern diese die Waffen? Denn vor allem die kurdischen Milizen sind ja, was die Ausrüstung des IS angeht, offensichtlich deutlich unterlegen. Hat man sich in dieser Gruppe inzwischen Gedanken darüber gemacht, wer die Waffen jetzt bekommt, ob man die direkt an die Kurden liefert oder ob man das pro forma einem irakischen General in die Hand drückt, der sich dann umdreht und das an die Milizen weitergibt?

StS Seibert: Ich kann nur wiederholen, dass wir zu allen diesen Fragen - und das nicht erst seit gestern, sondern seit geraumer Zeit - in wirklich engster Abstimmung mit den europäischen Partnern stehen. Sie wissen, dass es auch eine Sitzung der Botschafter in Brüssel gegeben hat. Die Ministerinnen und Minister sind in engem Kontakt miteinander. Ich kann Ihnen hier nicht berichten, was Partnerstaaten machen. Ich kann Ihnen nur über unsere Überlegungen berichten. Das habe ich gerade versucht zu tun. Im Übrigen ist es wohl auch einmal wert, da ich gesagt habe, wir haben einen Schwerpunkt auch bei der humanitären Hilfe, dass die Ressorts, auch das BMZ, dazu noch berichten, weil es da ja auch eine Entwicklung gibt. Deswegen würde ich vorschlagen, dass sich dazu vielleicht das BMZ äußern kann.

Ulbert: Ich möchte Ihnen mitteilen, dass Bundesminister Müller soeben angekündigt hat, für Flüchtlinge, und zwar sowohl im Nordirak als auch in Gaza, zusätzlich jeweils 20 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Die Hilfe soll schnell, ohne Umwege und unbürokratisch dort ankommen, weswegen wir die Mittel an vor Ort tätige internationale Hilfsorganisationen weiterleiten.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen auch mitteilen, dass der Herr Minister erneut die Europäische Union aufgefordert hat, bei der Bewältigung der Flüchtlingskrisen in beiden Regionen, aber auch in anderen Krisenregionen der Welt stärker Flagge zu zeigen, aus bestehenden Fördertöpfen eine Umschichtung vorzunehmen und ein Sonderprogramm der EU speziell für Flüchtlingshilfe zur Verfügung zu stellen.

Was machen wir im Irak konkret? Sie wissen, dass die Regionalregierung im Norden und die Gemeinden, die Flüchtlinge aufnehmen, mit ihren knappen Ressourcen und der vorhandenen sozialen Infrastruktur wirklich total überfordert sind. Darauf zielt unsere Unterstützung. Es geht jetzt darum, die Infrastruktur zu fördern. Vor allem steht hierbei natürlich die Versorgung mit Trinkwasser im Vordergrund. Bei allen Maßnahmen haben wir den Schutz speziell von Kindern und Jugendlichen besonders im Auge. Konkret arbeiten wir dort mit dem Welternährungsprogramm zusammen, mit UNICEF, dem Kinderhilfswerk, und auch vor Ort tätigen Nichtregierungsorganisationen.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch drei Sätze zu den weiteren zusätzlichen 20 Millionen Euro für Flüchtlinge in Gaza hinzufügen. Auch hier geht es um den Aufbau der beschädigten und zerstörten Infrastruktur. Auch hier geht es darum, das Wasser- und Abwassernetz in Gaza, das total kaputt ist, schnell wiederaufzubauen. Es geht um psychosoziale Hilfe für Menschen, die traumatische Schäden erlitten haben, und um Beschäftigungsprogramme, speziell auch für Jugendliche. In beiden Regionen stehen für uns die Förderung von jungen Menschen und die Sicherung von Perspektiven für Jugendliche ganz besonders im Vordergrund.

Frage: Herr Seibert, Frankreich hat angekündigt - ich glaube, vor etwa einer halben Stunde ist die Meldung gekommen -, noch heute Waffen an die Kurden zu liefern. Dazu gibt es eine Erklärung von Präsident Hollande über den Kontakt mit Barzani. Finden Sie, dass es für die Bundesregierung besonders gut aussieht, dass Frankreich, das immerhin letale Waffen liefert, das schon heute macht und Sie noch in der Entscheidung sind und sich in der rechtlichen Klärung befinden? - Das ist die erste Frage.

Dann habe ich noch eine Frage an Frau Alemany im Nachgang zu dem, was Ihr Minister gestern in seiner Funktion als SPD-Vorsitzender gesagt hat. Er hat da eine rechtliche Kaskade aufgemacht, zu der ich gerne um Erläuterung bitten möchte. Zum Thema Waffenlieferung, die er im Moment in der Sache noch ablehnt, hat er gesagt: Rechtlich ist das möglich. - Auf welches Gesetz bezieht er sich da? Das Kriegswaffenkontrollgesetz handelt ja im Wesentlichen von wirtschaftlich gehandelten Waffen und nicht von Waffen, die von einer Regierung weitergegeben würden. Er hat gesagt: Wenn wir das machen, dann geht dies nur an eine legitimierte Regierung. - Da würde ich um die Bewertung der Bundesregierung bitten, ob auch die autonome Kurdenregierung von Herrn Barzani unter dieser Kategorie fiele.

Alemany: Wie Sie schon zu Recht sagen, hat sich unser Minister gestern als Parteivorsitzender ausführlich zu diesem Thema geäußert, nachdem er sich mit Vertretern der jesidischen Gemeinde getroffen hat und sich dies direkt aus erster Hand hat berichten lassen. Er hat deutlich gemacht - ohne dass ich jetzt die Details erläutern möchte -, dass die Bundesregierung selbstverständlich den Menschen vor Ort Hilfe zukommen lassen möchte und sie unterstützen wird. Er hat von humanitärer Hilfe, von Schutzzonen gesprochen und auch davon, dass es keine Obergrenze beispielsweise bei der derzeitigen humanitären Hilfe gibt. Er hat auch Waffenlieferungen nicht ausgeschlossen; das ist richtig. Er hat aber auch deutlich gemacht, dass er vor voreiligen Entscheidungen diesbezüglich warnt und dass enge Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung und mit den europäischen Partnern wichtig sind.

Er hat ferner deutlich gemacht - das kann ich als BMWi-Sprecherin sagen -, dass wir an den rechtlichen Gegebenheiten und auch an unserer restriktiven Rüstungsexportpolitik festhalten, dass wir uns aber schon die Freiheit nehmen, täglich die Gegebenheiten genau zu beobachten und miteinander zu prüfen und zu besprechen, wie die geeignete Unterstützung aussehen muss. Die einzelnen rechtlichen Gegebenheiten werden damit zusammenhängen, was wann wohin geliefert werden muss. So gesehen kann ich Ihnen wahrscheinlich keine abschließend glücklich machende rechtliche Bewertung geben.

Ich kann Ihnen aber sagen, dass es bei Rüstungsexporten nach den politischen Grundsätzen und nach dem gemeinsamen Standpunkt immer auch eine Einzelfallentscheidung ist, was exportiert werden darf. Sie umfasst mehrere Aspekte. Sie befasst sich auch mit legitimen außen- und sicherheitspolitischen Aspekten und orientiert sich daran. Beispielsweise auch die Bekämpfung des Terrorismus kann ein legitimes sicherheitspolitisches Interesse sein.

Der Minister hat mehrfach betont und im Rüstungsexportbericht schon dargelegt, dass Rüstungs- oder Waffenexporte kein Mittel primär der Wirtschaftspolitik sind, sondern der Sicherheitspolitik. Innerhalb der Bundesregierung wird immer gemeinsam besprochen, wie man wann vorgeht.

Ich kann Ihnen noch Folgendes berichten: Sie wissen ja, dass es im Irak ein Waffenembargo gibt. Hierbei gibt es Ausnahmen. Das alles finden Sie auf der Homepage des BAFA, zum Teil auch mit unserer Homepage verlinkt. Ausgenommen von diesem Waffenembargo sind zum Beispiel der Verkauf, die Lieferung, die Weitergabe oder die Ausfuhr von Rüstungsgütern und sonstigen Wehrmaterial, die von der Regierung Iraks oder der eingesetzten multinationalen Truppe unter bestimmten Voraussetzungen benötigt werden. Wie das dann im Einzelnen aussieht, ist im gegebenen Fall zu besprechen.

StS Seibert: Es gab noch eine Frage an mich. Herr Fried, die Meldung aus Paris habe ich jetzt nur sehr kurz gesehen. Deswegen kenne ich sie nicht en détail und kann sie auch nicht kommentieren. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass die Bundeskanzlerin erst gestern Nachmittag mit Staatspräsident Hollande gesprochen hat, unter anderem ausführlich über die Lage im Nordirak und über das, was sich für die internationale Gemeinschaft und die Staaten Europas daraus ergibt. Es gibt nicht nur diese sehr enge Abstimmung, sondern es gibt auch eine ganz übereinstimmende Einschätzung, dass die internationale Gemeinschaft jetzt gefordert ist, erstens zum Schutz der Menschen im Nordirak zu handeln und zweitens alles zu versuchen, um den Vormarsch dieser Terrorgruppe zu stoppen.

Wir sind seit geraumer Zeit im humanitären Bereich, wie wir glauben, sehr effektiv durch die Zusammenarbeit mit den internationalen Organisationen tätig. Das wird jetzt noch ausgeweitet, wie es die Sprecherin des Ministeriums gerade gesagt hat. Wir prüfen jetzt im Rahmen der Spielräume, die es immer gibt, was wir noch zusätzlich tun können. Wir wissen, dass bei alldem natürlich Dringlichkeit herrscht. Deswegen wird auch dringlich geprüft.

Zusatzfrage: Noch einmal zu dem rechtlichen Aspekt; vielleicht können das Innen- oder das Justizministerium helfen. Ich versuche einmal anders zu fragen: Ist die Bundesregierung, wenn sie Waffen in ein anderes Land liefert, überhaupt Gegenstand des Kriegswaffenkontrollgesetzes? Denn das ist ja ein Gesetz, das sich eigentlich auf den Handel mit Waffen bezieht. Das ist eigentlich meine Frage.

StS Seibert: Ich denke, wir sollten die rechtlichen Fragen dann erörtern, wenn Entscheidungen getroffen sind. Diese Entscheidungen werden jetzt besprochen, darüber wird intensiv nachgedacht. Wenn Entscheidungen getroffen sind, dann können Sie davon ausgehen, dass wir das natürlich auch im rechtlichen Rahmen machen, und zwar unter Ausschöpfung der Möglichkeiten, die der Rahmen hergibt.

Jetzt darüber Aussagen zu treffen, wo noch gar nicht klar ist, welche über die humanitären Maßnahmen hinausgehenden Lieferungen es geben könnte, daran werde ich mich nicht beteiligen.

Zusatzfrage: Ich habe die Frage ganz prinzipiell als Lernfrage gestellt. Vielleicht können die Ministerien das nachliefern.

Vorsitzender Wefers: Gibt es dafür vielleicht eine Möglichkeit? Dann nehmen wir das gerne und verteilen das.

StS Seibert: Wir prüfen, ob wir das nachliefern können.

Zuruf: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

Vorsitzender Wefers: Herr Schäfer, wollen Sie darauf antworten? Ansonsten sagt erst der Kollege vom Innenministerium noch etwas.

Plate: Ich möchte nur ganz kurz etwas klarstellen, bevor in diesem Raum offenbleibt, ob nachgeliefert wird und, wenn ja, durch wen. Das Kriegswaffenkontrollgesetz befindet sich weder in der Zuständigkeit des Innenministeriums noch - ohne dem Kollegen vorzugreifen - des Justizministeriums. Es ist nicht so, dass die beiden Häuser, auch wenn sie Verfassungsressorts sind, eine allgemeine überwölbende Superrevisionsinstanz für die Anwendung von Gesetzen darstellen, die nicht in ihre Zuständigkeit fallen. Dafür bitte ich um Verständnis.

Vorsitzender Wefers: Jetzt wissen wir zumindest, wer nicht zuständig ist.

Alemany: Vielleicht kann ich noch etwas dazu ergänzen: Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter sind ganz normal im Kriegswaffenkontrollgesetz und in der Außenwirtschaftsverordnung geregelt - darauf habe ich eben Bezug genommen -, also direkt in unserem Rüstungsexportbericht, gemeinsamer Standpunkt und die politischen Grundsätze.

Vorsitzender Wefers: Herr Fried, ich hatte verstanden, dass Sie glauben, dass das Gesetz, das jetzt genannt wurde, gar nicht das ist, das angewendet wird.

Zusatz: Ich glaube gar nichts, ich frage nur. Aber ich kann mich offensichtlich nicht verständlich machen.

Alemany: Kriegswaffen unterliegen dem Kriegswaffenkontrollgesetz.

Flosdorff: Ich kann vielleicht insofern zur Aufklärung beitragen, ohne dass ich jetzt im Detail drinstecke: Es gibt ja die Form der Länderabgabe, also dass in der Vergangenheit aus alten Bundeswehrbeständen Waffen abgegeben wurden. Aber selbstverständlich unterliegt auch diese Abgabe Regeln. Ich kann Ihnen jetzt nicht im Detail Auskunft geben, möchte aber an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es hier ausdrücklich gar nicht um Waffen geht, sondern um alles unterhalb dieser Schwelle. Wie der Regierungssprecher es betont hat, geht es darum, alle rechtlichen Spielräume auszunutzen, die wir haben, um den Menschen, die gerade bedrängt und in größter Not sind, jetzt möglichst robust zur Seite zu stehen. Es wird sicherlich alles juristisch sauber geprüft, dass man diese Spielräume nicht überschreitet.

Schäfer: Ich würde mich jetzt mit Ihnen oder mit anderen nicht in Proseminare zum Rüstungsexportrecht einlassen wollen. Aber ich würde gerne Ihre Aufmerksamkeit auf einen Text lenken, über den wir hier im Raum schon ganz häufig gesprochen haben, vielleicht ohne ihn zu zitieren, nämlich die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, ein Dokument der Bundesregierung vom 19. Januar 2000. Darin heißt es an der aus meiner Sicht entscheidenden Stelle unter III. 2.:

"Der Export von Kriegswaffen (nach KWKG und AWG genehmigungspflichtig) wird nicht genehmigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen."

Wir haben hier ganz offensichtlich - das hat Herr Seibert sehr eindringlich und auch sehr ausdrücklich deutlich gemacht - keine gewöhnliche Lage. Deshalb gibt es auch keine gewöhnliche Reaktion Deutschlands darauf. Das, vor dem wir stehen, ist eine existenzielle Bedrohung für Zehntausende Menschen, die zurzeit um ihr Leben kämpfen. Das ist eine existenzielle Bedrohung für ethnische und religiöse Minderheiten im Irak. Das ist eine existenzielle Bedrohung für das Staatswesen Irak und für die ganze Region.

Ich würde gerne noch einmal darauf hinweisen, dass ISIS ja nicht nur im Irak tätig ist, sondern seinen Vormarsch und sein Vorrücken im Grunde in Syrien begonnen hat, wo seit dreieinhalb Jahren ein schrecklicher Bürgerkrieg tobt, an dem sich auch ISIS mit einer Reihe von Schandtaten beteiligt hat.

Vielleicht nur noch zwei Anmerkungen, weil hier sehr viel von europäischer Abstimmung die Rede gewesen ist. Herr Fried hat gerade auch auf die Haltung Frankreichs hingewiesen. Der Außenminister hat in seinen Gesprächen mit seinen Partnern in den letzten Tagen darauf gedrungen, dass es möglichst schnell einen Sonderrat der Außenminister der Europäischen Union geben soll. Ich höre zurzeit aus Quellen in Brüssel ein bisschen davon - sozusagen "through the grapevine" -, dass Frau Ashton den übermorgigen Freitag für ein solches Treffen ins Auge gefasst hat. Das würden wir begrüßen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es ganz wichtig ist, dass es eine europäische Abstimmung gibt. Deutschland spielt eine Rolle, vielleicht auch eine wichtige Rolle, aber entscheidend ist, dass es ein politisch und auch, was die Frage der Lieferung von Ausrüstung und humanitärer Hilfe angeht, kohärentes Vorgehen Europas gibt. Das ist für uns vorrangig. Deshalb wäre es gut, wenn es möglichst schnell auf politischer Ebene ein solches Treffen geben würde. Sollte sich, wovon ich ausgehe, der Freitag tatsächlich offiziell bestätigen, wäre das doch schon einmal der erste Schritt in die richtige Richtung.

Eine abschließende Bemerkung, einfach nur, weil ich ein bisschen das Gefühl habe, dass es bei den ganz wichtigen rechtlichen Fragen ein ganz kleines bisschen durcheinander geht: Herr Kolhoff, Sie hatten schon danach gefragt, und ich glaube, man muss wirklich zwischen den vielen verschiedenen Rechtsbereichen sauber trennen, die beim Handeln der Bundesregierung und beim Handeln der Europäischen Union Berücksichtigung finden müssen. Da gibt es eben zunächst einmal völkerrechtliche Aspekte: Ist es erlaubt, dass etwa die Amerikaner im Irak eingreifen und dort militärisch gegen die ISIS-Terroristen vorgehen? Ist es erlaubt, dass vonseiten der Bundesregierung oder aus Europa welche Art von Ausrüstungsgegenständen auch immer in den Irak geliefert werden? Das sind Fragen des Völkerrechts, die sich relativ leicht damit beantworten lassen, dass sich der Irak, ein souveräner Staat, ja bereits an die Vereinten Nationen und damit auch an die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen mit der Bitte um Hilfe bei der Ausübung seines Selbstverteidigungsrechts gewandt hat.

Dann gibt es andere Fragen, die hier zwischen den Zeilen ein bisschen angeklungen sind: Wie ist es denn mit der Beteiligung etwa des Deutschen Bundestags? Da es ist doch völlig selbstverständlich, dass die Bundesregierung dann und dort, wo es rechtlich geboten und politisch zweckmäßig ist, die Vertreter des Deutschen Bundestags oder den Deutschen Bundestag als Ganzes beteiligen wird. Das Auswärtige Amt hat gestern eine Unterrichtung der Obleute des Auswärtigen Ausschusses vorgenommen. Ich glaube - Herr Flosdorff, Sie können das vielleicht bestätigen -, die Verteidigungsministerin hat das gegenüber dem Verteidigungsausschuss getan. Auch das ist völlig selbstverständlich. Aber auch dafür gibt es ausdrücklich rechtliche Regelungen, die die Bundesregierung beachten wird.

Dann gibt es das von Ihnen ja besonders nachgefragte Rüstungsexportkontrollregime. Dafür gibt es deutsche Regelungen, und dafür gibt es europäische Regelungen. Aber ich kann Ihnen nur versichern: Es ist eine Selbstverständlichkeit für die Bundesregierung, dass diese Regeln von uns bei allem, was wir tun, eingehalten werden. Der Außenminister hat heute einer großen deutschen Zeitung gesagt, er sei dafür, an die Grenzen des rechtlich - ausdrücklich rechtlich - und politisch Machbaren zu gehen. Das ist seine Meinungsäußerung, aber das beinhaltet eo ipso die Aussage: Natürlich handeln wir rechtmäßig und gemäß den verschiedenen Rechtsebenen, die ich gerade darzustellen versucht habe.

Frage : Ich möchte noch einmal zu dem Punkt der Entscheidung zurückkommen. Ich bin wie auch Kollegen etwas befremdet, weil ich heute Morgen auch Frau von der Leyen gehört hatte und sich mir nicht erschließt, wie jemand Lieferungen zusammenstellen kann, ohne dass irgendetwas entschieden worden ist. Aber wenn dem so ist, gibt es denn irgendeine Erwartung in Bezug darauf, wann dieser Entscheidungsprozess über diese Lieferung von Ausrüstungsgütern zu Ende geführt sein wird?

Zum Zweiten würde mich etwas bezüglich der Frage interessieren, was da geliefert wird. Ist es eine rein pragmatische Position, dass die Deutschen sagen "Unsere Stärke ist an sich die ganze Zeit über die humanitäre Seite gewesen, wir haben Kompetenzen auf der Ausrüstungsseite, und Waffen machen andere", oder ist die Aufteilung diese verschiedenen Lieferbereiche eine grundsätzliche Entscheidung? Anders herum gefragt: Ist es, nachdem wir von Montag auf Dienstag eine relativ schnelle Änderung der Entscheidungsgrundlagen in Deutschland gesehen haben, möglich, dass wir womöglich auch ganz schnell erleben werden, dass echte, todbringende Waffen vonseiten der Bundesregierung in den Irak geliefert werden?

Flosdorff: Das sind eine ganze Menge Fragen. Ich möchte noch einmal betonen: Jeder hat mitbekommen, wie sich die Ereignisse in den letzten Tagen überschlagen haben und was das für eine Dynamik und teilweise furchtbare Geschwindigkeit erhalten hat. Das ist nicht nur für Deutschland überraschend gewesen, sondern auch für andere Länder. Wenn jetzt politische Entscheidungen herbeigeführt werden, wie der Kollege Schäfer ja angedeutet hat, also zum Beispiel, dass man am Freitag in Brüssel auf EU-Ebene zu Verständigungen kommt, dann möchte man nicht in der Situation sein, dass man dann erst anfängt, zu prüfen, was man überhaupt beitragen könnte. Es ist vielmehr zweckmäßig und, gemessen an der fürchterlichen Lage der Menschen im Nordirak, auch geboten, dass wir jetzt schon einmal schauen, was denn möglicherweise an Gütern zur Verfügung steht und an was man alles denken kann. Gleichzeitig muss man das mit dem abgleichen, was prioritär gebraucht wird, und vielleicht auch schon einmal mit wichtigen Verbündeten sondieren, was die in der Lage oder gewillt wären, beizutragen. Im Idealfall führt das am Ende zu einem stimmigen Gesamtpaket, im Rahmen dessen dann nicht irgendwie überschneidend oder doppelt Dinge geliefert werden, bestimmte Lücken bestehen bleiben oder irgendwelche Fragen offen bleiben. Das muss alles parallel passieren.

Wenn dann sozusagen an der politisch entscheidenden Stelle die Entscheidungen getroffen werden, dann ist es gut, dass man auch schon weiß, worüber man redet, wenn es denn gefragt ist, und dass man dann auch nicht in der Lage ist, sagen zu müssen "Das haben wir vielleicht, aber wir können es jetzt nicht dorthin bringen, weil die Frachtkapazitäten dafür nicht zur Verfügung stehen, weil Überflugrechte oder Landegenehmigungen vielleicht nicht vorhanden sind". Diese Fragen müssen vielmehr alle im Vorhinein geklärt werden. Das ist zweckmäßig und auch in dieser drängenden Lage mehr als geboten. In diesem Stadium befinden wir uns jetzt gerade. An dem Punkt einer Entscheidung darüber, was in welcher Reihenfolge irgendwohin geliefert werden kann, sind wir noch nicht.

Zusatzfrage : Was ist mit der Frage danach, was man liefert, und danach, ob das eine grundsätzliche oder eine ganz pragmatische Frage ist? Kann mir, Herr Seibert, einer dazu noch einmal eine Auskunft geben?

StS Seibert: Ich glaube, dass Herr Flosdorff das eigentlich schon beantwortet hat. Das, was geliefert wird, hat natürlich immer mit dem zu tun, was an Ort und Stelle benötigt wird, also damit, was angefragt wird, damit, worauf uns Partner oder diejenigen, die dort an Ort und Stelle den Kampf gegen diese Terrorgruppe führen, hinweisen, und damit, was im Rahmen unserer Möglichkeiten steht. Daraus ergibt sich dann die praktische Hilfe, die daraus wird. So wird es in jedem einzelnen Land sein.

Schäfer: Ich kann das vielleicht noch mit einem praktischen Beispiel ergänzen, Herr Heller: Es ist auch öffentlich einigermaßen bekannt, dass die verschiedenen Konfliktparteien im Irak - ausdrücklich auch die Peschmerga und die kurdischen Sicherheitskräfte - überwiegend über Waffen aus Nordamerika oder aus dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Pakts verfügen. Wenn man sich der Frage nähern würde - nehmen wir es einmal an -, welche Waffen denn in Betracht kommen, dann käme es ja auch sozusagen auf die Frage an: Mit was können die Leute, die die einsetzen müssen, tatsächlich umgehen? Dann liegt es relativ nahe, sich mit Gerätschaften zu beschäftigen, mit denen die Leute, die das in die Hand nehmen müssen und damit zu hantieren haben, eben auch umgehen können. Das spricht dann wiederum dafür, dass Produkte gewählt werden, die eher woandersher kommen.

Aber das ist nicht, wie Sie es mit Ihrer Frage andeuten, eine Frage des Grundsatzes, sondern sozusagen eine Frage der praktischen Bedürfnisanalyse. In diesem Prozess befinden wir uns gerade. Im besten Falle werden wir am Freitag eine Situation haben, in der ein wirklich politisch sinnvolles, logistisch der Lage angemessenes und ganzes europäisches Handlungspaket herauskommt, zu dem jeder Staat das beiträgt, was im Rahmen eines kohärenten Gesamtpakets am vernünftigsten ist.

Wo ich jetzt gerade dran bin, erlaube ich mir, vielleicht noch zwei Worte zu zwei Fragen von Herrn Fried zu sagen, und zwar zu Frankreich. Herr Fried, ich glaube, es wird Ihnen auch klar sein, und das haben wir an der Art und Weise, in der Frankreich in Mali interveniert hat, schon sehr schön gesehen: Die Verfassung der Fünften Republik überlässt es dem französischen Präsidenten, als ein Individuum eine Entscheidung über einen militärischen Einsatz Frankreichs zu treffen. In Deutschland gibt es eine andere Verfassung, eine andere Rechts-, aber auch eine andere politische Kultur, die das in einem Land wie Deutschland so eben nicht möglich macht. Deshalb sind, glaube ich, ihr Vergleich und damit auch der mit der Frage "Warum sind die Franzosen so schnell und wir nicht?" unterstellte Vorwurf ein bisschen unfair, einfach deshalb, weil er auf völlig anderen Voraussetzungen und völlig unterschiedlichen politischen Kulturen unterschiedlicher Länder beruht, so eng wir uns auch mit den Franzosen abstimmen.

Zu Ihrer Frage zum Thema Kurdistan und der Lieferung von Ausrüstung auch an Herrn Barzani würde ich Ihnen noch einmal sagen wollen, dass der Irak ein souveräner Staat ist. Er hat - darüber haben wir in diesem Kreis auch schon häufiger gesprochen - zurzeit große Probleme, eine Einheitsregierung auf der Grundlage der irakischen Verfassung zusammenzubekommen. Da haben wir in den letzten Tagen glücklicherweise einige Fortschritte gesehen, die uns hoffen lassen, dass es in absehbarer Zeit gelingen wird, eine Einheitsregierung aus Kurden, Sunniten und Schiiten zusammenzubekommen, die dann auch wirklich in der Lage ist, der Herausforderung von ISIS Herr zu werden und ihr Paroli zu bieten. Masud Barzani ist gemäß der irakischen Verfassung der Präsident der föderalen Region Kurdistan-Irak und damit ein Vertreter des irakischen Staates. Ich denke, damit habe ich Ihre Frage insofern beantwortet, als es dies aus unserer Sicht möglich machen sollte, sich damit auch in direkter Weise mit der Lieferung von Ausrüstungsgegenständen nach Erbil zu wenden.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert und vielleicht auch an Herrn Schäfer. Diese Debatte um Waffenlieferungen oder um Rüstungslieferungen an den Irak findet ja auch vor dem Hintergrund einer anderen Debatte statt, die seit ein paar Monaten läuft, nämlich darüber, ob Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen müsse - nicht zuletzt der Bundespräsident hatte sie im Januar angestoßen -, wenn schwere Menschenrechtsverletzungen vorliegen. Wenn ich die Begründung der Bundesregierung für diese großzügige Auslegung, sage ich einmal, dieser außenpolitischen Grundsätze jetzt richtig verstanden habe, dann ist die Begründung doch, dass im Irak gerade ganz eklatante Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Nun kann man aber auch davon ausgehen, dass es in den kommenden Jahren leider immer wieder zu solchen Situationen kommen wird. Die Frage lautet also ganz konkret: Wie ernst und vielleicht auch wie vorbehaltlos steht die Bundesregierung noch zu dem außenpolitischen Grundsatz, keine Waffen oder Rüstungsgüter in Krisengebiete zu liefern? Wird es da immer öfter Ausnahmen geben, oder erleben wir vielleicht gerade ein bisschen eine Verschiebung dieser außenpolitischen Leitlinien?

StS Seibert: Grundsätzliche Aussage: Deutschland nimmt erhebliche Verantwortung in der Welt wahr. Seiner Größe, Wirtschaftskraft und Bedeutung in Europa entsprechend nimmt es erhebliche Verantwortung in der Welt wahr. Zahlreiche Auslandsmissionen sind Beleg dessen.

Auf diese jetzige Situation bezogen: Die Überlegungen, die wir jetzt anstellen, stellen wir nicht mit einer großen außenpolitischen Grundsatzdebatte im Hinterkopf an, sondern die stellen wir unter dem Eindruck der Bilder und Nachrichten aus dem Nordirak an, unter dem Eindruck des enormen Leids, das dort herrscht, und der himmelschreienden Not. Deswegen denken wir jetzt sehr praktisch und sehr konkret.

Über künftige Fälle, glaube ich, werden wir dann befinden und auch gemeinsam darüber reden, wenn sie eintreten.

Zusatzfrage: Wurde also über Änderungen einer außenpolitischen Leitlinie, wie auch immer sie aussehen mögen, in der Kabinettssitzung von keinem Ministerium laut nachgedacht?

StS Seibert: Nein, das war überhaupt kein Thema in der Kabinettssitzung. Wir denken, wie gesagt, sehr praktisch über das nach, was wir jetzt in unserer Verantwortung für die Menschen dort und gegen die Terrororganisation Islamischer Staat tun können. Die Grundsätze, nach denen wir Rüstungsexporte immer im Einzelfall beurteilen, sind, wie wir gehört haben, 14 Jahre alt. Sie sind von mehreren Regierungen hochgehalten worden. Sie haben sich bewährt, und sie lassen natürlich auch immer einen Beurteilungsspielraum.

Frage: Die Leute, die Sie als blutrünstige Extremisten einer Terrororganisation bezeichnen, treten ja auch in Deutschland ganz offen mit ihren Fahnen auf und provozieren Jesiden, Christen, Kurden und andere. Das ist gestern in Berlin passiert und hat dazu geführt, dass ein deutscher Polizist mit gezogener Waffe diese Vertreter dieser Terrororganisation schützen musste. Herr Plate, wird denn in Ihrem Ministerium von irgendwem - von einer Arbeitsgruppe oder sonst wem - überlegt, ob man das verhindern kann und wie man gegen diese Gruppen, ihre Vereinigungen und Sympathisanten vorgehen kann? Man kann ja alle möglichen nazistischen und sonstigen Gruppen, Aufmärsche oder Vereinigungen verbieten und gegen sie vorgehen, aber gegen ISIS offenbar nicht. Ich persönlich finde das unerträglich; ich glaube auch, viele Menschen finden das. Gibt es also solche Überlegungen?

Herr Seibert, weil heute im Kabinett über die Gesamtlage geredet wurde: Ist auch darüber geredet worden?

Plate: Ich will gerne versuchen, sozusagen einen Beitrag zur Beantwortung Ihrer Frage zu leisten. Das ist natürlich ein vielschichtiges Problem. Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, nach welchen Fragen Sie genau im Einzelnen fragen, hinsichtlich derer es Überlegungen gibt. Natürlich ist es so: Soweit sich Mitglieder dieser Gruppierungen strafbar machen, hält das geltende Recht schon jetzt Möglichkeiten bereit, damit umzugehen; das dürfte außer Frage stehen. Soweit sie sich nicht strafbar machen - möglicherweise durch das Herzeigen von Symbolen oder Flaggen, deren Herzeigen im Moment nicht strafbar und damit von der Meinungsfreiheit geschützt ist -, ist es so, dass der Gesetzgeber jedenfalls für den Moment eine Entscheidung darüber getroffen hat, was dafür zu gelten hat.

Natürlich beobachten wir die Sicherheitslage und das, was auf diesen Veranstaltungen genau passiert, sehr sorgfältig. Sie können sich sicher sein, dass, wenn wir den Eindruck haben, dass das in einen Bereich geht, für den das geltende Recht keine hinreichenden Antworten bereithält, dann natürlich auch die Überlegungen bei uns losgehen werden.

StS Seibert: Zu Ihrer Frage zum Kabinett nur kurz: Die Diskussion um das Thema Irak kreiste heute im Kabinett um die Notlage der Menschen und das, was Deutschland tun kann, um den Menschen dort zu helfen - humanitär und gegebenenfalls auch mit anderen Maßnahmen, die wir hier ja angedeutet haben.

Zusatzfrage: Schon letzte Woche, als es die Zwischenfälle in Bielefeld und in Herford gab, entstand der Eindruck, der ganze Konflikt könnte sich sozusagen ausweiten und auch auf deutschen Straßen stattfinden. Das Bild von gestern, als der Polizist mit der Waffe den Islamisten schützen musste, war ja auch eindrucksvoll genug. Ist das also nicht Anlass genug, zu sagen, was wir da tun können, oder sagen Sie einfach "Wir warten, bis Schlimmeres passiert"?

Plate: Natürlich warten wir nicht einfach nur tatenlos ab, bis Schlimmeres passiert. Aber ich möchte davor warnen, die Debatte um gerade solche Bilder auf populistische Weise undifferenziert zuzuspitzen. Es ist so, wie ich es gesagt habe: Das, was strafbar ist, wird verfolgt. Das ist, wie Sie wissen, Sache der Justiz. Das Polizeirecht hält auch jetzt schon Möglichkeiten bereit - das Polizeirecht ist ja im Wesentlichen eine Sache der Länder -, soweit eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintritt, Maßnahmen zu treffen. Diese Maßnahmen müssen natürlich konkret durch die Sicherheitskräfte, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit mit solchen konkreten Vorfällen befasst sind - das sind im Wesentlichen die Länder -, in verantwortungsbewusster Weise zur Anwendung gebracht werden. Ich habe keinen Zweifel daran, dass das geschieht. Es ist so, dass alle Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern miteinander in regem Austausch darüber stehen, wie sich die Sicherheitslage weiterentwickelt, was daraus sozusagen für Lagebilder zu formen sind und was aus den Lageerkenntnissen, die man hat, als die richtigen Maßnahmen an Schlussfolgerungen zu ziehen ist. Mir ist jedenfalls nicht klar, was es aus Ihrer Sicht für Defizite im rechtlichen Bereich gibt, an denen man jetzt etwas ändern müsste. Ich sehe jedenfalls keine Erfordernisse, an dem im geltenden Recht verfügbaren Instrumentarium, das es gibt, etwas zu ändern.

Frage: Nun ist es ja nicht das erste Mal, dass Waffenlieferungen in den Irak zur Diskussion stehen. Wenn die Zahlen, die ich habe, richtig sind, dann wurden 2011 und 2012 bereits Waffen - Kampfhubschrauber und Kleinwaffen - im Wert von mehr als 350 Millionen Euro geliefert. Sind das Waffen, die unter die Ausnahmen fallen, die vorhin von Frau Alemany zitiert wurden? Falls ja, was weiß man eigentlich über den Verbleib dieser Waffen? Ist damit dann nicht doch ein Präjudiz oder ein Präzedenzfall für die Möglichkeit weiterer Waffenlieferungen gegeben?

Zur zweiten Frage, da mehrfach die Dringlichkeit einer Entscheidungsfindung angesprochen wurde: Wäre der Zeitpunkt für ein Treffen der Außenminister, den Herr Schäfer genannt hat, nämlich möglicherweise Freitag, nicht ein Zeitpunkt, bis zu dem eine deutsche Position doch klar entschieden sein müsste, oder kann die Entscheidung auch danach fallen?

Alemany: Vielleicht sage ich ganz kurz etwas zu den ehemaligen Waffenlieferungen: Die sind natürlich auch 2010, 2011 und 2012 nach geltenden Rechtsbestimmungen erlaubt und genehmigt worden. Dabei handelt es sich, wie gesagt, um verschiedene Waffen, die mir jetzt nicht im Einzelnen vorliegen. Ich müsste noch einmal nachschauen, oder Sie können das aus unseren Rüstungsexportberichten ersehen, in denen das ja aufgeführt ist. Aber ich hatte die Ausnahmen des Waffenembargos ja bereits genannt, die verschiedene Rüstungsgüter und sonstiges Wehrmaterial betreffen. Das sind diese Lieferungen.

Schäfer: Vielleicht zur Timeline, Herr Jessen, weil Sie den Freitag und einen möglichen Sonderrat der Außenminister ansprechen: Wir haben es mit einer akuten Notlage für Zehntausende Menschen zu tun, die auf der Flucht vor diesen ISIS-Terroristen sind, die vor nichts halt machen. Diese Leute haben Angst um ihr Leben und haben deshalb alles aufgegeben. Glücklicherweise sind auch unter Beteiligung Deutschlands Maßnahmen auf den Weg gebracht worden, um diese akute Notlage zu lösen. Daran beteiligen wir uns, und daran werden wir uns auch weiterhin beteiligen. Das wird sicherlich auch Gegenstand der Gespräche der Außenminister am Freitag sein, wenn sie denn stattfinden werden.

Aber darüber hinaus haben wir doch ein viel fundamentaleres Problem. Wir haben es nämlich mit einer schlagkräftigen und - jedenfalls in den letzten Monaten - offensichtlich militärisch erfolgreichen Terrororganisation zu tun, die über die Grenzen im Mittleren Osten hinaus Unheil anrichtet. Es geht jetzt darum, Partner zu identifizieren, die in der Lage und bereit sind, dieser Gefahr, die weit über die Region hinausgeht und die auch uns betrifft - wir haben hier ja gerade über Folgen in Deutschland diskutiert -, Einhalt zu gebieten. Es geht um die Frage, wie sich Deutschland daran beteiligen kann.

Wenn es jetzt also am Freitag kein komplettes Konzept unter Einschluss all der Produkte, die Sie genannt haben, geben sollte, Herr Jessen, dann kann ich dafür nur um Verständnis bitten. Es ist angesichts dieser großen und auch mittelfristigen Herausforderung durchaus der Lage angemessen, eine vernünftige Bedürfnisanalyse zu machen und dann auf dieser Grundlage gemeinsam mit den Partnern - übrigens natürlich auch gemeinsam mit den amerikanischen Partnern - zu entscheiden und zu überlegen, was da gemacht werden kann. Auch daran wird sich Deutschland mit großem Engagement beteiligen.

Zusatzfrage: Dafür habe ich Verständnis. Auf der anderen Seite haben wir alle heute Morgen eine relativ konkrete Ankündigung der Verteidigungsministerin gehört. Wir nehmen zur Kenntnis, dass man sozusagen auch prüft, ob das, was man gerne wollen würde, auch geht. Aber auch dadurch entsteht selbstverständlich ein Zeitdruck. Nennen Sie doch bitte einmal einen Zeitpunkt, bis zu dem klar sein wird, ob das, was Frau von der Leyen heute Morgen in den Raum gestellt hat, tatsächlich realisiert werden kann. Das lässt sich doch auch nicht in extenso verschieben, sondern es gibt einen Zeitdruck aus verschiedenen Richtungen. Da wäre es doch angemessen, zumindest einen Zeitrahmen zu nennen, der sich dann nicht nur in dem Begriff "Wir prüfen sorgfältig" widerspiegelt.

Flosdorff: Herr Jessen, Sie haben vollkommen recht. Diese Prüfungen, die am Montag begonnen haben, laufen auch mit allem Nachdruck, den man in so einer Situation erwarten kann. Wir reden ja auch eher von Tagen als von Wochen, bis so etwas irgendwie abgeschlossen sein kann.

Aber noch einmal, und ich habe es Ihnen auch eben an dieser Stelle gesagt: Es geht nicht nur darum, was alles möglicherweise irgendwie zur Verfügung steht und was wir nach den rechtlichen Rahmenbedingungen zu liefern in der Lage sind, wenn wir das irgendwie so auslegen, wie wir bereit sind, es in dieser Notlage auszulegen, sondern es geht auch um das, was dort tatsächlich mit welcher Priorität erwartet wird, wie das im Konzert der Partner aussieht, und darum, dass das am Ende ein stimmiges Gesamtkonzept ergibt, damit es nicht nachher - ich nenne jetzt einmal ein Beispiel - viele Länder gibt, die einfach alle Zelte liefern, weil das rechtlich unproblematisch ist, weil man sie schnell zur Verfügung hat oder sie vielleicht gerade dort stehen hat, sondern damit man auch wirklich die wirksame Hilfe zu den Menschen bringt, die dort dringend erwartet wird.

Das befindet sich im Prozess, der jetzt irgendwie im Gange ist. Wie man den portioniert, ob das in Etappen passieren wird und wann man welche Entscheidung fallen wird, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, weil das auch ein wahnsinnig komplexer Prozess der notwendigen Abstimmung ist, die wir international vornehmen. Ich habe auch gesagt, was logistisch alles daran hängt. Die Bundeswehr ist in der Lage, solche Transporte durchzuführen. Trotzdem müssen wir genau wissen, welche Kapazitäten wann und in welchen Portionen zur Verfügung stehen. Es gibt auch eine sich aktuell täglich ändernde Sicherheitslage, zum Beispiel, um Ihnen ein Beispiel zu geben, an bestimmten Zielpunkten, an denen man aufsetzen könnte. Das sind alles Fragen, die daran hängen. Es nutzt nichts, wenn man sozusagen weiß, dass man zehn "Unimogs" hat und auch rechtlich in der Lage ist, die zu liefern, wenn man im Moment nicht die logistischen Voraussetzungen hat, um sie innerhalb dieser Zeit auch an den Punkt zu bringen, an dem sie gebraucht werden. Das sind - dafür bitte ich einfach um Verständnis - komplexe Fragen. Da gibt es wirklich niemanden, der sich ausruht, sondern es wird wirklich jede Stunde intensiv daran gearbeitet - auch in enger Abstimmung innerhalb der Bundesregierung -, dass wir in der Lage sind, eine Palette zu benennen. Was dann davon letztlich geliefert wird, wird sich dann im Gesamtblick bestimmen. Alles andere ergibt auch keinen Sinn.

Frage : Herr Schäfer, Herr Seibert, ich wollte nur noch einmal vorausschicken, dass die zwischen den Zeilen zu hörende Irritation Ihrerseits über diese ganzen rechtlichen Fragen, die hier gestellt worden sind, vielleicht auch etwas damit zu tun hat, dass Sie uns nicht zuletzt am Montag auf dieses Pferdchen gesetzt haben, nämlich unter Berufung auf den rechtlichen Rahmen, der existiert.

Ich möchte jetzt aber nicht mehr danach fragen, sondern ein anderes Fass aufmachen: Der Grünen-Außenpolitiker Nouripour hatte heute in einem Interview vorgeschlagen, dass sich die Luftwaffe auch aktiv im Irak beteiligen könne und dass man die Amerikaner nicht immer dann, wenn es unbequem wird, mit solchen militärischen Aufgaben alleine lassen sollte. Meine Frage an die Bundesregierung - wir haben ja inzwischen erfahren, dass seit Montag diese Ausrüstungsunterstützung geprüft wird - lautet daher: Gibt es irgendwelche anderen Prüfverfahren, Überlegungen oder so etwas in Bezug darauf, dass die Bundeswehr durch Luftunterstützung, durch Luftangriffe, durch den Abwurf von Hilfsgütern, durch Evakuierungsflüge oder dergleichen im Irak aktiv werden könnte?

StS Seibert: Ich will nur einmal ganz kurz sagen: Ich hoffe nicht, dass der Eindruck irgendwelcher Irritationen entstanden ist. Sie fragen die Fragen, die Ihnen wichtig sind - das ist, glaube ich, gut und richtig -, und wir geben nach unseren Möglichkeiten Auskunft.

Was ich am Montag getan habe, ist, dass ich auf die seit 14 Jahren von allen Bundesregierungen akzeptierten und durchgehaltenen Grundsätze für den Rüstungsexport sowie deren Gültigkeit hingewiesen habe. Das entwickeln wir heute weiter, aber an dieser Gültigkeit hat sich ja auch nichts geändert, und es hat sich nichts daran geändert, dass es Beurteilungsspielräume gibt.

Zu der Frage, was wir prüfen, wollen sich vielleicht die Ressorts äußern. Wir haben, wie gesagt, den humanitären Schwerpunkt unserer Arbeit. Darüber hinaus prüfen wir, was wir den Menschen über die finanzielle Unterstützung der sehr direkten und konkreten Arbeit der internationalen Organisationen vor Ort hinaus noch zusätzlich zukommen lassen können. Wir prüfen auch, ob wir im Sinne derjenigen, die im Kampf gegen den Islamischen Staat stehen, tätig sein können. Ich denke, eine Detailerörterung hat jetzt nicht viel Zweck. Wir werden das umfassend prüfen, und mehr kann ich dazu an dieser Stelle jetzt nicht sagen.

Zusatzfrage : Dann würde ich gerne noch einmal nachfragen und die Frage vielleicht auch an das Verteidigungsministerium richten. Beispielsweise in der Debatte über eine deutsche Militärhilfe in afrikanischen Krisengebieten ging es in der Vergangenheit häufiger um die Unterstützung beim Lufttransport. Es ging also auch darum, dass irgendwie mit deutscher Hilfe afrikanische Soldaten in Mali oder in der Zentralafrikanischen Republik transportiert werden oder dorthin transportiert werden. Das bedeutet also einen Einsatz von Bundeswehrsoldaten, von Luftwaffenmaterial und von Personal vor Ort. Das ist jetzt meine Frage: Gibt es entsprechende Überlegungen jetzt auch für diese Weltregion?

Flosdorff: Wenn ich sage, dass die Bundeswehr in der Lage ist, im Prinzip solche Transporte durchzuführen, dann spreche ich selbstverständlich davon, dass auch die Bundeswehr diejenige wäre, die solches Material dann in den Nordirak verbringen würde.

Zusatzfrage : Dann frage ich noch einmal nach einem Lufttransport innerhalb des Iraks.

Flosdorff: Diese Fragen spielen keine Rolle. Es geht darum, dorthin, wo die Hilfe dringend gebraucht wird - das ist der Nordirak -, die dringend notwendigen humanitären Hilfsgüter, aber, wenn sie denn identifiziert sind, mit den europäischen Partnern abgestimmt sind und rechtlich geprüft sind, auch notwendige Ausrüstungsgegenstände zu verbringen. Das ist der Rahmen, den die Prüfung umfasst.

Zusatzfrage : Ist der Gedanke des Bundestagsabgeordneten Nouripour, die Amerikaner bei Militäreinsätzen nicht immer dann alleine zu lassen, wenn es unangenehm wird, ein Gedanke, den Sie nachvollziehen, den Sie sich zu eigen machen oder den Sie zurückweisen? Gibt es sozusagen die Überlegung, den Amerikanern bei dieser militärischen Herausforderung möglicherweise auch militärisch zur Seite zu stehen?

Flosdorff: Zu dieser Überlegung: Deutschland ist ja - das ist mittlerweile auch schon hier in der Bundespressekonferenz häufig Gegenstand der Diskussion gewesen - an vielerlei Stellen in der Welt engagiert, übernimmt Verantwortung und übernimmt, zum Beispiel im Norden Afghanistans, auch führend Verantwortung. Das heißt aber nicht, dass, wenn Deutschland in so einer akuten Notsituation bereit ist, auch einen über ein humanitäres Engagement hinausgehenden robusteren Beitrag ins Auge zu fassen, wir jetzt im Moment über Waffenlieferungen nachdenken. Dann ist ja der Einsatz der Luftwaffe sozusagen noch einmal ein Stückchen weiter weg.

Die Amerikaner haben sicherlich historisch bedingt wie auch andere Nationen, die in dieser Region schon seit langer Zeit oder auch seit einigen Jahren deutlich und stark selbst engagiert sind, einen anderen Zugang, andere Möglichkeiten und letztlich auch eine andere Verantwortung. Nach Beobachtung der Verteidigungsministerin nehmen sie diese Verantwortung im Augenblick dadurch, dass sie durch Luftangriffe für Entlastung derjenigen sorgen, die sich gegen IS verteidigen, auch hervorragend wahr.

Dass die Bundeswehr bei diesen Luftoperationen eine begleitende Rolle spielt, ist im Moment nicht Gegenstand von irgendwelchen Prüfungen. Wir prüfen im Augenblick unterhalb der Schwelle von Waffen, was wir an Ausrüstungsgegenständen zur Verfügung stellen können, was wir an humanitären Gütern zur Verfügung stellen können und wie wir das gegebenenfalls vor Ort verbringen können, sodass das zeitnah eine Hilfe ist.

Gestatten Sie mir bitte eine Anschlussbemerkung: Es ist jetzt ein bisschen müßig, all diese Grundsatzdiskussionen führen zu wollen, wenn wir die Möglichkeit haben, zu schauen, was im gegebenen rechtlichen Rahmen möglich ist. Nutzen wir die Spielräume, stimmen wir uns mit den Partnern ab und versuchen wir, das irgendwie schnell zu realisieren. Das heißt nicht, dass die anderen Fragen unberechtigt sind. Man muss aber im Augenblick vielleicht auch nicht alles zu Ende diskutieren, was so weit wie das am Horizont liegt, was eventuell im Parlament diskutiert wird.

Frage: Herr Seibert, die Verteidigungsministerin hat gestern sinngemäß gesagt, wenn es darum gehe, einen Genozid zu verhindern, müsste man neu reden oder neu diskutieren. So ähnlich habe ich auch Herrn Gabriel verstanden. Ich habe Sie so verstanden, dass, wenn eine neue Lage entsteht, man möglicherweise auch über Waffenlieferungen reden kann. Meine Frage ist: Ist diese Debatte heute im Kabinett geführt worden? Wenn die Diskussion geführt worden ist, hat Frau Merkel angedeutet, wo für sie eine rote Linie ist? Oder ist alles denkbar, je nach der Krisenlage?

StS Seibert: Ich glaube, ein bisschen drehen wir uns jetzt im Kreise. Im Kabinett ist keine Definitionsdebatte geführt worden, ob das nun schon Völkermord ist oder ob es das nicht ist. Es gibt aber auch überhaupt kein einziges Mitglied der Bundesregierung, das nicht die Dramatik, man könnte sagen: die Einmaligkeit dieser Situation sieht, der wir uns gerade gegenübersehen und unter der Hunderttausende von Menschen leiden.

Die Dramatik steht also fest. Deutschland hilft so, wie es kann - nach seinen Kapazitäten und nach dem, was uns politisch rechtlich machbar erscheint. Der Bundesaußenminister hat das gestern - ich sage das jetzt aus dem Kopf - so formuliert: Wir sind bereit, bis an die Grenzen des rechtlich, politisch Möglichen, Machbaren zu gehen. - Ich glaube, diese innere Einstellung haben alle Mitglieder der Bundesregierung dazu.

Frage: Zur Diskussion auf europäischer Ebene: Wird unter den humanitären Hilfsmaßnahmen auch der Aufbau eines Korridors für die Flüchtlinge im Nordirak diskutiert? Wird das auch von Deutschland unterstützt oder gibt es alternative Ideen, Vorstellungen?

Schäfer: Ich kann den Diskussionen nicht vorgreifen. Ich denke aber, dass nichts ausgeschlossen ist. Es wird darum gehen, all das zu tun, was nötig ist und was getan werden kann. Ob es unter den Bedingungen vor Ort möglich ist, die Menschen, die auf dem Berg sitzen und von den ISIS-Terroristen umzingelt sind, auf diese Art und Weise oder auf eine andere Weise zu retten, kann ich Ihnen nicht sagen. Dazu bin ich nicht genug Experte. Klar ist natürlich, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern in Europa, aber auch mit den Amerikanern und natürlich auch mit den Vertretern der Kurden im Irak und der irakischen Regierung über diese Fragen sprechen. Das war übrigens auch Gegenstand der Gespräche, die Herr Steinmeier vorgestern Abend mit dem Präsidenten der Föderalen Region Kurdistan-Irak, Herrn Barzani, geführt hat.

Zusatzfrage: Es ist also mit anderen Worten nicht klar, ob Deutschland letztendlich einen Korridor mit unterstützen würde?

Schäfer: Mir ist nicht bekannt, dass es diese Art von Entscheidungen von wem auch immer gäbe, so etwas einzurichten. Es gibt den Willen zur Verteidigung vonseiten der Peschmerga und der kurdischen Sicherheitskräfte. Es gibt auch die irakischen Sicherheitskräfte, die wiederum von den Amerikanern und einigen anderen unterstützt werden. Es gibt breit angelegte humanitäre Hilfsmaßnahmen. Alles dient dem gleichen Ziel, nämlich das Leben der Menschen, die in einer akuten Gefahr für Leib und Leben stehen, zu retten und sie in Freiheit zu bringen.

Frage : Zwei Verständnisfragen, Herr Flosdorff. Die Prüfung dessen, was an Hilfsmaßnahmen möglich ist, findet ja offenbar in verschiedenen Ministerien statt. Wo läuft das zusammen? Wer hat die Federführung? Läuft das zum Schluss im Kanzleramt auf oder wie ist die Organisation?

Eine zweite Frage. Ministerin von der Leyen hat heute Morgen im Interview bei n-tv davon gesprochen, dass "wir" vor allem vom Irak um Hilfe gebeten worden seien. Dieses "wir" ist mir nicht ganz klar. Gab es ein Hilfeersuchen des Irak an die Bundesregierung oder war das eher allgemein gemeint?

Flosdorff: Ich glaube, Herr Schäfer hatte die Frage eben schon beantwortet. Nach meiner Kenntnis gab es sowohl von der irakischen Regierung als auch von der Führung der kurdischen Autonomiegebiete, die ja laut Verfassung auch Bestandteil der staatlichen Organisation sind, ein Hilfeersuchen an die Vereinten Nationen und damit auch an die Mitgliedstaaten.

Es geht darum, was kurzfristig an Material, Ausrüstung verfügbar ist. Was humanitäre Hilfsgüter wie Decken, Zelte, Sanitätsmaterial angeht, gibt es durchaus Material, das Hilfsorganisationen zur Verfügung steht, die teilweise schon gepackt, gebündelt und für solchen Situationen vorgesehen sind, wo aber das Problem besteht, wie man das ohne Weiteres logistisch an so einen Ort, der sicherlich für normale Frachttransporte nicht üblich ist, verbringen kann.

Es gibt natürlich eine intensive Fahndung in den Beständen der Bundeswehr, welches Material zur Verfügung steht und wie schnell man so etwas jeweils auch selbst zur Verfügung stellen könnte. Das sind alles Prüfungen, die, was die Bundeswehr angeht, im Verteidigungsministerium stattfinden. Es hat zum Beispiel schon am Montag eine Sitzung im Auswärtigen Amt auf Fachebene gegeben, wo unter Beteiligung der Ressorts auch über solche Fragen nachgedacht wurde. Letztlich haben wir alle deutlich gemacht: Wir versuchen, das auf europäischer Ebene zu kanalisieren - das läuft über die diplomatischen Kanäle -, was man anbieten kann und was im Rahmen des Konzerts derjenigen, die helfen wollen, Sinn macht, es zu liefern.

Zusatzfrage : Bislang prüft also jedes Ministerium für sich und es gibt keine übergeordnete Stelle?

Flosdorff: Es gibt eine enge Abstimmung zwischen dem Verteidigungsministerium, dem Außenministerium und dem Kanzleramt. Sie sind auf Fachebene in einem ständigen und täglichen Kontakt. Man gleicht die Informationen ab. Es laufen überall unterschiedliche Informationen auf, weil alle wiederum im bilateralen Kontakt mit weiteren Partner stehen.

StS Seibert: Wenn ich das so sagen darf: In der Bundesregierung arbeitet jeder in seiner Ressortverantwortung auf das gleiche Ziel hin. Ich glaube, dass das in den letzten Tagen sehr gut zwischen Auswärtigem Amt, Verteidigungsministerium, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Kanzleramt geklappt hat, um einmal die wesentlichen Akteure zu nennen. Jeder hat unterschiedliche Aufgaben und unterschiedliche Kapazitäten, über die er verfügt. Die Absprache ist aber engstens, auch heute wieder.

Frage: Herr Schäfer, wir sprechen ja jetzt immer über die Flüchtlinge im Irak. Es gibt meines Wissens, wenn ich das richtig verstanden habe, einen Kanal, der durch Syrien wieder zurück in den Nordirak führt. Gibt es überhaupt humanitäre Hilfe auf syrischem Gebiet und spielt die auch in Ihren Überlegungen eine Rolle?

Schäfer: Der Syrien-Konflikt ist angesichts der vielen internationalen Krisen ein bisschen von den vorderen Seiten der Zeitungen verschwunden, aber geht letztlich mit unverminderter Kraft und Macht weiter. Wir reden viel über ISIS im Irak. ISIS ist auch weiter in Syrien im Einsatz und treibt da sein Unwesen. Die dramatischen Zahlen über humanitäre Notlagen im Irak werden bei Weitem und um ein Vielfaches von der Problematik in Syrien übertroffen. Es bleibt natürlich dabei, dass die Bundesregierung da am Ball bleibt und das tut, was seit einigen Wochen eine neue Sicherheitsresolution möglich macht, nämlich auch gegen den Willen der syrischen Staatsführung um Präsident Assad Hilfslieferungen in Gebiete zu bringen, in denen das möglich ist und in denen die Menschen in einer ganz vergleichbaren Notlage sind wie im Irak.

Rein politisch, außenpolitisch oder strategisch gesprochen haben wir es dabei im Grunde mit einem Problem zu tun, das den gesamten Nahen und Mittleren Osten erfasst hat. Viele der großen Fragen, mit denen sich auch die deutsche Außenpolitik beschäftigen muss - die aktuellen Fragen um einen Waffenstillstand zwischen Israel und Gaza, wo wir heute auch wieder an einem ganz schwierigen Punkt sind - es kann sein, dass morgen die gewalttätigen Auseinandersetzungen wieder losgehen, weil die Waffenruhe endet -, der Versuch, das iranische Atomprogramm einzuhegen und auf eine zivile Bahn zu lenken, all die Probleme, die im Bereich Libanon, Syrien, Jordanien, Irak auftreten -, sind auf das Engste miteinander verknüpft. Deshalb geht es immer darum, das eine niemals ohne das andere zu denken.

Zusatzfrage: Es geht mir nicht um die allgemeine Syrien-Frage, sondern es geht mir darum, dass aus dem Gebirge im Irak ein Fluchtkorridor unter anderem auch von der PKK für die Flüchtlinge freigeschlagen wurde, der durch Syrien führt, und dann ziehen die wieder in den Nordirak. Richtig?

Schäfer: Ich bin nicht in der Lage, Ihnen das zu bestätigen, Herr Fried. Das weiß ich nicht. Das kann durchaus sein. Ich kann es weder bestätigen noch dementieren.

Frage: Kurze Nachfrage, auch schnell zu beantworten, wie ich vermute. Herr Flosdorff, Sie haben mehrfach davon gesprochen, dass alles so dringend wäre. Auf der anderen Seite führen Sie umfangreiche Prüfungen durch, was zum einen die Materialverfügbarkeit angeht und was auf der anderen Seite rechtliche Fragen angeht. Sie haben auf die Frage von Herrn Fried uns nicht eine richtige Antwort geben können - vielleicht können Sie es auch nicht -, nämlich in welchen Zeitkorridoren Sie sozusagen planen. Bis wann planen Sie denn, zum Beispiel die rechtlichen Prüfungen abzuschließen oder wann rechnen Sie damit, dass das gelungen ist?

Flosdorff: Ich glaube, mich zu erinnern, dass ich vor Dutzenden Minuten gesagt hatte, dass wir von Tagen und nicht von Wochen sprechen. Da es um eine Vielzahl von Prüfungen sowohl logistischer, rechtlicher, überflugrechtlicher, völkerrechtlicher und sonstiger Art geht, kann ich das nicht genau sagen. Es ist leider oder Gott sei Dank so, dass wir viele Regeln zu beachten haben, mit denen wir auch viele Jahre gut gefahren sind. Wir prüfen das in aller Eile und aller Dringlichkeit. Wenn die politischen Entscheidungen anstehen, gehen wir davon aus, dass auch alle rechtlichen Fragen und tatsächlichen Prüfungen geklärt sind. Ich kann es Ihnen auf den Tag genau nicht sagen, weil zum Beispiel Nachfragen von anderer Seite kommen können, ob beispielsweise bestimmte Güter noch angemeldet werden. Dann müssen wir wieder schauen: Gibt es sie? Welche Priorität haben sie? Was müssen wir zuerst liefern? Es ist einfach so kompliziert. Ich verstehe, dass Sie es gerne einfacher hätten. Aber es ist leider so.

Frage (zur Lage in der Ukraine): Anscheinend ist ja noch völlig unklar, wie Kiew mit dem russischem Hilfskonvoi umgehen will. Gleichzeitig soll es die Bitte von Lawrow geben, die Bundesregierung möge sich für diese Hilfslieferung einsetzen. Wie ist die Position der Bundesregierung?

StS Seibert: Unsere Haltung zu diesem Thema ist so, wie ich sie am Montag auch schon dargestellt habe. Für uns ist klar, dass russische Hilfsgüter in der Ukraine nur mit Zustimmung der ukrainischen Regierung geliefert werden dürfen und dass diese Hilfsmaßnahmen von internationalen Organisationen koordiniert werden müssen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz ist die Organisation, an die man dabei denkt.

Es braucht Verabredungen zwischen der Ukraine, zwischen Russland und zwischen dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, die genau dafür sorgen, dann auch belastbar sind, und die dafür sorgen, dass eben die durchaus nachvollziehbaren Sorgen auf ukrainischer Seite ausgeräumt werden. Wir als Bundesregierung hoffen in allen Gesprächen, die der Bundesaußenminister, die die Bundeskanzlerin führen, dass es zu solchen belastbaren Verabredungen im Interesse der Menschen kommt. Die Bundeskanzlerin hat gestern über dieses Thema auch mit Staatspräsident Hollande gesprochen. Es gab die identische Haltung, was die Bedingungen für einen humanitären Transport betrifft. Sie hat gestern Abend über dieses Thema auch mit dem ukrainischen Staatspräsidenten gesprochen.

Wenn ich noch eine Bemerkung anfügen darf: Wenn wir über die Verbesserung der humanitäre Lage Menschen in diesen umkämpften Gebieten sprechen, wäre natürlich ein Schritt, den Russland auch ergreifen könnte - und schon längst hätte ergreifen müssen - , dass es seine Grenze zur Ukraine für den Nachschub für die Separatisten schließt. Das brächte auch schon eine erhebliche Verbesserung für die Menschen dort. Denn es ist so, dass es ohne die Gewalt der Separatisten eine humanitäre Notlage gar nicht gäbe. Das zeigt übrigens die Rückkehr vieler Flüchtlinge in ihre Ortschaften, sobald diese Ortschaften aus der Gewalt der Separatisten befreit sind. Das zeigen auch die ernsthaften Bemühungen, die die ukrainische Seite macht, in diesen Ortschaften dann so schnell wie möglich die notwendige Infrastruktur, die notwendige Versorgung wiederherzustellen.

Schäfer: Herr Seibert hat gerade für die Bundeskanzlerin und ihre Telefonate und Aktivitäten gesprochen. Ich möchte einfach nur ergänzen: Es ist richtig, was gestern das russische Außenministerium berichtet hat, dass es gestern Abend ein Gespräch des russischen Außenministers Lawrow mit Herrn Steinmeier gegeben hat. Herr Steinmeier hat darüber hinaus gestern mit dem Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Herrn Maurer, gesprochen, und gerade eben, während wir hier in der Regierungspressekonferenz zusammensitzen, auch mit dem ukrainischen Außenminister Klimkin.

All das - die Aktivitäten der Bundeskanzlerin, aber auch des Bundesaußenministers - zeigt Ihnen, dass uns hier in Berlin sehr wohl die politische Brisanz dieser laufenden Aktivitäten um den Konvoi herum bekannt ist. Ich kann nur das wiederholen und bekräftigen, was Herr Seibert gesagt hat: Es geht jetzt wirklich darum, dass alle Seiten transparent sind und sich auf das konzentrieren, auf das es ankommt, nämlich den vielen Menschen in Not, die durch diese kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine in eine ganz existenzielle, schwierige Lage geraten sind, Hilfe zukommen zu lassen. Das begrüßen wir grundsätzlich. Es muss sich aber um humanitäre Hilfe handeln, die all denjenigen zukommt - und zwar ganz egal, auf welcher Seite sie politisch stehen -, die in Not geraten sind. Da gelten selbstverständlich die internationalen Regeln, die seit vielen Jahren bekannt sind und die vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, von ECHO und von den Vereinten Nationen zu Recht sehr hochgehalten werden. Das unterstützen wir mit aller Kraft.

Frage: Herr Schäfer, zum Thema Ukraine, aber ein anderer Aspekt. Staatssekretär Ederer soll im Auswärtigen Ausschuss gesagt haben, dass die Bundesrepublik Deutschland das mögliche Verbot der ukrainischen KP ablehnt und zu diesem Thema in Kiew vorstellig werden möchte. Können Sie diese Aussage bestätigen? Wie steht die Bundesregierung überhaupt zu dem möglichen Verbot der Oppositionspartei in der Ukraine?

Schäfer: Ich kann hier selbstverständlich öffentlich nicht bestätigen, was in vertraulicher Runde im Auswärtigen Ausschuss von einem Vertreter des Auswärtigen Amtes gesagt worden sein kann oder nicht. Bei der Frage, die Sie stellen, handelt es sich selbstverständlich grundsätzlich um eine Frage, die die inneren Angelegenheiten der Ukraine betrifft. Das macht es für mich von außen schwierig, das zu kommentieren. Ganz wichtig ist, so glaube ich, dass alles, was in einer ganz fürchterlich schwierigen innenpolitischen Lage in der Ukraine zurzeit passiert, nach den Regeln der Verfassung, nach den Regeln der Transparenz und einer möglichst großen Inklusivität geschieht. Denn nur wenn das Staatswesen zusammenhält und wenn sich an die Regeln der Verfassung gehalten wird, kann man überhaupt an eine gute Zukunft für die Ukraine denken.

Frage : Herr Schäfer, dann frage ich noch einmal zur ukrainischen KP nach: Herr Roth hat in einer Fragestunde des Bundestages - ich glaube, es war im Juni - gesagt, der Bundesregierung sei nichts von einem Verbot bekannt. Ist dieser Stand noch immer aktuell, oder hat sich daran irgendetwas geändert?

Schäfer: Ich muss passen. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen zu referieren, wie der letzte Stand eines förmlichen Verbotes der Kommunistischen Partei der Ukraine in Kiew zurzeit ist. Ich bin aber selbstverständlich gerne bereit, Ihnen diese Information nachzureichen.

Frage : Ich würde gerne das Thema wechseln und zur Innenpolitik kommen. Ich habe zwei Fragen, einmal an Herrn Seibert: Die Bundeskanzlerin ist aus dem Urlaub zurück. Welche innenpolitischen Schwerpunkte möchte sie nach der Sommerpause setzen? Steht da die Pkw-Maut ganz oben an? Wird noch einmal über die kalte Progression gesprochen? Welche Schwerpunkte, glauben Sie, stehen jetzt im Mittelpunkt?

Eine Frage an das Landwirtschaftsministerium zum Listerien-Alarm in Dänemark: Können Sie, Stand heute, ausschließen, dass so etwas in Deutschland vorkommen kann? Welche Vorsichtsmaßnahmen werden vor dem Hintergrund des Skandals in Dänemark getroffen?

StS Seibert: Über das Thema kalte Progression haben wir hier in den vergangenen Tagen immer wieder gesprochen. Ich glaube, dazu muss ich jetzt nicht noch einmal etwas sagen. Innenpolitisch wird es weiterhin auch darum gehen, das umzusetzen, das zu erarbeiten, was sich die Koalitionspartner gemeinsam vorgenommen und was sie in den Koalitionsvertrag geschrieben haben. Für die Bundeskanzlerin hat dabei beispielsweise der ausgeglichene, ohne neue Schulden auskommende Haushalt im Jahr 2015 eine ganz besonders große Bedeutung, weil dies für die kommenden Generationen in diesem Land eine gar nicht zu überschätzende Zukunftsmaßnahme ist. Dieser Haushalt wird nicht so leicht aufzustellen sein. Das macht sich nicht von selbst, wie es die Kollegin aus dem BMF sicherlich bestätigen wird. Das ist eine Priorität. Wenn ich hier von Prioritäten spreche, dann ist das eine Priorität der ganzen Bundesregierung.

Es gäbe da noch Weiteres zu nennen: Wir haben uns weiter große Bildungs- und Forschungsinvestitionen vorgenommen. Wir wissen, dass wir noch mehr für die Verkehrsinfrastruktur tun müssen und wollen. Auch das Thema Pkw-Maut, das Sie ansprechen, steht als ein gemeinsames Vorhaben im Koalitionsvertrag. Jetzt ist die Bundesregierung an der Erarbeitung eines Gesetzes, das dann tatsächlich die beiden Bedingungen erfüllt, die ebenfalls im Koalitionsvertrag genannt werden, nämlich dass kein inländischer Autofahrer stärker belastet werden soll und dass die zu findende Lösung mit dem europäischen Recht vereinbar ist.

Man könnte jetzt noch einiges nennen. Aber das sind einige Schwerpunkte.

Fronczak: Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat versucht, sich mit den dänischen Behörden in Verbindung zu setzen. Dieser Versuch war erfolgreich. Der Kollege hat mir vorhin geschrieben: Es kann nicht abschließend ausgeschlossen werden. Aber die dänischen Behörden gehen davon aus, dass es keine deutsche Betroffenheit gibt. Das Ganze ist weitestgehend im Rahmen von Cateringmaßnahmen in Dänemark vertrieben worden, das heißt, an Krankenhäuser geliefert worden. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass deutsche Urlauber Produkte verzehrt haben, ist aus diesen Gründen sehr gering. Damit ist auch die Mitnahme nach Deutschland eher unwahrscheinlich. Das ist jetzt der Stand der Dinge. Wenn es grenzüberschreitende Fälle gibt, gibt es einen Schnellwarnhinweis über das Schnellwarnsystem der Europäischen Union. Uns ist bisher nicht bekannt, dass die Dänen das eingestellt haben. Wir hoffen, dass das auch so bleibt.

Frage: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt: Es gab heute einen Zeitungsbericht, wonach ein deutsches Paar schon seit mehreren Monaten auf den Philippinen verschwunden ist, mutmaßlich von Abu-Sayyaf-Terroristen entführt. Können Sie dazu etwas sagen?

Schäfer: Ich kann Ihnen dazu nur einen Satz sagen, nämlich dass der Krisenstab im Auswärtigen Amt mit einem Sachverhalt auf den Philippinen befasst ist. Ansonsten kann ich Sie nur um Verständnis dafür bitten, dass ich angesichts verschiedener Dinge nicht weiter in der Lage bin, Ihnen dazu irgendetwas zu sagen. Ich werde Ihnen das nicht bestätigen, aber ich werde es auch nicht dementieren.

Frage: Ich habe eine Frage an das Familienministerium und an das Justizministerium: Es wurde zur Vorstellung des Eckpunktepapiers zum Prostitutionsgesetz eingeladen. Ich möchte wissen, wie jetzt die Kompromisslinien aussehen; denn da lagen ja Union und SPD vor allem, was das Mindestalter von Prostituierten anging, und bei den verpflichtenden Gesundheitsuntersuchungen ziemlich weit auseinander.

Herb: Das ist ein internes Treffen, das morgen im Ministerium stattfinden wird. Ich werde nicht vorgreifen, was da besprochen wird, inwieweit es welche Ergebnisse geben wird. Dazu kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt leider keine weiteren Auskünfte geben.

Scholz: Da auch wir angesprochen waren, nur der Vollständigkeit halber: Das gilt natürlich für uns genauso.

Fronczak: Ich habe noch etwas mitzuteilen. Jetzt ist der Kollege leider weg. Ich reiche es in Stichworten noch nach. Es gibt jetzt die vorhin angesprochene Vorbereitung einer solchen Meldung. Es geht um das Listerien-Thema: Es gab intensive Betriebsbegehungen durch die dänischen Behörden. Der Betrieb ist vorläufig gesperrt. Der Rückruf ist seit gestern abgeschlossen. Das Produkt ist nicht mehr auf dem Markt. Das wollte ich gerne noch zur Entwarnung nachreichen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 13. August 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/08/2014-08-13-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2014