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PRESSEKONFERENZ/932: Kanzlerin Merkel und der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadim, 6.2.2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 6. Februar 2015
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem irakischen Ministerpräsidenten Haider al-Abadi im Bundeskanzleramt

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung.)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, heute Herrn Premierminister al-Abadi sehr herzlich bei uns in Deutschland willkommen zu heißen. Er wird die Münchner Sicherheitskonferenz besuchen und ist vorher hier in Berlin zu seinem ersten Besuch eingetroffen. Ich begrüße ihn sehr herzlich.

Wir haben uns intensiv über die Lage im Irak und über die Probleme, denen sich der Irak gegenübersieht, ausgetauscht. Ich habe ihm angesichts der sehr komplizierten und schwierigen Situation natürlich allen Erfolg, Mut und sehr viel Kraft dafür gewünscht, dass er und seine Regierung, die inzwischen eine sehr inklusive Regierung ist, die anstehenden Probleme auch wirklich gut lösen können.

Wir stehen, was den Kampf gegen die Terrororganisation IS anbelangt, vor riesigen Herausforderungen. Gerade in den letzten Tagen haben die brutalen Ermordungen der japanischen und der jordanischen Geisel gezeigt, dass der IS noch nicht besiegt ist. Deshalb sieht sich natürlich auch der Irak einem dramatischen Kampf gegenüber, was ja auch dazu geführt hat, dass die Bundesregierung die Entscheidung gefällt hat, die Kämpfer der Peschmerga in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung zu unterstützen - durch Ausbildung, aber auch durch Waffen -, um dem brutalen Vorgehen des IS etwas entgegenzusetzen. Dennoch war klar, und das ist auch unsere Haltung, dass die Probleme letztlich nur durch eine inklusive Regierungsführung beseitigt werden können und der Kampf gegen IS gewonnen werden kann. Ich glaube, man kann hier schon erste Erfolge sehen, die die Regierung geschafft hat.

Der Irak steht angesichts des sehr niedrigen Ölpreises natürlich vor riesigen Herausforderungen. Wir haben darüber gesprochen, dass mehr als 80 Prozent der Staatseinnahmen aus den Erdölexporten entstehen, und wenn sich der Ölpreis halbiert hat, dann kann man sich ja vorstellen, was das für ein Land wie den Irak bedeutet.

Wir haben deutlich gemacht, dass wir den Irak auf der einen Seite durch Ausbildungshilfe unterstützen wollen. Wir wollen auf der anderen Seite aber auch tätig werden, was die wirtschaftliche Kooperation anbelangt. Der Irak will seine Wirtschaft diversifizieren. Wir haben auch über die Frage der Polizeikooperation gesprochen, weil sich der Irak auch um Ausbildungsfragen und Ähnliches kümmern wird. Das heißt, wir wollen als Bundesrepublik Deutschland an der Seite des Irak stehen und ihm angesichts der riesigen Probleme, vor denen er steht, helfen, dass er einen erfolgreichen Weg gehen kann.

Meine Damen und Herren, bevor der irakische Premierminister das Wort erhält, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Ich schlage vor, dass wir jetzt die Pressekonferenz zu den Fragen des Irak machen und ich am Ende noch ein paar Sätze zu meiner Reise nach Kiew und heute nach Moskau sage. Das Ganze ist sozusagen ein Paket, und deswegen werde ich auch einzelne Fragen nicht beantworten, aber ich werde am Ende noch ein paar Sätze sagen, wenn wir den Irak-Teil erledigt haben. - Herr Premierminister, Sie haben das Wort!

MP Al-Abadi: Im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes, ich danke Ihnen, Frau Merkel, für diesen Empfang. Ich danke auch allen Regierungs- und Delegationsmitgliedern. Unsere Anwesenheit in Berlin verfolgt das Ziel der Vertiefung der Beziehungen zwischen Deutschland und dem Irak und auch der morgigen Beteiligung an der Münchner Sicherheitskonferenz.

Die deutsch-irakischen Beziehungen sind seit Jahren traditionell eng. Deutschland ist Teil der internationalen Allianz, um dem Irak in der Konfrontation mit ISIS zur Seite zu stehen. Wir haben auch Unterstützung im Sicherheitsbereich und im Ausbildungsbereich erhalten. Es gibt auch den deutschen Beschluss, die Peschmerga mit Waffen zu unterstützen. Die Zentralregierung in Bagdad wird auch mit Ausrüstung unterstützt.

Die Vertiefung der Beziehungen hat eine grundsätzliche und wichtige Bedeutung. ISIS stellt eine Bedrohung der Existenz des Irak und auch eine sehr wahre Bedrohung der internationalen Sicherheit dar. In der jetzigen Zeit gibt es eine Sicherheits- und Geheimdienstkooperation zwischen dem Irak und Deutschland, was die ausländischen Kämpfer angeht, die eine große Gefahr darstellen. Es gibt Tausende sogenannter "foreign fighters", die aus verschiedenen Regionen der Welt - auch aus Deutschland - erst nach Syrien und von dort aus in den Irak reisen. Sie führen zur Vergrößerung der Zahl der Opfer und terrorisieren die irakischen Bürger umso mehr. Wie ich der Frau Bundeskanzlerin bereits mitgeteilt habe, sind diese "foreign fighters" manche der blutrünstigsten und gewaltbereitesten Kämpfer. Deswegen müssen sie auch verfolgt und gestoppt werden. Sie werden im Irak zum Kampf ausgebildet und kehren in ihre Länder zurück, um dort ihre terroristischen Aktionen durchzuführen, wie wir es in Frankreich bei dem dortigen terroristischen Angriff sowie in anderen Staaten erlebt haben.

Wir haben Informationen darüber, dass diese terroristischen Organisationen eine besondere Art von Waffe entwickeln, um sie in ihren terroristischen Aktionen zu nutzen. Deswegen brauchen wir mehr Kooperation. Ich fand bei der Frau Bundeskanzlerin und der begleitenden Delegation eine große Bereitschaft zur Kooperation vor, um durch Sicherheitsmittel, Geheimdienstmittel und militärische Mittel gegen den IS vorzugehen. Wir brauchen die Ausbildung unserer Sicherheitstruppen und vor allem der Polizeikräfte, insbesondere deshalb, um die Regionen unter Kontrolle zu behalten, die vom IS befreit werden. Unser Ziel ist natürlich, dass das Militär die Städte verlässt und die Sicherheit an die Polizei übergibt. Deswegen brauchen wir Ausbildung und Unterstützung bei der Ausbildung. Deutschland hat eine sehr große Erfahrung damit, und deshalb hoffen wir auf deutsche Unterstützung im Ausbildungsbereich.

Was die wirtschaftliche Lage angeht: Wir sind aufgrund des Zusammenbruchs der Ölpreise mit einer Krise konfrontiert. Wir wollen eine wirkliche wirtschaftliche Reform durchführen, und zwar auch in den Staatsunternehmen. Deutschland hat nach der Wiedervereinigung und der erfolgreichen Umwandlung vieler dieser Unternehmen, die in der DDR staatseigen waren, eine sehr einzigartige Erfahrung, was das angeht. Wir können auf diese Erfahrung bauen, um die irakische Wirtschaft zu entwickeln. Wir brauchen diese Erfahrung insbesondere in der Übergangsphase.

Wir kämpfen gegen ISIS im Irak. Wir haben dafür viele Kapazitäten genutzt. Aber wir müssen auch die Dienstleistungen weiterhin zur Verfügung stellen. Wir müssen auch unseren Bürgern in den 14 oder 15 Provinzen, die sich gerade nicht im Krieg befinden, die Gehälter zahlen und Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Das gilt natürlich auch für die Provinzen, die bereits aus dem Krieg herausgetreten sind. Den Provinzen, die gerade unter Besatzung von ISIS sind, müssen wir natürlich Zukunftschancen nach der Beendigung des Krieges in Aussicht stellen. Die Kooperation mit Deutschland und der internationalen Allianz ist eine strategische Kooperation. Wir hoffen auf eine weitere und intensivere Kooperation.

Es gibt einen gemischten Wirtschaftsausschuss, der sich im September treffen wird. Vor dem Treffen wird es vorab ein Vorbereitungstreffen geben, um alle bilateralen Fragen zu besprechen, um die irakische Wirtschaft zu unterstützen.

Ich kann und möchte Ihnen noch einmal versichern, dass wir in der Lage sind und den Entschluss gefasst haben, IS zu besiegen. Wir sind mit IS konfrontiert. Wir werden ihn besiegen. ISIS versucht natürlich immer, wenn wir von einer Seite Druck ausüben, von einer anderen Seite eine Herausforderung darzustellen. Aber um diese Zeitspanne zu verkürzen und IS schnell zu besiegen, ist es dringend nötig, dass uns die internationale Gemeinschaft zur Seite steht. In diesem Kontext steht auch mein Besuch in Deutschland, um die internationale Unterstützung dafür zu mobilisieren, ISIS zu besiegen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben heute hochrangige irakische Politiker getroffen. Heute wird auch die Münchner Sicherheitskonferenz stattfinden. Vonseiten der Region Kurdistan im Irak ist dort ja Präsident Barzani eingetroffen. Haben Sie vor, Präsident Barzani dort zu treffen?

Eine Frage an den irakischen Ministerpräsidenten: Haben Sie einen Plan oder Programme zur Bekämpfung von ISIS in Mossul? Haben Sie auch Abkommen oder Vereinbarungen mit den Peschmerga-Truppen in Kurdistan getroffen?

BK'in Merkel: Meine Frage kann ich kurz beantworten: Es ist bislang geplant, dass ich Herrn Barzani treffen werde. Es ist mir eine sehr große Freude, heute den irakischen Ministerpräsidenten zu treffen und morgen auch Herrn Barzani zu treffen.

MP Al-Abadi: Unser strategischer Plan zur Befreiung von Mossul ist vor sechs Monaten erarbeitet worden. Wir haben auch die Leitung dieser Operationen ernannt. Der Plan ist im Detail entwickelt worden. Ich möchte nicht noch mehr ins Detail gehen, aber dieser Plan ist ein vollständiger und umfangreicher Plan. Er basiert darauf, dass die irakischen Truppen und die Peschmerga-Truppen ausgestattet werden, basierend auf der Koordination zwischen der Zentralregierung und der Kurdistan-Regierung, und zwar auf höchster Ebene im Militär-, Sicherheits- und Geheimdienstbereich. Damit wir die Beziehungen weiter vertiefen können, müssen wir uns auf höchster Ebene koordinieren, um Mossul wieder zu befreien.

Wir möchten auch intensiver mit der internationalen Allianz kooperieren, um den Luftschutz zu gewähren und logistische Ausrüstung zu erhalten. Wir möchten keinen Krieg in Mossul starten, wenn eine Alternative nicht berechnet, nicht ausgerechnet worden ist. Wir müssen uns auf alle Fälle bereit machen und so wenige Verluste wie möglich sowohl unter Militärs als auch unter Zivilisten haben. Wir möchten nicht noch mehr Opfer unter den Zivilisten in Mossul oder auch in den Nachbarprovinzen. Das ist unser strategischer Plan. Ich kann unseren Bürgern in Mossul sagen, dass sie hoffentlich bald von ISIS befreit werden.

Frage: Eine Frage an Sie beide: Der Ministerpräsident hat davon gesprochen, dass Sie darüber beraten haben, dass es zusätzlichen Bedarf bei militärischen Mitteln und auch in der Geheimdienstzusammenarbeit gibt. Können Sie das einmal konkretisieren? Gibt es da zusätzliche Pläne? Was bedeutet das auch an finanziellem Umfang und möglicherweise konkretem Material, das vielleicht noch zusätzlich zu dem bisher Bekannten geliefert werden soll?

Vielleicht können Sie auch noch kommentieren, wie Sie die jordanischen Angriffe auf den IS beurteilen, die ja offenbar auch auf irakischem Staatsgebiet stattgefunden haben.

BK'in Merkel: Von meiner Seite aus kann ich sagen: Es ging heute nicht um spezifische zusätzliche Zusagen. Eine Ausnahme: Wir werden mit dem Irak abstimmen, was wir noch an nicht-letalen Ausrüstungsgegenständen liefern können. Dabei geht es dann um Nachtsichtgeräte oder Ausrüstung - Winteruniformen, Schutzhelme oder Ähnliches.

Wir sind ansonsten gerade mit unserem Ausbildungspaket durch den Deutschen Bundestag gegangen, wo es eine sehr große Zustimmung gab. Der irakische Premierminister hat deutlich gemacht - das geht nicht nur an Deutschland, sondern an viele Länder -, dass es an vielen Stellen an Ausrüstung mangelt. Deshalb werden wir diese Schilderung natürlich in unsere Gedanken aufnehmen. Aber wir haben heute keine konkreten zusätzlichen Entscheidungen gefällt.

Was Jordanien anbelangt, so ist Jordanien Teil der Allianz im Kampf gegen den IS. Angesichts der schrecklichen Tötung des jordanischen Piloten hat sich Jordanien entschieden, noch klarer gegen den Terrorismus zu kämpfen. Ich glaube, das ist die Antwort, dass wir im Kampf gegen den Terrorismus und IS politisch zusammenstehen müssen. Der Premierminister hat immer wieder gesagt: Es geht nicht nur um militärische Aktionen, aber es geht eben auch um militärische Aktionen.

MP Al-Abadi: Zu den Bedürfnissen des Irak: Es gibt dringende Bedürfnisse. Eine der wichtigsten Unterstützungen ist die Aufdeckung und das Auseinanderbauen von Landminen. Wie Sie wissen, ist der IS eine terroristische Gruppe und kann diese Minen auch überall streuen. Das führt natürlich zu einer Erhöhung der Zahl der Opfer unter Zivilisten und Militärs. Diese Minen werden von Hand auseinandergebaut, und deshalb brauchen wir Ausbildungsunterstützung von Deutschland. Ich kann mir vorstellen, dass dies als ein Teil der humanitären Unterstützung, aber auch der militärischen betrachtet werden kann.

Wie auch die Frau Bundeskanzlerin bereits ausgeführt hat, brauchen wir nicht-letale Ausrüstung, aber auch letale. Ich erhoffe mir auch von Deutschland letale Ausrüstungsunterstützung; denn wir haben Bedürfnisse. Dieser Mangel führt zu mehr Verlusten. Wir haben "foreign fighters", die eine umfangreiche Zerstörung der Infrastruktur verursachen. Das ist nicht nur eine Bedrohung des Irak, sondern eine weltweite Bedrohung. Je länger dieser Konflikt andauert, desto mehr weitere Kompetenzen und Kapazitäten wird der IS erlangen. Es gibt ein wahres und grundsätzliches Interesse des Irak und der internationalen Gemeinschaft, dem IS ein Ende zu setzen. Aber ohne richtige internationale Unterstützung werden wir das nicht schaffen. Es liegt im weltweiten Interesse, diesen Kampf zu verkürzen. Wir sind vielleicht der einzige Staat, der auf dem Boden gegen den IS vorgeht, und deswegen brauchen wir fortlaufende Unterstützung von Deutschland und von den Staaten der internationalen Allianz, um ISIS endgültig zu besiegen. Wir können das innerhalb einer Rekordzeit schaffen, wenn wir die notwendige Unterstützung bekommen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesehen, dass der Herr Premierminister in seiner Delegation eine Reihe von Vertretern aus dem Politik- und dem Sicherheitsbereich hat. Der Innenminister ist hier dabei. Sie haben auch bestimmte Maßnahmen getroffen, was den Zustrom von Terroristen aus Deutschland in den Irak angeht. Das ist ein gesamtes Paket, das Ihre Regierung getroffen hat. Glauben Sie, dass diese Maßnahmen ausreichen, um diese Terroristen daran zu hindern, in den Irak zu reisen und dort Menschen um ihr Leben zu bringen? Was kann mehr getan werden, um solche Dinge zu stoppen? Das ist meine Frage an Sie.

Herr Premierminister, was sind die Hoffnungen der irakischen Regierung gegenüber der deutschen Regierung, was die Kooperation noch in diesem Jahr insgesamt angeht?

BK'in Merkel: Wir haben ja, wie Sie verfolgt haben werden, die UN-Resolution gegen die "foreign fighters" in nationales deutsches Recht umgesetzt. Damit haben wir eine bessere Handhabung gegen ausreisende oder ausreisewillige Terroristen. Aber wir müssen natürlich auch mit anderen Ländern kooperieren. Dazu gehört nicht nur der Irak - hier ist die Kooperation im Gange, und ich glaube, wir können sie immer verbessern, aber das läuft gut -, sondern dazu gehört auch die Kooperation mit der Türkei, weil die Türkei zum Teil ein Transitland ist, sowohl in Richtung Syrien als auch in Richtung Irak. Wir werden gemeinsam weiter daran arbeiten, diese Kooperation auch noch zu verbessern.

MP Al-Abadi: Zu unserem Besuch in Deutschland, um unsere bilateralen Beziehungen zu vertiefen: An erster Stelle erhoffen wir uns eine vertiefte Zusammenarbeit im Geheimdienstbereich, im Ausbildungsbereich und im Ausrüstungsbereich, die uns dazu befähigt, den IS zu bekämpfen.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Erfahrung Deutschlands, was die Integration des privaten und des öffentlichen Sektors angeht. Wir durchleben aufgrund des Sturzes der Ölpreise eine fiskale Krise, und Deutschland kann uns über dieses Jahr hinaus Kooperation und Unterstützung anbieten, um diese Krise erfolgreich zu beenden. Die deutsche Erfahrung ist auf diesem Gebiet sehr wichtig. Deswegen nehme ich aus dem heutigen Treffen auch mit, dass Deutschland bereit ist, diese Fähigkeiten und Erfahrungen zur Verfügung zu stellen und diesen Austausch durchzuführen, um den wirtschaftlichen Sektor im Irak zu entwickeln.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, dass Sie keine Fragen zu Ihrer bevorstehenden Reise nach Moskau beantworten möchten. Daher frage ich stattdessen nach Ihrer gestrigen Reise nach Kiew: Haben Sie von der ukrainischen Führung Unterstützung für Ihren neuen Friedensplan für die Ostukraine erfahren?

BK'in Merkel: Die Sache ergibt sich ja gut; da Sie der letzte Frager waren, nehme ich das gleich zum Anlass, das, was ich sagen wollte, zu sagen:

Meine Damen und Herren, angesichts der insbesondere in den letzten Tagen eskalierenden Gewalt, angesichts der schrecklichen Bilder und auch angesichts der vielen Opfer, die wir in der Region Donezk und Lugansk gesehen haben - Opfer auf ukrainischer Seite, Opfer auf Seiten der Zivilbevölkerung und auch Opfer auf separatistischer Seite und auf russischer Seite -, haben der französische Staatspräsident François Hollande und ich uns entschlossen, dieser Eskalation etwas entgegenzusetzen und uns deshalb mit ganzer Kraft und auch durch direkte Besuche in Kiew und heute in Moskau dafür einzusetzen, dass das Blutvergießen möglichst schnell beendet wird und dass zweitens auch das Minsker Abkommen mit Leben erfüllt wird.

Wir sind davon überzeugt, dass es keine militärische Lösung dieses Konflikts geben wird. Wir wissen aber auch, dass es völlig offen ist, ob es uns gelingt, durch diese Gespräche eine Waffenruhe zu erreichen. Wir wissen nicht, ob das heute gelingen wird oder ob vielleicht weitere Gespräche dazu notwendig sind. Wir wissen nicht, ob das heute lange oder etwas kürzere Gespräche in Moskau sein werden und ob es die letzten sein werden. Das heißt, wir können nur das tun, was in unserer Kraft steht. Die Dinge sind im Fluss. Wir versuchen, alles einzusetzen, was wir für eine Lösung dieses Konflikts und insbesondere für eine Beendigung des Blutvergießens einbringen können.

Angesichts mancher Meldungen von gestern möchte ich ganz deutlich sagen: Als deutsche Bundeskanzlerin werde ich mich nie über den Kopf eines anderen Landes hinweg - in diesem Fall der Ukraine - mit irgendwelchen territorialen Fragen beschäftigen. Das schließt sich aus. Es ist eine Aufgabe jedes Landes, diese Verhandlungen zu führen.

Ich will noch hinzufügen, dass François Hollande und ich ja nicht als neutrale Vermittler unterwegs sind, sondern dass es darum geht, dass wir unsere Interessen einbringen, und zwar deutsche, französische, aber vor allen Dingen auch europäische Interessen. Ich habe gestern deshalb auch mit dem Ratspräsidenten Donald Tusk telefoniert, um ihn über unsere Reisen zu informieren. Diese Interessen heißen: Es geht um Frieden, um die europäische Friedensordnung und ihre Aufrechterhaltung, und es geht um die freie Selbstbestimmung von Völkern. Das ist Teil dieser europäischen Friedensordnung. Wir tun das, von dem wir glauben, dass es in dieser Stunde unsere Aufgabe ist, nämlich alles, was in unserer Kraft steht, zu versuchen, um dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten.

Freitag, 6. Februar 2015

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Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem irakischen
Ministerpräsidenten Haider al-Abadi am 6. Februar 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/02/2015-02-06-merkel-irak.html;jsessionid=0B0C49FB26561456A7F24550BDD7084D.s1t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Februar 2015

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