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PRESSEKONFERENZ/1007: Regierungspressekonferenz vom 19. Juni 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 19. Juni 2015
Regierungspressekonferenz vom 19. Juni 2015

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Treffen der Staats- und Regierungschefs der Euroländer zum Thema Griechenland, Kabinettssitzung, Besuch des britischen Königspaares in Deutschland, Empfang des britischen Premierministers, Festveranstaltung anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Helmholtz-Gemeinschaft, Europäischer Rat in Brüssel), Griechenland, europäische Flüchtlingspolitik, Nord Stream, Rückführung von radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich und England, Medienbericht über Ermittlungen gegen einen Soldaten aus Thüringen wegen des Verdachts der Fahnenflucht, nachrichtendienstliche Aktivitäten in Deutschland, gestrige Beschlüsse Ministerpräsidentenkonferenz zur Asyl- und Flüchtlingspolitik, Rassismus in den USA/Attentat in Charleston, in Deutschland stationierte US-Atomwaffen, Cyberangriff auf den Deutschen Bundestag

Sprecher: StS Seibert, von Tiesenhausen-Cave (BMF), Schäfer (AA), Braams (BMWi), Kübler (BMUB), Nannt (BMVg), Plate (BMI)


Vorsitzender Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Am Montagabend, also am 22. Juni, wird die Bundeskanzlerin in Brüssel am Treffen der Staats- und Regierungschefs der Euroländer zum Thema Griechenland teilnehmen, zu dem Ratspräsident Donald Tusk eingeladen hat.

Am Mittwoch wird dann, wie gewöhnlich, um 9.30 Uhr das Bundeskabinett tagen.

Dann erwarten wir den Besuch des britischen Königspaares, von Königin Elizabeth II. und Prinz Philip, die vom 23. bis 26. Juni Deutschland besuchen werden. Es wird hier zuerst eine Begrüßung im Schloss Bellevue durch den Bundespräsidenten geben, und dann wird die britische Königin gegen 12 Uhr durch die Bundeskanzlerin im Kanzleramt empfangen werden. Es wird ein etwa halbstündiges Gespräch der Kanzlerin mit der Queen geben. Am Abend wird der Bundespräsident dann ein Staatsbankett zu Ehren des britischen Königspaares im Schloss Bellevue geben, an dem auch die Bundeskanzlerin teilnehmen wird.

Am Nachmittag, um 16.45 Uhr, wird die Bundeskanzlerin den britischen Premierminister David Cameron zu einem Gespräch empfangen. Er wird in Begleitung der Königin hier in Berlin sein. Das ist eine gute Gelegenheit zur Vorbesprechung des Europäischen Rates am 25. und 26. Juni in Brüssel.

Am Mittwoch um 18 Uhr wird die Kanzlerin an der Festveranstaltung anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Helmholtz-Gemeinschaft teilnehmen. Sie wird dort eine Rede halten. Die Helmholtz-Gemeinschaft gehört mit ihren 18 Forschungszentren zu den international führenden Forschungseinrichtungen. Sie konzentriert sich in ihrer Forschung auf die großen gesellschaftlichen Themen wie beispielsweise Klima, Gesundheit und Energie.

Am Donnerstag, dem 25., und auch am 26. wird dann der schon angekündigte Europäische Rat in Brüssel stattfinden. Die Themen sind dieses Mal vielfältig. Es geht um das Follow-up zum Sonderrat vom April zum Thema Migration, also die Unterthemen "Seenotrettung", "Bekämpfung der Schleuserkriminalität", "Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitstaaten" und die Frage der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa. Außerdem hatte der Europäische Rat im Dezember letzten Jahres beschlossen, eine Bestandsaufnahme der Fortschritte im Bereich der Sicherheit und Verteidigung vorzunehmen. Darüber wird die Hohe Vertreterin dem Europäischen Rat berichten und die gegenwärtigen Herausforderungen für die Europäische Union auf diesem Gebiet darstellen. Außerdem wird man gemeinsam über den Stand der Umsetzung der im Februar beschlossenen Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung sprechen. Es wird - wie immer bei Juni-Räten - auch um die länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters gehen. Damit wird das Europäische Semester 2015 abgeschlossen. Weitere Themen sind die Digitale Agenda und die Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion. Außerdem wird der Premierminister von Großbritannien Gelegenheit haben, dem Europäischen Rat seine ersten Überlegungen zum künftigen Verhältnis Großbritanniens zur Europäischen Union vorzustellen. Die Bundeskanzlerin hatte gestern zu diesem Europäischen Rat eine Regierungserklärung im Deutschen Bundestag abgegeben, auf die ich Sie gerne verweise.

Wir werden am Mittwoch der kommenden Woche hier in der Bundespressekonferenz um 14 Uhr das übliche Briefing mit dem Leiter der Europaabteilung, Herrn Meyer-Landrut, durchführen. - So viel zu den Terminen in der kommenden Woche.

Frage: Herr Seibert, Frau Tiesenhausen, der slowakische Ministerpräsident hat gesagt, sein Land sei technisch und mental auf einen möglichen "Grexit" vorbereitet, auf eine Zahlungsunfähigkeit. Kann das die Bundesregierung mit der gleichen Verve sagen, technisch und mental?

Zum Zweiten würde mich interessieren, Frau Tiesenhausen: Wird es denn vor diesem Treffen am Montagabend noch irgendwelche vorbereitenden Treffen geben, sei es auf der Ministerebene, sei es auf der Deputy-Ebene, sei es aufseiten der Institution, die diesen Sondergipfel vorbereiten?

StS Seibert: Dann fange ich vielleicht einmal an. Für die Bundesregierung gilt nach wie vor das, was die Bundeskanzlerin ja gestern sehr deutlich im Bundestag ausgedrückt hat: Wir möchten alles dafür tun, was möglich ist, dass Griechenland Teil der Eurozone bleibt. Solidarität vonseiten der europäischen Länder und auch des IWF erfordert allerdings, dass Griechenland seinerseits geeignete Maßnahmen vorschlägt und diese Maßnahmen auch umsetzt. Das ist unsere Haltung und die Essenz unserer Haltung; die galt gestern im Bundestag, und sie gilt selbstverständlich auch heute.

Ich will vielleicht noch etwas zu dem Sonderrat der Euroländer am Montag sagen, zu dem Ratspräsident Tusk eingeladen hat: Dieser Europäische Rat am Montag kann ja nur dann ein Entscheidungsgipfel sein, wenn er eine Entscheidungsgrundlage hat, und das kann nur eine Einigung der griechischen Regierung mit den drei Institutionen auf ein Ergebnis sein, das die Eurogruppe bestätigt hat und das diesem Prinzip, das ich auch gerade erwähnt habe, folgt, also dem Prinzip, dass Solidarität immer im Gegenzug zu Eigenverantwortung geleistet wird. Die Hilfe der Europäer kann es nur geben, wenn Griechenland eigene Reformanstrengungen macht. Wenn der Rat am Montag keine solche Entscheidungsgrundlage haben sollte, dann könnte er nur ein Beratungsgipfel sein, und dann würden weitere folgen.

von Tiesenhausen-Cave: Zu Ihrer zweiten Frage, ob es noch vorbereitende Treffen geben wird: Wie Sie wissen, läuft das Treffen der Euro-Finanzminister im Ecofin-Rahmen gerade noch in Luxemburg. Da schütteln sich gerade einige Dinge. Es ist wohl angedacht, noch ein weiteres Treffen der Minister am Montag vor dem Gipfel abzuhalten, aber genaue Details dazu stehen noch nicht fest.

Zusatzfrage: Ich wollte noch einmal an meine Ausgangsfrage nach "technisch und mental vorbereitet" erinnern: Ist die Bundesregierung technisch und mental auf alles, was da in Verbindung mit Griechenland kommen könnte - inklusive "Grexit" -, vorbereitet?

StS Seibert: Ich habe versucht, Ihnen noch einmal klar zu beschreiben, was die Essenz unserer Haltung zu diesem Thema ist und was der gesamte Fokus ist, den die Bundesregierung im Moment verfolgt.

Frage: Herr Seibert, könnten Sie, nachdem Herr Tsipras heute mit Herrn Putin zusammentrifft und da wir uns ja eh auf dieser Ebene bewegen, dass da immer sehr viel wiederholt wird, bitte noch einmal die Position der Bundesregierung wiederholen, was die Haltung zu einer möglichen stärkeren Annäherung Griechenlands an Russland angeht.

StS Seibert: Ich finde, wir müssen uns nicht auf der Ebene bewegen, dass wir immer alles wiederholen. Ich sage es trotzdem gerne noch einmal ein wiederholtes Mal: Griechenland ist ein Land der EU. Viele Länder der EU oder alle Länder der EU haben auf die eine oder andere Art und Weise bilaterale Kontakte zu Russland. Das ist so auch völlig in Ordnung. Deswegen ist das nichts, was der Sprecher der Bundesregierung in irgendeiner Weise kommentieren müsste.

Frage: Herr Seibert, Sie haben soeben gesagt, Entscheidungen am Montag könne man nur erwarten, wenn vorher auf technischer Ebene eine Einigung zustande komme. Das ist das beste Szenario. Das schlimmste Szenario ist dann eine Beratungshilfesitzung oder ein Rat. Ist es denkbar, dass das Thema Griechenland auf dem normalen, regulären Rat am 25. zur Sprache kommen wird?

StS Seibert: Ich möchte jetzt gar nicht so weit in die Zukunft denken. Ich habe Ihnen beschrieben, was die Themen auf der Tagesordnung des Rates sind. Aber selbstverständlich sind auch andere Themen und ist auch das Thema Griechenland erneut möglich.

Ich habe jetzt erst einmal über das Treffen der Staats- und Regierungschefs der Eurozone am Montag und über die Bedingungen gesprochen, die eintreten müssen, damit dort Entscheidungen gefällt werden können. Wenn sie nicht eintreten, wenn die Grundlage für solche Entscheidungen nicht vorliegt, dann wird es ein Treffen der Beratungen sein.

Frage: Ich habe eine Frage, wahrscheinlich an das Finanzministerium. Man sieht jetzt auch schon massive Geldabflüsse von griechischen Banken. Wird das Thema der Kapitalverkehrskontrollen jetzt in den nächsten Tagen behandelt werden, oder wird das eventuell auch noch einmal von den Staats- und Regierungschefs behandelt werden?

von Tiesenhausen-Cave: Dabei geht es nicht um eine Behandlung. Sie wissen, dass Kapitalverkehrskontrollen ganz grundsätzlich eine Entscheidung eines einzelnen Landes sind. Insofern ist das nicht Thema irgendwelcher Beratungen.

Frage: Herr Seibert, noch einmal zu der Abfolge der Entscheidungen: Bisher wurde ja immer gesagt, die Institutionen müssten eigentlich erst einmal ihr Prüfsiegel in Bezug auf etwaige Vorschläge der griechischen Regierung abgeben. Kann das denn überhaupt stattfinden, wenn es eventuell am Montag ein Treffen der Finanzminister - so habe ich es zumindest verstanden - und dann wenige Stunden später ein Treffen der Staatschefs geben wird? Wie ist es innerhalb dieser kurzen Zeit möglich, dass die Institutionen diesen Vorschlag prüfen können?

StS Seibert: Ich habe den notwendigen Ablauf, glaube ich, auch schon genau so dargestellt: Eine Entscheidungsgrundlage für das Treffen der Staats- und Regierungschefs am Montag wäre nur eine Einigung der griechischen Regierung mit den drei Institutionen, also eine Einigung, die von den Institutionen bestätigt wird und die als solche der Eurogruppe vorgelegt wird. Dass die Zeit dafür nun knapp ist, kann jeder von uns nachvollziehen.

Frage: An da Finanzministerium: Wenn es eine Einigung auf der Ebene der Eurogruppe gibt, heißt das, dass für Montag auch eine Sitzung der Eurogruppe geplant ist?

von Tiesenhausen-Cave: Das war ja die Frage von vorhin. Dazu gibt es derzeit Überlegungen; Details konkretisieren sich gerade. Die Minister sitzen ja in Luxemburg alle zusammen. Dort wird gerade darüber abgestimmt und geredet. Ich weise auch noch einmal darauf hin, dass der Bundesfinanzminister ja in einer knappen Stunde, um die Mittagszeit herum, auch in Luxemburg eine Pressekonferenz geben wird und dann sicherlich direkt aus den Beratungen berichten wird.

Frage: Die Kanzlerin ist in Sachen Griechenland ja schon selbst aktiv geworden, zusammen mit Herrn Hollande. Hat sich die Kanzlerin seit dem gestrigen Abend mit dem französischen Staatspräsidenten und möglicherweise auch noch einmal mit Frau Lagarde abgestimmt und den Kontakt gesucht?

StS Seibert: Wenn es Gespräche gibt - das ist meine Antwort; immer, wie ich leider sagen muss -, über die wir zu berichten haben, dann tun wir das.

Frage: Zur Qualität der Verhandlungen, Herr Seibert: Wie beurteilen Sie denn diese Unbeweglichkeit auf der griechischen Seite? Spielen die noch Mikado, oder sind die schon tot?

StS Seibert: Auf diese Art der Frage - dafür bitte ich Sie um Verständnis - kann ich natürlich nicht eingehen. Wir bedauern, dass es gestern in der Eurogruppe offensichtlich keine Fortschritte geben konnte, weil es eben weiterhin keine Einigung zwischen der griechischen Regierung und den drei Institutionen gibt. Es ist nicht zu spät dafür, und natürlich hoffen wir, dass eine solche Einigung möglich ist.

Frage: Herr Seibert, ist denn denkbar, dass die drei Institutionen quasi parallel zu den Staats und Regierungschefs der Euroländer tagen, also dass die eine Sitzung dann einmal unterbrochen wird, bis die andere vielleicht entschieden hat und die Regierungschefs wieder eine Entscheidungsgrundlage haben, oder ist das vollkommen undenkbar?

Eine zweite Frage: Können Sie sagen, wann die Kanzlerin von der Bitte von Donald Tusk erfahren hat, dass am Montagabend zu einem Treffen eingeladen werden soll?

StS Seibert: Zu der ersten Frage: Ich kenne die Pläne der drei Institutionen natürlich nicht, und deswegen kann ich auch das Gipfelmanagement oder das Management des zeitlichen Ablaufs vom Montag hier nicht vorhersehen. Das liegt in den Händen des Präsidenten des Rats, Herrn Tusk.

Über die internen und vertraulichen Abstimmungen zwischen Brüssel und dem Kanzleramt gebe ich hier keine Auskunft.

Frage: Herr Seibert, IWF-Chefin Lagarde hat gesagt, dass sie am Montag mit Erwachsenen sprechen will. Sind Herr Schäuble und Frau Merkel in diesem Euro-Konflikt erwachsen?

StS Seibert: Fragen nach Zitaten der IWF-Chefin müsste Sie an die IWF-Chefin richten.

Frage: Herr Seibert, wenn man sich diesen Streit anschaut, ist in der Öffentlichkeit irgendwie immer noch nicht ganz klar, um welchen Umfang es ganz konkret geht. So ganz deutlich wird es nicht. Es geht um den Streit in Sachen Mehrwertsteuererhöhung und Rentensystem. Wie weit liegen die einfach auseinander? Man hat gar nicht das Gefühl, dass das so weit auseinander liegt, wenn man bestimmte Zeitungen verfolgt. Können Sie also vielleicht einmal inhaltlich etwas dazu sagen?

StS Seibert: Nur bedingt, weil ja nicht die Bundesregierung die Verhandlungen führt, sondern die Verhandlungen führt die griechische Regierung mit den drei Institutionen. Ich kann grundsätzlich sagen, dass es bei dem Unterschied, der zwischen den beiden noch überbrückt werden muss, nach allem, was wir wissen, eben nicht nur um eine bestimmte Summe mehr oder weniger geht, sondern es geht ganz grundsätzlich um fiskalische und wirtschaftspolitisch dauerhaft wirksam werdende, strukturelle Maßnahmen, die Griechenland erlauben würden, über die nächsten Jahre hinweg eine tragfähige Grundlage sowie eine Perspektive für Haushaltssanierung, für Wachstumsstärkung und Maßnahmen zu schaffen, ohne die eine solche Perspektive eben schwer herzustellen ist. Ich glaube, das muss man bedenken. Aber Fragen zum Inhalt der Verhandlungen müssen an die gerichtet werden, die die Verhandlungen führen.

Frage: Ist es undenkbar, dass sich die Regierungschefs am Montag über die Institutionen und die Finanzminister hinwegsetzen und eine rein politische Entscheidung zum Thema Griechenland fällen?

StS Seibert: Ich habe vorhin gesagt, was die Grundlage für eine Entscheidung am Montag sein muss, wenn es am Montag eine Entscheidung geben soll. Diese Grundlage - ich sage es gerne noch einmal - ist eine Einigung der griechischen Regierung mit den drei Institutionen, die von den drei Institutionen bestätigt und der Eurogruppe vorgelegt wird. Das ist die Grundlage für die Frage, ob das am Montag ein Gipfel der Entscheidungen werden kann. Wenn keine solche Entscheidungsgrundlage vorliegt, dann wird es ein Gipfel der Beratungen werden können. Das kann auch sehr nützlich sein, aber es wird dann keine Entscheidung am Montag geben.

Zusatzfrage: Andersherum ist eine Entscheidung also nicht denkbar?

StS Seibert: Ja, das ist das, was ich Ihnen sagen wollte.

Frage: Herr Seibert, ich habe gehört, was Sie gesagt haben. Trotzdem mache ich einen Versuch: Ist das Thema eines Schuldenschnitts noch irgendwie auf dem Tisch?

StS Seibert: Wir - das heißt, nicht wir, sondern die drei Institutionen - sprechen weiterhin mit Griechenland über einen erfolgreichen Abschluss des zweiten Programms. Man spricht darüber, dass Griechenland die Maßnahmen, die es am 20. Februar gemeinsam mit den Institutionen in das Papier geschrieben hat, durchführt, dass das bestätigt werden kann und dass dadurch die Auszahlung der letzten Tranche aus dem laufenden zweiten Programm möglich sein wird. Das steht im Fokus.

Frage: Herr Seibert, Sie sagten gerade, dass Sie eine grundsätzliche und langfristige Lösung anstreben. Damit kann dann ja nicht die Erfüllung des zweiten Programms gemeint sein, sondern eher das, was Varoufakis andenkt, nämlich eine Umkonstruierung des Euro. Oder habe ich Sie da nicht richtig verstanden?

StS Seibert: Nein, da haben Sie mich nicht richtig verstanden.

Frage: Herr Seibert, wenn Sie sagen, Voraussetzung sei eine Entscheidung der drei Institutionen, bedeutet das dann, dass für die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung diese Entscheidung der drei Institutionen bindend ist? Gibt es denn, wenn die drei Institutionen entschieden haben, überhaupt noch einen Beratungsbedarf der Staats- und Regierungschefs, oder werden die dann sagen müssen "Ja, die drei haben so entschieden, also folgen wir"?

StS Seibert: Das Verfahren ist ja nichts Neues, sondern es ist das Verfahren, wie es seit Jahren im Umgang mit den Staaten gilt, die Empfänger von europäischen Hilfen geworden sind; Frau Tiesenhausen kann das vielleicht auch noch einmal genau ausführen. Die drei Institutionen schließen eine Einigung mit der Regierung Griechenlands ab, und diese Einigung wird als "staff-level agreement" der Eurozone, also den Finanzministern der Eurozone, zur Entscheidung und zum weiteren Beschluss vorgelegt. Das ist dann im Übrigen auch die Basis, auf der nationale Parlamente ihre Entscheidungen treffen können, zum Beispiel der Deutsche Bundestag. Ich hoffe, ich habe das richtig dargestellt.

von Tiesenhausen-Cave: Ja.

Frage: Frau Tiesenhausen, können Sie sagen, ob die Institutionen denn noch alle am Tisch sitzen? Mein letzter Stand war, dass der IWF nicht mehr am Tisch sitzt, aber da haben Sie vielleicht einen aktuelleren Stand.

Zum Verfahren: Wenn am Montag beraten werden wird, Herr Seibert, ist das ja für den Bundestag der letztmögliche Zeitpunkt. Wir wissen ja von früheren Entscheidungen aus dem Parlament, dass die Abgeordneten doch einige Tage brauchen, um diese Vorlage auch zu prüfen. Können Sie etwas zu dieser Frist des Bundestags sagen?

StS Seibert: Haben Sie Verständnis dafür, dass ich über parlamentarische Fristen und Sitzungen des Bundestags als Sprecher der Bundesregierung natürlich nichts sagen kann.

von Tiesenhausen-Cave: Zur Rolle der Institutionen und insbesondere des IWF: Es ist ja so, dass vor diesem Treffen der Eurogruppe in den letzten Tagen tatsächlich wenige Beratungen der Brüsseler Gruppe im formellen Rahmen stattgefunden haben. Aber ich glaube, die zentrale Frage ist, was jetzt in den nächsten Tagen passieren wird. In dieser Hinsicht habe ich keine Indikation, dass sich der IWF nicht konstruktiv an den Verhandlungen beteiligen würde. Es ist ja von dieser Stelle aus auch schon oft betont worden, dass wir alle drei Institutionen für diese Einigung brauchen und dass dabei insbesondere der IWF aus Sicht der Bundesregierung eine ganz zentrale Rolle spielt.

Frage: Aber wenn die vorherige, bestätigte Einigung der Institutionen mit Athen vorausgesetzt ist, wozu braucht man dann am Montag ein Treffen der Regierungschefs, wenn die Einigung sowieso erfolgt ist?

StS Seibert: Erstens müssen wir ja leider feststellen, dass wir die Einigung noch nicht erreicht haben. Aber es wäre schön, wenn wir sie dann hätten, beispielsweise als Grundlage für das Treffen der Regierungschefs.

Ich kann nur auf das verweisen, was Ratspräsident Tusk in dieser Einladung gesagt hat, nämlich dass er die Staats- und Regierungschefs informieren und einbinden will. Das ist der Sinn der Einladung, und die Bundeskanzlerin leistet der selbstverständlich Folge.

Zusatzfrage: Wenn die Einigung der Institutionen sozusagen erfolgt ist, ist es dann nicht so, dass die Regierungschefs das Blatt vollkommen aus der Hand geben und dass sie sozusagen nicht selbst zu einer Entscheidung kommen können, wenn es sozusagen dazu kommen muss und wenn es nicht anders geht?

StS Seibert: Das Mandat für die Gespräche liegt bei den drei Institutionen Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds. Das Mandat muss, so hoffen wir, zusammen mit der griechischen Regierung zu einer Einigung geführt werden. Die griechische Regierung hat sich am 20. Februar in dem Papier, das ja innerhalb der Eurogruppe mit griechischer Beteiligung beschlossen worden ist, zu umfassenden Strukturreformen verpflichtet, und jetzt geht es darum, die entschlossen anzugehen. Sie hat in diesem Papier vom 20. Februar im Übrigen ebenso ihre Zusage gegeben, dass sie die Rückzahlungspflichten gegenüber all ihren Gläubigern vollständig erfüllen wird.

Frage: Herr Seibert, noch einmal zur Klärung: Welches Organ ist dasjenige, das die Entscheidung trifft? Ist es die Eurogruppe, oder ist es der Gipfel der Eurogruppenchefs?

StS Seibert: Wir brauchen erst einmal eine Einigung der griechischen Regierung mit den drei Institutionen. Das ist das Entscheidende. Darauf sollten jetzt alle Kräfte der griechischen Regierung verwendet werden. Wir hoffen, dass die Zeit genutzt wird.

Frage: Herr Seibert, so, wie Sie den Ablauf der Entscheidungen und die Zuständigkeiten der verschiedenen Einrichtungen schildern, ergibt das Treffen der Staats- und Regierungschefs doch nur dann einen Sinn, wenn eine Einigung zuvor nicht erwartet wird.

StS Seibert: Erstens: Zu einem Treffen der Staats- und Regierungschefs lädt der europäische Ratspräsident Donald Tusk ein. Er hat es für sinnvoll gehalten, zu diesem Treffen am Montag zum Zwecke der Informierung und Einbindung der Staats- und Regierungschefs einzuladen. Ich werde nun immer gefragt: Werden da Entscheidungen gefällt werden? Ich habe klarzumachen versucht, dass das nur ein Beratungsgipfel sein kann, es sei denn, es gäbe eine Entscheidungsgrundlage. Der wäre eine Einigung Griechenlands mit den Institutionen und eine Befassung der Eurogruppe vorgeschaltet.

Frage: Herr Seibert, was erwartet die Bundesregierung speziell vom Besuch der Queen in der nächsten Woche in Berlin?

StS Seibert: Der Besuch der britischen Königin und ihres Gemahls ist eine große Ehre für uns in Deutschland. Es ist eine große Ehre, dass sie nach Berlin kommen wird, dass sie im Übrigen auch nach Frankfurt reisen wird und dass sie eine solche Vielzahl von Terminen auf sich nimmt. Die britische Königin steht wie keine andere Person für Großbritannien. Jede Begegnung mit ihr, die die Bundeskanzlerin bisher hatte, war ihr ein großes Vergnügen und eine große Ehre. In diesem Sinne wird sie sie sehr gerne in der kommenden Woche im Bundeskanzleramt für ein Gespräch unter vier Augen willkommen heißen.

Zusatzfrage: Erwartet die Bundesregierung von diesem Queen-Besuch denn auch, dass sich speziell Angela Merkel dafür einsetzt, dass Großbritannien in der EU bleibt?

StS Seibert: Ich glaube, in 60 Jahren Regierungszeit der Queen ist aus Gesprächen, die sie geführt hat, nie etwas herausgedrungen. Das wird ganz sicherlich auch nicht so sein, wenn sie nach Berlin kommen wird.

Die politischen Gespräche sind ja beispielsweise in der Vergangenheit und gerade erst vor Kurzem hier mit dem Premierminister geführt worden, und es wird dazu eine weitere Gelegenheit mit ihm am Nachmittag des Mittwochs geben.

Frage: Zu der Terminliste beziehungsweise zum EU-Rat, aber zu einem ganz anderen Punkt: Hinsichtlich des Themas der Flüchtlingspolitik usw. haben Sie ja verschiedene Punkte erwähnt. Einen Punkt haben Sie nicht erwähnt, nämlich diese geplante gemeinsame Militärmission EU NAVFOR. Ist die jetzt einfach unter den anderen Punkten, die Sie genannt haben, subsumiert, oder wird die nicht Thema sein?

StS Seibert: Ich denke, das hatte ich unter dem Überpunkt "Bekämpfung der Schleuserkriminalität" subsumiert. Ich würde jetzt auf das Briefing am Mittwoch und dann natürlich auch auf den Ablauf des Rates verweisen.

Frage: Herr Seibert, vor wenigen Tagen wurde auf dem G7-Gipfel im Sinne der Kanzlerin der Kurs "weg von fossilen Energieträgern" eingeschlagen. Wie hat die Kanzlerin denn die gestrige Meldung aufgenommen, dass Gazprom jetzt das Nord-Stream-Projekt ausbauen möchte und weitere 55 Milliarden Kubikmeter Gas nach Deutschland pumpen will?

StS Seibert: Ich glaube, dass das Auswärtige Amt gerne darauf antworten möchte.

Schäfer: Hinsichtlich der Klimapolitik und Nord Stream fühle ich mich jetzt nicht so ganz kompetent. Mir erscheint es aber so, dass, bevor wir uns komplett von fossilen Energieträgern freimachen werden, noch der eine oder andere Tag ins Land gehen wird, an dem wir im Winter vielleicht auch noch ein bisschen Wärme brauchen werden. Aber ich glaube, dazu sollten vielleicht lieber die anderen Experten aus dem Wirtschafts- oder Umweltministerium etwas sagen. Zu Nord Stream bin ich umfassend auskunftswillig, wenn es Sie interessiert, aber weniger unter dem Klimaaspekt.

StS Seibert: Gut, dann erinnere ich nur kurz daran, dass der Elmauer G7-Gipfel in der Tat das Ziel der Dekarbonisierung der Wirtschaft in die Schlusserklärung hineingeschrieben hat, was ein bedeutender Schritt ist. Aber man darf nicht vergessen, dass es um die Dekarbonisierung der Wirtschaft im Laufe dieses Jahrhunderts ging.

Zusatz : Dann vielleicht das Wirtschafts- und Energieministerium dazu!

Braams: Ich glaube, zu G7 ist es gesagt worden: Die langfristige Einordnung ist klar.

Zu Nord Stream als solchem: Wir haben diese Meldung zur Kenntnis genommen. Die gab es ja auch schon einmal in der Vergangenheit in ähnlicher Form. Aber es handelt sich ganz klar um unternehmerische Vorgänge, sodass ich das hier nicht kommentieren kann.

Frage: Ich würde gerne auf das Thema Castoren zu sprechen kommen, das auch mit den Themen Energie, künftigem Energiewechsel usw. zu tun hat. Unabhängig von der Pressekonferenz von Frau Hendricks würde ich Herrn Seibert gerne fragen, ob das Vorgehen, die Bundesländer bei den Überlegungen, wo die ausstehenden Castoren hinkommen, außen vor zu lassen, mit der Kanzlerin abgesprochen war und wie Sie das beurteilen, nachdem Bayern vorhin - Sie haben das bestimmt auch schon gesehen - mit der Drohung reagiert hat, die Energiewende scheitern zu lassen, wenn die Bundesregierung diese Castoren-Frage auf eigene Faust durchziehen möchte. War das abgesprochen?

StS Seibert: Ich würde bitten, dass das Umweltministerium erst einmal in der Sache dazu Stellung nimmt.

Kübler: Zunächst einmal kann ich bestätigen, dass das versprochene Konzept des Bundesumweltministeriums zur Rückführung der Castoren nun vorliegt und in diesen Minuten von unserer Ministerin in unserem Ministerium in der Stresemannstraße vorgestellt wird, nachdem sie heute Vormittag noch ein zweistündiges Gespräch mit den Spitzen der vier Energieversorgungsunternehmen hatte.

Es gab vor genau zwei Jahren im Kanzleramt ein Gespräch mit den Ministerpräsidenten der Länder. Das Verfahren sah vor, dass drei Länder gefunden werden sollten - nach Möglichkeit auf freiwilliger Basis -, um Zwischenlagerstandorte für die Castoren anzubieten. Wenige Tage nach diesem Beschluss im Kanzleramt haben sich Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg gemeldet und ihre Bereitschaft signalisiert, Castoren aufzunehmen, sofern sich ein drittes Bundesland finden würde. Anderthalb Jahre später hat sich kein weiteres Bundesland in den intensiven Gesprächen, die auch unser Haus mit den verschiedenen Ländern geführt hat, bereiterklärt, Castoren aufzunehmen. Daraufhin hat Frau Hendricks zu Beginn des Jahres dieses Verfahren für gescheitert erklärt und ein Konzept angekündigt.

Dieses Konzept liegt vor, wurde den Ländern mitgeteilt und sieht vor - das war Frau Hendricks immer sehr wichtig und hat sie auch immer erwähnt -, dass ein ausgewogenes und faires Verhältnis für den Rücktransport der 26 Castoren aus Sellafield und La Hague gefunden wird. Im Standortzwischenlager Philippsburg werden die fünf Behälter mit verglasten mittelradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich, im Standortzwischenlager Biblis und im Standortzwischenlager Brokdorf jeweils bis zu sieben Behälter und im Standortzwischenlager Isar bis zu neun Behälter mit verglasten hochradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung im Vereinigten Königreich aufbewahrt werden.

Die Rückführung erfolgt entsprechend der Vertragslage der deutschen Energieversorgungsunternehmen mit den ausländischen Wiederaufbereitungsunternehmen sukzessive, beginnend mit den fünf Behältern aus Frankreich im Jahr 2017 und danach die weiteren Tranchen ab 2018 aus dem Vereinigten Königreich.

Das Bundumweltministerium wird sicherstellen, dass zeitgerecht von den Energieversorgungsunternehmen gestellte Anträge auf Erteilung von Genehmigungen zur Aufbewahrung der Castor-Behälter an den jeweiligen Zwischenlagerstandorten rechtzeitig beschieden werden.

Die Energieversorgungsunternehmen werden dieses Konzept, das die Bundesumweltministerin als Richtschnur, also nicht nur als Vorschlag, verstanden wissen will, prüfen und haben in dem Gespräch mit der Ministerin angeboten, für diese Zeit die Klagen ruhen zu lassen, die gegen die Abweisung der Zwischenlagerung in Gorleben eingereicht wurden.

Soweit der Stand.

Zusatzfrage: Eine Nachfrage an Herrn Seibert. Es gibt keine Klagen der Betreiber, aber Klagen von Herrn Seehofer. Inwieweit sehen Sie durch das Vorgehen die Energiewende gefährdet?

StS Seibert: Die Energiewende ist ein Prozess, die immer wieder im Gespräch aller Beteiligten miteinander vorangetrieben werden muss. Das war gerade auch wieder Gegenstand der Beratungen beim Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten, und so wird das sicherlich auch weitergehen. Man wird immer miteinander im Gespräch über alle Einzelaspekte der Energiewende bleiben.

Frage: Eine Frage an Oberstleutnant Nannt. Es gibt Berichte, dass sich ein Unteroffizier aus einem Panzergrenadier- oder Panzerpionierbataillon in Thüringen unerlaubt von der Truppe entfernt hat, und zwar möglicherweise mit dem Ziel, sich dem Kampf gegen ISIS in Syrien anzuschließen. Können Sie dazu Näheres sagen? Können Sie dieses unerlaubte Entfernen von der Truppe bestätigen?

Nannt: Was ich bestätigen kann, ist, dass am 16. Juni ein Soldat nicht zum Dienst erschienen ist. Er ist vorher schon als polizeilich vermisst gemeldet worden. Zurzeit laufen die Ermittlungen. Wir wissen nichts über seinen Aufenthaltsort. Alle weiteren Schritte - auch die Abgabe an die Staatsanwaltschaft - sind eingeleitet worden, und die weiteren Ermittlungen laufen.

Zusatzfrage: Ist die Abgabe an die Staatsanwaltschaft das übliche Verfahren im Falle eines unerlaubten Entfernens von der Truppe oder in welchem Fall wird an die Staatsanwaltschaft abgegeben?

Nannt: Bei einem Verdacht auf Fahnenflucht erfolgt eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft.

Frage: Herr Nannt, es hat ähnliche Fälle gegeben beziehungsweise soll es gegeben haben. Ist irgendetwas an Ausrüstung abgängig oder ist nur die Person als solche weg?

Nannt: Ich kann Ihnen nur das bestätigen, was ich gesagt habe. Derzeit haben wir nur den Kenntnisstand, dass die Person ihren Dienst nicht angetreten hat und mehr nicht.

Zusatzfrage: Das verstehe ich nicht. Ist das die Aussage, dass nichts von seiner Ausrüstung fehlt oder ist das diese Aussage nicht?

Nannt: Wir sind derzeit in den Ermittlungen.

Frage: Die weitere Frage wäre: Gibt es aus der jüngeren Vergangenheit vergleichbare Fälle? Ich erinnere mich an einen Fall, den wir hier, glaube ich, auch behandelt haben, wo es ein unerlaubtes Entfernen von der Truppe mit Ziel Ukraine gab. Gibt es im Zusammenhang mit Irak, Syrien, dem Kampf der Kurden und ISIS usw. vergleichbare Fälle?

Nannt: Ich möchte mich derzeit nicht an Spekulationen beteiligen. Wir wissen derzeit nichts über den Aufenthaltsort, also wo sich diese Person befindet. Wir wissen, dass die Person ihren Dienst nicht angetreten hat. Alles Weitere werden die weiteren Ermittlungen ergeben.

Zusatzfrage: Allgemeiner gefragt: Gibt es aus jüngerer Zeit in diesem Zusammenhang Fälle unerlaubten Entfernens von der Truppe, also mit dem Ziel, sich bewaffneten Konflikten in anderen Ländern anzuschließen?

NANNT: Noch einmal: Es gab in der Vergangenheit auch schon Verdachtsfälle. Wir müssen, wie gesagt, jeden Fall einzeln sehen. Wir wissen - ich wiederhole es - bei dem Fall nicht, welcher Sachverhalt bei dieser Person - ein persönlicher oder ein sonstiger Grund - vorliegt.

Vorsitzender Wefers: Wenn es keine weiteren Fragen dazu gibt, habe ich Herrn Jung mit seinen Daueraufträgen Selektoren und Atombomben. Womit wollen Sie beginnen?

Frage : Mit der BND-Selektoren-Liste. Herr Seibert, können Sie vielleicht einmal begründen, warum die Bundesregierung durch die Einsetzung eines Sonderermittlers dem Parlament und der parlamentarischen Kontrolle den Geheimdiensten nicht misstraut?

StS Seibert: Die Prämisse ist falsch. Die Bundesregierung hat dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss angeboten, eine in ihrer Bewertung unabhängige sachverständige Vertrauensperson einzusetzen. Sie hat weiterhin angeboten, dass sie Beschlüsse des Ausschusses zum Auftrag und zur Person dem weiteren Verfahren zugrunde legen will. Nach Einsetzung der Vertrauensperson soll diese dann diese sogenannten Selektoren-Listen untersuchen, ohne damit konkrete Inhalte der Listen offenzulegen. Die Ergebnisse der Prüfungen sollen dann im Anschluss dem Untersuchungsausschuss, aber auch dem Parlamentarischen Kontrollgremium und beispielsweise der G-10-Kommission zur Verfügung gestellt werden.

Das ist ein Verfahren, das es dem Untersuchungsausschuss ermöglicht, seine Kontrollfunktion wahrzunehmen, ohne dass es gleichzeitig zu einem völkervertragsrechtlichen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland und damit zu möglichen Gefahren für die Sicherheit unseres Landes und seiner Bürger und zu Gefahren für das Staatswohl kommt.

Zusatzfrage: Sie sprechen gerade völkerrechtliche Verletzungen an. Herr Schäfer, Sie haben selbst gesagt, dass es keine völkerrechtlichen Probleme in Sachen Selektoren-Liste gibt. Das haben Sie dem Kanzleramt auch mitgeteilt, richtig?

Schäfer: Es gab in der Tat eine hier auch angesprochene Kurzanalyse des Auswärtigen Amtes zu möglichen völkerrechtlichen oder völkervertragsrechtlichen Implikationen. Ich kann jetzt nicht erkennen, dass das, was Herr Seibert Ihnen gerade gesagt hat, mit dieser Analyse nicht im Einklang stünde.

Zusatzfrage: Sie haben gesagt, eine Herausgabe der Selektoren-Liste habe keine völkerrechtlichen Konsequenzen. Herr Seibert hat gerade suggeriert, wenn das an das Parlament gegeben werden würde - -

Schäfer: Ich habe etwas anderes gesagt. Ich habe gesagt: Ich glaube als Erkenntnis aus dieser völkerrechtlichen Analyse, dass das Völkerrecht leider keinen Entscheidungsvorschlag für die schwierige Entscheidung vorgibt, einerseits die völkerrechtlichen Vorgaben der Vereinbarungen zwischen Nachrichtendiensten und damit die Sicherheit zu gewährleisten und andererseits das berechtigte Interesse des Parlaments und der Öffentlichkeit an Aufklärung. Das ist das, was ich gesagt habe.

Zusatzfrage: Herr Seibert, können Sie einmal begründen, welche völkerrechtlichen Problematiken die Herausgabe der Selektoren-Listen gehabt haben würde?

StS Seibert: Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Bundesregierung bei ihrer Entscheidung mehrere Faktoren zu berücksichtigen hatte. Das ist zum einen das besondere Interesse des Untersuchungsausschusses oder auch anderer parlamentarischer Gremien, Einsicht zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt diesem parlamentarischen Informationsinteresse auch ein hohes Gewicht zu. Das hat die Bundesregierung ausdrücklich in ihren Entscheidungen berücksichtigt.

Auf der anderen Seite hatte sie eben auch andere Faktoren zu bedenken, wonach eine Weitergabe gegen das geltende Geheimschutzabkommen und damit gegen Völkervertragsrecht verstoßen würde. Das wäre ein Verstoß, der sensibelste Informationen aus dem Bereich der nachrichtendienstlichen technischen Aufklärung betreffen würde, und müsste daher als besonders gravierend angesehen werden. Das hätte wiederum gravierende Folgen für die Sicherheitslage der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bürger.

In dieser Abwägung verschiedener Faktoren ist diese Entscheidung der Bundesregierung zu sehen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, ist denn das Konsultationsverfahren beendet?

StS Seibert: Es war jetzt jedenfalls so reif, dass die Bundesregierung diese Entscheidung getroffen hat. Es ist auch erkennbar, dass in absehbarer Zeit eine vollständige Genehmigung zur Freigabe der Dokumente von den USA nicht zu erwarten sein wird.

Zusatzfrage: "Reif" heißt, es war beendet?

StS Seibert: Es war der Punkt gekommen, an dem die Bundesregierung, wie sie es ja auch zugesagt hatte, dass sie das vor der Sommerpause tun wird, ihre Entscheidung fällt und den parlamentarischen Gremien bekanntgibt.

Zusatzfrage: Es ist also eine einseitige Entscheidung der Bundesregierung?

StS Seibert: Es war immer klar, dass die Bundesregierung nach dem Konsultationsverfahren eine Entscheidung treffen würde. Das haben wir hier auch immer genauso dargestellt. Eine Entscheidung, in die die Haltung des Partners mit einfließt, mit dem wir dieses Geheimschutzabkommen haben, und eine Entscheidung, in die der Respekt vor dem hohen Gut des parlamentarischen Untersuchungsauftrags hineinfließt.

Zusatzfrage: Ich habe es nicht verstanden. War es jetzt vorbei oder war es reif, es zu beenden?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat ihre Entscheidung gefällt und bekanntgegeben.

Frage: Ich hätte zwei Fragen zum gestrigen Treffen von Bundeskanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidenten, und zwar zu dem Themenkomplex Flüchtlinge. Sie hatten gestern bekanntgegeben, dass in Sachen Asylverfahren diese künftig in Clustern bearbeitet werden sollen, um sie zu beschleunigen. Was heißt das genau, und wie muss man sich das vorstellen?

Zweitens. Die Sprach- und Integrationskurse für Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive sollen geöffnet werden. Ab wann gilt das?

StS Seibert: Sie sprechen zwei Details aus dem Gesprächen der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs an. Vielleicht kann das Bundesinnenministerium auf die Details eingehen.

Plate: Das mache ich gerne. - Zunächst zu dieser Cluster-Bildung: In der Tat ist es so, dass die Ressourcen im Bereich der Antragsbearbeitung sowohl im Bund als auch in den Ländern durchaus angesichts der stark gestiegenen und weiter steigenden Flüchtlingszahlen erkennbar unter einen gewissen Druck geraten sind und wir deswegen darüber nachgedacht haben, wie man die Effizienz des Ressourceneinsatzes steigern kann. Um das zu tun und um auch eine bessere Verfahrenseffizienz herzustellen, wollen wir unter Federführung des Bundes und in Zusammenarbeit mit den anderen betroffenen Akteuren eine solche Cluster-Bildung erreichen. Das bedeutet, dass es aus den Erstaufnahmeeinrichtungen heraus innerhalb von drei Monaten nach der Registrierung im EASY-System bei solchen Asylbewerbern, die keine vernünftige Bleibeperspektive haben, zu einer Aufenthaltsbeendigung kommen kann. Das betrifft dann in erster Linie natürlich diejenigen Herkunftsländer, bei denen schon heute extrem geringe Anerkennungszahlen festzustellen sind, vor allen Dingen die Länder im Westbalkan.

Zusatzfrage: Heißt das, dass dieser Personenkreis dann keine Einzelfallprüfung mehr bekommt?

Plate: Nein, das heißt es natürlich nicht. Es gibt immer eine Einzelprüfung, das geht auch gar nicht anders, schon von Verfassungs wegen. Aber wenn man diese Fälle im Rahmen der Clusterbildung prioritär behandelt, dann kann man durchaus sehr viel effizienter ein Auge darauf haben, ob sozusagen eine Abweichung von dem typischen Fall gegeben ist, die sozusagen eine weitere Vertiefung in diesen Einzelfall erforderlich macht. Es wird aber natürlich jeder Einzelfall angeschaut, klar - gar keine Frage.

Zu der zweiten Frage, die Sie gestellt haben, ab wann die Öffnung der Integrationskurse erfolgen soll, muss ich ehrlich gesagt eine Nachlieferung zusagen; da ist mir ein genaues Datum aus den Unterlagen jetzt nicht bekannt. Das liefere ich aber gerne an den Verteiler nach.

Frage: Ein außenpolitisches Thema, das die Vorgänge in Charleston etwas weiter fasst: Nachdem in den vergangenen Wochen Übergriffe weißer Polizisten auf Schwarze bekannt geworden sind, hat jetzt in Charleston ein Weißer neun Schwarze umgebracht. Haben die USA als wichtigster deutscher Partner in Übersee irgendwie ein Rassismusproblem? Auch der amerikanische Präsident Barack Obama hat ja angesprochen, dass man mehr tun müsse, was das Verhältnis der Menschen verschiedener Hautfarben in den USA angeht.

StS Seibert: Es steht mir als Sprecher der Bundesregierung sicherlich nicht zu, solche Urteile über die USA zu fällen. Was in dieser Kirche in Charleston geschehen ist, ist erschütternd. Nach allem, was man bisher weiß, war es eine rassistische Wahnsinnstat, und ich möchte die Bestürzung und auch die Anteilnahme der Bundesregierung ausdrücken. Wir trauern mit den Familien der Opfer, wir trauern mit allen Menschen in den USA, die entsetzt sind, dass dieses alte Übel des Rassenhasses ein weiteres Mal aufgebrochen ist. Solch ein Mord - im Grunde jede solche rassistische Gewalttat - muss uns ja eine Mahnung sein - eine Mahnung, als Menschen zusammenzustehen und uns nicht nach Religion, nach Hautfarbe, nach anderen Kriterien spalten zu lassen.

Frage: Herr Schäfer, ich würde gern noch zu den US-Atombomben in Deutschland kommen. Sie sagten am Mittwoch, dass diese nur modernisiert werden sollen und dass das technische Gründe habe. Nun gibt es einen Bericht des US-Rechnungshofes, der besagt, dass diese Bomben auch ganz neue Fähigkeiten bekommen sollen, zum Beispiel die Präzisionssteuerung dieser einst unlenkbaren Bomben. Wie passt das mit der Zusicherung der Amerikaner zusammen, keine neuen Nuklearfähigkeiten zu schaffen?

Schäfer: Vielleicht kann ich - und das hätte ich vielleicht schon vorgestern tun sollen, als wir über dieses Thema gesprochen haben - Ihrer Frage schon damit einen ersten Antwortbeitrag geben, indem ich Ihnen vortrage, was diese Bundesregierung in der Koalitionsvereinbarung genau zu dem Thema, das Sie angesprochen haben, vereinbart hat. Ich lese das vielleicht einfach einmal vor und zitiere aus dem Koalitionsvertrag. Da heißt es:

"Gemeinsam mit unseren Nato-Partnern haben wir uns auf dem Gipfel von Chicago zum Ziel gesetzt, die Bedingungen für eine Welt ohne Kernwaffen zu schaffen und bis dahin die Rolle von Nuklearwaffen zu reduzieren. Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im strategischen Konzept der Nato eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben."

Dritter Absatz - und das ist dann auch der letzte, dann höre ich auf, Sie zu langweilen -:

"Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass zwischen den USA und Russland Verhandlungen zur verifizierbaren, vollständigen Abrüstung im substrategischen Bereich beginnen,

- das sind die Waffen, von denen Sie gesprochen haben -

und entsprechende Schritte beider Partner engagiert unterstützen. Erfolgreiche Abrüstungsgespräche schaffen die Voraussetzung für einen Abzug der in Deutschland und Europa stationierten taktischen Atomwaffen."

Zu Ihrer konkreten Frage nach der Modernisierung ebendieser substrategischen Atomwaffen möchte ich Ihnen einfach nur Folgendes sagen: Das alles beruht auf einer Entscheidung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Jahr 2010 und nennt sich "Nuclear Posture Review". Auf dieser Grundlage ist ein Programm zur Nutzungsdauerverlängerung - das ist eine Übersetzung des englischen Wortes "Life Extension Program" - beschlossen worden, das den gesamten nuklearen Komplex der Vereinigten Staaten von Amerika umfasst. Teil dieses Gesamtprogramms ist dann auch eine Verlängerung der Nutzungsdauer von Nuklearwaffen - ich glaube, auch das sind die, die Sie meinen, Herr Jung -, die zwischen 1978 und 1990 eingeführt worden sind. Das alles erfolgt auf der Grundlage einer Weisung des amerikanischen Präsidenten Obama, der die Vorgabe gemacht hat, keine neuen Waffen und auch keine neuen militärischen Fähigkeiten in diesem Bereich zu schaffen, aber sicherzustellen, dass das bestehende nukleare Dispositiv glaubwürdig ist, und es in höchstem Maße sicherzuhalten, solange es seiner noch bedarf.

Das war jetzt - nur in anderen Worten - im Grunde genau das, was ich Ihnen auf Ihre entsprechende Frage bereits vorgestern geantwortet habe.

Zusatz: Das ist, glaube ich, gar nicht so richtig; denn der Bericht des US-Rechnungshofes sagt auch, dass sich das Pentagon mit den Nato-Verbündeten, und damit mit Deutschland, gemeinsam auf die zentralen neuen militärischen Merkmale dieser Bomben geeinigt haben. Das heißt, Deutschland hat da mitgewirkt.

Schäfer: Auch das wäre auf der Grundlage der Umsetzung des Koalitionsvertrages; denn da heißt es - ich wiederhole das gerne noch einmal -:

"Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im strategischen Konzept der Nato eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben."

Ich kann Ihnen aber an dieser Stelle von nichts anderem berichten als dem, was ich Ihnen gesagt habe, nämlich dass es sich um ein Programm der Nutzungsdauerverlängerung handelt, ohne dass damit neue technologische, strategische oder sonstige Fähigkeiten verbunden wären.

Zusatzfrage: Herr Seibert, könnten Sie vielleicht einmal die Haltung der Kanzlerin zu den verbliebenen Atombomben in Deutschland erläutern?

StS Seibert: Herr Schäfer hat die Haltung des Auswärtigen Amtes und der Bundesregierung - der gesamten Bundesregierung - dargelegt und im Übrigen ja auch den Koalitionsvertrag zitiert.

Frage: Wenn ich einen Bericht des Fernsehmagazins "Monitor" richtig verstanden habe, wird da ja gesagt, Deutschland sei - in welcher Form auch immer - auch in technische Diskussionen bei dieser Modernisierung eingebunden gewesen. Das ist jetzt ein bisschen mehr als Sie gesagt haben, oder verstehe ich das falsch?

Schäfer: Jetzt machen Sie mir einen Vorhalt von einer Sendung, die Sie womöglich selber auch nicht gesehen haben oder an die Sie sich jedenfalls nicht gut erinnern. Ich glaube, es macht Sinn, dass wir uns bei solchen schwierigen technischen Fragen gegenseitig präzise Fragen stellen und darauf präzise Antworten bekommen. "Irgendwas bei Monitor" oder so finde ich bei diesem Thema jetzt ein ganz kleines bisschen unvorsichtig.

Zusatzfrage : Gut, okay. Ich bitte um Entschuldigung für mein unpräzises Fragen. - Herr Schäfer, war Deutschland in irgendeiner Form in technische Diskussionen über eine Modernisierung der taktischen US-Atomwaffen eingebunden?

Schäfer: Ich bin nicht in der Lage, diese Frage, die Sie jetzt ganz präzise stellen, ebenso präzise zu beantworten, weil mir diese Information nicht vorliegt. Ich bin aber sicherlich gerne bereit zu versuchen, mir diese Information zu beschaffen.

Zusatzfrage: Ist vielleicht ein anderes Ressort der Bundesregierung dazu in der Lage?

Vorsitzender Wefers: Ich sehe keine freiwilligen Meldungen.

Frage: Herr Seibert, unabhängig vom Koalitionsvertrag: Was möchte die Kanzlerin, bis wann sollen diese verbliebenen US-Atombomben aus Deutschland verschwinden?

StS Seibert: Es ist dazu durch den Sprecher des Auswärtigen Amtes für die Bundesregierung - inklusive der Bundeskanzlerin - alles gesagt.

Zusatzfrage: Diese Frage habe ich aber nicht beantwortet bekommen. Herr Schäfer, können Sie vielleicht einmal den Fahrplan erläutern - wann werden diese Bomben verschwinden?

Schäfer: Sie sollen so schnell verschwinden, wie das nach den Vorgaben des Koalitionsvertrages und den Parametern, die der Koalitionsvertrag vorgibt, eben gehen kann - also so schnell als möglich. Ich lese das gerne noch einmal vor, wenn Sie möchten, -

Vorsitzender Wefers: Ich möchte das nicht so gerne.

Schäfer: - aber vielleicht verweisen wir da einfach auf das Protokoll und Sie lesen es dort nach.

Zusatzfrage: Gibt es da einen Zeitraum?

Schäfer: Nein, da gibt es keinen Zeitraum, weil sich das leider nicht auf einen Tag, eine Stunde, eine Minute festlegen lässt, sondern es sich um politische Prozesse handelt, deren Ergebnis sich leider nicht auf einen Tag, noch nicht einmal auf einen Monat, ich fürchte, noch nicht einmal auf ein Jahr festlegen lässt. Aber es bleibt beim Ziel der Bundesregierung - das wir im Übrigen mit den Vereinigten Staaten von Amerika und auch mit allen anderen Mitgliedstaaten des Nichtverbreitungsvertrages teilen -, das da lautet: "Global Zero", also eine Welt ohne Atomwaffen. Wir sind nur leider in einer pragmatischen, realen Lage, in der wir dieses Ziel nicht heute, und ich fürchte, auch nicht morgen erreichen werden. Das ändert aber nichts an der Entschlossenheit der Bundesregierung, auf dieses Ziel gemeinsam mit seinen Partnern sehr tatkräftig und sehr engagiert hinzuwirken.

Zusatzfrage: "Eine Welt ohne Atomwaffen" ist ein bisschen Utopie - warum ist auch "Deutschland ohne Atomwaffen" immer noch eine Utopie? Warum kann Deutschland nicht sagen: Raus mit diesen Bomben?

Schäfer: Deutschland ist Mitglied des Nichtverbreitungsvertrages, und zwar als ein Staat, der selber über keine Atomwaffen verfügt. Alles andere sind bündnispolitische Fragen, auf die ich Ihnen gerne noch einmal die Haltung der Bundesregierung aus dem Koalitionsvertrag referieren kann - aber auch das möchte Frau Wefers, glaube ich, nicht. Ansonsten gilt, dass wir, solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung für uns und unsere Bündnispartner in der Nato eine Rolle spielen, einen engagierten Dialog dazu führen - mit dem Ziel, irgendwann auf sie verzichten zu können.

Frage: Ich bitte um Entschuldigung, dass ich das Fahnenflucht-Thema noch einmal kurz aufgreife. Herr Nannt, wenn Sie sagen, es habe bereits in der Vergangenheit Verdachtsfälle gegeben: Ist es möglich, diese Verdachtsfälle aufzulisten, uns diese Auflistung zur Verfügung zu stellen und möglicherweise auch zu sagen, welcher Verdacht sich bestätigt oder nicht bestätigt hat?

Nannt: Das müsste ich prüfen und müsste ich Ihnen nachliefern.

Frage: Herr Seibert, es gibt Berichte, dass der Cyberangriff auf das Netz des Bundestags schon vor sechs Monaten begonnen hatte und dass die Trojaner Stück für Stück eingeschleust worden sind. Sieht die Bundesregierung jetzt einen Anlass, ihr eigenes Netz auch daraufhin zu überprüfen, ob möglicherweise eine ähnlich geartete Attacke auf das Netz der Bundesregierung erfolgt ist?

StS Seibert: Das Netz des Bundestages liegt in der Zuständigkeit der Bundestagsverwaltung, deswegen sind alle Fragen dorthin zu richten. Ich habe hier schon beim letzten oder vorletzten Mal gesagt, dass natürlich das, was jetzt an Angriffen auf das Netz des Bundestages stattgefunden hat, eine Erinnerung an uns alle ist, wie wichtig das Thema Cybersicherheit ist. Die Bundesregierung ergreift dazu ohnehin alle notwendigen Maßnahmen.

Zusatzfrage: Können Sie denn ausschließen, dass eine ähnliche Attacke auf das Netz der Bundesregierung stattgefunden hat, indem eben ein Trojaner nicht in einem Stück, sondern nach und nach eingeschleust worden ist?

StS Seibert: Ich kann Ihnen hier über einzelne Attacken auf das Netz der Bundesregierung keine Auskunft geben - aber das zuständige Innenministerium kann das offenkundig.

Plate: Ich möchte gar nicht viel dazu sagen. Erst einmal vielleicht einen generellen Satz: Selbstverständlich überprüft die Bundesregierung permanent, ob ihr Netz Gegenstand oder Ziel von Angriffen, und wenn ja, welcher Angriffe genau wird. Ich habe hier, glaube ich, schon öfter gesagt und sage es gerne noch einmal: Das Netz der Bundesregierung ist täglich Ziel von Angriffen. Viele dieser Angriffe sind nach der Einschätzung unserer Experten sehr einfache Angriffe, und einige sind Angriffe, die ein bisschen komplexer und ein bisschen hochwertiger, wie das in dieser Szene genannt wird, sind. Ob das jetzt vergleichbar ist oder nicht, will ich Ihrer Bewertung überlassen, aber bei hochwertigen Angriffen ist es geradezu typisch, dass diese stufenweise erfolgen. Ob Sie das nun allein schon ausreichen lassen wollen, um von einer Vergleichbarkeit zu sprechen oder nicht, überlasse ich Ihnen; aber es ist grundsätzlich nichts Ungewöhnliches, dass ein solcher Angriff sozusagen in verschiedenen Aufbaustufen - wenn Sie das etwas umgangssprachlich so bezeichnen wollen - verläuft.

Frage: Herr Plate, zur Aufklärung und zur Abwehr dieses Cyberangriffs: Ist der Innenminister enttäuscht, dass der Bundestag in dieser Frage nichts mit dem Bundesverfassungsschutz zu tun haben möchte?

Plate: Enttäuschung ist keine Kategorie, in der der Bundesinnenminister in Bezug auf diesen Angriff denkt. Richtig ist, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz bekanntermaßen den gesetzlichen Auftrag hat, Spionageabwehr durchzuführen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist natürlich leichter in der Lage, herauszufinden, ob es sich hier überhaupt um einen Fall der Spionageabwehr handelt, und diesem gegebenenfalls näher nachzugehen, wenn es ein hohes Maß an Mitwirkung gibt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz tut das, was es im Rahmen der Mitwirkung tun kann, die gegenwärtig erfolgt.

Zusatzfrage: Ist das nicht ein bisschen ein Misstrauensvotum gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz? Wenn die Repräsentanten der Bevölkerung diesem Verfassungsschutz nicht trauen, warum sollte es dann die Bevölkerung tun?

Plate: Wir sehen das ehrlich gesagt ohne jede Emotionalität. Ob der Bundestag das aus Misstrauen oder aus anderen Gründen tut, das müssen Sie den Bundestag oder die Fraktionen innerhalb des Deutschen Bundestages, die da möglicherweise Vorbehalte haben, fragen. Ich kann ansonsten nur das wiederholen, was ich schon gesagt habe: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat den Auftrag, Spionageabwehr zu machen. Das ist ein gesetzlicher Auftrag, also ein Auftrag, den gerade auch der Deutsche Bundestag dem Bundesamt für Verfassungsschutz erteilt hat. Das ist der Status quo, auf dem wir uns befinden. Der Bundestag hat sich relativ abschließend dazu geäußert, was das Bundesamt für Verfassungsschutz machen soll und was es nicht machen soll.

Freitag, 19. Juni 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 19. Juni 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/06/2015-06-19-regpk.html;jsessionid=F4F268936B37CE87CEEE12A3F382FEBA.s2t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2015

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