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PRESSEKONFERENZ/1053: Kanzlerin Merkel und der spanische Ministerpräsidenten Rajoy, 01.09.2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt - Dienstag, 1. September 2015
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem spanischen Ministerpräsidenten Rajoy

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass ich heute meinen spanischen Kollegen Mariano Rajoy begrüßen kann - jetzt hier im Kanzleramt, aber ich konnte ihn gestern schon in Meseberg begrüßen. Wir haben versucht, uns von einer guten brandenburgischen Seite zu zeigen. Nachdem ich im letzten Jahr die wunderbare Erfahrung machen konnte, in Santiago de Compostela in seiner Heimat willkommen geheißen zu werden, und dort eine wunderschöne Wanderung gemacht habe, habe ich jetzt versucht, die märkischen Schönheiten dagegenzusetzen. Aber natürlich ist mir der Aufenthalt in Santiago de Compostela immer noch in wunderbarer Erinnerung.

Wir haben die Zeit genutzt - nicht nur, um uns über unsere jeweilige Heimat auszutauschen, sondern natürlich auch, um politische Gespräche zu führen. Der Ministerpräsident hat mir über die Situation in Spanien, insbesondere die wirtschaftliche Situation, berichtet. Es gibt nun nach einer sehr schwierigen Zeit und nach vielen Reformen, die durchgeführt wurden, doch die Situation, dass Spanien in diesem Jahr wahrscheinlich sehr gute Wachstumsraten haben wird - doppelt so hoch wie in Deutschland. Das zeigt, dass Reformen sich lohnen, dass Reformen sich auszahlen. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist sicherlich nach wie vor noch ernst, aber es entstehen auch viele neue Arbeitsplätze. Damit trägt Spanien dazu bei, dass Europa insgesamt auch Schritt für Schritt aus der Krise herauskommt.

Wir haben uns auch noch einmal über die Situation in Griechenland unterhalten. Wir haben hier eine sehr ähnliche Position vertreten, und zwar sowohl mit Blick auf die Frage "Sind Reformen notwendig?" als auch mit Blick auf die Frage "Ist Solidarität notwendig?". Spanien und Deutschland sind hier auf einem gemeinsamen Weg.

Spanien ist ein Land, mit dem wir in vielfältiger Weise zusammenarbeiten. Es gibt eine ganze Reihe von Wirtschaftsverbindungen. Wir werden gleich im Anschluss ein Wirtschaftsforum besuchen, das deutsch-spanische Wirtschaftsforum. Wir haben auch etliche Aktivitäten zusammen mit den Gewerkschaften und zusammen mit den Arbeitgebern gehabt, was die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit anbelangt und was die Berufsausbildung in Spanien anbelangt. Wir haben immer auch gemeinsam die europäischen Initiativen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und auch zu mehr Investitionen in Europa unterstützt, sodass es hier eine sehr intensive Zusammenarbeit gibt.

Wir haben uns natürlich auch über die Situation in Deutschland sowie über die internationale Lage ausgetauscht. Wir sind hier der Meinung, dass gerade mit Blick auf Syrien alles getan werden muss, um diplomatische Bemühungen zu verstärken, den Bürgerkrieg zu beenden. Wir sind uns über das Vorgehen in Libyen einig, also darüber, dass dort möglichst schnell eine Staatlichkeit entstehen muss. Spanien ist zurzeit Mitglied im Sicherheitsrat und hat auch den Vorsitz im Sicherheitsrat und versucht hier mit seinen Möglichkeiten natürlich auch Verantwortung zu übernehmen. Wir haben uns auch über die Situation in der Türkei ausgetauscht.

Natürlich haben wir auch über die Politik gegenüber Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen gesprochen. Wir sind uns einig, dass die einheitliche europäische Asylpolitik durchgesetzt werden muss und dass hier die Mitgliedsstaaten, aber auch die Europäische Kommission eine Verantwortung haben. Wir sind uns auch einig, dass durch die Kommission sichere Herkunftsländer definiert werden sollten, dass Registrierungszentren auch mit gemeinsamer europäischer Anstrengung in Italien und in Griechenland eingerichtet werden sollten und dass diejenigen, die kein Bleiberecht haben, auch wieder in ihre Heimatstaaten zurückgeführt werden. Wir sind uns auch einig, dass es für die, die einen Verfolgungsgrund haben, die Kriegsflüchtlinge sind, dann auch eine faire, an der Wirtschaftskraft, an der Leistungsfähigkeit und der Größe jedes Landes ausgerichtete Verteilung in Europa geben sollte. Jeder, der weiß, dass gerade auch Spanien schon viele Aufgaben im Zusammenhang mit Menschen, die aus Afrika gekommen sind, gelöst hat, weiß auch, dass es sehr gut ist, dass wir hier eine gemeinsame Position entwickeln konnten. Dafür bin ich auch sehr dankbar.

Insgesamt waren dies also sehr zielführende, sehr wichtige Gespräche - immer im Geiste der Freundschaft, der Kooperation, der festen Überzeugung, dass Europa unsere gemeinsame Heimat ist und dass jeder seine nationalen Interessen hat, aber dass Europa auch Probleme, die uns alle angehen, europäisch und gemeinsam lösen muss. So werden wir uns auch in die kommenden Diskussionen einbringen.

Noch einmal herzlich willkommen!

MP Rajoy: Meine Damen und Herren, guten Tag! Ich möchte beginnen, indem ich mich ganz formell bei der Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Einladung bedanke - ich habe dies auch gestern bereits getan. Ich muss zugeben, dass wir einen sehr angenehmen Aufenthalt gehabt haben. Wir waren im Schloss Meseberg und sind durch einen wunderbaren Buchenwald gewandert - bei einer Temperatur, die eigentlich eher zu Spanien gehört als zu Deutschland, aber es war wirklich sehr, sehr schön. Wie die Bundeskanzlerin gerade erwähnt hat, haben wir uns natürlich auch an das Treffen erinnert, das wir in meiner Heimatstadt, in Santiago de Compostela, vor einem Jahr gehabt haben. Vielen Dank, Angela! Für mich war alles wirklich sehr, sehr schön und angenehm.

Ich möchte nicht das wiederholen, was die Bundeskanzlerin bereits gesagt hat. Wir haben uns ausgetauscht über sehr viele Themen: über die wirtschaftliche Situation in Spanien, über Themen des Asylrechts und der Zukunft Europas, über Griechenland, über Syrien und über die Ukraine. Ich möchte mich hier insbesondere auf zwei Bemerkungen beschränken.

Was die wirtschaftlichen Themen betrifft, habe ich darauf hingewiesen, dass sich in Spanien seit 2012 wesentliche Änderungen ergeben haben. Ich bin ja im Dezember 2011 an die Macht gelangt. Damals hatten wir noch die Drohung, dass wir gerettet werden mussten, und damals wurden sehr viele Arbeitsplätze zerstört. Die Situation ist jetzt eine ganz andere: Spanien wächst - die Wachstumsrate beträgt in diesem Jahr 3,3 Prozent - und es werden viele Arbeitsplätze geschaffen. Die große Herausforderung, die wir natürlich noch vor uns haben, ist, weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Die spanische Regierung hat sich das Ziel gesetzt, dass wir in der nächsten Legislaturperiode 20 Millionen Personen in Arbeit haben. Dafür brauchen wir 500.000 neue Arbeitsplätze pro Jahr - etwas, was sich durchaus schaffen lässt, wenn sich die Politik nicht ändert; denn zwischen 2014 und 2015 werden in unserem Land eine Million Arbeitsplätze geschaffen werden. Es gibt sehr positive Wirtschaftsdaten in Spanien: Inflation minus 0,4 Prozent, das ist gut für die Wettbewerbsfähigkeit der spanischen Volkswirtschaft und gewährleistet natürlich auch die Kaufkraft der Spanier. Es hat auch sehr positive Daten gegeben, was den Fremdenverkehr und den Einzelhandel betrifft.

Ich möchte aber zwei Dinge hervorheben: Das eine ist, dass die Kredite gestiegen sind. Das war eine sehr, sehr wichtige Herausforderung für uns in letzter Zeit. Im Juli hat es dazu Daten gegeben: Die Aufnahme von neuen Krediten ist in Spanien im Vergleich zum Juli des Vorjahres um 40 Prozent gestiegen. Das ist eine sehr positive Entwicklung, die sehr gut für die Spanier, für die Leute ganz allgemein, und für die spanische Wirtschaft ist. Es gibt eine weitere wichtige Zahl, die von Eurostat herausgegeben wurde, nämlich den Indikator der wirtschaftlichen Situation in Spanien: Dieser Indikator ist momentan der beste seit den letzten 14 Jahren. Wir haben also eine wirklich gute Situation. Wir wissen allerdings - ganz klar - , dass die große Herausforderung eben noch darin besteht, Arbeitsplätze zu schaffen, damit die Leute arbeiten können, damit die Steuereinnahmen sprudeln und damit wir die öffentlichen Dienstleistungen verbessern können.

Eine zweite Bemerkung, zum Thema Griechenland: Wir haben das Abkommen, das im Juli zustande gekommen ist, positiv bewertet. Wichtig ist, dass Griechenland jetzt Reformen umsetzt. Das Ziel muss darin bestehen, Wirtschaftswachstum anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist eine solide Grundlage, damit das Land selbst gut funktionieren kann, und wenn die Abkommen eingehalten werden, dann hat Griechenland eine Zukunft. Wir werden immer solidarisch sein, und wenn die Dinge gut gemacht werden, wenn man Vernunft an den Tag legt, wenn man die Abkommen einhält, dann können die Dinge in Griechenland durchaus in einer vernünftigen Zeit gut laufen.

An dritter Stelle möchte ich mich noch auf andere Themen beziehen, nämlich die Themen Asylrecht und Migration. Das sind Angelegenheiten - die spanischen Journalisten wissen es sehr gut -, mit denen wir uns gut auskennen. Ich möchte dazu auch eine Zahl nennen: In Spanien ist es so, dass 10,6 Prozent der Personen, die in Arbeit sind, Ausländer sind; das ergeben die Daten der letzten Umfrage zum Thema Erwerbsbevölkerung - ohne die Personen einzurechnen, die doppelte Staatsbürgerschaft haben, und davon gibt es viele in unserem Land. Das sind also Menschen, die in unserem Land leben, die dort ihren Lebensunterhalt verdienen und die gut integriert sind, die unser Land also sozusagen verteidigen, als wenn es das eigene Land wäre.

Wir haben an unseren Grenzen viele Tragödien erlebt - ähnliche Tragödien wie die, die sich jetzt anderswo, an anderen Grenzen der Europäischen Union abspielen. Was wir hier erleben, ist die größte Herausforderung für Europa in den nächsten Jahren; ich habe wirklich keinerlei Zweifel daran, dass dem so ist. Wir können also nicht in aller Ruhe zuschauen, wenn wir erleben, was dort läuft, und Europa kann nicht auf das verzichten, was es ist: ein Europa der Rechtsstaatlichkeit. Das muss alles gemeinsam geordnet werden, und dabei müssen wir in zwei Richtungen gehen. Ich möchte hier zwischen Asyl und Migration aus wirtschaftlichen Gründen unterscheiden.

Im Zusammenhang mit den Asylbewerbungen gibt es einen Vorschlag, den die Bundeskanzlerin eingebracht hat und dessen Vorläufer die Entscheidungen des Rates der Justizminister sind: Wir müssen versuchen, die Menschen, die sich in Europa um Asyl bewerben, irgendwie zu verteilen. Wir müssen dabei sehen, wie die Situation in Europa ist, wie hoch das Bruttoinlandsprodukt und die Arbeitslosenquote der jeweiligen Länder sind und wie viele Menschen von diesen Ländern bereits aufgenommen worden sind. Ich werde diese Stellungnahme verteidigen; das haben wir auch beim letzten Rat für Inneres getan.

Es gibt zwei Dinge, die wir allerdings auch ganz klar sagen müssen: Die Europäische Kommission muss identifizieren, welches die sicheren Herkunftsländer sind. Nur diejenigen, die nicht aus sicheren Herkunftsländern kommen, können hier überhaupt für Asyl in Betracht gezogen werden. Wir müssen hier in Zukunft zu einer gewissen Harmonisierung kommen.

Dann gibt es aber noch die Migranten aus wirtschaftlichen Gründen, und das ist auch ein sehr wichtiges Thema. Spanien verfügt da über eine langjährige Erfahrung, das wissen Sie sicherlich bereits. Ein Teil dieser Erfahrung kann sicherlich auch auf Europa übertragen werden. Für uns wäre da Folgendes wichtig: An erster Stelle geht es um die Zusammenarbeit und die Kooperation mit den Herkunftsländern. Ich glaube, man sollte die Herkunftsländer unterstützen, damit sie sich wirtschaftlich besser aufstellen können. An zweiter Stelle ist es sehr wichtig, diese Kooperation und diese Zusammenarbeit zu bündeln mit Rücknahmeabkommen - das ist das europäische Programm zur Rückübernahme.

Des Weiteren müssen wir gemeinsam mit den Herkunftsländern gegen die Schleusermafias ankämpfen; denn deren Handeln führt zu den schrecklichen Tragödien, die wir gerade in der letzten Zeit miterlebt haben. Das ist ein Thema, über das wir in der Europäischen Union schon seit langer Zeit gesprochen haben; denn Spanien und andere Länder haben dabei alleine dagestanden. Die Situation in den Herkunftsländern hat sich zum Teil verbessert, und ich glaube, dass die Europäische Kommission wirklich einen Schritt nach vorne wagen muss. Man muss dort dezidiert handelt und mutig sein, und ich hoffe, dass wir das schaffen.

Ansonsten möchte ich keine weiteren Details bringen. Wir haben über Syrien und über Libyen gesprochen - es ist sehr wichtig, die Situationen in diesen beiden Ländern zu lösen. Wir haben außerdem über die Türkei gesprochen und wir haben auch über andere, vielleicht doch eher zweitrangige Themen gesprochen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, haben Sie mit Herrn Rajoy über die Situation in Spanien gesprochen, die sich durch die katalanische Herausforderung und das dortige Streben nach Unabhängigkeit ergibt? Glauben Sie, dass es eine einseitige Unabhängigkeitserklärung Kataloniens geben kann, durch die es dann außerhalb der Europäischen Union steht?

Herr Rajoy, ist die spanische Regierung gewillt, die Anzahl der aufzunehmenden Flüchtlinge zu steigern, oder ist die Zahl, die der Innenminister genannt hat, das absolute Limit? Welche Rolle haben dabei die Kommunen und die autonomen Gemeinschaften?

Eine Frage an Sie beide: Haben Sie auch über die Wahlsituation in Spanien gesprochen? Frau Bundeskanzlerin, haben Sie vor, Herrn Rajoy in seiner Wahlkampagne vielleicht so zu unterstützen, wie Sie das bei Herrn Sarkozy getan haben?

BK'in Merkel: Wir haben über die aktuelle Politik gesprochen, so wie das zwei Regierungschefs miteinander tun. In diesem Zusammenhang haben wir natürlich auch über die Situation in Spanien gesprochen - auch über das, was in Katalonien passiert. Wir haben hierzu eine ganz gemeinsame Haltung: Es gibt die EU-Verträge, denen wir alle verpflichtet sind. In diesen Verträgen der Europäischen Union ist die staatliche Integrität und Souveränität jedes Landes garantiert. Deshalb ist es ganz wichtig, dass die Rechtsstaatlichkeit sowohl mit Blick auf internationales als auch mit Blick auf nationales Recht eingehalten wird, und hier gibt es keinerlei Unterschiede.

MP Rajoy: Es gibt da eine ganz konkrete Frage: Werden wir die Zahl von Menschen, die wir in Spanien aufnehmen werden, steigern? Nun, wir haben beim letzten Rat der Innen- und Justizminister davon gesprochen, 2739 Personen aufzunehmen. Es ist allerdings wichtig, dass man weiß: Das wird nicht geschehen, bis Griechenland und Italien - so hat es der Rat besprochen - die Registrierungszentren aufgebaut haben, sodass man unterscheiden kann zwischen denjenigen, die Asylbewerber sind, und denjenigen, die aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen. Deswegen müssen Griechenland und Italien wirklich Maßnahmen umsetzen.

Am 14. September wird es dann ein Treffen des Rates der Innen- und Justizminister geben, und die Position Spaniens wird absolut konstruktiv sein. Europa braucht Abkommen, braucht Solidarität, wir müssen alle zusammenarbeiten - insbesondere natürlich zugunsten des Interesses des eigenen Landes, aber auch der Gemeinsamkeit. Wir müssen somit darüber sprechen, welches die Kriterien sein werden, die wir ansetzen, um hier eine Verteilung vorzunehmen. Da muss man erst einmal sehen, inwieweit man dabei die Arbeitslosenquote, den Ausländeranteil der Bevölkerung eines Landes usw. bewertet. Jedenfalls hat Spanien sich dazu verpflichtet, 2739 Menschen zu übernehmen.

Ich möchte auch noch einmal sagen, dass sich die Zahl der Asylbewerber in Spanien verdreifacht hat, obwohl die Migranten, die zu uns kommen, hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen kommen. Ich betone es aber noch einmal: Diese Herausforderung ist die größte Herausforderung für Europa. Wir müssen eine europäische Politik im Bereich Asylrecht und Migration hinbekommen. Wir alle müssen versuchen, die Situation zu lösen, aber wir müssen dazu Vereinbarungen treffen. Wir können diese menschliche Tragödie natürlich nicht so hinnehmen und müssen eine Antwort auf diese große Herausforderung finden.

Zu den Aussichten der nächsten Wahlen: Wir haben natürlich über sehr viele Dinge gesprochen. Ich habe der Bundeskanzlerin gesagt, dass wir in Spanien schwierige Zeiten hinter uns haben. Es gibt sehr viele Leute, die uns seinerzeit unterstützt haben, dies aber bei den letzten Wahlen, die jetzt stattgefunden haben, nicht getan haben. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die Volkspartei, die Partido Popular, die nächsten Wahlen gewinnen wird. Ich glaube ganz ehrlich, dass das positiv für alle Spanier wäre; denn es ist bewiesen worden: Es ist zum Teil hart und schwierig, bestimmte Politiken umzusetzen, aber wenn diese Politiken in die richtige Richtung gehen, dann bringen sie auch Ergebnisse. Wir haben viele Fortschritte gemacht. Es sind noch viele Dinge zu tun. Ich glaube, dass eine Änderung in der Wirtschaftspolitik nicht gut wäre. Das, was wir jetzt haben, läuft bereits gut. Es gibt erste Ergebnisse, und wir brauchen weitere Ergebnisse und weitere positive Früchte.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, angesichts der Situation der Flüchtlinge, die mit Zügen aus Ungarn gekommen sind: Sehen Sie eigentlich eine Mitverantwortung Deutschlands an dieser Situation? Es gibt heute sowohl aus Ungarn als auch aus Österreich die Aufforderung an die Bundesregierung, sie möge doch endlich die rechtliche Lage klären und klarstellen, dass Dublin immer noch gilt. Sehen Sie dort also eine Mitverantwortung Deutschlands?

Herr Ministerpräsident, eine kurze Nachfrage zu Ihrer Antwort eben: Sie haben die Zahl 2739 erwähnt, aber die EU-Kommission möchte, dass Spanien erheblich mehr Flüchtlinge aufnimmt. Wären Sie bereit, auch auf die Kommissionszahlen einzugehen?

BK'in Merkel: Was die Frage der ankommenden syrischen Flüchtlinge anbelangt, so sehe ich, ehrlich gesagt, keine Mitverantwortung Deutschlands. Es ist darauf hingewiesen worden, dass diejenigen, die in Deutschland ankommen, mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch Asyl oder den Status als Bürgerkriegsflüchtling bekommen. Das dürfte angesichts der Situation in Syrien keine Überraschung sein und müsste eigentlich in jedem europäischen Land ähnlich sein.

Für uns gilt natürlich die derzeitige Rechtslage; wir stellen nur durch das praktische Erleben jeden Tag fest, dass die geltende Rechtslage ganz offensichtlich nicht praktiziert wird. Deshalb, glaube ich, sollten wir jetzt daran arbeiten, eine gemeinsame Asylpolitik hinzubekommen - genauso, wie wir das auch mit Spanien besprochen haben - und uns jetzt nicht gegenseitig bezichtigen. Wir müssen vielmehr etwas ändern. Dazu gehört, dass die Hot Spots, also die Registrierungszentren, die bereits beschlossen sind, schnell errichtet werden - das muss von der EU gemeinsam betrieben werden -, dazu gehören die sicheren Herkunftsländer, dazu gehört die Möglichkeit der Rückführung, um klarzumachen, dass wirtschaftliche Gründe nicht zählen können, aber dazu gehört dann eben auch eine faire Verteilung innerhalb der Europäischen Union. Die Kriterien müssen besprochen werden; das sollte jetzt ja am Beispiel der 40.000 Flüchtlinge einmal diskutiert werden. Da gibt es natürlich noch Gesprächsbedarf, aber ich finde es erst einmal sehr bemerkenswert, dass sich Spanien im Grundsatz zu dieser fairen Verteilung bekennt. Das ist genau der Geist, in dem wir jetzt auch mit allen anderen sprechen müssen.

MP Rajoy: Ich möchte Ihre Frage beantworten, und zwar mit vier Aussagen.

In der Tat hat die Europäische Kommission einen Vorschlag unterbreitet. Wir haben verhandelt, und letzten Endes haben wir genau diese Entscheidung getroffen - 2739. Wir sind gewillt, das Thema erneut aufzugreifen. Das ist natürlich eine Entscheidung, die sich ändern lässt. Es gibt aber drei Dinge, die für uns sehr wichtig sind, und auch die Europäische Kommission ist da aufgefordert.

Das Erste ist, dass Griechenland und Italien diese Registrierungszentren aufziehen müssen. Solange das nicht geschieht, dienen uns die Abkommen, die wir getroffen haben, nicht, weil wir sie nicht umsetzen können. Es ist wichtig, Entscheidungen zu treffen und diese Entscheidungen dann hinterher umzusetzen. An zweiter Stelle ist es sehr wichtig, bereits jetzt an einer europäischen Politik für Asyl zu arbeiten. Ein drittes sehr wichtiges Thema besteht darin, eine globale Migrationspolitik anzureißen.

Das, worüber wir jetzt reden, also eine faire Verteilung, ist gut; aber das ist eigentlich nicht die globale Politik, die wir im Bereich Asylrecht und Migration brauchen. Das ist sicherlich sehr wichtig und ein Schritt in die richtige Richtung. Wir müssen aber in der Lage sein, eine wirkliche europäische Politik für Asyl und Migration zu schaffen. Ansonsten werden wir das Problem nicht lösen können, und dann werden wir vor so traurigen und dramatischen Situationen stehen, wie wir sie in den letzten Tagen gesehen haben.

Frage: Zunächst eine Frage an die Bundeskanzlerin: Sie sagten, Sie haben über die wirtschaftliche Lage in Spanien, über das Wirtschaftswachstum und auch über die politische Lage gesprochen. Die Regierung sagt zurzeit, dass das größte Risiko für das spanische Wirtschaftswachstum die politische Unsicherheit sei, auch was die katalanischen Wahlen betrifft und was die Tatsache betrifft, dass es eine politische Partei gibt, die für die Unabhängigkeit eintritt. Die Prognosen für die nächsten Wahlen sprechen auch von einer Aufsplitterung von Parteien. Haben Sie darüber gesprochen? Denn das könnte ja auch für ganz Europa besorgniserregend sein, weil Spanien in Europa ein starkes Gewicht hat.

Eine Frage an den spanischen Ministerpräsidenten: Sie haben ja von Katalonien und den nächsten Wahlen gesprochen. In den letzten Tagen ist in diesem Zusammenhang ja über einen Skandal berichtet worden, nämlich über die Provision von 3 Prozent, die an die politische Partei in Katalonien gegangen ist. Kann das eine Auswirkung auf die Wahlprognosen haben? Sie haben ja gesagt, dass sich diese Korruptionsskandale durchaus auf die autonomen und die Kommunalwahlen ausgewirkt hätten.

Drittens. Es scheint ja eine gewisse Flexibilität zu geben, was das Limit bei der Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge betrifft. Ich möchte Sie aber fragen: Wäre Spanien gewillt, im Rahmen einer gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik einer obligatorischen Quotenregelung zuzustimmen? Das ist bislang ja nicht gesagt worden.

BK'in Merkel: Eigentlich gibt es pro Journalist eine Frage. Jetzt haben wir schon drei. Wir müssen gleich noch zu einem Wirtschaftsforum. Ich bitte, das zu berücksichtigen.

Was die Frage der Stabilität Spaniens anbelangt, haben wir natürlich ein großes Interesse daran, dass der wirtschaftlich erfolgreiche Kurs, der in den letzten Jahren eingeschlagen wurde, auch fortgesetzt werden kann. Ansonsten mischen wir uns in interne Wahlkämpfe natürlich nicht ein. Aber ich vertraue dem Ministerpräsidenten sehr, dass er die Politik, die er in den vergangenen Jahren gemacht hat, auch konsequent weiterführen möchte. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass wir sozusagen in einer gemeinsamen europäischen Parteienfamilie arbeiten, wenn ich das als Parteivorsitzende einmal kurz sagen darf. Das heißt, ich wünsche dem Ministerpräsidenten allen Erfolg und glaube auch, dass sich der Weg Spaniens sozusagen spürbar nach oben bewegt. Das wird vielleicht für viele Menschen etwas sein, das sie dann auch in der Zeit der Wahlen für sich bedenken.

MP Rajoy: Zu spekulieren, wohin eine gewisse Entscheidung der Staatsanwaltschaft führen kann, würde keinen Sinn ergeben. Wir sind seinerzeit in Mitleidenschaft gezogen worden. Bei diesen Wahlen ist das Allerwichtigste, dass alle Leute abstimmen. Wir werden natürlich für die nationale Souveränität eintreten. Spanien wird das sein, was die Spanier wünschen. Ich glaube, dass es absolut ungerecht wäre, die Katalanen zu zwingen, auf eine ihrer Konditionen zu verzichten, dass sie Katalanen, Spanier und Europäer sind. Außerhalb Europas zu stehen, würde keinen Sinn ergeben, und es wäre absolut ungerecht, dass jemand Ausländer im eigenen Land wäre. So lange ich Ministerpräsident sein werde, werde ich also dafür eintreten, dass die Gesetze geachtet werden. Spanien wird nicht auseinanderbrechen, wie es sich einige wünschen.

Was Flexibilität betrifft: Wir sind immer flexibel gewesen. Aber die Vereinbarung, über die wir verhandelt haben, ist, dass man niemanden zwingen kann. Bezüglich der Quoten gibt es einige Länder, die wirklich keinerlei Flüchtlinge übernehmen. Wir müssen da konstruktiv sein. Wir können nicht an Europa bauen, dem 28 Länder angehören, ohne konstruktiv zu sein. Wir werden konstruktiv sein. Wir wollen auch sehen, was die Parameter sind, auf deren Grundlage dann verteilt wird. Es ist nicht dasselbe, eine Arbeitslosenquote zu haben, die so oder so hoch ist. Es ist nicht dasselbe, ob man diese oder jene Außengrenze hat. Es ist auch nicht dasselbe, wie viel Geld aufgewendet wurde, um die Außengrenzen zu verteidigen. Man muss also Entscheidungen treffen. Man muss gute Kenntnisse haben, um fundierte Entscheidungen zu treffen.

Das Prinzip ist sicherlich gut: Die Personen, die sich um Asyl bewerben, sollten auf ganz Europa verteilt werden. Wir müssen hinsichtlich eines Vorschlags der Europäischen Kommission, wer ein Anrecht auf Asyl genießt und wer nicht, gemeinsam arbeiten, damit es hinterher auch in allen Ländern der Europäischen Union mehr oder minder die gleichen Asylrechte für alle gibt.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben mehrfach gesagt, dass ein Einwanderungsgesetz in Deutschland im Moment nicht vordringlich sei. Warum eigentlich nicht? Viele sehen ja darin die Chance, dass man das Asylverfahren dadurch entlasten kann.

In 13 Tagen werden Sie in Ihrem Parteivorstand über den entsprechenden Leitantrag für den Parteitag abstimmen. Insofern naht Ihre Entscheidung ja. Darf man davon ausgehen, dass Sie spätestens dann Ja dazu sagen werden?

BK'in Merkel: Ich glaube, das habe ich auch gestern schon gesagt, und ich kann es heute gerne noch einmal wiederholen: Wir haben im Augenblick eine völlig veränderte Situation. Wir haben in Deutschland eine Vielzahl von freien Stellen. Wir haben in bestimmten Bereichen auch einen Fachkräftemangel. Wir haben schon heute die Möglichkeit der legalen Zuwanderung - Sie können das auch "Einwanderung" nennen - in den Arbeitsmarkt, wenn jemand einen Arbeitsplatz nachweisen kann. Das wird auch von der OECD als sehr weitgehend bewertet. Das heißt also, ich bin sowieso jemand, der nicht für ein Punktesystem ist, sondern jemand, der jede Art von Arbeitszuwanderung an einen vorhandenen Arbeitsplatz binden möchte.

Die Frage ist, ob wir dafür noch stärker werben sollten. Ich habe zum Beispiel, als ich in Albanien und Serbien war, darüber gesprochen. Wir haben überlegt, wie wir dort vor Ort vielleicht die Möglichkeiten einer legalen Zuwanderung in einen Arbeitsplatz noch verstärken können. Auch in Afrika kann man das machen, um Menschen zu zeigen: Wie kann ich - auch wenn ich aus einem sicheren Herkunftsland komme - eine Arbeitsmöglichkeit in Deutschland finden?

Aber angesichts der Vielzahl von einreisenden Personen, von denen auch sehr viele bei uns bleiben werden, kann ich Ihnen heute nicht sagen, wie sich die Arbeitsmarktlage innerhalb des nächsten Jahres entwickeln wird. Wir werden sehr viele Menschen haben, die hier arbeiten wollen und die vielleicht auch in Berufe gehen, die im Augenblick freie Stellen haben - im Dienstleistungsbereich und in vielen anderen Bereichen -, und dann müssen wir neu schauen, was das jetzt für die noch freien Arbeitsstellen bedeutet. Aber natürlich hat die Integration von Menschen, die zu uns kommen - wir kennen ja auch die Berufsbilder gar nicht komplett -, jetzt erst einmal Vorrang. Ich glaube, das sieht auch jeder ein. In diesem Geiste werden wir dann auch die Diskussion innerhalb der Partei führen.

Dienstag, 1. September 2015

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Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem spanischen Ministerpräsidenten Rajoy, 01.09.2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/09/2015-09-01-merkel-rajoy.html;jsessionid=B71A67A1448B04854FD5B832E78A9BFE.s3t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2015

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