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PRESSEKONFERENZ/1109: Regierungspressekonferenz vom 18. November 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 18. November 2015 Regierungspressekonferenz vom 18. November 2015

Themen: Kabinettssitzung (Verlängerung des Mandats über die Beteiligung der Bundeswehr an der Operation Active Endeavour, Verlängerung des Mandats über die Beteiligung der Bundeswehr an der Mission Resolute Support, Vierter Monitoring-Bericht "Energie der Zukunft", zweiter Erfahrungsbericht zum Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, Energieeffizienzstrategie Gebäude, Rentenversicherungsbericht 2015, Tierschutzbericht 2015, Stellungnahme der Bundesregierung zum Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation, Flüchtlingssituation), Terroranschläge in Paris, Absage des Fußball-Länderspiels Deutschland-Niederlande, Klimaschutzbericht 2015, Reise des Bundesaußenministers nach Afrika, Bürgerkrieg in Syrien

Sprecher: StS Seibert, Dr. Schäfer (AA), Flosdorff (BMVg), Dr. Braams (BMWi), Dr. Dimroth (BMI), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Stamer (BMUB), von Tiesenhausen-Cave (BMF)


VORS. MAIER eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

STS SEIBERT: Guten Tag, meine Damen und Herren! Die Kabinettssitzung hatte heute eine ungewöhnlich hohe Zahl von Tagesordnungspunkten, durch die ich Sie jetzt einmal kurz durchführen möchte:

Die ersten beiden waren Entscheidungen über Bundeswehrmissionen im Rahmen der NATO, die erste die NATO-geführte Operation Active Endeavour im Mittelmeer. Die Bundeswehr soll ihre Beteiligung an dieser Operation unverändert fortsetzen. Diese Operation wurde durch die NATO-Mitgliedstaaten beschlossen, um im Mittelmeerraum einen Beitrag zur maritimen Terrorismusabwehr zu leisten. Sie konzentriert sich auf die Seeraumüberwachung und auf die Erstellung eines umfassenden maritimen Lagebildes. Die eingesetzten Schiffe und Luftfahrzeuge schaffen mehr Sicherheit im gesamten Mittelmeerraum. Dazu tragen sie zur Verstärkung der Sicherheit an der Südflanke unserer Allianz bei.

Bereits seit 2012 setzt sich die Bundeswehr im Bündnis dafür ein, dass das Einsatzprofil weiterentwickelt wird. Unser Ziel ist es dabei, den Auftrag zeitgemäß umzugestalten und ihn vom Einsatz von Artikel 5 des Nordatlantikvertrags zu entkoppeln. Darüber gibt es eine grundsätzliche Verständigung im Bündnis. Im ersten Halbjahr 2016 soll Active Endeavour in eine maritime Sicherheitsoperation der NATO auf Grundlage der maritimen Strategie der NATO überführt werden. Deshalb wird jetzt mit dem heutigen Beschluss des Bundeskabinetts das Mandat zunächst einmal als Übergangslösung bis zum 15. Juli des kommenden Jahres fortgeschrieben. Unverändert können bis zu 500 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden. Der Beschluss steht unter dem Vorbehalt der konstitutiven Zustimmung des Deutschen Bundestags.

Die zweite Mission ist die Mission Resolute Support in Afghanistan, ebenfalls unter Führung der NATO. Die Bundesregierung hat heute die Fortführung dieses Einsatzes, diese Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an Resolute Support beschlossen. Es geht weiterhin um Ausbildung, um Beratung und um Unterstützung der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte. Fast ein Jahr nach dem Ende der ISAF-Mission haben die afghanischen Sicherheitskräfte gezeigt, dass sie grundsätzlich in der Lage sind, selbst im Land für Sicherheit zu sorgen. Aber es hat unübersehbare Rückschläge gegeben; die vorübergehende Einnahme der Stadt Kundus durch regierungsfeindliche Kräfte war solch ein Rückschlag. Deshalb ist es weiterhin notwendig, die afghanischen Sicherheitskräfte zu unterstützen, um Defizite und Mängel auszuräumen sowie um zu verhindern, dass solche regierungsfeindlichen Kräfte weiter erstarken.

Das neue Mandat soll um weitere zwölf Monate verlängert werden. Es gilt dann bis zum 31. Dezember 2016. In diesem Zuge ist die Anhebung der Personalobergrenze auf 980 Soldatinnen und Soldaten beabsichtigt.

In der NATO findet zurzeit die fortgesetzte Prüfung und Beurteilung der Sicherheitslage in Afghanistan sowie auch die Prüfung dessen statt, was die afghanischen Sicherheitskräfte an Ausbildung und Unterstützung benötigen. Die Ereignisse um Kundus, aber auch der Verlauf des gesamten Jahres für die afghanischen Sicherheitskräfte werden natürlich in diese Prüfung einbezogen. Man muss nämlich in dieser Phase daran erinnern: 2015 ist das erste Jahr, in dem die afghanischen Sicherheitskräfte weitgehend auf sich allein gestellt operieren mussten und in dem sie nicht wie zuvor regelmäßig auf wichtige Unterstützung der internationalen Gemeinschaft - beispielsweise durch Luftunterstützung und -aufklärung - zurückgreifen konnten. Diese Bereiche wird das Bündnis aus Sicht der Bundesregierung ebenso sorgfältig zu prüfen haben wie den Stand der Ausbildungs- und Beratungsmöglichkeiten überhaupt.

Die Bundesregierung hat ein starkes Interesse daran, dass die Prüfung ebenso wie die Beratung möglicher Konsequenzen gründlich durchgeführt wird und dass sie ergebnisoffen durchgeführt wird. Mit einem Ergebnis dieser Beratungen rechnen wir nicht vor dem Frühjahr 2016. Bei substanziellen Änderungen an den Einsatzplänen der NATO, die wir zum heutigen Zeitpunkt weder ausschließen können noch wollen, oder auch bei signifikanten Veränderungen der Lage vor Ort wäre der Bundestag gegebenenfalls auch schon vor Ende 2016 noch einmal zu befassen.

Mit dem heutigen Beschluss sendet die Bundesregierung ein deutliches Signal an die afghanische Regierung und an die afghanische Bevölkerung, dass Deutschland Afghanistan in der jetzigen schwierigen Übergangsphase nicht im Stich lässt.

Dann folgte eine Reihe von Beschlüssen des Bundeskabinetts rund um das Thema Energiewende. Mehrere Vorhaben hinsichtlich dieses Themas standen auf der Tagesordnung. Insgesamt kann man in der Summe dieser Beschlüsse sagen: Es geht mit der Energiewende stark voran.

Zuerst hatten wir den Vierten Monitoring-Bericht "Energie der Zukunft", den das Bundeskabinett heute beschlossen hat. Dieser Faktenbericht dokumentiert den Stand der Energiewende. Die Zahlen zeigen: Die Energiewende kommt voran. Ich will Ihnen einige Beispiele nennen: Der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch lag im ersten Halbjahr dieses Jahres zum ersten Mal bei mehr als 30 Prozent. Auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor insgesamt liegt Deutschland auf Zielkurs. Der Bericht zeigt auch, dass sich die Höhe der EEG Umlage stabilisiert hat. Zudem sind in diesem Jahr zum Anfang des Jahres 2015 zum ersten Mal seit langer Zeit, nämlich seit mehr als zehn Jahren, die Strompreise für Haushaltskunden wieder gesunken. Der Börsenstrompreis ist im Jahr 2014 um 10 Prozent zurückgegangen. Der Energieverbrauch ist im Jahr 2014 auf den niedrigsten Stand seit 1990 gesunken.

Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission aus unabhängigen Experten hat wie in den Vorjahren ihre Stellungnahme abgegeben. Wir danken dieser Expertenkommission für ihren kritisch-konstruktiven Beitrag, den wir intensiv prüfen und diskutieren werden. Das Bundeskabinett hat außerdem eine Änderung des Monitoring-Prozesses beschlossen. Dadurch soll die Expertenkommission in Zukunft mehr Zeit für ihre Stellungnahme bekommen. Ihre Mitglieder sollen für vier Jahre berufen werden.

Ein weiterer Punkt zum Thema Energiewende: Das Kabinett hat den zweiten Erfahrungsbericht zum Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz beschlossen. Das Ziel dieses Gesetzes ist, den Anteil erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte bis zum Jahr 2020 auf 14 Prozent anzuheben. Die Entwicklung innerhalb des Berichtszeitraums zeigt, dass die Instrumente dieses Gesetzes wirken. Der Verbrauch von Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energien ist deutlich gestiegen. Großen Anteil an dieser positiven Entwicklung haben Brennstoffe aus Biomasse, beispielsweise Holz, und auch solarthermische Technologien und Wärmepumpen haben ihren Anteil in den letzten Jahren gesteigert.

Die Bundesregierung hat heute auch die Energieeffizienzstrategie Gebäude beschlossen. Energieeffizienz ist neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien, wie Sie wissen, die zweite Säule der Energiewende. Das Ziel ist es nämlich, vorhandene Energie besser zu nutzen. Die umweltfreundlichste und günstigste Energie ist selbstverständlich solche, die gar nicht erst verbraucht wird. Dabei spielt der Gebäudebereich eine sehr große Rolle für die Energiewende und auch für das Erreichen unserer Klimaschutzziele. 35 Prozent des Endenergieverbrauchs in Deutschland und auch etwa ein Drittel der Treibhausgasemissionen entfallen auf Gebäude. Deswegen haben wir uns das ambitionierte Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 - das ist nun also wirklich ein Langfristziel - einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Wie wir dieses Ziel erreichen können, diese Frage beantwortet die vorliegende Strategie. Sie hat technische und energetische Aspekte im Blick, aber auch ökonomische und perspektivisch-gesellschaftspolitische Aspekte. Wir werden zu diesen einzelnen Maßnahmen einen Dialogprozess starten und die möglichen Handlungsoptionen diskutieren.

Vom Thema Energie komme ich zum Rentenversicherungsbericht 2015; auch der lag dem Bundeskabinett heute vor. Er spiegelt die weiterhin erfreuliche Entwicklung der Rentenfinanzen in diesem Jahr wider. Außerdem stellt er die mittel- und langfristigen finanziellen Entwicklungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vor.

Einige wenige Zahlen: Für das Jahresende 2014 wird die Nachhaltigkeitsrücklage auf 33,7 Milliarden Euro geschätzt. Das sind 1,75 durchschnittliche Monatsausgaben der Deutschen Rentenversicherung. Danach wird Modellrechnungen zufolge der Beitragssatz für 2016 bis zum Jahr 2020 konstant bei 18,7 Prozent bleiben. Längerfristig wird er schrittweise von 20,4 Prozent im Jahr 2025 bis auf 21,5 Prozent im Jahr 2029 ansteigen. Das Sicherungsniveau - also die Standardrente, gemessen am Durchschnittsentgelt vor Steuern - wird von 48,1 Prozent im Jahr 2014 auf 47,6 Prozent im Jahre 2020 sinken. Die langfristigen gesetzlichen Ziele für den Beitragssatz und für das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente werden klar eingehalten. Laut Gesetz darf dieses Sicherungsniveau bis zum Jahr 2020 46 Prozent und bis 2030 43 Prozent nicht unterschreiten. Weitere Einzelheiten folgen im diesjährigen Rentenversicherungsbericht.

Dann haben wir noch den Tierschutzbericht 2015. Es ist der zwölfte Bericht über die Entwicklung des Tierschutzes. Der Berichtszeitraum umfasst 2011 bis 2014. Man kann von wichtigen Verbesserungen beim Schutz von Nutztieren, Heimtieren und Versuchstieren berichten. Das Halten von Versuchstieren und die Durchführung von Tierversuchen wurden in diesem Berichtszeitraum strenger reguliert. Um den Tierschutz bei Heimtieren zu verbessern, müssen Händler den Tierhaltern schriftliche Informationen über die wesentlichen Bedürfnisse des Tieres, das sie erwerben, mitgeben. Spezielle Regelungen gibt es auch für die gewerbliche Kaninchenhaltung. Das wesentlich überarbeitete Säugetiergutachten gibt Anleitung dazu, wie Säugetiere beispielsweise in Zoos artgerecht zu halten sind. Wir haben, um unseriösem Tierhandel einen Riegel vorzuschieben, die entgeltliche Einfuhr von Wirbeltieren unter Genehmigungspflicht gestellt, ebenso die gewerbsmäßige Ausbildung von Hunden, um auch dabei Mindeststandards des Tierschutzes sicherzustellen. Das Schlachten von Tieren unterliegt national strengeren Regelungen. Ab 2019 werden das betäubungslos e Kastrierten von Ferkeln und der betäubungslose Schenkelbrand bei Pferden verboten.

In dieser Legislaturperiode hat die Bundesregierung entsprechend dem Koalitionsvertrag vor, den Tierschutz noch einmal weiter ins Zentrum ihrer Aktivitäten zu stellen. Im Herbst 2014 hat sie die Initiative "Eine Frage der Haltung - neue Wege für mehr Tierwohl" gestartet. - Ich glaube, das ist zunächst einmal eine ganze Reihe von Informationen; Sie können den Rest nachlesen. Das ist sehr spannend.

"Stellungnahme der Bundesregierung zum Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation 2015" ist dann der fast schon letzte Punkt. Jährlich erscheint ein Bericht der Expertenkommission, und zu diesem Bericht hat das Bundeskabinett nun seine Stellungnahme verabschiedet. Die wichtigsten Aussagen: In Deutschland wurde noch nie so viel Geld in Forschung und Entwicklung investiert. Die Ausgaben des Bundes sind im Zeitraum von 2005 bis 2015 in diesem Bereich um 65 Prozent auf zuletzt fast 15 Milliarden Euro gestiegen. Damit und mit vielen anderen Kennzahlen zeigt die Bundesregierung, dass sie die Forderungen der Expertenkommission ernst nimmt, dass sie die Innovationskraft stärkt, dass sie ein attraktives Umfeld für kreative und exzellente Forscher und Forscherinnen sowie für innovations- und investitionsbereite Unternehmen schafft. Wir haben mit der neuen Hightech-Strategie und der Digitalen Agenda die Weichen auch für eine moderne Forschungs- und Innovationspolitik richtig gestellt. Mehr dazu folgt dann auch in dem Bericht.

Zum Schluss ging es noch um den ständigen Tagesordnungspunkt, die Flüchtlingssituation. Damit hat sich das Kabinett auch heute wieder intensiv beschäftigt. Schwerpunkt des Austausches im Kabinett war heute der Bericht von Frank-Jürgen Weise zum aktuellen Stand bei der Beschleunigung der Aufnahme- und Asylverfahren. Als Vorsitzender der Bundesagentur für Arbeit und als Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge führt er den Arbeitsstab "Integriertes Flüchtlingsmanagement", und er hat aus seiner Arbeit und von den Fortschritten berichtet. - So viel fürs Erste!

FRAGE: Herr Seibert, mich würde zu Active Endeavour - das soll ja Terrorismusabwehr im Mittelmeer sein - interessieren: Warum ist das eine Militäraufgabe? Terrorismusabwehr ist doch eine Polizeiaufgabe. Warum übernimmt das die Bundeswehr? Warum übernimmt das die NATO?

STS SEIBERT: Ich weiß nicht, ob sich die Kollegen von AA und BMVg damit befassen wollen.

DR. SCHÄFER: Active Endeavour ist eine Mission, die es seit 9/11, also seit 2001 gibt. Sie war damals die angemessene Reaktion des Bündnisses unter Einschluss Deutschlands auf die terroristischen Gefahren, die es 2001 gab und die sich unter anderem im Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 materialisiert hatten. Das Bündnis hat es seit 2001 regelmäßig für richtig erachtet, diese Mission fortzusetzen. Das geschah - das ist im Bündnis der NATO so üblich - immer mit Zustimmung der Bundesregierung; denn bei der NATO gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Es ist auch jetzt noch die Überzeugung der NATO-Bündnispartner und der Bundesregierung, dass es vernünftig ist, sich im Mittelmeer ein Lagebild über Aktivitäten zu verschaffen, die mit Terrorismus im Zusammenhang stehen.

Es ist aber die Haltung der Bundesregierung und insbesondere des Außenministers, dass man sich der Frage zuwenden kann und auch zuwenden sollte, ob die Rechtsgrundlage für diese Mission Active Endeavour im Mittelmeer der Artikel 5 des Bündnisvertrages sein muss. Zu diesem Zweck und über diese Frage hat es in den letzten Jahren intensive Debatten innerhalb der NATO gegeben. Ich war hier leider ein paar Minuten zu spät und nehme an, Herr Seibert hat auch schon ausgeführt, dass wir deshalb als Bundesregierung den Beschluss gefasst haben, das Mandat jetzt erst einmal bis Juli 2016 zu verlängern, weil wir davon ausgehen, dass es auf dem nächsten NATO Gipfel in Warschau in dieser Frage, die für uns von einiger Bedeutung ist, Entscheidungen geben wird, die dann vielleicht doch Konsequenzen für das deutsche Mandat haben werden.

STS SEIBERT: Im Übrigen, Herr Jung, ist es natürlich nicht wahr, dass Terrorismusbekämpfung ausschließlich eine Aufgabe der Polizei wäre. Ich erinnere einmal an Afghanistan. Der Einsatz in Afghanistan ist natürlich ein Einsatz gegen den von dort entstehenden und von dort exportierten Terrorismus gewesen, und er wurde auch mit den Mitteln bewaffneter Streitkräfte geführt.

ZUSATZFRAGE: Die Frage wurde ja an sich nicht beantwortet. Das sind Polizeiaufgaben. Warum setzt man die Armee dafür ein?

DR. SCHÄFER: Die Antwort hat Herr Seibert doch aber gerade ganz überzeugend gegeben! Wenn Sie der Meinung sind, dass das nur eine Polizeiaufgabe ist, dann ist das Ihre Meinung. Aber Sie haben diese Frage gestellt und eine Antwort bekommen.

ZUSATZ: Das ist keine Meinung, das ist Recht.

DR. SCHÄFER: Wieso ist das Recht? Wer sagt das? Wo steht das?

ZUSATZ: Wir führen ja keine Dialoge.

DR. SCHÄFER: Nein, Sie stellen Behauptungen auf, die nicht zutreffen.

FRAGE: Zum Beschluss der Bundesregierung, die Ausbildungsfunktion zu verlängern und personell zu verstärken: Herr Flosdorff, wo liegen denn bisher die entscheidenden Defizite bei der afghanischen Armee?

FLOSDORFF: Sie wissen ja, dass wir die Sicherheitsverantwortung vor jetzt knapp einem Jahr an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben haben. Die bestehen ja auch nicht nur aus der Armee. Wir haben im Rahmen von Resolute Support ausgebildet, vor allem in Masar-e Scharif. Wir haben sehr intensiv die Truppe ausgebildet, niedrigere Ränge. Im letzten Jahr hat sich aber nach einem Jahr der Führungsverantwortung, in dem sich die afghanische Armee im Großen und Ganzen gut behauptet hat - es ist ein großes Maß an Verantwortung, das hier innerhalb von kurzer Zeit übertragen wurde -, herausgestellt, dass wir noch Verbesserungspotenzial haben - insbesondere bei der Ausbildung in Bezug auf die Führung und Steuerung von Aktionen, also die Ausbildung der oberen Führungsebene - und dass man da noch einmal nachsteuert, intensiver ausbildet und auch noch einmal schaut, wie wir die Operationsführung präventiv noch besser ausbilden können, sodass sie ihre Kräfte noch gezielter und effektiver einsetzt, auch in Koordination mit den Partnern und Verbündeten. Da haben wir jetzt mit der neuen Obergrenze Flexibilität im Mandat, sodass wir diese Beratungsleistung und Ausbildungsleistung intensivieren können.

ZUSATZFRAGE: Sehen Sie im operativen Bereich, also in der Ausbildung der Truppe, keine Defizite?

FLOSDORFF: Können Sie das spezifizieren?

ZUSATZ: Wenn zum Beispiel in Kundus, um das noch einmal aufzugreifen, die Truppe ohne Luftunterstützung von der amerikanischen Seite selbst nicht fähig war, die Stadt tatsächlich zurückzuerobern, die Truppen dann eben auch am Flughafen eingesetzt waren und es Luftunterstützung der Amerikaner gab, dann ist das doch ein Beispiel dafür, dass es da einige Mängel gibt.

FLOSDORFF: Ja, gut, aber damit spielen Sie ja darauf an, dass die afghanische Armee nicht über spezielle Fähigkeiten wie zum Beispiel eine eigene Luftwaffe verfügt, und das - wir sind ja dort in einer Ausbildungs- und Beratungsmission - kann man nicht mit mehr Ausbildung und Beratung kompensieren. Was kompensiert werden kann und was verbessert werden kann, ist zum Beispiel die Zusammenarbeit, dass man schaut, dass die richtigen Ziele identifiziert werden und die richtigen Ziele dann auch besser und zielgenauer sowie in der Kommunikation stringenter und effektiver kommuniziert werden.

Man kann zum Beispiel, wenn Sie das Beispiel Kundus ansprechen, Folgendes daraus lernen: Das ist ja an dem Tag erfolgt, an dem die obersten drei Führungsebenen der Sicherheitskräfte bekanntermaßen nicht vor Ort waren. Dies hatte insofern auch Auswirkungen auf das Verhalten der Truppenteile, die dort vor Ort anwesend waren. Das hätte so nicht passieren müssen, wenn die afghanischen Streitkräfte vorher anders aufgestellt gewesen wären und vielleicht auch anders ausgebildet gewesen wären, wobei das jetzt nicht unbedingt heißt, dass die Ausbildung, die die Bundeswehr im vergangenen Jahr in Masar-e Scharif geleistet hat, falsch gewesen wäre. Vielleicht hätte man auch noch andere ausbilden müssen, und da sind wir jetzt dran. Diese Schlüsse werden jetzt gezogen. Deswegen wird dieses Mandat nach allem, was wir nach einem Jahr gelernt haben, jetzt auch modifiziert.

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt und noch einmal an Herrn Flosdorff. Herr Flosdorff, vielleicht zuerst an Sie, weil Sie gerade im Thema sind: Wie weit geht denn konkret die Ausbildungsmission für die eingesetzten deutschen Berater? Werden die die afghanischen Truppen eventuell auch direkt in einen Kampfeinsatz begleiten, um sie dort zu beraten?

FLOSDORFF: Falls Sie meinen, dass die im Sinne von "partnering" direkt in die Straßenzüge mitgehen und konkrete Kampfoperationen aus der Nähe begleiten, dann ist das nach dem Mandat nicht so. An dem Charakter des Mandates, dass wir ausbilden und beraten, wird sich nichts ändern. Es wird sich nur etwas in Bezug auf Situationen verändern, wie es sie jetzt in Kundus gab. Da sind dann auch Berater nach Kundus geflogen und waren dort am Flughafen im Lager. Sie haben dort das Lagebild mit verdichtet, haben Erkenntnisse gewonnen, aber konnten sie im Prinzip nicht direkt vor Ort weitergeben, sondern mussten wieder nach Masar-e Scharif zurück und konnten das dann irgendwie weiterkommunizieren, sodass die Angriffe bzw. die Operation der Rückeroberung effektiver erfolgen konnten. Diese unnötigen Behinderungen durch die afghanischen Streitkräfte, die auch vor Ort schwer zu erklären sind, wird es künftig nicht mehr geben, wenn dieses Mandat denn auch vom Bundestag so beschlossen werden wird, wie es die Regierung jetzt eingebracht hat.

ZUSATZFRAGE: Herr Schäfer, bei Ihrer letzten Bemerkung, die Sie gerade zum Einsatz im Mittelmeer gemacht haben, verwiesen Sie auf die kommende NATO Konferenz in Warschau und darauf, dass dort möglicherweise Änderungen zu erwarten sind. Könnten Sie bitte noch einmal ein bisschen präzisieren, was die deutsche Seite dort in Bezug auf etwa Artikel 5 erwartet? Habe ich Sie da richtig verstanden?

DR. SCHÄFER: Wie gesagt: Ich war leider nicht dabei und kann mich dafür nur entschuldigen. Deshalb weiß ich nicht, was Herr Seibert gesagt hat. Ich kann gerne noch einmal das wiederholen, was ich gesagt habe: Der Außenminister ist der Auffassung, dass es sich lohnt, im NATO-Bündniskreis darüber zu diskutieren, auf welcher Grundlage wir die Arbeit im Bündnis und in der Operation Active Endeavour fortsetzen. Wir haben eine Lage, in der das alles seit inzwischen 14 Jahren auf der Grundlage einer Erklärung des NATO-Rats vom 12. September 2001 erfolgt, in der auf Antrag der Vereinigten Staaten von Amerika der Bündnisfall gemäß Artikel 5 erklärt worden ist. Wir haben jetzt eine Situation, in der terroristische Anschläge wie am Freitag in Paris auch im Bündnisgebiet vorgefallen sind. Die französische Regierung und der französische Präsident haben - bislang jedenfalls - davon Abstand genommen, das Bündnis mit dieser Frage zu befassen; das wissen Sie alles. Wir denken, dass jetzt der richtige Moment ist, im Bündnis all diese Fragen noch einmal zu diskutieren und sie vielleicht auch auf dem Gipfel in Warschau zu diskutieren, um dann gemeinsam zu einer Entscheidung darüber zu kommen, ob Active Endeavour in der gegenwärtigen Form fortgesetzt wird und auf welcher Grundlage das passiert.

ZUSATZ: Wenn ich Sie richtig verstehe, könnte es also auch sein, dass man die Mission von Artikel 5 auf den Artikel 42 des Lissabonner Vertrags umstellt.

DR. SCHÄFER: Die NATO kann ja schlecht auf Grundlage des EU-Vertrags operieren, sondern die NATO würde dann auf einer anderen Grundlage operieren.

ZUSATZFRAGE: Noch eine Nachfrage, Herr Schäfer, zu der Debatte um Artikel 5 und Artikel 42: Ist denn aus Sicht des Auswärtigen Amtes und vielleicht Ihrer Rechtsexperten, wie es gestern in einigen Agenturmeldungen durchklang, der Artikel 42 Absatz 7 eigentlich schärfer als der Artikel 5, oder sind die gleichwertig? Welche Vor- und Nachteile hat eigentlich dieser EU Artikel?

DR. SCHÄFER: Ich glaube, es lohnt nicht, jetzt in Formen des Komparativs miteinander darüber zu diskutieren, was stärker ist, was fester ist und was weniger fest ist. Ich glaube, beide Artikel - der Artikel 5 des NATO-Vertrags und der Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags - sind ganz starke Instrumente des gemeinsamen Handelns und des solidarischen Handelns für den Fall eines bewaffneten Angriffs. Die Reaktion der Bundesregierung auf den Vorschlag, den Antrag bzw. die Bitte des französischen Präsidenten, wie das im Kongress in Versailles geäußert und dann auch in die europäischen Institutionen eingeführt wurde, ist selbstverständlich eine positive Antwort auf diese französische Bitte. Wir stehen solidarisch an der Seite Frankreichs. Jetzt stehen wir vor einer Situation, in der wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern und mit unseren französischen Freunden darüber beraten, was das konkret hinsichtlich dessen bedeutet, dass wir alle als die 28 Länder der Europäischen Union gemeinsam gegen diesen Angriff auf Frankreich zusammenstehen.

FRAGE: Herr Flosdorff, was jetzt konkret die neue Mandatsobergrenze angeht: Wie viel mehr Ausbilder sind das jetzt? Wenn man die Differenz von 850, wenn ich mich recht erinnere, auf 980 nimmt, heißt das dann, es sind 130 Ausbilder mehr, oder ist das jetzt so uns so viel Küchenpersonal, oder sind es Generatoren- und Dieseleinfüller? Ändert sich etwas an der Zahl der Evakuierungskräfte, die in dieses Mandat eingeschlossen sind?

Als weitere Frage: Sie sagten, es gäbe kein "partnering", aber man dürfe sozusagen im Rahmen der Operation beraten. Gibt es irgendeine Regel darüber, wie nah die Berater einer Operation oder einem Gefecht rücken dürfen? Müssen die sozusagen mindestens 500 Meter, 5 Kilometer oder 50 Kilometer Abstand nehmen? Wie ist diese etwas unscharfe Grenze zu definieren?

FLOSDORFF: Hinsichtlich des ersten Punktes bitte ich um Verständnis dafür, dass ich jetzt noch nicht ins Detail gehe. Wir werden am 23. November ein Treffen mit den anderen Partnernationen haben, mit denen wir dort im Norden, in Masar-e Scharif, bisher die Mission als Rahmennationen gestalten. Dabei wird man noch einmal im Einzelnen hören, inwieweit die anderen Partner alle bereit sind, sich weiter einzubringen. Im Großen und Ganzen werden die alle dabei sein, aber die Antwort auf die Frage, in welcher Größenordnung und mit welchen Spezifikationen, steht noch aus. Insofern brauchen wir im Moment noch ein bisschen Spiel im Mandat, um notfalls auch den Ausfall anderer Nationen kompensieren zu können.

Darin sind, um Ihnen einfach ein Stichwort zu geben, nicht nur Dienstposten enthalten. Wir bauen ja im Moment den Stützpunkt in Termez zurück. Dafür werden im Mandat im Moment noch Kräfte berücksichtigt. Eine befreundete Nation konnte einen Hubschrauber nicht mehr stellen, und auch das hatten wir jetzt im Mandat schon zu kompensieren. Das heißt, wir sind jetzt im Moment schon hart an der Obergrenze. Wir werden im nächsten Jahr auch noch einmal Aufgaben turnusgemäß unter den Partnernationen wechseln. Wir werden Kabul übernehmen müssen, wieder von einer anderen Nation, die mit Fernmeldetätigkeiten zu tun hat. Das heißt, das ist ein ganzer Korb an Aufgaben, die da zu erledigen sind. Aber signifikant werden diese zusätzlichen Kräfte gegenüber dem jetzigen Mandat mit Beratung und insbesondere mit einer besseren Unterstützung der afghanischen Führung der Streitkräfte und der Operationen beschäftigt sein.

Wenn Sie jetzt noch einmal fragen, was der qualitative Unterschied ist: Die einzige Änderung im Mandatstext ist die Restriktion, die wegfällt, wenn wir begleiten, wenn wir außerhalb des Feldlagers in Masar-e Scharif sind. Bisher war das bei Truppenbesuchen zulässig oder dann, wenn man zu Besprechungen irgendwo hingereist ist. Jetzt werden wir auch, weil man ja auch dorthin reisen kann, unterschiedliche Orte außerhalb von Masar-e Scharif beraten.

Aber das soll auch nur zeitweise und in begrenzten Einzelfällen erlaubt sein, der Fall sein. Das ist die Grenze des Mandates.

FRAGE: Herr Schäfer, Herr Seibert, wenn ich Herrn Flosdorff gerade richtig verstanden habe, muss man sich mit den Partnern erst einmal ein bisschen austauschen, wie es in Zukunft weitergeht. Als Herr Obama vor ein paar Wochen angekündigt hat, dass die Amerikaner länger da bleiben, und sie uns zehn Tage später gesagt haben, dass die Bundeswehr auch da bleibt, wenn man dem zustimmt, haben Sie aber auch gesagt: Man macht erst einen Plan und dann strebt man eine Verlängerung des Mandats an. - Jetzt hat man, wenn ich es richtig verstanden habe, erst verlängert und macht dann man einen Plan, wie es weitergehen soll.

FLOSDORFF: Ich kann auch gleich etwas dazu sagen. Unser Mandat läuft zum Jahresende aus. Das heißt, wir müssen in die Planung gehen. Wir müssen uns auch mit den anderen Partnern (verständigen), die auch eine Planungssicherheit brauchen. Sie müssen wissen, ob wir als Rahmennation weiter zur Verfügung stehen. Das ist ein grundsätzliches Ja. Diese Frage haben wir positiv beantwortet.

Auch wenn wir noch nicht im Detail wissen, wie genau die Beteiligung und die Ausgestaltung ist, so haben doch die Amerikaner ein klares Signal gegeben - auch an das afghanische Volk, an die afghanische Regierung -, dass es weiter geht. Wir haben das klare Signal an unsere Partner gegeben, dass wir auch wieder dabei sein werden.

Wenn Sie auf den Plan anspielen, dann möchte ich an der Stelle noch einmal ganz deutlich sagen: Es gibt ja nicht nur das militärische Feld, sondern es gibt auch das politische Feld, das weiter betrieben werden muss. Auch der Verständigungsprozess innerhalb Afghanistans muss vorangetrieben werden. Das Militärische ist nur Teil einer Gesamtstrategie.

Wir, die Militärs, brauchen eine Planungssicherheit. Auch die anderen Partnernationen erwarten das von uns, da wir eine herausgehobene Rolle im Norden Afghanistans haben. Deswegen gehen wir jetzt diesen ersten Schritt. Das heißt aber nicht, dass Anpassungen nicht mehr möglich sind, falls sie in den nächsten Wochen notwendig werden.

ZUSATZFRAGE: Ist das immer so, dass dem Bundestag irgendetwas vorgelegt wird, wo die Details noch total schwammig sind? Oder ist das jetzt eine Ausnahme?

STS SEIBERT: Ich hatte ja gesagt - darauf will ich gern noch einmal hinweisen, und das sage ich ja nicht bei jeder Mandatsverlängerung -, dass bei substanziellen Änderungen an den Einsatzplänen der NATO oder bei signifikanten Veränderungen der Lage vor Ort der Bundestag auch vor Ende 2016 noch einmal zu befassen ist.

DR. SCHÄFER: Wir haben da keine volle Kongruenz zwischen dem nationalen Fahrplan unserer Mandate, die wir ganz bewusst immer auf zwölf Monate anlegen, damit - das ist ja nicht rechtlich zwingend - der Bundestag in regelmäßigen Abständen Gelegenheit bekommt, als Parlamentsarmee über den Einsatz der Bundeswehr zu entscheiden.

Es bleibt dabei, was wir damals gesagt haben - das sagen wir auch heute -: Die formale Entscheidung über die Fortsetzung von Resolute Support fällt Anfang Dezember bei der Sitzung der Außenminister der NATO in Brüssel. Das war damals so kommuniziert. Das gilt auch weiter.

Jetzt haben wir ungefähr zwei Wochen vorher. Bevor es diesen förmlichen Beschluss nicht gibt, finde ich es ganz natürlich und auch lebensnah anzunehmen, dass nicht jede der über fünfzig Nationen, die bislang dabei ist, sich schon endgültig - sozusagen auf Punkt und Komma - festgelegt hat, was genau wo wie geschieht. Weil das so ist und weil Deutschland gleichzeitig insgesamt im Afghanistan-Dossier, aber auch im Bereich des militärischen Engagements, immer eine Führungsrolle eingenommen hat, ist es, glaube ich, nicht nur richtig, sondern auch vernünftig, dass wir vorangehen, dass wir klare Vorgaben machen und im Rahmen dieser Vorgaben darauf setzen, dass die Partner - zum Beispiel die, die das in Masar in der "Speiche Nord" mit uns gemeinsam machen wollen - sich unseren Aktivitäten in der richtigen Weise anschließen. Ich sehe da überhaupt kein Problem. Ich muss ausdrücklich sagen: Schwammig ist da überhaupt nichts.

FRAGE: Herr Schäfer, noch einmal eine Frage zu der Stellungnahme des Außenministers gestern auf Zypern. Er hat ja gegenüber der Presse auf die Frage, ob es zu deutschen Lufteinsätzen über Syrien kommen sollte, erklärt, das mache keinen Sinn, wenn nach 16 Nationen eine siebzehnte, achtzehnte oder neunzehnte noch dabei wäre. Nun könnte es aber dazu kommen, dass die Franzosen eine mittelbare Beteiligung fordern, wie sie es etwa auch in Mali getan haben, wo die Bundeswehr ja zeitweise Transall-Maschinen zur Verfügung gestellt hat. Rechnen Sie damit, dass etwa die Franzosen Luftbetankungsflugzeuge oder Ähnliches, also mittelbare Anforderungen, auch für einen Syrien-Einsatz stellen werden?

DR. SCHÄFER: Ich glaube, es geht in Syrien um militärisches Engagement der internationalen Gemeinschaft, in Afghanistan auch. Aber wir vermischen jetzt ein bisschen die Themen, Frau Vorsitzende. Wenn Sie möchten, dann antworte ich auf diese Frage.

VORS. MAIER: Wir sind da hinein geraten. Ja.

DR. SCHÄFER: Das, was der Minister gestern gesagt hat, dürfte aufmerksamen Beobachtern der Regierungspressekonferenz nun wirklich nicht neu vorgekommen sein. Auf ähnliche Fragen wie die, die Herrn Steinmeier gestern in Zypern gestellt worden sind, habe ich mehrfach hier gesagt: Ich glaube, dass das militärische Engagement Deutschlands - insbesondere durch die Beratung und Ausrüstung der Peschmerga - richtig und angemessen ist. Dies ist ein wichtiger Teil der Aktivitäten der Anti-ISIS-Koalition.

Die Entwicklungen der letzten Woche, insbesondere der Umstand, dass die Peschmerga mit zum Teil unseren Waffen und mit amerikanischer Unterstützung aus der Luft große Fortschritte bei der Befreiung von Sindschar gemacht haben, zeigen, dass das, was wir tun, vernünftig ist, aber auch konkret belegbare Erfolge zeitigt. Im Vergleich dazu wäre eine Beteiligung an Luftangriffen über Syrien, zu der eine Gruppe von mehr als einem Dutzend bereit ist - ich glaube, es sind sechzehn oder siebzehn Staaten -, kein wesentlicher Fortschritt. Es gibt genügend Bereitschaft und Material, auch Fluggerätschaften der internationalen Gemeinschaft und der Anti-ISIS-Koalition. Sich da einzureihen, ist, glaube ich, in der Sache nicht unbedingt zielführend.

Ihre Frage, was sein könnte, wenn - - Ich kann verstehen, dass Sie diese Frage stellen. Diese Frage ist im Übrigen von einem Kollegen von Ihnen, von Herrn Schulze, bereits vorgestern mit einem konkreten Blick auf das Kommuniqué der Syrien-Verhandlungen am Samstag gestellt worden. Könnte sich eventuell die Bundeswehr an einer VN-Mission zur Überwachung eines Waffenstillstandes in Syrien beteiligen?

Ich finde, das ist eine legitime Frage. Aber ich glaube, es ist auch eine legitime Antwort Ihnen zu sagen: Wir sind leider derzeit so weit weg von einem Waffenstillstand in Syrien. Im Gegenteil: Wir haben mindestens eine Hand voll, vielleicht auch zwei Hand voll, Nationen, die im syrischen Luftraum militärisch aktiv sind. Es sind jede Menge Gruppierungen, die einander auf furchtbare Art und Weise im Krieg und im Bürgerkrieg Leid antun. Die Bedingungen, unter denen so etwas irgendwann möglich sein könnte, sind derzeit so spekulativ und so hypothetisch, dass es vernünftig ist, darauf jetzt noch keine konkrete Antwort zu geben.

VORS. MAIER: Ich danke erst einmal Herrn Schäfer für die Bemerkung. Tatsächlich sind wir noch dabei, die Kabinettsthemen abzuarbeiten, Kolleginnen und Kollegen.

Ich würde dann noch einmal Herrn Siebert an die Reihe nehmen und dann in meiner Liste fortfahren.

FRAGE: Wenn es gestattet ist, später noch eine Frage zu möglichen militärischen Maßnahmen zu stellen, dann stelle ich das gern zurück.

Jetzt die Frage zu Afghanistan: Sie sagten, Herr Schäfer, das sei nicht schwammig und es sei lebensnah, wenn sich die Partnernationen noch nicht endgültig festgelegt hätten, was sie machen können und was nicht. Die Bundesregierung hat sich jetzt festgelegt auf eine Obergrenze von 980 und nicht von ungefähr 1.000 oder 1.005. Irgendeine Vorstellung muss ja dahinter gesteckt haben, warum man jetzt 980 und nicht mehr 850 hat. Meine Frage ist: Wie kommt es zu dieser Zahl?

FLOSDORFF: Ich kann gern darauf antworten. Auch wenn formal die Sitzungen mit den Partnernationen noch nicht stattgefunden haben, hat es doch in den vergangenen Wochen und Monaten etliche Treffen gegeben. Am Rande der Verteidigungsministertreffen, zum Beispiel in Brüssel, aber auch bei allen anderen Konferenzen gab es Sondierungen mit den Nationen, in welchem Maße sie voraussichtlich bereit sein werden, sich wieder zu beteiligen.

Es sind jetzt auch einige Wochen Gelegenheit gewesen, sich zu orientieren, was voraussichtlich notwendig sein wird. Das heißt, man fängt Anfang Dezember nicht an, auf einem weißen Blatt Papier zu zeichnen, sondern die Planungen sind natürlich schon in einem fortgeschrittenen Stadium, auch wenn noch nicht der letzte Haken darunter ist.

DR. SCHÄFER: Ich würde es ergänzen und kann nur beipflichten: Die 980 sind, wenn Sie so wollen, die Summe von komplizierten militärischen und politischen Erwägungen, die es uns möglich machen, das, was wir tun wollen, und das, was wir mit unseren Partnern tun können, im Rahmen dieses Mandats umzusetzen. Es gibt ja gar keinen Zwang, mit 980 Mann vor Ort zu sein, sondern wir sind guten Glaubens und der Gewissheit, dass wir genau mit dieser Obergrenze das erreichen können, was wir gemeinsam mit unseren Partnern erreichen wollen.

FRAGE (zum Vierten Monitoring-Bericht "Energie der Zukunft"): Herr Seibert, ist mit Hinblick auf die Weltklima-Konferenz damit zu rechnen, dass Deutschland oder die Kanzlerin vor Paris ankündigen wird, bis 2050 zum Beispiel aus der Kohlekraft auszusteigen?

STS SEIBERT: Deutschland und die Europäische Union haben ja bereits klare Ziele verkündet, die sie sich stellen. Im Übrigen war es einer der Erfolge der G7-Konferenz in Elmau, dass es möglich war, im Schlussdokument die Absicht zu verankern, die Energiegewinnung über den Verlauf dieses Jahrhunderts zu dekarbonisieren.

Weitere Ankündigungen kann ich Ihnen jetzt hier nicht machen.

ZUSATZFRAGE: Das ist ja genau der Punkt, die Dekarbonisierung. Das heißt, der Wegfall von Kohlekraft.

STS SEIBERT: Ich weiß, was Dekarbonisierung heißt. Deswegen habe ich es benutzt. In dem Sinne ist es ja auch in das Schlussdokument der G7 eingebracht worden.

FRAGE: Herr Seibert, wenn ich das richtig verstanden habe, sollte heute der Klimaschutzbericht der Bundesregierung im Kabinett sein. Hat er eine Rolle gespielt oder ist er vertagt worden? Ich wollte ganz gern wissen, wie die Haltung der Bundesregierung ist und ob die Eröffnung der Klimaschutzkonferenz dann mit der Kanzlerin in Paris stattfindet. Ich glaube, am 30. November ist es.

STS SEIBERT: Was im Kabinett war, aber ohne Aussprache, ist der Entwurf einer Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Umsetzung des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020". Ein Klimaschutzbericht in dem Sinne war nicht im Kabinett.

Was die COP21, also die Klimaschutzkonferenz in Paris betrifft, so ist es natürlich die Sache der Gastgeber, der Franzosen, des französischen Präsidenten insbesondere, die Staats- und Regierungschefs zu dem Zeitpunkt einzuladen, der ihnen aus - ich würde einmal sagen - Verhandlungsgründen der Sinnvollste erscheint. Dem wird die Bundeskanzlerin selbstverständlich Folge leisten. Wir sagen die Termine dann an, wenn sie feststehen und wenn der Zeitpunkt gekommen ist.

FRAGE: Herr Seibert, was ist denn der Plan für die Dekarbonisierung der deutschen Energie bis zum Ende des Jahrhunderts?

STS SEIBERT: Vielleicht möchte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie jetzt fachkundig darüber sprechen.

DR. BRAAMS: Ich kann gern etwas dazu sagen.

Es ist ja klar und es ist auch dargestellt worden: Einer der Berichte heute im Kabinett war der Monitoring-Bericht "Energie der Zukunft", in dem über Zielerreichung umfassend Stellung genommen wird, auch über die Klimaziele. Dabei geht es zunächst einmal um die nationalen Klimaziele. Da haben wir ambitionierte Ziele bis in das Jahr 2050 hinein, also nicht nur für das Jahr 2020, sondern eben auch 2030 und 2050. Diese Ziele werden umfassend in einem jährlichen Prozess analysiert.

Zugleich - das wurde ja auch schon heute von Herrn Seibert dargestellt - sind die Ziele der Energiewende klar. Die Energiewende baut auf zwei wesentlichen Säulen. Das ist zum einen der Ausbau der erneuerbaren Energien. Die zweite Säule ist Energieeffizienz. Das ist eine klare Antwort der Bundesregierung, wie sie die Klimaziele erreichen will.

Zu Ihrer Frage zur Kohle: Auch da kann ich darauf hinweisen, dass in jüngster Zeit verschiedene Beschlüsse gefasst wurden. Hier nur der Hinweis, dass das Kabinett am 4. November für den Bereich des Strommarktes die Beschlüsse zur Umsetzung der sogenannten Sicherheitsbereitschaft für Braunkohle verabschiedet hat. Damit wurde vom Kabinett ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der nationalen Klimaziele verabschiedet.

Also es gibt viele Beschlüsse, die wir schon verabschiedet haben. Damit ist, glaube ich, sehr klar gestellt, was das Ziel der Bundesregierung zur Erreichung der Klimaziele ist.

VORS. MAIER: Ich fasse das jetzt einmal zusammen unter dem Thema Energiewende.

FRAGE (zur Flüchtlings- und Asylpolitik): Ich hätte zwei Fragen: Ich hätte gern einmal gewusst, ob Sie uns teilhaben lassen können an den möglicherweise Fortschritten, die Herr Weise im Hinblick auf die Beschleunigung der Verfahren verkündet hat?

Ich würde zum zweiten gern wissen: Es ist ja geplant - ich glaube, am Montag -, das zweite Asylpaket zu beschließen. Wie will man denn das machen angesichts des Streits über die Anrechnung von Sprachkursen bei den Flüchtlingen? Soweit ich weiß, hat da ja das Finanzministerium, das vielleicht etwas dazu sagen könnte, ganz andere Vorstellungen als zum Beispiel das Innenministerium oder das Justizministerium - nur als Beispiele.

STS SEIBERT: Sie wissen, dass die Koalitionsspitzen sich in der vorletzten Woche auf Maßnahmen geeinigt haben. Nun sind wir in der Phase, diese Maßnahmen sozusagen als Regierung umzusetzen. Dazu sind wir in konstruktiven Gesprächen innerhalb der Bundesregierung. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen. Das wäre in dieser Phase auch unüblich.

Was die Frage in Richtung Herrn Weise betrifft: Ich denke, da ist das Bundesinnenministerium sicherlich noch geeigneter, (Ihnen eine Antwort zu geben). Herr Weise hat nur noch einmal klar dargelegt, was bei dieser Vernetzung von BA und BAMF, die er ja quasi auch in seiner Person verkörpert, die Ziele sind. Wir wollen eben die Gesamtprozesse optimieren. Wir wollen sie beschleunigen, und zwar den gesamten Prozess, von der Registrierung eines Asylsuchenden über den Transport bis hin zur Versorgung und zum Abschluss des Asylverfahrens. Es geht darum, die Bearbeitungsrückstände, die bei den Asylverfahren derzeit noch bestehen, im großen Stil zu reduzieren. Es geht darum, Sprachförderung für Schutzberechtigte, für Asylbewerber, mit einer guten Bleibeperspektive zu stärken. Dazu werden beispielsweise die Kapazitäten, die wir für Integrationskurse haben, erheblich ausgeweitet. Es geht - das ist natürlich sehr wichtig - um eine möglichst frühe Integration in den Arbeitsmarkt. Die Jobcenter, die Agenturen für Arbeit, entwickeln operative Angebote, die eben eine frühzeitige Beratung auf den individuellen Fall zugeschnitten, eine individuelle Förderung, ermöglichen. Bei alledem ist es genauso wichtig, dass wir inländische Gruppen, deutsche Langzeitarbeitslose, nicht vernachlässigen.

Was die konkreten Zahlen des BAMF derzeit betrifft, ist vielleicht Herr Dimroth besser in der Lage als ich, (Ihnen Auskunft zu erteilen).

DR. DIMROTH: Ob das heute Morgen Gegenstand - so habe ich Ihre Frage verstanden - der Kabinettbefassung war, dem kann ich nichts hinzufügen. Ich war nicht dabei. Insofern kann ich da nicht ergänzen.

Was die allgemeine Situation betrifft: Grundsätzlich hat sich an den Zahlen, insbesondere was die Verfahrensdauer anbetrifft, mit Stand heute nichts Wesentliches verändert zu den Ihnen bekannten Zahlen. Richtig ist, dass sozusagen auf operativer Ebene das BAMF eine Reihe von Dingen angestoßen hat, um noch schneller zu werden. Richtig ist ebenso, dass wir auf gesetzgeberischer Ebene hier bereits Dinge initiiert haben und gerade dabei sind, innerhalb der Ressorts das, was von den Parteivorsitzenden beschlossen wurde - wie Herr Seibert gerade ausführte -, auch zur weiteren Beschleunigung der Verfahren in Gesetzesform zu gießen, zu konsolidieren und entsprechend zu beschließen.

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich kann dem, was Herr Seibert gesagt hat, nicht viel hinzufügen. Sie haben Recht: Die Ressortgespräche sind gerade erst angelaufen, gestern glaube ich. Die Vorgaben sind auch klar. Es gab ja den Beschluss der Koalitionsspitzen vom 5. November. Darin heißt es in dem Punkt "Kosten der Sprach- und Integrationsförderung", dass für die Erbringung von Sprach- und Integrationskursen künftig generell eine angemessene Eigenbeteiligung vorgesehen werden soll. Das sind die Rahmenbedingungen, über die jetzt hier gesprochen wird. Zu einzelnen Zahlen würde ich mich jetzt nicht äußern. Man muss natürlich auch berücksichtigen, dass ein gewisser Bürokratieaufwand verhältnismäßig sein muss.

ZUSATZFRAGE: Nur noch einmal zur Verdeutlichung: Aber es ist richtig, dass die Auffassungen über die Dimension dieser Anrechnung dieses Betrages zwischen den Ministerien noch sehr unterschiedlich sind? Kann man das bis Montag schaffen, das auf eine gemeinsame Linie zu bringen?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Davon gehen wir jetzt aus. Aber die Ressortgespräche dazu laufen.

FRAGE: An das Kanzleramt, das ja für die Flüchtlingskoordination verantwortlich ist: Herr Seibert, sind alle Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland mittlerweile winterfest?

STS SEIBERT: Das kann ich Ihnen hier aus dem Stand nicht beantworten. Es sind enorme Anstrengungen gemacht worden, dass das so ist. Aber ich kann es Ihnen jetzt aus dem Stand nicht beantworten. Das müsste ich nachreichen.

ZUSATZ: Danke.

FRAGE: Herr Dimroth, mich würde interessieren: Was hat denn Herr Weise - die Frage richtet sich vielleicht auch an Herr Seibert, ich weiß nicht, wer sie beantworten kann - an konkreten Maßnahmen veranlasst innerhalb der vergangenen fast zwei Monate, die er diese Leitungsfunktion ausübt?

DR. DIMROTH: Ich glaube, Herr Seibert hat dazu eben sehr weitreichend ausgeführt, was heute auch als Ergebnis dieser Arbeitsprozesse im Kabinett präsentiert wurde. Darüber hinaus kann ich jetzt nicht - sozusagen en détail - über einzelne Arbeitsschritte berichten, sondern wir sind guter Auffassung, dass Herr Weise da wichtige Impulse gesetzt hat und insoweit auch auf der von mir als operativ bezeichneten Ebene auf einem sehr guten Weg ist.

STS SEIBERT: Ich kann hier jetzt auch nicht alle Zahlen, die Sie sich wünschen, vorlegen. Das ist vielleicht auch wert, dass Sie beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch einmal gesondert nachfragen. Ich kann Ihnen einzelne Punkte nennen. Wenn man das Thema "Reduktion der Bearbeitsrückstände" angeht, da sind beispielsweise vier spezialisierte Entscheidungszentren eingerichtet worden. Drei weitere sind in Vorbereitung. Das wird es uns ermöglichen, diesen Rückstand zügiger abzuarbeiten. Das ist etwas, was geschehen ist. Es geht um die personelle Verstärkung des BAMF, die erheblich vorankommt. Da sind Stellen geschaffen worden. Es gibt Einstellungszusagen für weitere Stellen.

Schon heute haben wir, wenn ich mich recht erinnere - nageln Sie mich da nicht fest, aber fragen Sie beim BAMF noch einmal nach - 1.600 Entscheidungen am Tag. Das ist eine starke Steigerung gegenüber dem, was noch vor wenigen Monaten dort möglich war.

DR. DIMROTH: Ich hatte Herrn Steiners Frage jetzt so verstanden, was Herr Weise in Person in seiner Funktion veranlasst hat. Das sind Punkte, die gerade genannt wurden. Vor allem die haushälterische Unterlegung der voraussichtlich anhaltend hohen Aufgabenlast beim BAMF ist aus unserer Sicht sehr erfreulich und umfassend gelungen.

Ich hatte gerade schon ausgeführt, dass es zusätzlich zu den haushälterischen Entscheidungen auch eine Reihe von gesetzgeberischen und weiteren Maßnahmen und Initiativen seitens der Bundesregierung, seitens des BMI, gab. Herr Weise ist mit seiner Schaffenskraft, seiner Erfahrung und insbesondere seiner besonderen Qualifikation, was eben seine andere Funktion, nämlich die der Leitung der Bundesagentur für Arbeit anbetrifft, dazu berufen und setzt das um, nämlich das große Thema Integration in den Arbeitsmarkt. Da setzt er auch in seiner Person sehr wichtige Impulse.

FRAGE: Herr Seibert, bezüglich des zweiten Asylpakets, das nächste Woche beschlossen werden soll: Welche Hilfen und welche Lösungen für die strukturellen Probleme der vielen freiwilligen Helfer in Deutschland werden von der Bundesregierung angedacht?

STS SEIBERT: Das ist jetzt eine sehr weitreichende Frage nach den strukturellen Problemen der vielen freiwilligen Helfer. Sie kennen die Beschlüsse der Koalitionsspitzen. Wir sind jetzt in konstruktiven Gesprächen bei der Umsetzung, wie ich es gerade gesagt habe. Da gehe ich jetzt nicht auf Einzelheiten ein. Ansonsten müssten Sie die Frage etwas deutlicher oder zugespitzter formulieren.

ZUSATZFRAGE: Also war das Thema der strukturellen Probleme der freiwilligen Helfer in Deutschland ein Thema bei den Koalitionsspitzen?

STS SEIBERT: Das, was die freiwilligen Helfer leisten - jeden Tag und seit vielen Wochen und Monaten - ist der Bundesregierung bekannt. Sie schätzt es. Sie zieht ihren Hut davor und sie ist in engem Kontakt mit denjenigen, die diese Leistungen immer wieder erbringen. Wenn wir sagen, wir wollen ordnen und steuern, dann wollen wir das, damit die Kommunen mit der Situation besser zurechtkommen können; aber wir können natürlich vor den Leistungen der vielen ehrenamtlichen Helfer nur, wie gesagt, den Hut ziehen. Strukturelle Probleme, die Sie ansprechen, müssten Sie genauer benennen, damit ich sagen kann, was dafür getan wird. Dann erinnere ich noch einmal daran, dass vieles von dem, was getan wird, auch in der Verantwortung der Länder liegt.

FLOSDORFF: Herr Jung, weil Sie danach fragen, möchte ich ergänzend etwas sagen: Selbstverständlich ist das, was die Bundeswehr jeden Tag in Deutschland macht, auch zur Entlastung der freiwilligen Helfern. Wir haben - Stand: heute - 7.700 Soldatinnen und Soldaten bundesweit in Aufgaben gebunden, die auch die freiwilligen Helferinnen und Helfer entlasten. Wir haben spezielle Führungslehrgänge bei der Bundeswehr eingerichtet, in denen Führungspersonal dafür geschult wird, dass man zum Beispiel koordinierende Aufgaben von ehrenamtlichen Koordinatoren übernehmen kann - auch perspektivisch. Bis zu 200 werden wir bis zum Jahresende ausbilden, die dann auch entlasten und dafür sorgen können, dass Urlaube und Pausen eingelegt werden können und sie sich wieder um ihre Berufe kümmern können. Da ist weitere Personalunterstützung zugesagt.

Es ist auch so, dass das täglich abgerufen wird. Es wird auch in allen Bundesländern wahrgenommen, in allen Kommunen. In der Spitze hatten wir vor einer Woche rund 8.800, die über den Tag mit solchen Aufgaben betraut waren. Das ist auch eine Maßnahme, die hilft, dass die örtlichen Strukturen nicht überlastet werden.

VORS. MAIER: Damit haben wir die Themen der Kabinettsitzung abgearbeitet. - Wir kommen jetzt zu dem Thema innere Sicherheit.

FRAGE: Herr Dimroth, es sind ja in den letzten paar Tagen ein paar Exekutivmaßnahmen, wie es heißt, in Deutschland durchgeführt worden im Zusammenhang mit der Fahndung nach den Pariser Attentätern oder den Hintermännern. Können Sie mir sagen, welche öffentlichen Fahndungsbitten aus dem Ausland in Deutschland angekommen sind, speziell nach welchen Personen und bestimmten Fahrzeugen? Können Sie uns sagen, ob so etwas irgendwo zentral publiziert wird?

DR. DIMROTH: Zunächst einmal würde es sicherlich nicht öffentlich registriert oder öffentlich mitgeteilt. Das erklärt sich, glaube ich, von selbst. Insofern kann ich Ihre Frage nach konkreten Inhalten dieser Art ganz grundsätzlich nicht beantworten. Sie können davon ausgehen, dass wir selbstverständlich - wie ich hier bereits am Montag ausführte - auf allen Ebenen in einem sehr engen, sehr vertrauensvollen und etablierten Informationsaustausch insbesondere mit den französischen Behörden stehen. Das betrifft auch Sachverhalte wie die von Ihnen angesprochenen. Das geht aber über das bilaterale Verhältnis - das sehr gute und enge Verhältnis mit unseren französischen Partnerbehörden und auch auf ministerieller Ebene - hinaus für ganz Europa. Selbstverständlich gibt es ein sehr etabliertes System von Informations- und Verfahrensaustausch genau über solche Fragen, die Sie gerade ansprechen. Selbstverständlich werden diese Systeme gerade nach einer solchen Lage wie nach Paris bedient und ein Informationsaustausch gewährleistet, der sozusagen in Echtzeit funktioniert und damit gewährleistet, dass die betroffenen Kolleginnen und Kollegen, die vor Ort in einer solchen Lage vor Entscheidungen gestellt sind, die hinreichenden Informationen zur Verfügung haben.

ZUSATZFRAGE: Die Frage stellt sich deshalb, weil ja im Moment auch SEK-Kommandos durch die Gegend geschickt werden, weil deutsche Bürger meinen, bestimmte Personen erkannt zu haben, die in Jobcentern ein- und ausgehen. Sie sagen mir, es gibt da keine zentralen Informationen Ihrerseits, ob irgendwelche bestimmte Personen in Deutschland sind oder sein könnten.

DR. DIMROTH: Ich muss zugeben: Ich verstehe die Frage, ehrlich gesagt, nicht ganz. Es gibt ein etabliertes System von Informationsaustausch innerhalb Europas und selbstverständlich auch innerhalb Deutschlands mit dem Bundeskriminalamt als zentraler Ansprechpartner für die Auslandskommunikation. Der Informationsfluss geht aus Deutschland heraus, und aus dem Ausland, insbesondere dem europäischen, nach Deutschland herein, und geht dann an die zuständigen Stellen in den Bundesländern.

Das ist ein etabliertes System. Das funktioniert insbesondere in solchen Lagen. Die Frage nach öffentlichen Ausschreibungen ist eine, die sich nach sehr engen rechtlichen Kriterien richtet, die wir in Deutschland dafür verabredet haben, wann man öffentlich beispielsweise ein Fahndungsersuchen ausschreibt.

Seien Sie gewiss: Wenn diese rechtlichen Voraussetzungen erfüllt wären und es aus operativer polizeitaktischer oder justizieller Sicht sinnvoll und geboten wäre, würde man von diesem Instrument Gebrauch machen. Aber wir haben hier eine Rechtskultur, die eben unter anderem das Ergebnis hat, dass wir das nur tun, wenn es auch bestimmte rechtliche Voraussetzungen gibt, die erfüllt sind. Die operativen und sozusagen verfahrensmäßigen Dinge müssen ohnehin zusätzlich erfüllt sein.

Noch einmal: Wenn aus Sicht der Verantwortungsträger diese Voraussetzungen vorlägen, dann würde man auch vor solchen Maßnahmen sicherlich nicht haltmachen.

ZUSATZFRAGE : Wer würde das dann entscheiden? Liegt das auf Bundesebene oder auf Länderebene?

DR. DIMROTH: Das ist - wie so vieles in diesem Kontext - grundsätzlich Sache der Länder.

FRAGE : Mich würde interessieren, ob heute im Kabinett möglicherweise darüber gesprochen worden ist, welche verfassungsrechtlichen Möglichkeiten es gibt, bei einer mit der Situation in Frankreich vergleichbaren Situation in Deutschland doch auf die Bundeswehr Rückgriff zu nehmen, oder ob darüber diskutiert worden ist, was gegebenenfalls an Voraussetzungen geschaffen werden kann, um für den absoluten Notfall auch solche Mittel anwenden zu können.

STS SEIBERT: Im Bundeskabinett war das in diesem Sinne kein Thema. Wir kennen die Diskussionen, die darüber jetzt geführt werden. Die grundgesetzliche Regelung und die grundgesetzlichen Einschränkungen sind aber auch bekannt. Als Regierungssprecher und für diese Bundesregierung habe ich Ihnen dazu jetzt nichts Weiteres mitzuteilen.

Weil ich mehrfach danach gefragt wurde: Es hat nach der heutigen Kabinettssitzung ein Gespräch der Bundeskanzlerin mit den für Sicherheitsfragen zuständigen Bundesministern gegeben. Ich will jetzt aber keine Verbindung zu der Frage nach einem Bundeswehreinsatz im Inneren herstellen. Ich sage nur: Es hat nach der heutigen Kabinettssitzung eine Sitzung der Bundeskanzlerin mit den für Sicherheit zuständigen Ministern gegeben. Das ist sozusagen ein Folgetreffen der Besprechung vom vergangenen Samstag in der gleichen Runde. Diese Runde besteht aus der Bundeskanzlerin, dem Chef des Bundeskanzleramtes, Minister Altmaier, sowie den Ministern Gabriel, Steinmeier, de Maizière, von der Leyen, Maas und Dobrindt.

ZUSATZFRAGE : Nur zur Klärung gefragt: Sie sagen, die Diskussion sei Ihnen bekannt. Aber gibt es diese Diskussion darüber, ob man gegebenenfalls Bedingungen schaffen sollte, um so einen Einsatz der Bundeswehr möglich zu machen, auch im Kabinett, oder geht diese Diskussion am Kabinett vorbei?

STS SEIBERT: Ich sage, dass das heute im Kabinett kein Thema war. Dass die Diskussion zum Teil geführt wird, hören Sie; das ist vielleicht in dieser Zeit auch nicht überraschend. Aber die Möglichkeiten sind im Grundgesetz abschließend geregelt, und diese Regelungen sind bekannt. Deshalb kann ich für diese Bundesregierung jetzt hier keine Überlegungen dazu vortragen.

FRAGE : Zwei kurze Fragen an Herrn Dimroth zur Absage des gestrigen Länderspiels: Hatten die Sicherheitsbehörden bereits in der Nacht zu Dienstag Hinweise auf einen Anschlag? Das wäre die erste Frage.

Die zweite: Ist geplant, auch in Zukunft GSG-9-Einsatzkräfte zu künftigen Großereignissen zu schicken, oder war das gestern in Hannover ein einmaliger Einsatz?

DR. DIMROTH: Vielen Dank für die Frage. Zu den Abläufen und zu den Gründen, die gestern zu der Entscheidung geführt haben, dieses Fußball-Länderspiel abzusagen: Auf Empfehlung der Sicherheitsbehörden und der daraus resultierenden Empfehlung des Bundesinnenministers hat der Bundesinnenminister gestern Abend sehr ausführlich Stellung genommen und die Öffentlichkeit informiert. Insofern kann ich zum ersten Teil Ihrer Frage schon nicht mehr sehr viel Neues beitragen. Sie fragten, ob es bereits vorher Hinweise gegeben hat, und der Bundesinnenminister hat zu dem Verlauf der Dinge gestern auch etwas gesagt, nämlich dass sich Hinweise in der letzten Phase vor der entsprechenden Empfehlung, die von ihm abgegeben wurde und der dann auch Folge geleistet wurde, entsprechend verdichtet hätten.

Was die Frage des Einsatzes von Spezialeinheiten der Bundespolizei angeht, wird es Sie auch da wenig überraschen, dass ich ganz grundsätzlich nicht zu operativen Einzelheiten dieses Themenkomplexes Stellung nehmen kann und werde. Auch hierbei kann ich nur darauf verweisen, dass Sie grundsätzlich davon ausgehen dürfen, dass die zuständigen Polizeiführer vor Ort - das sind in der Regel Beamtinnen und Beamte der Länder - gemeinsam in guter und vertrauensvoller Absprache und Vorabsprache mit den Bundebehörden, soweit sie beteiligt sind und deren Unterstützung angefordert ist, in jedem Einzelfall mit größter Sorgfalt, aber auch mit größter Aufmerksamkeit und Sensibilität eine Einsatzlage so bewerten, dass entsprechend die Einsatzkräfte angefordert werden, um dieser Lage Herr werden zu können.

FRAGE : Ich habe zwei kurze Fragen an Herrn Seibert. Können Sie sagen, ob es heute irgendwelche Ergebnisse der Sitzung des Sicherheitskabinetts gegeben hat? Gibt es irgendwelche Beschlüsse? Der Verkehrsminister war ja beispielsweise auch dabei. Gibt es besondere Sicherheitsmaßnahmen in Zügen, Fußballstadien etc.?

Zweitens. Können Sie kurz etwas zum gestrigen Ablauf sagen? Ich nehme an, als die Kanzlerin hier mit dem Flugzeug gestartet ist, war man ja wohl noch davon ausgegangen, dass das Spiel stattfinden wird. Wie ist es eigentlich vor Ort gelaufen? Ist Herr de Maizière unterrichtet worden und hat er das alleine oder in Rücksprache mit der Kanzlerin entschieden? Wie ist die gestrige Entscheidung eigentlich abgelaufen, das Spiel abzusagen?

STS SEIBERT: Der Innenminister hat in seiner Pressekonferenz gestern Abend in Hannover das Nötige zu den Abläufen gesagt. Darüber hinaus habe ich jetzt auch nichts für Sie an weiteren Details.

Die Besprechung der Bundeskanzlerin mit den für die Sicherheit zuständigen Minister ist, wie immer wenn die Bundeskanzlerin sich mit ihren Ministern berät, vertraulich.

ZUSATZ : Über das Kabinett berichten Sie ja normalerweise.

STS SEIBERT: Genau! Es war aber keine Kabinettssitzung.

ZUSATZ : Das war doch das Sicherheitskabinett.

STS SEIBERT: Der Begriff "Sicherheitskabinett" existiert in dem Sinne eigentlich gar nicht. Es war eine Begegnung der Bundeskanzlerin mit den für die Sicherheit zuständigen Ministern. Ich habe Ihnen gesagt, welche das sind. Es gibt immer wieder Besprechungen der Bundeskanzlerin mit einzelnen Ministern zu verschiedenen Themen. Diese sind vertraulich, und darüber unterrichten wir Sie nicht.

FRAGE SIEBERT: Herr Dimroth, gibt es inzwischen Erkenntnisse darüber, ob einer oder mehrere der Attentäter von Paris oder Saint-Denis über die Westbalkanroute und gegebenenfalls auch über Deutschland nach Frankreich eingereist sind?

DR. DIMROTH: Gesicherte Erkenntnisse dazu, die Ergebnis einer abschließenden Bewertung auch unserer Behörden wären, liegen mir dazu nicht vor.

ZUSATZFRAGE SIEBERT: Können Sie das nicht mitteilen, weil Sie diese Erkenntnisse nicht haben oder weil es die Bevölkerung zu sehr verunsichern würde, wenn Sie uns die Antwort darauf geben?

DR. DIMROTH: Ich bleibe zunächst bei dem sachlichen Teil Ihrer Frage und gebe meine Antwort von eben: Gesicherte Erkenntnisse dazu habe ich nicht. Das können Sie dem Antwortteil, den Sie mit dem ersten Teil Ihrer Frage erfragt haben, entnehmen.

Was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht, nehme ich an, dass Sie auf eine Teilbegründung des Bundesinnenministers gestern anspielen, was die Absage des Spiels angeht. Ich kann dazu nur darauf verweisen, dass der Bundesinnenminister sehr ausführlich begründet hat, warum er nicht in aller Detailtiefe Gründe nennen kann, die letztlich ausschlaggebend für diese sicher nicht einfache Entscheidung aller Betroffenen waren. Ein Teil dieser Begründung ist, dass solche Informationen von Menschen gewogen und betrachtet werden sollten, die dafür ausgebildet sind, die entsprechende Expertise und Erfahrung mitbringen. Das sind die Menschen, die in den Sicherheitsbehörden tagtäglich für die Sicherheit in unserem Land zuständig sind, die Verantwortung tragen und die insbesondere auch die hinreichende Besonnenheit mitbringen, um mit solchen Informationen angemessen umzugehen, um zu verantwortlichen Entscheidungen zu kommen, wie es gestern Abend geschehen ist.

FRAGE : Herr Dimroth, Ihr Minister hat gestern ausführlich erklärt, eigentlich wenig erklären zu wollen, um keine Verunsicherung entstehen zu lassen. Ich weiß gar nicht, ob das die Verunsicherung tatsächlich verhindert oder gar gemindert hat. Ich glaube aber durchaus, dass der Kreis, der hier versammelt ist, möglicherweise damit umgehen könnte. Also wäre es vielleicht eine vernünftige Lösung, dass wir "unter drei" gehen und Sie noch einmal ein bisschen über die gestrigen Abläufe reden, damit man das einordnen kann. So wird ja schön weiter spekuliert werden.

DR. DIMROTH: Dem Vorschlag könnte ich nur dann folgen, wenn ich Ihnen gleich das Einverständnis abringen müsste, dass ich Sie dann furchtbar enttäuschen müsste. Insofern würde ich den Vorschlag ungern aufnehmen.

Der Minister hat aus guten Gründen und auch begründet ausgeführt, warum er so viel zu den Gründen sagen kann, wie er gesagt hat.

Noch einmal: Ich finde es eigentlich mit Händen zu greifen, dass es richtig und vernünftig ist, solche Informationen dort zu belassen, wo Menschen mit Ausbildung, Expertise und Erfahrung und der daraus resultierenden Besonnenheit dort zu verantwortlichen Entscheidungen kommen, wo sie hingehören. Und das ist bei den Sicherheitsbehörden. Das ist aus guten Gründen, die ich gerade genannt habe, etablierte Praxis. Ich bin nicht bereit und gewillt, daran sozusagen die Axt anzulegen.

STS SEIBERT: Kurz bevor wir hier alle zusammenkamen, hat die Bundeskanzlerin im Kanzleramt noch eine kurze Erklärung dazu abgegeben. Ich weiß nicht, ob jeder von Ihnen diese mitbekommen hat. Ich zitiere daraus gerne: Sie hat darauf hingewiesen, dass die Sicherheitsbehörden in solchen Fällen sehr, sehr schwere Entscheidungen zu treffen haben, vielleicht die schwersten, die es überhaupt im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit gibt. Sie hat den Sicherheitsbehörden, der Polizei, und im Übrigen auch den Menschen in Hannover und der Nationalmannschaft, für ihre Ruhe und Besonnenheit in dieser schwierigen Situation gedankt. Die Entscheidung ist im Zweifel für die Sicherheit und den Schutz der Menschen in Hannover gefallen.

ZUSATZ : Herr Seibert, die Bundeskanzlerin ist ja damit ähnlich tief ins Detail gegangen wie der Minister gestern.

STS SEIBERT: Das ist auch richtig so.

FRAGE : Herr Dr. Schäfer, aus Paris kommt die Meldung, dass alle Opfer des schrecklichen Anschlags identifiziert seien. Haben Sie womöglich aktualisierte Erkenntnisse, inwiefern deutsche Staatsbürger betroffen sein könnten?

Herr Dimroth, es ist gerade die Meldung gekommen, dass die Deutsche Fußball Liga an den Bundesligaspielen des Wochenendes festhalten will. Ist dem auch eine Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium und den Bundessicherheitsbehörden vorausgegangen?

DR. SCHÄFER: Mein Stand ist der, der auch Ihnen bekannt ist, dass es bei den schrecklichen Ereignissen von Freitagnacht zwei deutsche Todesopfer gegeben hat. Das ist aber, so denke ich, noch kein definitives letztes Wort. In diesen Fällen kommt es immer einmal wieder vor, dass es entweder Missverständnisse oder Fehler gibt oder dass etwa Doppelstaatler von den französischen Behörden als Franzosen behandelt werden, die dann aber von anderen Nationen natürlich als eigene Staatsangehörige angesehen werden. Deshalb kann ich hier nur sagen: leider zwei deutsche Opfer definitiv. Darüber hinaus kann ich nicht ausschließen, dass es noch andere Fälle gibt. Ich halte das aber für wenig wahrscheinlich.

DR. DIMROTH: Ich kann nur sagen, dass ich die Agenturmeldung nicht kenne, weil ich seit geraumer Zeit hier mit Ihnen im Raum sitze und kann deswegen auch abschließend dazu nichts sagen.

Ganz grundsätzlich gilt selbstverständlich, dass wir alles dafür tun werden, dass Veranstaltungen jedweder Art stattfinden können und möglichst ungestört stattfinden können. Ganz grundsätzlich gilt auch für die Zukunft, dass wir, soweit Hinweise vorliegen sollten, diese genauso sorgsam und genauso ernsthaft betrachten, wie wir das in den Vergangenheit getan haben und mit den Betroffenen und den Verantwortlichen gegebenenfalls zu passgenauen Entscheidungen kommen werden.

ZUSATZFRAGE : Der Minister hat gestern neben Herrn Rauball gesessen, der ja für die Deutsche Fußball Liga spricht. Wurde dort vereinbart, in Kontakt zu bleiben?

DR. DIMROTH: Das bedurfte, ehrlich gesagt, gestern Abend keiner Vereinbarung, weil sowohl institutionell zwischen uns und der Deutschen Fußball Liga ein sehr steter und vertraulicher Austausch stattfindet als auch zwischen den beiden Personen, die Sie gerade angesprochen haben.

FRAGE : Herr Dimroth, war es eigentlich gerade ernst gemeint oder haben Sie mit einem Augenzwinkern gesagt, dass sich der Minister gestern ausführlich bei der Pressekonferenz geäußert hat?

Mich würde interessieren, ob es eigentlich von einem Minister verantwortungsbewusst ist, zu sagen "Ich kann Teile der Informationen, die ich habe, nicht herausgeben, weil das dann die Bevölkerung verunsichern würde"? Das ist ja im Grunde eine selbsterfüllende Prophezeiung. Genau so ein Satz verunsichert ja die Bevölkerung.

DR. DIMROTH: Die erste Frage können wir vielleicht grundsätzlich zwischen uns beiden klären. Sie dürfen davon ausgehen, dass das, was ich hier sage, immer ernst gemeint ist. Insofern gilt das auch für die Antwort von eben.

Was den zweiten Teil der Frage angeht, habe ich eben ausgeführt. Ich glaube, es ist mehr oder weniger eine Selbstverständlichkeit, dass Informationen, die eine gewisse Sensibilität aufweisen, die letztlich auch nur bewertbar sind, wenn sie in ein Gesamtbild gestellt werden, von denjenigen - und zwar möglichst ausschließlich von denjenigen - zur Kenntnis genommen und bewertet werden, die dafür - ich kann mich nur wiederholen - ausgebildet sind, die die entsprechende Erfahrung mitbringen, weil Dritte möglicherweise andere und unzutreffende Schlüsse aus solchen Informationen ziehen könnten und würden. Deswegen ist es genau so richtig, wie es gelaufen ist. Es läuft hoffentlich zukünftig auch so.

ZUSATZFRAGE : Nun war Hannover gestern schon vor den Hinweisen ein Hochsicherheitstrakt, besonders um das Stadion herum. Wie wollen Sie der Öffentlichkeit eigentlich jetzt noch sagen, was man in Deutschland noch schützen kann, wenn nicht ein Fußballstadion, das schon ein Hochsicherheitstrakt ist? Wie wollen Sie das in Zukunft bewerkstelligen?

DR. DIMROTH: Zunächst würde ich, wie so häufig - ehrlich gesagt, finde ich das in solchen sensiblen Bereichen noch unerfreulicher -, jetzt ungerne mit Ihnen Wortklaubereispielchen betreiben und in mein Statement ungern mit das Wort "Hochsicherheitstrakt" aufgenommen wissen. Das würde ich mitnichten so teilen. Insofern wäre es auch vielleicht für die Zukunft eine Bitte meinerseits, darauf, wenn möglich, zu verzichten. Es kostet immer Zeit und Mühe, das jedes Mal auszuräumen.

Ganz grundsätzlich gilt, was ich gesagt habe und was der Minister gestern gesagt hat: Die Sicherheitsbehörden erhalten gerade nach den vergleichbaren Ereignissen wie denen von Paris grundsätzlich eine Vielzahl von Hinweisen und Informationen. Der Minister hat nicht umsonst um einen Vertrauensvorschuss gebeten, dass nämlich diejenigen, die diese Informationen bewerten, die, wie Herr Seibert gerade ausgeführt hat, vor die schwierige und im Einzelfall sehr schwierige Entscheidung gestellt sind, wie damit umzugehen ist und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, in Deutschland die richtigen Schlüsse ziehen.

Insofern stellt sich der zweite Teil Ihrer Frage für mich in dem Sinne nicht, denn die Verfahren, die dafür etabliert sind, sind so, dass Sie davon ausgehen dürfen, dass hinreichend hinterlegt ist, wie es um die Sicherheit in jedem Einzelfall bestellt ist. Daran, dass die Menschen, die vor Ort tatsächlich für die Sicherheit der Veranstaltung zuständig sind, im engen Austausch mit allen zuständigen Sicherheitsbehörden in Deutschland zu angemessenen und verantwortungsvollen Entscheidungen kommen, habe ich jedenfalls keinen Zweifel.

FRAGE : Meine Frage richtet sich an Herr Flosdorff und Herr Dr. Dimroth in Kombination. Die Bundeswehr hat in den vergangenen Jahren häufig den Wachschutz Ihrer eigenen Liegenschaften auf private Wachdienste umgestellt. Mich würde interessieren, ob es Planungen gibt, daran vielleicht Änderungen vorzunehmen, dass die Bundeswehr dies wieder selbst übernimmt oder dass vielleicht die Bundespolizei oder die Polizeien der Länder dies übernehmen. Es wird ja auch viel davon gesprochen, welche Aufgaben die Bundeswehr vielleicht an Stelle der Polizei übernehmen könnte. Das würde mich einfach interessieren.

FLOSDORFF: Was den ersten Teil Ihrer Frage angeht, so wird immer dort, wo es vertretbar ist, abgewogen, ob ein Wachdienst, der übrigens nicht irgendein Wachdienst, sondern ein zertifizierter Wachdienst mit den entsprechend notwendigen nachgewiesenen Fähigkeiten ist, (diese Aufgaben übernimmt). Es gibt im Moment keine Überlegungen, das noch einmal zu überprüfen, weil auch schon die Gefährdungslage, die für die vergangenen Jahre galt, die aktuelle Gefährdungslage ist und sehr sorgfältig erwogen wird, inwiefern das in jedem Einzelfall zu entscheiden ist.

DR. DIMROTH: Eine Aufgabenübernahme - oder eine Planung dazu - durch die von Ihnen angesprochenen Institutionen aus dem Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums ist mir nicht bekannt.

ZUSATZFRAGE : Und anders herum, also Aufgaben aus dem Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums übertragen an das BMVg und - -

DR. DIMROTH: Das ist mir auch nicht bekannt.

FRAGE: Herr Seibert, gestern hieß es, dass es in Bezug auf die Geschehnisse in Hannover keine Festnahmen gegeben habe. Kann man heute etwas über den Stand der Ermittlungen erfahren, ob es doch Verhaftungen oder Durchsuchungen von Objekten gab?

DR. DIMROTH: Ich befürchte, über das hinaus, was Sie gerade als bekannt vorausgesetzt haben, kann ich wenig beitragen, was aber auch einen guten Grund hat. Der liegt schlichtweg darin, dass für die Exekutivmaßnahmen vor Ort und für gegebenenfalls auch justizielle Maßnahmen die Behörden des Landes Niedersachsen verantwortlich sind. Die werden Sie sicher, soweit Verfahrensschritte erreicht sind, die für die Öffentlichkeit von Interesse sind, darüber auch informieren.

FRAGE : Herr Dimroth, zur Absage des Länderspiels gestern: Haben sich die Hinweise, die gestern zur Absage geführt haben, bereits jetzt als nicht stichhaltig erwiesen oder laufen die Ermittlungen noch weiter?

DR. DIMROTH: Für ein Fazit, wie von Ihnen gerade formuliert, ist es sicher zu früh. Es bleibt im weiteren Verlauf abzuwarten, inwieweit die Maßnahmen, wie gerade beschrieben, in Verantwortung der Landesbehörden des Landes Niedersachsen abgearbeitet werden, zu weiteren Ergebnissen führen. Insofern bleibt der Abschluss dieser Prozesse abzuwarten, bevor man zu einem Fazit, wie dem von Ihnen genannten, kommt.

Eines bleibt jetzt richtig: Man wird eine solche Entscheidung wie gestern Abend nie alleine daran messen können, ob sie richtig oder falsch war, was Exekutivmaßnahmen an Ergebnissen gebracht haben. Sondern man wird immer in der Situation entscheiden müssen, bevor man eine solche Entscheidung trifft. Wenn man immer die Geschichte vom Ende her kennen könnte, wären solche Entscheidungen nicht so schwer wie gerade beschrieben.

Nur, um das ganz klar zu machen: Alleine der Ausgang dieser Exekutivmaßnahmen ist kein Indikator für die Beantwortung der Frage, ob die Entscheidung von gestern Abend richtig oder falsch war.

FRAGE: Sind die Ermittlungen nur Sache des Landes Niedersachsen? Ich nehme an, dass das auch eine bundesweite Geschichte ist, also ermitteln auch BKA und vielleicht das Innenministerium.

DR. DIMROTH: Das Bundesinnenministerium ist aufgrund der verfassungsrechtlichen Ordnung nie sozusagen unmittelbar in Ermittlungen einbezogen. Das Bundeskriminalamt ist es dann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere wenn die Landesbehörden darum ersuchen. Nach meinem Kenntnisstand ist es jedenfalls so, dass die Exekutivmaßnahmen selbst vor Ort in Verantwortung der niedersächsischen Landesbehörden ablaufen, was nicht heißt, dass es keinen sehr engen Austausch mit den Sicherheitsbehörden des Bundes gibt. Wie Sie wissen, gibt es beispielsweise hier in Berlin das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum, wo tagtäglich die Verantwortlichen der Bundessicherheitsbehörden gemeinsam mit Entsendeten aus den Sicherheitsbehörden und den Polizeien der Länder am Tisch sitzen, um in Echtzeit alle Informationen, die kommen, zu bewerten, um dann gemeinsam zu einem entsprechenden Lagebild zu kommen, das dann wiederum Grundlage für bestimmte Exekutivmaßnahmen sein kann, was aber nach der föderalen Sicherheitsarchitektur nichts daran ändert, dass zunächst einmal die jeweils örtlich betroffenen Landesbehörden zuständig sind.

FRAGE: Während wir hier sitzen, hat das Nachrichtenmagazin "FOCUS" berichtet, dass in der Türkei acht Marokkaner festgenommen worden sind, nachdem sie angegeben hatten, Urlaub machen zu wollen. In Hotels gab es keine Reservierungen unter ihre Namen, allerdings wurden Papiere gefunden, wonach sie angeblich als Flüchtlinge nach Deutschland reisen wollten.

Herr Minister de Maizière hat gestern gesagt, dass die Berichte über einen syrischen Pass, der in Paris gefunden wurde, vielleicht Teil einer gelegten Spur seien.

Ich würde gerne von Herrn Dr. Schäfer bzw. Herrn Dr. Dimroth wissen, ob Sie irgendetwas zu diesen Berichten zu sagen haben und ob Sie überhaupt etwas zu der Gefahr sagen können, dass als Flüchtlinge getarnte Terroristen hier als Flüchtlinge ankommen.

DR. DIMROTH: Ich kann gerne beginnen - vielen Dank für die Frage. Zunächst einmal hat der Minister gestern letztlich zum Ausdruck gebracht, dass auch in Bezug auf den aufgefundenen syrischen Pass noch nicht alle Fragen abschließend von den französischen Behörden geklärt sind. Bevor das nicht der Fall ist, wäre es jedenfalls vorschnell, wie auch immer geartete Schlüsse aus der Tatsache des Auffindens des Passes zu ziehen. Das ist das eine.

Das andere ist, dass wir, wie auch schon mehrfach öffentlich zum Ausdruck gebracht, in der Vergangenheit eine Reihe von Hinweisen bekommen haben, dass es, wie von Ihnen gerade angesprochen, einen Konnex zwischen Flüchtlingsbewegungen und einem möglichen Bezug zu Terroristen gibt, wir aber glücklicherweise bis heute in keinem einzigen Fall dieser Hinweise einen entsprechenden Konnex feststellen konnten.

DR. SCHÄFER: Zu konkreten Fällen kann und will ich mich nicht äußern; das ist auch gar nicht die Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes. Was ich sagen kann ist, dass wir es sehr begrüßen, dass es auch bei der Terrorismusbekämpfung und bei der Kriminalitätsbekämpfung eine enge und gute Zusammenarbeit mit der Türkei gibt, die im Lichte der aktuellen Ereignisse noch weiter ausgebaut und intensiviert werden soll.

FRAGE : Herr Seibert, was sagt die Bundesregierung den Menschen, die jetzt nach Paris Angst haben, dass ihre Grund- und Freiheitsrechte noch weiter im Namen der Sicherheit eingeschränkt werden?

STS SEIBERT: Zunächst einmal hat die Bundeskanzlerin bereits am Samstagmorgen das gesagt, was, glaube ich, für alle in der Bundesregierung als Reaktion auf die Attentate, die Anschläge dort gilt: Einerseits herrscht Entsetzen über solche Taten, andererseits gibt es die feste Entschlossenheit, dass wir - und das heißt: nicht nur wir in Deutschland, sondern wir in Europa, wir überhaupt in der freien Welt - uns unser freies Leben nicht von Terroristen verderben lassen werden, dass wir zu der Freiheit dieses Lebens stehen und dass wir es im Übrigen auch für unsere größte Stärke halten.

Ich sehe im Moment auch überhaupt keine Einschränkungen dieser Art. Deswegen wäre es jetzt, glaube ich, falsch, sich auf solche Fragen zu konzentrieren. Es ist jetzt erst einmal notwendig, aufzuklären, wer die Täter und wer die Hintermänner dieser Terroranschläge waren; es ist notwendig, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen und die Sicherheitskräfte auch dabei zu unterstützen; und es ist notwendig, dass wir uns als Bürger freier Länder an unsere Werte erinnern und diese Werte aufrecht und selbstbewusst leben.

ZUSATZFRAGE : Die Frage war ja eine erfahrungsbasierte Frage, denn nach den großen Terroranschlägen in den letzten Jahren gab es ja immer verschärfte Gesetze in Sachen Einschränkung von Freiheits- und Grundrechten. Herr Dimroth, plant Herr de Maizière weitere Einschränkungen der Freiheits- und Grundrechte in Deutschland im Namen der Sicherheit?

DR. DIMROTH: Da meine Bitte ungehört verhallt ist, muss ich Ihnen leider schon wieder in dem vermeintlichen Tatsachenkern Ihrer Frage widersprechen: Der Schluss, dass es immer dann, wenn es zu terroristischen Anschlägen gekommen ist -

ZUSATZ : "Immer" habe ich nicht gesagt.

DR. DIMROTH: - so haben Sie es gesagt; aber jetzt darf ich bitte kurz reden -, ist schlicht falsch und insofern weise ich das zurück. Noch einmal: Wir können dieses Spielchen immer weiter spielen.

Das Zweite ist, dass der Minister sehr besonnen und sehr überlegt gesagt hat: Die Gebote der Stunde lauten Aufklärung und Vorbeugung. Insbesondere bei dem Teil der Aufklärung ist noch ein gutes Stück Arbeit zu tun - vor allem für die französischen Sicherheitsbehörden, die wir immer da, wo möglich und rechtlich zulässig, bei diesen Aufklärungsarbeiten unterstützen. Für Schlüsse wie die von Ihnen gerade angesprochenen ist es heute jedenfalls deutlich zu früh.

VORS. MAIER: Herr Seibert hat noch zwei Nachträge zu machen. - Bitte schön.

STS SEIBERT: Genau. Der eine betrifft das Thema Flüchtlinge; das ist der Nachtrag für Herrn Jung, den ich sozusagen jetzt schon abliefere: Die Zahl der winterfesten Unterkünfte für Flüchtlinge steigt von Tag zu Tag, aber dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Das ist mein Nachtrag dazu.

Des Weiteren muss ich mich entschuldigen, dass ich in der Fülle der energiepolitischen Themen den ersten Klimaschutzbericht, nach dem gefragt wurde, doch tatsächlich unterschlagen habe. Das soll natürlich nicht so sein, und es ist gut, dass wir ein Bundesministerium für Umwelt haben und Frau Stamer Ihnen dazu vielleicht noch ein paar Details nachliefern kann. - Vielen Dank.

STAMER: Es ist so, dass, wie vorgesehen das Kabinett heute auf Vorschlag von Bundesumweltministerin Hendricks den Klimaschutzbericht 2015 verabschiedet hat. Dieser Bericht zieht eine erste Bilanz zur Umsetzung des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020, das im Dezember des vergangenen Jahres beschlossen worden war. Sie wissen, dass in diesem Aktionsprogramm eine Reihe von Maßnahmen festgeschrieben worden sind, damit wir unser Klimaschutzziel, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent zu mindern, erreicht werden kann. Als Fazit des Klimaschutzberichtes lässt sich sagen: Unser Aktionsprogramm macht gute Fortschritte. Wir haben eine Reihe von Maßnahmen in die Wege geleitet; einiges konnte bereits vollständig umgesetzt werden. Mit dem Bericht geben wir im Vorfeld der Pariser Klimakonferenz eine klare Botschaft: Deutschland wird sein Klimaschutzziel von minus 40 Prozent bis 2020 erreichen.

FRAGE : Zur Winterfestigkeit der Flüchtlingsunterkünfte: Herr Seibert, könnten Sie die Angabe quantifizieren? Ist die Hälfte fertig, sind 90 Prozent fertig?

STS SEIBERT: Nein, ich kann das nicht quantifizieren und ich kann auch keine weiteren Zahlen nachliefern.

VORS. MAIER: Dann hat das Auswärtige Amt noch eine Reiseankündigung nachzuliefern. - Bitte schön.

DR. SCHÄFER: Vielen Dank, Frau Vorsitzende. - Der Bundesaußenminister plant, heute Abend zu einer seit Langem geplanten Reise - seiner fünften - nach Afrika aufzubrechen. Der Plan ist, dass er vier Länder im südlichen und östlichen Afrika aufsucht: Mosambik, Sambia, Uganda und zum Abschluss auch Arusha in Tansania, wo er Begegnungen mit Vertretern der Ostafrikanischen Gemeinschaft haben wird.

Wie immer steht eine solche Reise unter dem Vorbehalt von Entwicklungen, die seine Präsenz in Berlin oder anderswo erforderlich machen könnten, und wie immer ist sehr sorgfältig abgewogen worden, ob im Lichte der aktuellen Entwicklungen in Europa und in Deutschland eine solche Reise angetreten werden kann. Wir glauben allerdings, dass auch das, was geschehen ist, uns nicht daran hindern soll, gewissermaßen das normale diplomatische Geschäft weiterzuführen. Im Übrigen - auch das haben wir in der letzten Woche ja sehr öffentlichkeitswirksam in Valletta mit unseren afrikanischen Partnern diskutiert - ist Afrika ein ganz wichtiger Gesprächspartner bei allen Themen im Zusammenhang mit Terrorbekämpfung und Flüchtlingsströmen. Ich kann Ihnen versichern: Es ist sichergestellt, dass der Außenminister jederzeit und regelmäßig unterrichtet ist, seine Kontakte und Gespräche natürlich auch auf der Reise fortsetzen kann und natürlich, falls erforderlich, auch die Reise verändert oder abgekürzt wird.

Den Außenminister begleitet eine sehr große Delegation aus Abgeordneten des Deutschen Bundestages, aus der deutschen Wirtschaft und aus der deutschen Kultur. Wir möchten damit zum Ausdruck bringen, dass Afrika für uns - für Deutschland, für Europa - wichtig ist und wir gerne einen möglichst breit angelegten Dialog auf Augenhöhe führen wollen. Nicht zuletzt haben alle vier Länder, die der Außenminister besucht, großes ökonomisches Potenzial. Mosambik etwa hat sich nach einem langen und sehr bitteren Bürgerkrieg als eines der ärmsten der Länder der Welt Wachstum erarbeitet. Wir sehen überall in diesen Staaten gute und große Chancen für die deutsche Wirtschaft, gleichzeitig gute Geschäfte zu machen und dabei die Entwicklungen in diesen Ländern in positiver Weise zu beeinflussen. Natürlich wird es auch einen intensiven kulturpolitischen und auch sicherheitspolitischen Dialog mit den Gesprächspartnern von Herrn Steinmeier geben. - Ich danke Ihnen.

FRAGE : Herr Schäfer, welche Wirtschaftsvertreter werden den Minister begleiten, können Sie das sagen oder nachreichen?

DR. SCHÄFER: Wir machen das, glaube ich, immer so, dass wir dann sehen, wer tatsächlich an Bord ist. Auch Wirtschaftsvertreter haben manchmal Zwänge, die es ihnen unmöglich machen, an solchen Reisen teilzunehmen. Kollegen von Ihnen nehmen an dieser Rede teil und sitzen im gleichen Flugzeug, insofern: Öffentlicher geht es nicht.

ZUSATZFRAGE : Die Frage wurde aber hier gestellt, also können Sie das vielleicht nachreichen.

DR. SCHÄFER: Ja, absolut, aber ich sage Ihnen: Ich kann Ihnen das noch nicht sagen, weil die Reise ja noch gar nicht begonnen wurde.

FRAGE : Ich habe noch eine Frage nach den möglichen weiteren militärischen Implikationen der Terrorangriffe bzw. des EU-Bündnisfalls. Herr Flosdorff, in den vergangenen Tagen ist ja schon von einer möglichen Erweiterung der Mission in Mali die Rede gewesen. Es hat eine "Fact Finding Mission" des Ministeriums gegeben. Was hat das ergeben, was planen Sie in Mali - wird das erweitert? - und was hat sich möglicherweise in den vergangenen Tagen an diesen Planungen geändert? Was kommt sozusagen im Zusammenhang mit einer Entlastung der Franzosen auf die Bundeswehr zu?

FLOSDORFF: Darüber wird erst dann umfangreich berichtet, wenn alles an Erkundungen abgeschlossen ist. Eine Erkundungsmission ist in der Tat dort gewesen und hat gesagt: In Bezug auf die Frage, dass wir uns im Rahmen unseres Engagements über die Vereinten Nationen im Norden Malis - wir sind ja schon im Süden Malis über EUTM Mali im Rahmen der Ausbildung sehr engagiert - stärker einbringen wollen, sieht es gut aus. Die Ersterkundungsmission ist zurückgekommen, eine zweite ist aktuell in dieser Woche unterwegs und es wird gegen Jahresende auch noch eine dritte Mission zur Feinerkundung geben. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass ich hier jetzt nicht ins Detail gehen werde.

ZUSATZFRAGE : Ist es denn Teil der Überlegungen der Bundesregierung, vor dem Hintergrund - -

FLOSDORFF: Wie die Bundesministerin gestern schon in Brüssel gesagt hat, ist das auch Teil der Überlegungen, und genauso wurde es auch den französischen Partnern übermittelt.

FRAGE : Auch in diesem Zusammenhang, aber an Herrn Seibert und vielleicht auch an das Bundesfinanzministerium: Gestern hat der französische Ministerpräsident darauf hingewiesen, dass im Rahmen des Antiterrorkampfs sehr viele neue Stellen geschafft werden müssten und die Ausgaben des Staates erhöht werden müssten. Gleichzeitig wissen wir, dass das Maastricht-Kriterium von Frankreich nicht eingehalten wird und wahrscheinlich auch im nächsten und im übernächsten Jahr nicht eingehalten werden wird. Es gibt in Frankreich seit Längerem eine Diskussion darüber, ob man Militärausgaben herausrechnen solle. Der französische Ministerpräsident hat gestern darum gebeten, dass man die erhöhten Anstrengungen Frankreichs im Kampf gegen den Terrorismus auch in Rechnung stellt. Hat die Bundesregierung Verständnis dafür, wenn Frankreich nun das Defizitkriterium vielleicht auch aufgrund eines erhöhten militärischen oder Antiterror-Engagements nicht einhalten kann?

STS SEIBERT: Das ist zunächst einmal ja gar keine Angelegenheit zwischen Deutschland und Frankreich oder Frankreich und irgendeinem anderen Mitgliedsland, sondern eine Angelegenheit zwischen Frankreich und der Europäischen Kommission, die nicht nur die Hüterin der Verträge, sondern auch die Hüterin der Maastricht-Kriterien ist. Nach unserer Überzeugung ist da bereits eine erhebliche Flexibilität eingebaut. Mit anderen Worten: Das wird in der Kommission zu beurteilen sein. - Ich weiß nicht, ob das BMF ergänzen will.

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Genau. Die Kommission hat sich gestern ja auch schon dazu geäußert. Der Pakt sieht ja keine grundsätzliche Herausrechnung bestimmter Ausgabenkategorien vor, aber wie Herr Seibert sagt, hat der Pakt genügend Flexibilität eingebaut, um auch auf unvorhergesehene Entwicklungen wie jetzt in Frankreich reagieren zu können. Über die Umsetzung des Paktes wacht die Kommission.

FRAGE: Es gibt ja jetzt - seit gestern zu beobachten - ein koordiniertes Vorgehen Russlands und Frankreichs, was das militärische Vorgehen in Syrien angeht. An Herrn Seibert oder Herrn Dr. Schäfer: Wie beurteilt die Bundesregierung diese Annäherung? Kann man das als ein Einschwenken Europas darauf lesen, jetzt doch mit Russland - und in Klammern: mit Assad - stärker gegen den IS vorzugehen?

DR. SCHÄFER: Ich glaube, man kann sagen - und das sagen wir nicht zum ersten Mal, sondern wir haben das in den letzten Monaten immer gesagt -: je breiter die Koalition gegen ISIS und je kongruenter und je klarer die gemeinsamen Ziele, die man sich gesteckt hat, umso besser. Wenn es jetzt zwischen Frankreich und Russland, zwischen der bisherigen Anti-ISIS-Koalition und Russland oder anderen zu einer Annäherung und zu einer engeren Zusammenarbeit kommt, so glaube ich, dass es keinen Grund für die Bundesregierung gäbe, das nicht zu begrüßen. Mir scheint bislang - wie soll man sagen - die Indizienkette, die Sie da aufgezeigt haben - ich habe diesbezüglich gestern auch die Agenturmeldungen sehr aufmerksam mitverfolgt -, noch nicht so stichhaltig zu sein, dass wir jetzt schon sagen können: Das ist alles eine Politik aus einem Guss, die da in Syrien vonstattengeht.

Ich habe den Außenminister am Samstag aber nach Wien zu den Syrien-Verhandlungen begleitet, und auch da gilt - das haben übrigens auch schon die Amerikaner in gleicher Weise gewürdigt -, dass das Vorgehen der russischen Föderation, der russischen Regierung sehr konstruktiv war und dass der russische Außenminister Lawrow einen wichtigen und sehr konstruktiven Beitrag dazu geleistet hat, dass es zu der Einigung von Wien gekommen ist, die, wie Sie wissen, einen konkreten, mit Zeiten belegten Fahrplan für die Schaffung eines Waffenstillstands und eines politischen Übergangsprozesses vorsieht. Wir glauben, dass das wichtige Schritte in die richtige Richtung sind, und würden es sehr begrüßen, wenn wir auch in Zukunft auf diesem Weg mit Russland und mit anderen Partnern weiter zusammenarbeiten könnten.

FRAGE : Herr Schäfer, vor sechs Wochen haben Sie bzw. Ihre Vertreterin hier gesagt, dass Sie großes Verständnis für die französischen Luftangriffe in Syrien hätten, und gleichzeitig haben Sie gesagt, dass Sie große Sorge wegen der russischen Luftangriffe in Syrien hätten. Nun haben sich ja beide zusammengetan: Hat man jetzt für die russischen Bombardierungen auch Verständnis oder hat man bei den französischen Luftangriffen nun auch große Sorge?

Zweitens. Da Russland ja der Alliierte von Assad ist und Frankreich und Russland jetzt Alliierte gegen ISIS sind: Ist Frankreich jetzt der Alliierte von Assad und ist Deutschland damit auch ein Alliierter von Assad?

DR. SCHÄFER: Gerade wurde ja schon eine ähnliche Frage gestellt, und ich bin die Antwort darauf noch schuldig geblieben - insofern ist es gut, dass Sie da noch einmal nachhaken.

Das so gegeneinanderzustellen, wie das im Übrigen von mir gesagt wurde, finde ich ganz schön unredlich, weil Sie dabei den Kontext völlig außer Acht lassen. Meine Äußerung an die Adresse der russischen Regierung war die auch aus jetziger Sicht zutreffende Analyse, dass die Luftangriffe, die von Russland damals geflogen wurden, als Luftangriffe gegen ISIS geflogen und angekündigt wurden, dass aber nur ein ganz kleiner Teil dieser Luftangriffe belegbar gegen ISIS gerichtet war und ein anderer Teil - ein sehr viel größerer Teil - dieser Luftangriffe andere Ziele - andere militärische, aber womöglich auch andere politische Ziele - verfolgt hat, nämlich an den Stellen, an denen es unmittelbare Konfliktlinien zwischen der Armee von Präsident Assad und Kräften oppositioneller Militärgruppierungen gab, zu operieren. Das ist der Grund dafür, dass ich bezüglich der Sorge, die ich damals geäußert habe, nichts zurückzunehmen habe.

So holzschnittartig, wie Ihre Frage - sie ist bestimmt nicht so gemeint - rüberkommt, nach dem Motto "Der ist Bündnispartner von dem, der von dem, und damit auch der mit dem und dann auch die mit denen", scheint mir das jetzt doch etwas simplifiziert zu sein. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Russland hat sich in den letzten Wochen belegbar mit uns und mit anderen Partnern - auch mit den wichtigsten Vertretern der Anti-ISIS-Koalition konstruktiv auseinandergesetzt. Wir sind da zu gemeinsamen Schritten in die richtige Richtung gekommen. Wir haben mit Russland und mit Iran ausdrücklich kein gemeinsames Verständnis über den Umgang mit der Personalie Assad. Was wir aber am vergangenen Samstag erreicht haben, ist ein großer Schritt vorwärts, weil es uns gelungen ist, die Personalie Assad aus dem Weg zu räumen, sie in die Zukunft zu verlagern und sie nicht einem politischen Prozess, einem Weg Richtung Waffenstillstand im Weg stehen zu lassen - der in unserem Interesse ist, weil er ein Ende des Leids der Menschen in Syrien bedeuten kann und weil er vielleicht auch eine Reduzierung des Flüchtlingsdr uckes bedeuten kann.

Noch einmal: Wir hoffen, dass in den nächsten Wochen auch Russland weiter so konstruktiv mitarbeiten wird, dass wir eine echte Chance bekommen, den Fahrplan, der am letzten Samstag in Wien vereinbart worden ist, dann auch in die Tat umzusetzen. Dazu gehört auch, dass Russland seinen Teil dazu beitragen kann, die oppositionellen Gruppen, die wir brauchen, um mit dem Assad-Regime in Gespräche über Übergangsprozesse einzutreten, dann auch tatsächlich an den Verhandlungstisch zu bringen.

ZUSATZFRAGE : Anders gefragt: Ist Russland für die Bundesregierung schon ein Alliierter im Kampf gegen ISIS in Syrien oder noch nicht?

DR. SCHÄFER: Russland ist für uns ein ganz wichtiger und vielleicht sogar entscheidender Gesprächspartner in dieser Frage.

Mittwoch, 18. November 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 18. November 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/11/2015-11-18-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2015

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