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PRESSEKONFERENZ/1214: Regierungspressekonferenz vom 4. Mai 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 4. Mai 2016
Regierungspressekonferenz vom 4. Mai 2016

Themen: Kabinettssitzung (Reform des Mutterschutzgesetzes, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Bundesarchivrechts, Entwicklung bei Integrationskursen und berufsbezogenen Deutsch-Sprachförderungskursen, Reise des Bundesaußenministers nach Mali und Niger), innenpolitische Lage in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Waffenstilland in der Ostukraine, Vorschläge der Europäischen Kommission zur Reform der europäischen Flüchtlingspolitik, Reise der Bundeskanzlerin nach Rom, bevorstehendes Treffen im Normandie-Format, Syrien-Gespräche in Berlin, deutsch-israelisches Verhältnis, Hilfsprogramme für Griechenland, Cum-Cum-Aktiengeschäfte, Interview mit Jan Böhmermann in der "ZEIT", Transatlantisches Freihandelsabkommen, Zahlungen von Bundesministerien an die Clinton Foundation

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Ewald (BMG), Plate (BMI), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Kujawa (BMWi), Fichtner (BMUB), Mänz (BMZ)


Vorsitzende Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich habe Diverses aus dem Kabinett zu berichten.

Zunächst hat die gerade aus dem Mutterschutz zurückgekehrte Familienministerin dem Kabinett eine Reform des Mutterschutzgesetzes vorgelegt. Das Mutterschutzgesetz als solches gilt seit 1952, ist seitdem nur geringfügig geändert worden und soll durch diese geplante Reform nun zeitgemäß gefasst werden. Es sind neuere gesundheitswissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Entwicklungen eingeflossen.

Einige konkrete Punkte: Die Schutzfrist nach der Geburt eines Kindes mit Behinderung soll von acht auf zwölf Wochen verlängert werden, weil die Geburt in solchen Fällen für die Mutter oft mit besonderen körperlichen und auch besonderen psychischen Belastungen verbunden ist. Neu eingeführt wird ein Kündigungsschutz für Frauen, die eine Fehlgeburt nach der zwölften Woche erlitten haben. Zudem wird ein Ausschuss für Mutterschutz eingerichtet, der Betriebe und Behörden in den Umsetzungsfragen, die sich da stellen, berät und begleitet.

Ziel dieser Neuregelung ist, ein für alle Frauen einheitliches Gesundheitsschutzniveau in der Schwangerschaft und in den ersten Wochen nach der Entbindung sicherzustellen. Mütter im Studium, Mütter in der Schule werden erstmals in diese Regelungen einbezogen. - Soweit die Reform des Mutterschutzrechtes.

Der Bundesgesundheitsminister hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vorgelegt. Wenn ich es ins Deutsche übersetze und sage "Medizinalhanf für therapeutische Zwecke", dann können Sie sich schon eher etwas darunter vorstellen. Es geht um schwerkranke Menschen, für die es keine Therapiealternativen gibt und die künftig Cannabis-Arzneimittel ärztlich verordnet und von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet bekommen können. Dabei werden Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs nicht gefährdet.

Der Anbau von Cannabis ausschließlich zu medizinischen Zwecken soll im Sinne einer ausreichenden qualitätsgesicherten Versorgung in Deutschland ermöglicht werden. Dafür wird beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Cannabis-Agentur eingerichtet, die sich um eine ausreichende Versorgung kümmert - entweder durch den Import von medizinischen Cannabis-Arzneimitteln oder durch einen kontrollierten Anbau hier in Deutschland.

Patienten erhalten in eng begrenzten Ausnahmefällen einen Anspruch auf Cannabis-Arzneimittel. Bei einer entsprechenden ärztlichen Verordnung übernehmen auch die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten. Die Arzneimittel sind dann künftig in Apotheken erhältlich. Zuverlässige wissenschaftliche Daten über die therapeutische Wirksamkeit von Cannabis sind derzeit leider noch Mangelware. Deswegen müssen sich Patienten im Falle der Kostenübernahme durch die Krankenkassen verpflichten, an einer begleitenden Forschung teilzunehmen.

Das Gesetz ändert nichts an der Haltung der Bundesregierung zur Freigabe von Cannabis. Der Eigenanbau - selbst der Eigenanbau zu medizinischen Zwecken - sowie die Verwendung zu Rauschzwecken bleiben verboten.

Kulturstaatsministerin Grütters hat dem Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Bundesarchivrechts vorgelegt. Das Kabinett hat dem zugestimmt. Das ist eines der wichtigsten kulturpolitischen Vorhaben der Regierung in dieser Legislaturperiode. Es geht darum, eine wissenschaftsfreundliche Novellierung des Bundesarchivgesetzes auch im Hinblick auf die fortschreitende und überall vorherrschende Digitalisierung zu erreichen.

Das Bundesarchiv, das in Deutschland die Funktion eines Nationalarchivs wahrnimmt, hat in seinem Arbeitsalltag mit den Regelungen, die seit 1988 gelten und heute nicht mehr zeitgemäß sind, entsprechende Probleme. Die Archivgesetze der Länder sind inzwischen weit moderner. Deswegen findet jetzt also diese Novellierung statt. Die Gesetze werden in Anpassung an die geänderten Erfordernisse im Archivwesen geändert. Der Regierungsentwurf und die Pressemitteilung der Staatsministerin dazu können Sie unter www.kulturstaatsministerin.de abrufen. Ich verzichte jetzt auf die Erörterung der Details, aber wir könnten natürlich auch darüber sprechen.

Der ständige Tagesordnungspunkt Flüchtlingslage wurde heute unter der Überschrift Entwicklung bei Integrationskursen und berufsbezogenen Deutsch-Sprachförderungskursen diskutiert. Die Bundesregierung hat ja schon 2015 die Mittel für Sprachförderung erheblich erhöht. Mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz haben wir die Integrationskurse für Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die eine gute Bleibeperspektive haben, geöffnet. Gleichzeitig wurde mit dem neuen § 45 a des Aufenthaltsgesetzes die Grundlage für eine bundesfinanzierte berufsbezogene Deutsch-Sprachförderung geschaffen.

Ebenso wurde heute im Kabinett eine Verordnung behandelt, die die Details der berufsbezogenen Deutsch-Sprachförderung regelt. Ich will darauf ganz kurz eingehen: Wir wollen zum 1. Juli dieses Jahres eine vom Bund finanzierte berufsbezogene Deutsch-Sprachförderung haben. Diese baut auf den Integrationskursen auf. Die Integrationskurse vermitteln Sprachkenntnisse bis zu dem sogenannten B1-Niveau, also "allgemeine Sprachkenntnisse", und vermitteln auch Werte. Die berufsbezogene Sprachförderung, die sich dann anschließt, vermittelt die Sprachkenntnisse, die für den Arbeitsmarkt notwendig sind; sie befindet sich in der Regel also oberhalb des B1-Niveaus. Diese berufsbezogene Sprachförderung wird in Modulen angeboten. So kann man eine individuelle Förderung ermöglichen, die mit der konkreten Beschäftigung, der konkreten Ausbildung verbunden werden kann. Um ein Beispiel zu nennen: Es gibt spezielle Module für Ärzte, es gibt aber auch Module für Menschen, die in den Integrationskursen das Niveau B1, also die Grundkenntnisse, noch nicht erreicht haben. Diese Sprachförderung ist eine sogenannte Ermessensleistung. Arbeitssuchende können in einer Eingliederungsvereinbarung zur Teilnahme verpflichtet werden.

Das ist also heute passiert. Grundsätzlich kann ich zu den Integrationskursen vielleicht noch sagen - das war auch Thema der Darstellung im Kabinett -, dass in diesem Jahr bis zu 550 Kursteilnehmer erwartet werden. Die Vergleichszahl für 2015 liegt bei 180. Dafür werden in diesem Jahr 559 Millionen Euro zur Verfügung stehen; das heißt, der Haushaltsansatz wurde für 2016 mehr als verdoppelt. Weitere Verbesserungen beim Integrationskurssystem sollen mit dem geplanten Integrationsgesetz und mit einer Änderung der Integrationskursverordnung kommen. - So viel vielleicht zu diesem Thema.

Zuletzt kann ich Ihnen noch berichten, dass der Bundesaußenminister dem Kabinett von seiner Reise nach Mali und Niger berichtet hat - einer Reise, die er, wie Sie wissen, mit dem französischen Kollegen Jean-Marc Ayrault durchgeführt hat.

Vorsitzender Wefers: Vielen Dank, Herr Seibert. - Herr Schäfer, Sie haben auch eine Ankündigung?

Schäfer: Ich habe Zweierlei, was ich Ihnen heute gerne sagen möchte.

Erstens. Wir haben an dieser Stelle ja schon des Öfteren über das Thema der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien gesprochen. Ich möchte Ihnen sagen, dass uns, die Bundesregierung, die innenpolitische Lage in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien immer noch mit großer Sorge erfüllt. Ein Ausweg aus der wirklich ernsten und tiefgreifenden innenpolitischen Krise ist bislang noch nicht in Sicht.

Deshalb hat der Bundesaußenminister in diesen Tagen entschieden, einen persönlichen Sondergesandten für die Lage in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien zu ernennen. Er hat Botschafter Johannes Haindl - das ist unser Botschafter in Österreich, also in Wien - gebeten, diese Funktion zu übernehmen. Botschafter Haindl wird daher ab sofort eng mit der EU-Kommission, den Vereinigten Staaten von Amerika und anderen Partnern zusammenarbeiten, um diese bei ihrer Vermittlung zur Überwindung der innenpolitischen Krise zu unterstützen.

Das ist ein Ausdruck des deutschen Engagements, des Engagements der Bundesregierung auf dem westlichen Balkan - im Übrigen - das sage ich ganz ausdrücklich - auch mit Blick auf die europäische Perspektive, die alle Länder des westlichen Balkans, auch Mazedonien, mit Blick auf eine Integration in euroatlantische Strukturen haben. Das war das Erste.

Das Zweite, was ich Ihnen gerne sagen möchte, sind ausnahmsweise einmal ganz gute Nachrichten aus der Ostukraine.

Sie haben vielleicht in den letzten Tagen verfolgt, dass sich die Konfliktparteien wegen des Osterwochenendes in der Ukraine, aber auch wegen der anstehenden Mai-Feierlichkeiten auf einen Waffenstillstand geeinigt hatten. Dieser Waffenstillstand ist nach dem Willen der Konfliktparteien am 30. April in Kraft getreten. Er hat - das können wir jetzt mit einigen Tagen Abstand sagen; das wird auch durch die Beobachtungen der OSZE-Mission bestätigt - zu einer deutlichen Verringerung der Kampfhandlungen geführt.

Das ist noch kein vollständiger und umfassender Waffenstillstand, aber es ist erheblich mehr als das, was wir in den letzten Monaten an massiven Verletzungen des Waffenstillstandes und einer beunruhigenden Beeinträchtigung der Sicherheitslage beobachtet haben. Der Außenminister, die Bundesregierung - im Übrigen auch in unserer Funktion als Vorsitzende der OSZE - begrüßen dieser partielle Verbesserung der Sicherheitslage und hoffen, dass nun auch alle Seiten in den nächsten Tagen über die Osterpause, die Mai-Feierlichkeiten hinweg - und hoffentlich dann auch dauerhaft - diesen Waffenstillstand, diese Waffenpause einhalten werden. Das würde die Voraussetzungen verbessern, auch mit dem politischen Prozess der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen voranzukommen.

Sie wissen, dass in diesem Zusammenhang für den 11. Mai, also heute in einer Woche, der Außenminister zu einem neuen Normandie-Treffen der Außenminister eingeladen hat. Dann wird es darum gehen, die nächsten Schritte zur Verbesserung der Sicherheitslage zu gehen, abzustimmen und darüber hinaus auch den politischen Prozess voranzutreiben, insbesondere mit Blick auf die jetzt wirklich langsam überfälligen Vereinbarungen über Lokalwahlen im Osten der Ukraine. - Vielen Dank!

Frage : Eine Frage an Sie, Herr Seibert, oder vielleicht auch an das Gesundheitsministerium. Sie sprechen von einem kontrollierten Anbau von Cannabis. Von wem und wo soll das kontrolliert angebaut werden?

Es heißt ja auch, es solle zwischenzeitlich eine Versorgung mit Importen geben. Von wo soll das Gras importiert werden?

StS Seibert: Ich würde sagen: Warten Sie die Einrichtung dieser Cannabisagentur ab, die unter dem Dach des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte eingerichtet wird. Diese kümmert sich dann um die ausreichende Versorgung - sei es durch Anbau hier in Deutschland, sei es durch Import. Dann wird sich das zeigen.

Ewald: Ich kann das vielleicht ergänzen. Es gibt heute bereits rund 650 Patienten in Deutschland, die eine Ausnahmegenehmigung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erhalten haben. Eine Ausnahmegenehmigung durch das BfArM ist dann nicht mehr erforderlich, denn die zentrale Zielstellung des Gesetzes ist, dass Patienten, die keine Therapiealternativen haben, nach Verordnung durch den Arzt getrocknete Cannabisblüten oder Cannabisextrakte in kontrollierter Qualität bekommen.

Wir planen, dass das Gesetz etwa im Frühjahr parlamentarisch beraten ist und in Kraft treten kann. Bis dahin wird das durch Importe gedeckt; es ist jetzt schon der Fall, dass das durch Importe gedeckt wird. Parallel laufen die Arbeiten für die Einrichtung dieser Cannabisagentur beim BfArM. Wir wollen - das ist auch eine zentrale Zielstellung - kontrollierte Produkte in entsprechender Qualität zur Verfügung stellen. Die konkrete Ausgestaltung, wie das läuft und wie die Abgabe durch die Cannabisagentur erfolgt, wird sich dann noch konkretisieren.

Zusatzfrage : Woher kommen diese Importe?

Verständnisfrage: Herr Seibert hat vorhin gesagt, dass jeder Patient, der das bekommt, ein Versuchskaninchen der Bundesregierung wird.

Ewald: Ich glaube nicht, dass Herr Seibert - - -

Zuruf : So habe ich Sie verstanden!

StS Seibert: So haben Sie mich verstanden?

Zusatz : Ja. Jeder muss sich da einschreiben.

Ewald: Ich glaube nicht, dass der Begriff "Versuchskaninchen" hier zutreffend ist. Herr Seibert hat ja gesagt, dass wir begleitend eine Forschung erheben werden. Diese soll durch die Ärzte erfolgen, und das ist nicht mit klinischen Studien vergleichbar. Es finden also keine zusätzlichen Eingriffe statt. Mit der Begleitforschung sollen durch den Arzt bekannte Daten wie zum Beispiel Diagnose, Therapiedosis, Nebenwirkungen anonymisiert werden. Das BfArM wird dann entsprechend gesetzlich mit dieser Begleiterhebung beauftragt. Die Ergebnisse sind in einem Studienbericht, der sozusagen eine Systematisierung der Daten enthält, an den Gemeinsamen Bundesausschuss zu übermitteln. Dieser regelt nach Abschluss der Begleiterhebung die insgesamt auf fünf Jahre angelegt ist, Näheres zur Leistungsgewährung. Der Begriff "Versuchskaninchen" ist also in dem Fall völlig unzutreffend.

Frage: Ich wollte die Frage wiederholen: Wo kommen denn die Importe her?

Zweite Frage: Um was für Mengen handelt sich denn eigentlich, über die wir reden?

Ewald: Ich hatte ja erwähnt, dass insgesamt rund 650 Personen eine Ausnahmeerlaubnis vom BfArM bekommen haben. Zu der Größenordnung kann ich keine konkreten Angaben machen. Es gibt neben dem Hauptimportland Holland noch einige andere Länder. Ich kann Ihnen nicht ganz konkret sagen, welche Länder das sind.

Vielleicht als Größenordnung: Die monatlichen Behandlungskosten für getrocknete Cannabisblüten liegen abhängig vom Tagesbedarf bei durchschnittlich 540 Euro pro Patient und bei einem besonders hohen Bedarf bei rund 1800 Euro pro Patient. Bisher erfolgte kein Anbau in Deutschland. Das heißt, das wurde komplett durch Importe gedeckt.

Frage : Zu welchen Marktpreisen werden diese 500 Gramm eingekauft? Ich frage, damit man vielleicht vergleichen kann. Es gibt das in Deutschland ja auch illegal.

Ewald: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das weiß ich nicht.

Zusatzfrage : Können Sie nachreichen, wo die anderen Importe herkommen?

Ewald: Ja, das kann ich klären. Sie können sich aber auch bei der Bundesopiumstelle des BfArM melden. Dort liegen die Informationen vor.

Frage : (zum Besuch des Bundesaußenministers in Mali und Niger): Herr Schäfer, letzte Woche wollten Sie noch nicht von irgendwelchen Summen sprechen, die Herr Steinmeier da angeboten haben wollte. Können Sie das jetzt?

Schäfer: Es gab keine konkreten Summen, die der französische und der deutsche Außenminister versprochen und zusagt haben. In Mali ging es darum, politische Gespräche mit der malischen Regierung zu führen. Diese finden natürlich auf der Grundlage von jeder Menge Zusagen gegenüber der malischen Regierung in den unterschiedlichsten Politikfeldern - im Bereich Entwicklungspolitik wäre das eine Frage an das BMZ - statt.

In Niger war es ganz genau so. Dort sind ja - vielleicht haben Sie es heute Morgen den Medien entnommen - die beiden Außenminister im Auftrag der Europäischen Union unterwegs gewesen, um den sogenannten europäischen Migrationsdialog zu führen. Die beiden Minister sind mit einer Erklärung im Gepäck zurückgekehrt, die sie ganz zufrieden gestimmt hat, nämlich dass Niger bereit ist, mit Europa, mit Deutschland, mit Frankreich auch beim Thema Kontrolle, Organisation und Umgang mit den Flüchtlingsströmen aus Subsahara-Afrika eng zusammenzuarbeiten. Herr Steinmeier hat schon das Gefühl, dass er mit diesen Gesprächen ein ganzes Stück vorangekommen ist.

Frage: Eine Frage zur Sitzung der EU-Kommission heute in Brüssel. Dort werden diverse Vorschläge diskutiert. Meine Frage geht in Richtung Reform des Dublin-Verfahrens. Da ist wohl auch die Rede von Strafzahlungen, die Staaten leisten sollen, wenn sie nach dem Umverteilungssystem von Flüchtlingen in Europa ihre Quote sozusagen nicht erfüllen. Wie ist die Haltung der Bundesregierung dazu? Ist das eine sinnvolle Maßnahme?

StS Seibert: Ich will vielleicht einmal ganz grundsätzlich sagen: Wir brauchen ein effizientes europäisches Asylsystem, das wirksam Außengrenzschutz gewährleistet, das Migranten, die einen begründeten Anspruch auf Schutz in der Europäischen Union haben, solidarisch und fair auf die Mitgliedstaaten verteilt, das sekundär Migration verhindert und das sicherstellt, dass Migranten, die eben diese Bleibeperspektive nicht haben, auch zurückgeführt werden. Nur so wird Europa in der Lage sein, das Schengensystem dauerhaft zu erhalten. Das war immer die Position der Bundesregierung.

Deswegen ist eine umfassende Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems, einschließlich der Dublin-Verordnung, erforderlich. Insofern begrüßt die Bundesregierung, dass die Europäische Kommission nun ein erstes Paket mit Reformvorschlägen vorgelegt hat. Dieses umfasst Legislativvorschläge zur Reform von Dublin und auch anderes.

Aus unserer Sicht weisen die Vorschläge, jetzt einmal sehr allgemein gesprochen, in die richtige Richtung. Wir werden sie im Detail sorgfältig prüfen, und wir werden uns dann intensiv in die Beratungen einbringen, die jetzt auf europäischer Ebene anstehen. Ich würde jetzt ungern einzelne Punkte herauspicken, weil man das Ganze zusammen betrachten muss.

Vielleicht noch ein Hinweis zu diesem wichtigen Thema des Außengrenzschutzes: Die legislativen Arbeiten, um eine EU-Grenzschutzwache zu errichten, sind schon weit fortgeschritten. Da ist eben die Erwartung, dass die Präsidentschaft schon jetzt im Juni eine Einigung mit dem Europäischen Parlament schaffen wird und dass diese neue europäische Grenzschutzwache als ein sehr wichtiges Element einer gemeinsamen Politik bereits im Sommer ihre Arbeit aufnehmen soll.

Zusatzfrage: Sie sagten gerade, Sie wollten keine Details herauspicken. Nun ist die Frage der Sanktionierung aber doch etwas sehr Entscheidendes. Kann man sich das grundsätzlich als Teil eines Pakets vorstellen, dass das dann eben auch die Zustimmung der Bundesregierung findet?

StS Seibert: Für die Bundesregierung kann ich nur sagen: Die Vorschläge weisen insgesamt in die richtige Richtung. Wir werden sie jetzt prüfen. Dann wird sicherlich eine breite europäische Diskussion darüber einsetzen, und an der werden wir uns beteiligen.

Frage : Herr Seibert, zu der Visafreiheit für die Türkei: Muss die Türkei aus Sicht der Bundesregierung nun doch nicht alle 72 Kriterien erfüllen?

StS Seibert: Doch. Es war immer die Position Deutschlands wie Europas, dass all diese Kriterien zu erfüllen sind. Das, was die Europäische Kommission heute vorgelegt hat, nämlich ihren dritten Bericht zur Visaliberalisierung, geht ja auch genau in diese Richtung. Die Bundesregierung begrüßt zunächst einmal die großen Fortschritte, die die Türkei bei der Erfüllung der Kriterien für den visafreien Reiseverkehr identifiziert hat. Die Kommission identifiziert auch sehr klar die Maßnahmen, die von der Türkei noch zu ergreifen sind. In der Erwartung, dass die Türkei diese letzten Maßnahmen auch zügig ergreifen wird, schlägt die Kommission vor, den visafreien Reiseverkehr für die Türkei einzuführen.

Ein wichtiger Einzelpunkt: In diesem Zusammenhang schlägt die Kommission auch vor, den Notfallmechanismus bei einem Missbrauch der Visumsfreiheit - ein Notfallmechanismus, der für alle Länder gilt, nicht nur für die Türkei - zu verschärfen. Für die Bundesregierung kann ich sagen, dass wir begrüßen, dass die Kommission mit diesem Aspekt auch einen deutsch-französischen Anstoß aufgreift.

Auch hier ist es so: Der Bericht der Kommission wird jetzt von den Mitgliedstaaten geprüft. Das muss dann in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zwischen Europäischem Parlament und Rat beschlossen werden.

Vielleicht noch ein letzter Punkt, weil man daran immer erinnern muss: Das ist ein Prozess, der schon vor Jahren begonnen hat. Diese Visaliberalisierung für die Türkei ist kein neues Projekt. Das ist etwas, was seit einiger Zeit auf der Agenda steht und seit langem ein Wunsch der Türkei ist. Umgekehrt hat die Türkei die Unterzeichnung des Rückübernahmeabkommens mit der Europäischen Union von Zugeständnissen in der Visaliberalisierungsfrage abhängig gemacht, und im Dezember 2013 wurde dann beides in Gang gesetzt. Europa und die Türkei hatten dann im November 2015 vereinbart, den Prozess bis Oktober dieses Jahres abzuschließen. Mit der gemeinsamen Erklärung der EU und der Türkei vom März dieses Jahres hat man dann vorgesehen, dass der Prozess beschleunigt wird, sodass die Visumspflicht bis Ende Juni dieses Jahres aufgehoben werden kann - aber immer, sofern alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

Zusatzfrage : Ich bin ein bisschen verwirrt. Eigentlich sind nicht alle Voraussetzungen erfüllt, aber trotzdem wird die EU dieses Gesetzesverfahren einleiten. Gleichzeitig sprechen Sie davon, dass alle Kriterien erfüllt sein müssen. Können Sie das einmal aufklären?

StS Seibert: Das ist gar kein Widerspruch. Es ist die europäische und auch die deutsche Haltung, dass wir natürlich auf diese 72 Punkte, die es im Einzelnen sind, beharren. Deswegen hat die Europäische Kommission heute auch sehr klar identifiziert, welche dieser Punkte noch nicht umgesetzt sind. Es gibt großen Fortschritt bei der Umsetzung der allermeisten Punkte. Es gibt einige, die noch zu ergreifen sind. In der Erwartung, dass die Türkei diese letzten Maßnahmen nun auch zügig ergreifen wird, schlägt die Kommission nun also vor, den Reiseverkehr visafrei einzuführen. Jetzt kommen wir in dieses ordentliche Gesetzgebungsverfahren, von dem ich gesprochen habe.

Frage: Herr Seibert, die Kanzlerin reist ja morgen nach Rom und trifft sich dort mit Herrn Renzi. Geht es bei diesem Treffen auch um das Thema Flüchtlinge und Neuregelung des Dublin-Verfahrens? Wenn nicht - vielleicht auch, wenn doch -, was ist ansonsten insgesamt Sinn und Zweck der Reise?

StS Seibert: Sie wissen sicherlich, dass der Anlass für die Rom-Reise vor allem die Verleihung des internationalen Karlspreises an Papst Franziskus ist, die am Freitag stattfindet. Das ist der Anlass und tiefere Sinn der Rom-Reise der Bundeskanzlerin. Sie nimmt diese Gelegenheit natürlich sehr gerne wahr, um mit dem italienischen Ministerpräsidenten ein Gespräch zu führen. Es wird im Übrigen im Anschluss daran gegen 15.30 Uhr - ich weiß nicht, ob wir das hier schon angekündigt hatten - auch eine gemeinsame Begegnung mit der Presse geben.

Mit dem italienischen Ministerpräsidenten wird es um all die Themen gehen, die uns derzeit bewegen. Die Migration ist ein wichtiges Thema in dieser Richtung. Die Frage, wie wir den Schutz der Außengrenzen, der inzwischen entlang der griechisch-türkischen Meergrenze besser als noch vor einiger Zeit gelingt, im ganzen Mittelmeerraum durchführen können, ist eine Frage, die natürlich die Italiener besonders interessiert, weil sie sozusagen Zielland von Migration aus Libyen heraus sind. Darüber wird also zu sprechen sein. Ich denke, es wird sicherlich über die besondere Bedeutung des Brenners gesprochen werden und darüber, dass Europa, auch wir Deutsche, mit Italienern gemeinsam anpacken wollen, um die Bedingungen für einen effektiven Außengrenzenschutz zu schaffen.

Frage : Die Türkinnen und Türken sind immerhin Bürgerinnen und Bürger eines Landes, das im Vorzimmer der EU steht. Warum sollen sie nicht die Erlaubnis bekommen, nach Europa zu fahren? Warum sollten die Flüchtlinge als Verhandlungsmasse für diesen Deal, für diese Möglichkeit stehen?

StS Seibert: Der Sinn Ihrer Frage erschließt sich mir nicht. Wir reden hier über Visaliberalisierung. Ich habe versucht, deutlich zu machen, dass das ein Prozess ist, der seit mehreren Jahren läuft. Ein Prozess, der nicht nur mit der Türkei, sondern auch mit anderen Beitrittskandidaten durchgeführt wird, der ganz konkrete inhaltliche Forderungen aufstellt, und zwar in diesem Fall die 72 Punkte, die von der Türkei umzusetzen sind. Diese Punkte müssen abgearbeitet werden. Dabei hat die Türkei großen Fortschritt gemacht, einiges steht noch aus. Darüber hat die Europäische Kommission heute ihre Beurteilung abgegeben.

Zusatzfrage : Die Liberalisierung der Visa steht in unmittelbarer Verbindung zu der Flüchtlingsfrage. Das steht im Vertrag zwischen der EU und der Türkei. Es gibt diese Verbindung im Gegensatz zu den Verhandlungen, die mit anderen Ländern über die Visa-Liberalisierung - - -

StS Seibert: Ich sage es noch einmal: Der Beginn der Visa-Liberalisierungsgespräche mit der Türkei datiert auf das Jahr 2013. Da war das Thema Flüchtlinge noch kein Thema, jedenfalls nicht in diesem Sinne. Der Türkei - da haben Sie Recht - war es wichtig, in das EU-Türkei-Abkommen auch eine Beschleunigung des ohnehin Beschlossenen einzubringen. Beschlossen war, dass das zum Oktober dieses Jahres kommen soll. Der Türkei, für die das ein sehr wichtiges Thema ist, war es wichtig, Ende Juni als Zielzeitraum in das EU-Türkei-Abkommen einzubringen. Dabei war immer klar, dass auch zu diesem früheren Zeitpunkt nur der Schritt gegangen werden kann, wenn alle Bedingungen erfüllt sind.

Frage: Vielleicht haben Sie das hier schon erläutert, aber können Sie uns noch einmal erklären, wie die Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten laufen soll? Soll das zum Beispiel durch den Bundestag gehen?

Zweitens. Können Sie uns in Bezug auf die Kriterien, die noch erfüllt werden müssen, sagen, welche Kriterien aus Ihrer Sicht die wichtigsten sind?

StS Seibert: Die Europäische Kommission hat diesen Bericht vorgelegt, was auch ihre Angelegenheit und nicht die Angelegenheit nationaler Regierungen ist. Deswegen würde ich für diese Fragen an die Europäische Kommission verweisen.

Vielleicht möchte in Bezug auf die andere Frage der Sprecher des Innenministeriums über den weiteren legislativen Verlauf hier noch einmal sprechen.

Plate: Vielleicht nur in aller Kürze, weil das sehr technisch ist: Das ist - das hatte ich hier schon einige Male vorgetragen - ein EU-Rechtssetzungsprozess. Es bedarf also einer Änderung der EU-Visumsverordnung. Dafür gilt das, was immer für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren in der EU gilt, also keine nationalen Rechtssetzungsverfahren. Verordnungen sind ja nach dem Verhältnis zwischen Europa und nationalem Recht Rechtsakte, die unmittelbar Anwendung finden.

Zusatzfrage: Herr Seibert, Herr Plate, es ist natürlich eine Entscheidung der Kommission. Diese Entscheidung ist der Bundesregierung nicht ganz gleichgültig. Es wäre schon interessant, welche Kriterien, die noch ausstehen, wichtig sind, weil das von Land zu Land eine andere Bedeutung haben kann.

Plate: Ich kann, wenn ich darf, zwei, drei Sätze dazu sagen.

Das Verfahren ist ja so: In einem europäischen Rechtssetzungsprozess liegt das sogenannte Initiativmonopol, also letztlich der Vorschlag für eine Rechtsänderung, immer bei der EU-Kommission. Das ist sozusagen das Verfahrensstadium. Die EU-Kommission hat heute eine Pressemitteilung herausgegeben - ich konnte sie nur kurz überfliegen, weil sie ungefähr zeitgleich mit dem Beginn dieser Sitzung veröffentlicht wurde -, wo im Einzelnen dazu Stellung genommen wird, welche Kriterien aus Sicht der EU-Kommission noch nicht erfüllt sind. Sie hat aber auch in der Pressemitteilung klargestellt, dass sozusagen der Abschluss des Rechtssetzungsverfahrens, das jetzt angestoßen wird, davon abhängt, dass bis zum Abschluss alle Kriterien erfüllt sind.

Dann ist es so, dass am weiteren Rechtssetzungsverfahren auch das Europäische Parlament und der Rat beteiligt sind. In dem Rat sind die Mitgliedstaaten vertreten. Das wird also der Moment sein, an dem sich die Nationalstaaten wie auch die Bundesrepublik Deutschland sozusagen zu dem Rechtsetzungsvorschlag der Kommission, der auf dem Tisch liegen wird, äußern können. Ich gehe einmal davon aus, dass, bis dieser Zeitpunkt gekommen sein wird, möglicherweise sowieso bereits alle Kriterien erfüllt sein werden. Ganz sicher werden sie aber alle erfüllt sein, bis das Verfahren zum Abschluss gekommen sein wird; denn das ist die Voraussetzung für den Abschluss. Insofern ist die Frage, welche Kriterien aus Sicht der Bundesregierung besonders wichtig sind, deren Erfüllung aber noch aussteht, letztlich irrelevant, auf jeden Fall aber hypothetisch, da der Abschluss und auch die Zustimmung der Bundesregierung eben voraussetzen, dass am Ende alle Voraussetzungen erfüllt sind.

Frage : Herr Schäfer, ich habe eine technische und eine inhaltliche Frage zum bevorstehenden Normandie-Treffen am 11., zunächst die Frage: Ist schon klar, wann sich die Minister treffen?

Zum Inhalt: Sie sprachen von politischen Aspekten des Friedensprozesses. Mich würde einer dieser Aspekt interessieren, und zwar die Frage der Amnestie. Was denkt die Bundesregierung über das Amnestiegesetz, das vom ukrainischen Parlament immer noch nicht verabschiedet wurde? Wäre das ein Schritt, um dort sozusagen den Teufelskreis in der Vorbereitung der Wahlen zu durchbrechen?

Schäfer: Zu Ihrer technischen Frage: Ich gehe davon aus, dass das Treffen von der späten Mittagszeit bis in den Nachmittag hinein gehen wird, und zwar in der Villa Borsig.

Zu Ihrer inhaltlichen Frage: Die eine Amnestie ist Gegenstand der Minsker Vereinbarungen vom 11. und 12. Februar 2015. Sie ist explizit zwischen den Konfliktparteien vereinbart und von den Staats- und Regierungschefs der vier beteiligten Staaten indossiert wurden. Die Amnestie fügt sich in eine von den Minsker Vereinbarungen vorgesehene Sequenz von unterschiedlichen Schritten unterschiedlicher Seiten und der unterschiedlichen Konfliktparteien ein. In diesem Sinne ist die Amnestie natürlich ein ganz wichtiger, entscheidender und vereinbarter Baustein dessen, was bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen jetzt noch geschehen muss.

Dass eine Amnestie - nicht nur in der Ukraine und nicht nur mit Blick auf die Ostukraine, sondern fast immer und überall, wenn man die zugrunde liegenden Straftaten sieht, die dort begangen worden sind - eine schwierige Frage ist, kann man verstehen, und auch, dass sich kein Abgeordneter der obersten Rada so eine Entscheidung leicht macht. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es aus unserer Sicht zum gegebenen Zeitpunkt, nämlich im Rahmen der Sequenz, die Minsk vorgibt, zu einer vollständigen Umsetzung der Vereinbarung von Minsk einschließlich dieser Amnestie kommen sollte.

Frage : Herr Schäfer, heute trifft sich der Außenminister in Bezug auf Syrien. Der Termin wurde gestern bekannt gegeben. Gibt es einen besonderen Anlass dafür, dass dieser Termin jetzt stattfindet? Werden da irgendwelche konkreten Vorschläge diskutiert?

Schäfer: Die Vorsitzende war so freundlich, Fragen zu außenpolitischen Themen vorzuziehen, weil ich in etwa zehn Minuten zur Villa Borsig muss, weil dann der Reigen der Gespräche, die Herr Steinmeier zusammen mit seinem französischen Kollegen führen wird, beginnen wird. Das beginnt jetzt gleich, am frühen Nachmittag, und wird sich bis in den Abend ziehen. Sie wissen vielleicht, dass sich Herr Steinmeier gegen 15.30 Uhr an die Medien wenden wird, die dann in der Villa Borsig präsent sein werden, vielleicht auch noch einmal nach Abschluss der Gespräche, vielleicht zwischen 18 Uhr und 19 Uhr.

Die Lage in Syrien ist so dramatisch, dass es sinnvoll ist, mit entscheidenden Spielern der Genfer Verhandlungen das Gespräch zu suchen. Deshalb hat er - im Grunde unabhängig voneinander - den UN-Sonderbeauftragten Staffan de Mistura einerseits und den Verhandlungsführer der syrischen Opposition Riad Hidschab andererseits nach Berlin eingeladen, um mit den beiden und dann auch mit dem französischen Außenminister, hohen Beamten der Europäischen Union sowie Großbritanniens grundsätzlich separat voneinander zu sprechen.

Sie können sich denken, um was es in dieser schwierigen Phase der Genfer Verhandlungen geht, nachdem die dritte Verhandlungsrunde auch wieder ohne Ergebnis vergangen ist, nämlich darum, nach Ideen, Wegen und Möglichkeiten zu suchen, wie man die entscheidende Baustelle, nämlich die Schaffung einer nationalen Übergangsregierung, hinbekommen kann. Jetzt geht es darum, dass es einige Ideen gibt, die wir haben und die wir gerne mit unseren Partnern besprechen würden, um zu schauen, ob sich daraus vielleicht ein neues Momentum für die Genfer Verhandlungen in den nächsten Tagen ergeben könnte.

Außerdem - auch das haben Sie in den letzten Tagen sicherlich in den Medien verfolgt - haben wir eine dramatische Situation in Aleppo, wo es massive Verletzungen der Münchner Verpflichtungen sowohl im Hinblick auf humanitären Zugang als auch insbesondere im Hinblick auf den Waffenstillstand gegeben hat. Dort hat es fürchterliche, entsetzliche Anschläge auf Krankenhäuser und Wohngebiete gegeben, die wir auf das Schärfste verurteilen. Es wird dort natürlich auch Gegenstand der Beratungen sein, wie man es hinbekommen kann, dass in Aleppo und anderswo im Land die Münchner Verpflichtungen - humanitärer Zugang und Waffenstillstand - tatsächlich in die Tat umgesetzt werden können.

Frage : Herr Seibert, zum Verhältnis mit der israelischen Regierung: Es gab Berichte darüber, dass das Kanzleramt jetzt auch schon die Hoffnung aufgegeben habe, dass man mit Herrn Netanjahu den Friedensprozess wieder beleben könnte. Können Sie das bestätigen?

Herr Schäfer, seit wann hat man im AA diese Hoffnung aufgegeben?

StS Seibert: Ich kann es ganz leicht machen: Die Haltung der Bundesregierung hat sich in dieser Frage überhaupt nicht verändert. Es gibt da keinen neuen Stand. Es hat sich weder an der Solidarität der Bundesregierung gegenüber Israel noch daran etwas verändert, dass wir weiterhin die Zwei-Staaten-Lösung für den einzigen gangbaren Weg halten. Wir sehen die aktuelle Gewalt mit Sorge, aber wir sehen auch einzelne Entwicklungen auf beiden Seiten mit Sorge. Dennoch halten wir die Zwei-Staaten-Lösung für den einzigen gangbaren Weg. Das war und das ist die Haltung der Bundesregierung. Es gibt da keine Veränderung.

Schäfer: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage : Ist der Bericht dann also unwahr, Herr Schäfer, dass im AA alternative Szenarien durchgespielt werden, also Alternativen zur Gründung eines Palästinenserstaates und damit zur Zwei-Staaten-Lösung?

Schäfer: Ich werde mich angesichts von Artikel 5 GG hüten, hier an dieser Stelle einen Medienbericht als unwahr zu qualifizieren. Das steht mir nicht zu. Das muss ich aber auch gar nicht tun.

Ich kann Ihnen nur sagen: Die Haltung der Bundesregierung und damit auch des Auswärtigen Amtes gegenüber Israel, gegenüber der Sicherheit Israels, aber auch gegenüber den aus unserer Sicht erforderlichen Verhandlungen zur Schaffung eines von zwei Staaten sowie gegenüber den vielen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, ist völlig unverändert. Im Übrigen ist sie auch unverändert im Hinblick auf die völkerrechtswidrigen Handlungen im Hinblick auf die Siedlungstätigkeit.

StS Seibert: Vielleicht zitiere ich einfach ganz kurz die Bundeskanzlerin aus der Pressekonferenz beim kürzlich erfolgten Besuch von Präsident Abbas:

"Wir sind uns einig, Präsident Abbas und ich, dass wir weiterhin auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinarbeiten, auch wenn dies sehr, sehr schwierig ist und auch wenn dies sehr, sehr große Komplikationen mit sich bringt. Sowohl das israelische als auch das palästinensische Volk haben ein Recht darauf, in Frieden und Sicherheit zu leben."

Frage : Ich würde gerne das Finanzministerium nach dem Thema Griechenland fragen: Wenn der Finanzminister gestern Abend gesagt hat, es werde in diesem Jahr keine große Griechenland-Krise geben, und wenn man die Zahlungsverpflichtungen und Fristen kennt, denen Griechenland ausgesetzt ist, ist es dann richtig, diese Aussage so zu verstehen, dass am kommenden Montag beim Treffen der Eurogruppe zumindest eine große Chance auf eine Einigung besteht?

Ich habe eine zweite Frage dazu. Es gibt eine Studie der Hochschule ESMT über die Empfänger der Hilfszahlungen für Griechenland aus den ersten zwei Programmen, die heute veröffentlicht worden ist. Danach sind 95 Prozent davon an Geldgeber und Kreditinstitute geflossen. Irritiert Sie diese Studie? Lässt sie irgendwelche Konsequenzen als notwendig erscheinen, dass man bei den Hilfsprogrammen umsteuern, sie anders konzipieren und verändern muss?

von Tiesenhausen-Cave: Die gestrigen Aussagen des Ministers habe ich jetzt eigentlich nicht zu interpretieren. Ich glaube, die stehen auch für sich. Es wird jetzt am Montag - angesetzt durch den niederländischen Vorsitz der Eurogruppe - eine nächste Sitzung geben. Wir haben schon oft festgestellt, dass es hinsichtlich der inhaltlichen Fragen in der letzten Zeit einige Bewegung gegeben hat. Wir sind noch nicht da. Es gibt noch offene Punkte. Der Review ist noch nicht abgeschlossen. Er ist erst dann abgeschlossen - Sie kennen diesen technischen Begriff -, wenn wir ein "staff-level agreement" erreicht haben. Insofern erwarten wir jetzt von den Institutionen, dass das weiter vorbereitet wird. Es gibt diesen Termin am Montag, aber Sie wissen auch, dass wegen der Feiertage in den letzten Tagen nicht allzu viel passieren konnte.

Zu Ihrer zweiten Frage, ob uns diese Studie irritiert: Überhaupt nicht. Wir haben hier an dieser Stelle schon häufiger über diesen Sachverhalt geredet, zuletzt, meine ich, vor gut einem Jahr. Die Studie ist insofern auch nicht neu. Was die Programmpolitik in Griechenland erreicht hat, ist, dass eine ungeordnete Staatsinsolvenz verhindert wurde. Dafür war es nötig, dass Griechenland seine Schulden bedient. Programmmittel dienen in der Regel drei Zwecken. Das ist zum einen die Deckung des laufenden Defizits, zweitens der Schuldendienst und dann, wenn nötig, auch die Rekapitalisierung von Banken. Das ist auch keine Neuigkeit. Das steht auch in allen Programmdokumentationen. Der Hintergrund ist der, dass eine entwickelte Volkswirtschaft eben einen Finanzsektor braucht, der auch Kredite ausreichen kann und der damit eben auch den Gesamtkreislauf zwischen Staat und Wirtschaft sicherstellt. Insofern hat die Programmpolitik in Griechenland dafür gesorgt, dass das griechische Staats- und Finanzsystem insgesamt am Laufen gehalten wurde. Um das einmal konkreter zu machen: Ohne das wäre der Staat zum Beispiel nicht in der Lage gewesen, Renten, Gehälter und Rechnungen zu bezahlen. Die Alternative mag man sich an dieser Stelle auch nicht vorstellen.

Frage : Der Clou der angesprochenen Studie ist, dass die Gelder, die im Rahmen der ersten zwei Hilfsprogrammen ausgegeben wurden, der Entlastung der Banken und der Geldgeber gedient haben, was zulasten der deutschen und der übrigen europäischen Steuerzahler gegangen ist. Die Frage lautet: Deckt sich diese Erkenntnis mit Ihren Erkenntnissen?

von Tiesenhausen-Cave: Das ist eine interessante Frage. Wir haben die vergangenen Pakete ja mit verhandelt; ich habe ja gerade auf die Programmdokumentation hingewiesen. Natürlich ist uns das bekannt.

Damit da nicht ein einseitiges Bild von Ihnen im Raum stehen bleibt, sage ich vielleicht auch noch einmal: Es hat 2012 ja auch eine Privatsektorbeteiligung gegeben. Insofern ist der Eindruck, dass das jetzt angeblich nur zulasten von Steuerzahlern gegangen sei, auch nicht zutreffend. Der Schuldenschnitt von privat gehaltenen Anleihen Griechenlands war deutlich, und dadurch wurden auch wieder Programmmittel eingespart.

Frage: Ich habe auch zwei Fragen an Frau von Tiesenhausen. Es gab Berichte darüber, dass dem deutschen Staat jährlich rund 1 Milliarde Euro an Steuermitteln durch sogenannte Cum-Cum-Aktiengeschäfte verlorengehen. Meine Frage: Stimmt das? Ist das in dieser Größenordnung richtig? Gibt es eine Position des Finanzministeriums zu der Tatsache, dass auch die Commerzbank offensichtlich in diese Verfahren der Steueroptimierung eingebunden war?

von Tiesenhausen-Cave: Ich fange mit der ersten Frage an: Die Zahl dieser einen Milliarde, die dem Staat angeblich entgehen, kann ich jetzt nicht nachvollziehen und bestätigen. Ich kann, ehrlich gesagt, nicht verstehen, wie diese Zahl zustande kommt.

Was die zweite Frage zur Commerzbank angeht, haben wir ja gestern auch sehr deutlich gemacht, dass wir Cum-Cum-Geschäfte für illegitim halten, weil der Zweck eben darin besteht, die Besteuerung von Dividenden zu umgehen. Was die Commerzbank angeht, erwarten wir nicht nur, was selbstverständlich ist, dass sich die Commerzbank an alle geltenden rechtlichen Vorgaben hält. Das schließt eben auch ein, dass wir auch im Fall der Commerzbank der Auffassung sind, dass solche illegitimen Praktiken nicht akzeptabel sind.

Wir haben das Thema dieser Cum-Cum-Geschäfte auch noch einmal über die von uns entsandten Aufsichtsratsvertreter in die Bank eingebracht. Sie wissen, dass im Aufsichtsrat zwei Vertreter sitzen, die auf Vorschlag des Finanzmarktstabilisierungsfonds, also ursprünglich des SoFFin, von der Hauptversammlung gewählt wurden. Es ist gute Praxis, dass sich der Bund als Minderheitenaktionär nicht in die operativen Geschäfte der Bank einbringt. Das heißt, es gibt immer Bereiche operativer Geschäftspolitik, in die wir nicht hinein spielen. Aber wie ich gesagt habe, haben wir dieses Thema jetzt noch einmal über den Aufsichtsrat aufgenommen.

Frage: Zum Stichwort Aufsichtsrat: Seit wann ist dem Bundesfinanzministerium denn bekannt, dass sich die Commerzbank an solchen Geschäften beteiligt? Wenn man sich Einzeldeals anschaut, im Rahmen derer Aktien geparkt wurden, sieht man, dass es ja teilweise um Milliardensummen ging. Ist das schon einmal im Aufsichtsrat angesprochen worden? Hat das Bundesfinanzministerium das billigend zur Kenntnis genommen? Hat man vielleicht einmal gesagt, dass solche Deals kritisch sind? Wie ist da die Lage?

von Tiesenhausen-Cave: Ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören, aber es gibt gesetzliche Vorgaben, die eben verhindern, dass wir über diese vertraulichen Gespräche im Aufsichtsrat berichten. Insofern muss ich Sie um Verständnis dafür bitten, dass wir hier aus Diskussionen im Aufsichtsrat nicht berichten können. Was die grundsätzliche Haltung angeht, habe ich sie, hoffe ich, jetzt gerade hinreichend deutlich gemacht. Aber was einzelne Diskussionen im Aufsichtsrat angeht, muss ich leider um Ihr Verständnis dafür bitten, dass wir da nicht sehr konkret werden können.

Zusatzfrage: Wenn Sie sagen, Sie wollen dieses Thema noch einmal in den Aufsichtsrat hineintragen, was heißt das denn dann? Wollen Sie es ansprechen? Was hat das konkret zu bedeuten?

von Tiesenhausen-Cave: Das bedeutet das, was ich gesagt habe, also natürlich, dass es angesprochen wird. Ich glaube, das bedarf jetzt keiner großen Erläuterung.

Frage : Ganz dumm gefragt: Warum hat es denn so lange gedauert, bis man sich diesem Problem der Cum-Cum-Geschäfte gewidmet hat und gesetzgeberisch tätig werden will?

Können Sie denn nachvollziehen, dass beim normalen Steuerzahler doch so etwas wie das Gefühl entsteht, über den Tisch gezogen worden zu sein, wenn auf der einen Seite eine Bank mit Milliardensummen gerettet wird und diese Bank auf der anderen Seite kräftig dabei hilft, dass dem Staat ihm zustehende Steuern vorenthalten werden?

von Tiesenhausen-Cave: Was das Gesetzgebungsverfahren angeht, haben Sie ja auch schon richtig dargestellt, dass es derzeit ein Gesetzgebungsverfahren gibt, das im Februar im Kabinett gewesen ist. Das ist das berühmte Investmentsteuerreformgesetz. Darin ist eine Änderung enthalten, die Cum-Cum-Geschäfte für die Zukunft ausschließt. Es ist unsere Absicht, dass diese Gesetzesänderung dann rückwirkend zum 1. Januar 2016 gelten soll.

Es wird neu vorgeschlagen, dass Steuerpflichtige eine Aktie für einen Mindestzeitraum von 45 Tagen vor und nach dem Dividendenstichtag halten müssen, bevor die Kapitalertragssteuer, die auf diese Dividendenzahlung gezahlt wird, angerechnet werden kann. Das kurzfristige Verleihen von Aktien um den Dividendenstichtag wird damit nicht mehr möglich sein. Das heißt, solche Geschäfte werden nur dann noch steuerlich angerechnet, wenn derjenige, der einen Antrag auf Erstattung stellt, ein Mindestmaß an wirtschaftlichem Risiko trägt. Wir setzen jetzt darauf, dass es eine zügige Verabschiedung im Bundestag gibt. Das ist es, was ich Ihnen zu dem Gesetzgebungsverfahren sagen kann.

Zur Bewertung: Ich denke, durch die Einlassungen gerade habe ich auch zum Ausdruck gebracht, wie unsere Haltung dazu ist. Ich will jetzt nicht noch weitere emotionale Adjektive anbringen, aber wir sind in der Tat der Auffassung, dass solche Praktiken illegitim sind.

Zusatzfrage : Die Frage war, warum es so lange gedauert hat, bis Sie gesetzgeberisch tätig geworden sind. Denn diese Praktiken scheinen ja über Jahre gelaufen zu sein.

von Tiesenhausen-Cave: Es ist ein recht komplexes Gesetzgebungsverfahren. Zuerst hat es einen Diskussionsentwurf gegeben, dann einen Referentenentwurf. Dieser ist im Februar in die Kabinettsvorlage Investmentsteuerreform gemündet. Der Zeitplan ist so gewesen, wie er gewesen ist. Wir haben das Thema - wenn Sie auf unsere Webseite schauen, werden sie es sehen - im vergangenen Jahr begonnen. Das sind komplexe Gesetzgebungsverfahren. Im Februar waren wir im Kabinett. Das ist es, was ich Ihnen dazu sagen kann.

Frage: Ich will es auch noch einmal versuchen. Das, was Sie gerade geschildert haben, mit den 45 Tagen Haltepflicht ist ja, wenn ich es richtig weiß, das australische Modell. Das gibt es ja, denke ich, auch nicht erst seit gestern. In den USA sind diese Deals, wenn ich es richtig weiß, 2010 verboten worden. Deswegen anschließend an die Frage des Kollegen: Warum hat es dann noch einmal fünf bis sechs Jahre gedauert, bis hier solch ein Gesetz auf den Weg gebracht worden ist?

Meine zweite Frage will ich noch einmal versuchen: Inwiefern hat die Commerzbank nach Ihrer Meinung aufgrund des Einstieges des Staates im Zuge der Finanzkrise eine besondere ethisch-moralische Verpflichtung dem Steuerzahler gegenüber?

von Tiesenhausen-Cave: Ich habe zum Zeitplan gegenüber der Antwort, die ich gerade gegeben habe, nichts hinzuzufügen.

Was die Ausgestaltung der Beteiligung des Bundes angeht, muss man, denke ich, in Erinnerung rufen, dass der Bund mit rund 15 Prozent ein Minderheitsaktionär bei der Commerzbank ist und dass wir natürlich davon ausgehen - das habe ich vorhin hoffentlich hinreichend deutlich gemacht -, dass für die Commerzbank - was selbstverständlich ist - die gesetzlichen Vorgaben gelten. Das erwarten wir von allen Banken. Das ist nicht nur bei der Commerzbank der Fall.

Was den speziellen Fall angeht: Dass wir Cum-Cum-Geschäfte für illegitim halten, habe ich mit Bezug auf die Commerzbank jetzt mehrfach gesagt. Ich denke, daraus können Sie Ihre Schlüsse ziehen.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert: Der Satiriker Jan Böhmermann hat in einem Interview mit der "ZEIT" heftige Vorwürfe gegen Kanzlerin Merkel erhoben. Er hat gesagt, die Bundeskanzlerin dürfe nicht wackeln, wenn es um die Meinungsfreiheit gehe, doch sie habe ihn filetiert, einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert und einen deutschen Ai Weiwei aus ihm gemacht. Wie reagiert die Kanzlerin darauf?

StS Seibert: Danke für die Frage. Ich kommentiere dieses Interview nicht.

Frage : Die Kanzlerin hat Fehler in der ganzen Affäre eingeräumt. Wird sich die Kanzlerin vielleicht bei Herrn Böhmermann persönlich entschuldigen, mit einem Anruf oder einer Einladung?

StS Seibert: Zu diesem Thema und rund um dieses Thema ist von der Bundeskanzlerin und von der Bundesregierung alles Notwendige gesagt worden.

Frage : Ich habe noch eine kleine Frage ans Wirtschaftsministerium, TTIP betreffend. Ist es nach Bewertung des Wirtschaftsministeriums angesichts der vielen offenen Punkte, die man jetzt in den Verlaufsprotokollen der Verhandlungen lesen konnte, rein technisch noch möglich, in diesem Jahr zu einem Abschluss zu kommen, oder muss man aus diesen Papieren letztendlich den Schluss ziehen, dass sich das, wie immer es auch läuft, über dieses Jahr hinaus hinziehen müssen wird?

Kujawa: Wie wir alle wissen, sind die Verhandlungen schwierig. Nichtsdestoweniger haben beide Seiten erklärt, zu versuchen, bis Ende dieses Jahres zu einem Abschluss der Verhandlungen zu kommen. Ob dies gelingen wird, ist offen.

Die Bundesregierung unterstützt dieses Ziel grundsätzlich. Wir betonen aber immer, dass Inhalt vor Schnelligkeit geht. Wir wollen also gründliche Verhandlungen.

Frage: Herr Seibert, Präsident Hollande hat sich gestern recht skeptisch über TTIP geäußert. Findet die Bundesregierung den französischen Präsidenten zu ängstlich?

StS Seibert: Sie werden mich zu solch einer Beurteilung nicht verlocken können. Die Haltung der Bundesregierung ist sehr klar. Wir haben sie mehrfach geäußert. Das gemeinsame Ziel, wie die Kollegin auch gerade gesagt hat, die Verhandlungen bis Ende dieses Jahres abzuschließen, ist ja sowohl von der Bundeskanzlerin als auch vom amerikanischen Präsidenten in Hannover noch einmal angesprochen worden.

Wenn ich es richtig gelesen habe, dann hat Präsident Hollande darauf hingewiesen, dass Freihandel ohne Regeln nicht akzeptabel sei. Vollkommene Übereinstimmung mit der Bundesregierung. Das ist der Grund, warum man Freihandelsverhandlungen führt und warum man Freihandelsabkommen abschließen will: um Regeln, um Standards zu setzen.

Frage : Herr Seibert, soll TTIP bis zur Bundestagswahl durch sein?

StS Seibert: Wie ich gesagt habe: Wir halten den zügigen Abschluss dieser Verhandlungen für ein wirklich wichtiges Projekt der transatlantischen Beziehungen. Wir streben an - das ist das Ziel -, die Verhandlungen bis Ende dieses Jahres abzuschließen.

Sie wissen, dass wir dieses Projekt als ein gemischtes Abkommen begreifen. Das heißt, auch eine Zustimmung durch die nationalen Parlamente ist notwendig. Über parlamentarische Zeitpläne kann ich als Sprecher der Bundesregierung naturgemäß keine Aussagen machen.

Zusatzfrage : Hofft die Kanzlerin, sich im Wahlkampf nicht mehr mit TTIP auseinandersetzen zu müssen?

StS Seibert: Es gibt überhaupt keinen Grund, jetzt über den Wahlkampf nachdenken zu müssen. Wir haben ganz klar das Ziel ausgegeben - darauf arbeiten wir hin, wie es nach unseren Hoffnungen auch die amerikanische Seite tut -, den zügigen Abschluss noch in diesem Jahr (akustisch unverständlich) erreichen.

Vorsitzender Wefers: Ich gebe jetzt dem Sprecher des Gesundheitsministeriums das Wort, weil er wohl die Importländer für Cannabis ermittelt hat.

Ewald: Genau. - Ihre Fragen zum Import von Medizinalhanf möchte ich noch beantworten. Der Import findet bislang ausschließlich aus Holland statt. Im vergangenen Jahr wurden rund 54 kg Medizinalhanf importiert. Der gemittelte Preis pro Gramm liegt bei 18 Euro.

Diese Informationen sind auch - zugegebenermaßen versteckt - in der Gesetzesbegründung enthalten. Wir haben das alles aufbereitet. Das können Sie dann im Detail nachlesen.

Frage : Meine Frage bezieht sich auf das Thema der Clinton Foundation und richtet sich an das Umweltministerium und das BMZ. Ich wüsste gern, wie hoch die Spenden waren, die geleistet wurden, und warum diese Spenden an die Clinton Foundation gezahlt wurden. Danke.

Fichtner: Die Bezeichnung "Spenden" trifft es nicht ganz. Es geht dabei um zwei Projekte aus der Internationalen Klimaschutzinitiative, die sich, grob gesprochen, um Wiederaufforstung in Afrika drehen. Dabei ist die Clinton Foundation ein Durchführungspartner.

Die genauen Zahlen habe ich inzwischen. Zum einen geht es bei dem Vorhaben "Unterstützung von Forst- und Landschaftsrestaurierung" in Ostafrika um 1,5 Millionen Euro Förderung. Zum anderen gibt es ein Projekt zum Thema "Rehabilitierung von Waldökosystemen auf Landschaftsebene als kostengünstige Brücke für die integrierte Umsetzung nationaler Minderungs- und Anpassungsstrategien an Land" zusammen mit der International Union for Conservation of Nature. Dabei geht es um 3 Millionen Euro.

Mänz: Genaue Zahlen müsste ich Ihnen nachliefern. Ich bitte um Verständnis. Vielleicht schaffe ich es noch im Rahmen der laufenden Regierungspressekonferenz.

Das BMZ hat eine Kooperation in Malawi zum Thema Gesundheit mit der Clinton Development Initiative. Das ist also nicht direkt die Clinton-Stiftung. Es handelt sich also nicht um direkte Zahlungen an die Stiftung, sondern es geht um eine gemeinsame Kooperation im Rahmen dieses Projektes. Dabei geht es unter anderem darum, Gesundheitsfachkräfte in Malawi auszubilden und einen besseren Zugang beispielsweise auch zu Gesundheitsdienstleistungen und Ernährung zu sichern.

Die Geldsummen werden über die GIZ abgewickelt. Ich bitte, wie gesagt, darum, dass ich die genaue Zahl noch nachliefern kann.

Zusatzfrage: Das wäre nett. - Warum machen die Ministerien das nicht selber? Warum macht die GIZ das nicht selber? Warum macht das BMUB solche Projekte nicht selber? Gibt es keine Kooperationspartner in Deutschland? Der Hintergrund ist ja klar, die Debatte in den USA läuft ja auch, Stichwort Wahlkampf Clinton usw.

Ist es politisch, ist es taktisch sehr sinnvoll gewesen, dieses Geld an die Clinton Foundation zu geben? Sind andere amerikanische Stiftungen dieser Art durch die Bundesregierung unterstützt worden?

Fichtner: Das sind zwei von sehr vielen Projekten aus der Klimaschutzinitiative. Es gibt zahlreiche andere internationale Durchführungspartner, die auch bei anderen Projekten beteiligt sind. In einem Fall geht es, wie ich schon sagte, um ein Konsortium mit der IUCN. Die Auswahl der Partner wird bei uns auf Fachebene nach fachlichen Kriterien getroffen. Dabei kommen diejenigen zum Zuge, die diese Projekte vor Ort am besten durchführen können.

Mänz: Für das BMZ kann ich sagen, dass die Zusammenarbeit im Rahmen dieser Kooperation aus dem Jahre 2013 datiert und noch eine Laufzeit bis zum Ende dieses Jahres hat. Wir arbeiten durchaus mit verschiedenen Stiftungen auch privater Träger zusammen, beispielsweise auch mit der Gates-Initiative. Das ist Ihnen sicherlich bekannt. Das ist ein absolut gängiges Verfahren. Es geht natürlich auch darum, mit solchen Kooperationen mehr zu erreichen, als es womöglich ein Ministerium alleine tun kann.

Vorsitzender Wefers: Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann hat das Justizministerium noch einmal das Wort.

Zado: Ich will mich bei Ihnen verabschieden, weil ich nur noch eine Woche im Pressereferat und mutmaßlich zum letzten Mal hier bei Ihnen zu Gast bin. Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit in den letzten Jahren und alles Gute!

Mittwoch, 4. Mai 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 4. Mai 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/05/2016-05-04-regpk.html;jsessionid=5793EFB91653A004460CAB034218CB88.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2016

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