Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


PRESSEKONFERENZ/1232: Regierungspressekonferenz vom 6. Juni 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 6. Juni 2016
Regierungspressekonferenz vom 6. Juni 2016

Themen: zukünftige Besetzung des Amtes des Bundespräsidenten, europäische Flüchtlingspolitik, Vorwürfe des türkischen Präsidenten im Zusammenhang mit der Resolution des Deutschen Bundestags zum Völkermord an den Armeniern, Zulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat, Terroranschläge des 11. Septembers 2001/Terrorismusfinanzierung, deutsch-russische Beziehungen

Sprecher: StS Seibert, Kolberg (BMF), Stamer (BMUB), Reinhard (BMEL), Fischer (AA)


Vors. Szent-Iványi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Vors. Szent-Iványi: Ich möchte mit einer sehr traurigen Nachricht beginnen. Ich habe es auch erst gerade erfahren: Völlig überraschend und unerwartet ist am Wochenende der langjährige Sprecher des Innen- und des Verteidigungsressorts, Herr Stefan Paris, verstorben. Die Nachricht von seinem Tod hat uns erschüttert. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie, seinen Freunden und Bekannten. Herr Paris hat, wie vielleicht die jüngeren Kollegen hier nicht wissen, über lange Jahre hinweg auch die Bundespressekonferenz mitgeprägt. Ich möchte ganz herzlich darum bitten, dass wir vielleicht ganz kurz an den Kollegen denken. - Herzlichen Dank.

Es gibt keine aktiven Äußerungen vonseiten der Regierung. Dann kommen wir gleich zu Fragen. Bitte!

Frage: Herr Seibert, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Gab es heute Morgen einen Termin oder ein Telefongespräch der Kanzlerin mit Herrn Gauck? Können Sie aus diesem Gespräch etwas berichten?

Ich würde gerne vom Finanzministerium wissen, wie Herr Schäuble darauf reagiert hat, dass er am Wochenende so häufig als ein Kandidat für die zukünftige Besetzung des Bundespräsidentenamtes genannt wurde.

StS Seibert: Wie Sie wissen, steht die Bundeskanzlerin mit dem Bundespräsidenten immer wieder und regelmäßig in Kontakt, über den wir öffentlich nicht berichten. Ich kann Ihnen jetzt nur das sagen, was Sie sowieso schon wissen, nämlich dass der Bundespräsident um 12 Uhr eine Erklärung abgeben wird. Die sollten wir und die sollten Sie alle abwarten.

Kolberg: Die Frage, die Sie stellen, betrifft nicht den Zuständigkeitsbereich unseres Hauses. Daher habe ich das hier als Sprecher des Finanzministeriums nicht zu kommentieren.

Zusatz : Das betrifft doch Ihren Minister!

Kolberg: Aber keine Fragen, die unseren Zuständigkeitsbereich betreffen.

Frage: Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz hat am Wochenende in einem Interview den Vorschlag gemacht, dass man Teile des australischen Modells in der Flüchtlingspolitik übernehmen solle, unter anderem dadurch, dass man Flüchtlinge auf Mittelmeerinseln interniert und dann wieder unmittelbar zurückschickt. Mich würde interessieren, wie die Bundeskanzlerin beziehungsweise auch das Außenministerium zu diesem Vorschlag steht.

StS Seibert: Die Bundesregierung hat Medienberichte zu Überlegungen des österreichischen Außenministers zur Kenntnis genommen. Konkrete Vorschläge Österreichs zur Beratung in den europäischen Gremien sind uns noch nicht bekannt.

Grundsätzlich gilt: Was immer die Europäische Union tut, muss auf der Grundlage der europäischen Rechtslage geschehen. Wir führen ja gerade eine Diskussion in Europa über die Neufassung des europäischen Asylrechts. Dazu liegen Vorschläge der Europäischen Kommission auf dem Tisch. Die sind zu beraten, und der österreichische Vorschlag ist wahrscheinlich als ein Beitrag zu dieser Diskussion und Beratung anzusehen.

Zusatzfrage: Ist da rein inhaltlich etwas dabei, von dem man sagt "Das kann man halbwegs nachvollziehen", oder ist das etwas, zu dem die Bundesregierung von vornherein sagt "Auf diesem Level wollen wir das nicht machen"?

StS Seibert: Nein, ich möchte hier nicht in die inhaltliche Detaildiskussion dieses Vorschlags gehen, der ja bisher nur aus den Medien bekannt ist. Das ist eine europäische Diskussion, die im Rahmen der ohnehin anstehenden und wichtigen Diskussion über eine Neufassung des europäischen Asylrechts zu führen ist.

Frage: Herr Seibert, wie kommentieren Sie den Vorwurf des türkischen Präsidenten an die Bundeskanzlerin, der ihr in Verbindung mit der Armenien-Resolution ja quasi Wortbruch vorgeworfen hat? Er hat gesagt, sie habe ihm zugesichert, alles Erdenkliche zu tun, um diese Resolution zu unterbinden, was sie dann nicht getan habe.

StS Seibert: Wir haben ja hier, über die Entscheidung des Deutschen Bundestags über die Resolution schon ausführlich gesprochen. Das ist die souveräne Entscheidung eines eigenständigen Verfassungsorgans und als solche zu respektieren. Was wir hier zu diesem Thema schon gesagt haben und was auch schon die Bundeskanzlerin gesagt hat, bleibt gültig, und ich habe dem nichts Neues hinzuzufügen.

Zusatzfrage : Nun ist ja, wenn ich noch einmal nachfragen darf, diese Einlassung von Präsident Erdogan relativ neu, und sie ist sehr konkret an die Kanzlerin gerichtet. Sie hat, was den Vorwurf angeht, eine Form, wie es sie bisher nicht gegeben hat. Hat die Kanzlerin dem türkischen Ministerpräsidenten versprochen, sich dafür einzusetzen, dass diese Resolution nicht kommt?

Kann die Bundesregierung nachvollziehen, dass der türkische Präsident enttäuscht ist, weil Frau Merkel eine Zusage nicht eingehalten hat?

StS Seibert: Ich sage es noch einmal ganz grundsätzlich, auch auf die Gefahr hin, mich hier zu wiederholen: Die Entschließung ist eine politische Initiative aus der Mitte des Deutschen Bundestags, der ein demokratisch gewähltes eigenständiges Organ unserer Verfassung ist. Der Bundestag hat eine souveräne Entscheidung getroffen. Das ist zu respektieren. Genau in diesem Sinne hat die Bundeskanzlerin auch ihre Gespräche mit dem türkischen Staatspräsidenten geführt. Über Einzelheiten von solchen Telefonaten berichte ich grundsätzlich nicht.

Zusatzfrage: Hat die Bundeskanzlerin eine Zusage an Herrn Erdogan in Richtung Aktivitäten zur Resolution getroffen?

StS Seibert: Ich habe Ihnen jetzt, glaube ich, ziemlich klar gesagt, in welchem Sinne die Bundeskanzlerin ihre Gespräche geführt hat: selbstverständlich im Respekt vor der Rolle, die der Deutsche Bundestag als Verfassungsorgan auch im Rahmen der Gewaltenteilung in Deutschland führt.

Im Übrigen ist Ihnen ja sicher wie anderen bekannt, wie die Bundeskanzlerin in der Unionsfraktion zu diesem Thema abgestimmt hat.

Frage: Herr Seibert, der türkische Präsident Erdogan bezeichnet die türkischstämmigen Abgeordneten in Deutschland als einen verlängerten Arm von Terroristen. Wie bewertet die Bundesregierung solche Aussagen?

StS Seibert: Auch wir in Deutschland stufen die PKK als terroristische Organisation ein. Wenn jetzt durch Äußerungen aus der Türkei einzelne Abgeordnete des Deutschen Bundestages in die Nähe des Terrorismus gerückt werden, so ist das für uns in keiner Weise nachvollziehbar.

Frage: Ich hätte gerne eine Lernfrage zum Thema Glyphosat gestellt. Wenn die EU-Kommission sich heute mit diesem Thema befasst und die Bundesregierung sich ihrer Stimme enthält, wie es ja angekündigt worden ist, was hat denn die Entscheidung der EU-Kommission für praktische Konsequenzen in Deutschland? Hat die Bundesregierung dann die Möglichkeit, letztendlich bei diesem Thema gar nicht zu handeln und quasi die innenpolitische Einigkeit in der Koalition abzuwarten? Welche konkrete Folgen hätte die Entscheidung in Brüssel für die Bundesregierung?

Stamer: Ich würde die Frage zunächst einmal an das Landwirtschaftsministerium abgeben. Ich kann das dann noch ergänzen.

Reinhard: Die Abstimmung läuft zurzeit noch. Ich bitte um Verständnis, dass wir im Anschluss erst einmal die Ergebnisse der Abstimmung auswerten und prüfen. Dann wird weiter verfahren werden.

Zusatzfrage: Sie müssten doch eigentlich jetzt schon wissen, was für eine Bindungskraft eine Entscheidung grundsätzlich hat. Hat die Bundesregierung danach einen Plan, wie sie hier in Deutschland weiter agiert, oder ist das offen? Was lese ich aus Ihrer Antwort heraus?

Reinhard: Ich möchte trotzdem um Verständnis bitten, dass wir dieser Abstimmung und den Abstimmungsergebnissen nicht vorgreifen können.

Stamer: Ich kann das gerne ergänzen. In diesem Moment erreicht mich gerade eine Nachricht von der EU, dass es bei den Beratungen heute in dem zuständigen Ausschuss keine Mehrheit für Glyphosat gegeben hat. Das Verfahren sieht nun so aus, dass ein Vermittlungsausschuss angerufen wird. Das Verfahren liegt also weiter in der Hand der EU.

Frage: Herr Fischer, eine Frage zum 11. September: Der ehemalige Vorsitzende des US-Geheimdienstausschusses Bob Graham hat in einem Interview im ARD-Magazin "MONITOR" gesagt, dass Saudi-Arabien die Attentäter des 11. September finanziert haben soll. Gibt es dazu eine Reaktion?

Fischer: Mir sind die von Ihnen zitierten Äußerungen nicht bekannt, von daher kann ich mich dazu auch nicht verhalten.

Zusatzfrage: Es war in den letzten Tagen aber in den Meldungen, dass er das gesagt haben soll. Verfolgen Sie so etwas?

Fischer: Wie gesagt, die sind mir nicht bekannt. Daraus können Sie schließen, dass ich es offensichtlich nicht verfolgt habe. Dementsprechend kann ich mich dazu derzeit nicht verhalten.

Zusatzfrage: Hat die Bundesregierung irgendwelche Hinweise, dass Saudi-Arabien in die Attentate involviert sein könnte?

Fischer: Entsprechende Hinweise sind mir nicht bekannt.

Frage: Herr Seibert, die Bundesregierung hat ihre Gefahrenanalyse aktualisiert, und es heißt nun, Russland sei eine Herausforderung für die Sicherheit. Herr Steinmeier hat letztens aber auch gesagt, dass er bessere Beziehungen zu Russland erreichen möchte. Wie sehen Sie das, wenn er sagt, er möchte weniger Sanktionen, aber die Bundesregierung sagt, Russland sei jetzt eine Herausforderung für die Sicherheit?

StS Seibert: Wir haben hier über das Thema Sanktionen nicht ein, nicht zwei, sondern Dutzende Male gesprochen, zuletzt in der vergangenen Woche. Dabei ist sehr klar geworden, dass die Bundesregierung da eine einheitliche Position vertritt. Ich bitte Sie daher wirklich, die Protokolle der vergangenen Pressekonferenzen noch einmal nachzulesen.

Ansonsten ist es völlig klar - und auch das gilt für die gesamte Bundesregierung -, dass wir gute Beziehungen zu Russland wollen, dass wir eine Zusammenarbeit mit Russland bei vielen internationalen, globalen Problemen brauchen und suchen und dass wir deswegen auch mit Russland im Gespräch sind. Dennoch ist nicht darüber hinwegzusehen, dass Russland im Zusammenhang mit der Krim einen Völkerrechtsbruch begangen hat und dass es im Zusammenhang mit der Ostukraine ebenso zur Destabilisierung dieser Region beigetragen hat, weswegen wir im Normandie-Format mit russischer Beteiligung mit großer Mühe versuchen, für die Ukraine - vor allem für die Ostukraine - einen friedlichen politischen Ausweg aus der Krise zu finden.

Das heißt, es gibt ein wichtiges Thema, bei dem wir mit Russland nicht übereinstimmen, und dies haben wir auch nicht nur als Bundesrepublik, sondern auch als westliche Wertegemeinschaft - G7, Europa - sehr klar bekannt. Der Wille zur Zusammenarbeit mit Russland ist aber ganz klar da.

Zusatzfrage: Aber ist es eine gute Idee, Russland als eine Gefahr statt als einen Partner zu bezeichnen, wenn man eine bessere Beziehung will?

StS Seibert: Ich habe Ihnen gesagt, an welchem Punkt wir einen klaren Dissens mit Russland hatten und haben und dass wir zur Zusammenarbeit bereit sind und diese Zusammenarbeit auch praktizieren.

Fischer: Vielleicht kann ich das noch ergänzen und Sie auf eine Rede des Außenministers, die er vor wenigen Tagen beim Deutsch-Russischen Forum gehalten hat, verweisen. Dort hat er, genau wie Herr Seibert es gerade geschildert hat, die Annexion der Krim noch einmal als völkerrechtswidrig verurteilt und sehr klar gemacht, dass dies nicht der europäischen Sicherheitsordnung entspricht. Auch die Lage in der Ostukraine ist ja bei Weitem nicht so, dass wir damit zufrieden sein können. Es gibt noch viele offene Fragen, von der Durchführung der Lokalwahlen bis zur Gewährleistung der Sicherheit dieser Wahlen. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Druck in Richtung Lösung des Konflikts aufrechterhalten. In diesen Rahmen gehört die gesamte Debatte.

Montag, 6. Juni 2016

*

Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 6. Juni 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/06/2016-06-06-regpk.html;jsessionid=CD30B651D93B1A73C5F92D52C7F4E0F4.s7t1
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang