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PRESSEKONFERENZ/1235: Regierungspressekonferenz vom 10. Juni 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Juni, 10. Juni 2016
Regierungspressekonferenz vom 10. Juni 2016


Themen: "Tag des offenen Schlosses" in Schloss Meseberg, Termine der Bundeskanzlerin (4. deutsch-chinesische Regierungskonsultationen in Peking, Kabinettssitzung, Auszeichnung der Sieger des Wettbewerbs "startsocial", Empfang des Ministerpräsidenten der Republik Georgien, Gespräch mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband und der Stiftung Warentest, Empfang des Ministerpräsidenten der Slowakischen Republik, Besprechung mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder, Empfang des Präsidenten der Republik Polen, Empfang des Staatspräsidenten der Republik Niger), Absetzung der Beratung einer Resolution zu den deutsch-polnischen Beziehungen von der Tagesordnung des Deutschen Bundestages, G20-Gipfel 2017 in Hamburg, Äußerungen des BfV-Präsidenten über Edward Snowden im NSA-Untersuchungsausschuss, Nutzung der Hagia Sophia als Moschee, Zurückweisung von Vorwürfen des türkischen Präsidenten gegen türkischstämmige Bundestagsabgeordnete durch den Bundestagspräsidenten, Gesetzentwurf zur Einstufung von drei Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten, Medienberichte über ein angeblich geplantes Treffen zwischen dem Bundesaußenminister und dem iranischen Außenminister, Zukunft des Solidarpakts nach 2019, Interview des Bundesfinanzministers in der "ZEIT", Gesetzentwurf BND

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Audretsch (BMWi), Dimroth (BMI), Malachowski (BMJV), Audretsch (BMWi), Jäger (BMF)

Vorsitzender Szent-Iványi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag. Zu den öffentlichen Terminen in der kommenden Woche. Ich beginne mit einem Termin, an dem die Bundeskanzlerin nicht teilnimmt, auf den ich Sie aber dennoch hinweisen möchte, auf unseren alljährlichen "Tag des offenen Schlosses", den Tag der offenen Tür im Gästehaus der Bundesregierung, Schloss Meseberg, dieses Jahr an diesem Samstag von 11 bis 16 Uhr. Das haben in den vergangenen Jahren Tausende von Menschen genutzt, um diese wunderschöne Anlage, den Barockpark, zu besichtigen. Ich weise gern darauf hin, dass sich diese Gelegenheit morgen wieder ergibt.

Am Sonntag - auch das hatten wir schon angekündigt - die Reise der Bundeskanzlerin nach China: Sie wird am Sonntag mit Mitgliedern des Kabinetts anlässlich der 4. deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Peking eintreffen. Begleitet wird die Bundeskanzlerin von sechs Ministern und fünf parlamentarischen Staatssekretären. Nach der Ankunft wird die Bundeskanzlerin zunächst an der Akademie der Wissenschaft in Peking die Ehrendoktorwürde der Universität Nanjing verliehen bekommen und aus diesem Anlass dort eine Rede halten. Für den Abend des 12. Juni - also für Sonntagabend - ist ein Abendessen mit Ministerpräsident Li Keqiang im kleinen Kreise im Sommerpalast vorgesehen.

Am nächsten Morgen, Montag, den 13. Juni, findet der offizielle Auftakt der 4. deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen mit militärischen Ehren statt, gefolgt von einem Gespräch der Kanzlerin mit Ministerpräsident Li. Anschließend findet dann die Plenarsitzung unter Leitung beider Regierungschefs statt. Dann wird es eine Unterzeichnungszeremonie geben, in der Regierungs- und Unternehmensabsprachen unterzeichnet werden. Ihr schließt sich eine gemeinsame Pressebegegnung der Bundeskanzlerin und des Ministerpräsidenten Li an.

Am frühen Nachmittag wird die Bundeskanzlerin dann -wiederum gemeinsam mit dem chinesischen Ministerpräsidenten - an der 3. Sitzung des Deutsch-Chinesischen Beratenden Wirtschaftsausschusses teilnehmen sowie am Deutsch-Chinesischen Forum für wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit. Dem folgen ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Nationalkongresses, Zhang Dejiang, sowie ein Abendessen mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping.

Am Morgen des Dienstags reist die Bundeskanzlerin dann nach Shenyang im Nordosten Chinas weiter. Sie wird dort den alten Kaiserpalast der Qing-Dynastie und ein Industriemuseum besuchen, den Parteisekretär der Provinz Liaoning treffen und das BMW-Werk in Shenyang besichtigen. Am Dienstagabend folgt die Rückreise nach Berlin.

Wir werden Sie über die Einzelheiten des Programms und der ganzen China-Reise im Anschluss an diese Pressekonferenz noch in einem Briefing mit Herrn Heusgen und Herrn Röller unterrichten.

Am Mittwoch um 9.30 Uhr findet wieder die übliche Sitzung des Bundeskabinetts statt.

Um 11 Uhr am Mittwoch wird die Bundeskanzlerin, die Schirmherrin des Wettbewerbs "startsocial" ist, die Sieger des Wettbewerbs auszeichnen. "startsocial" ist ein bundesweiter Wettbewerb zur Förderung des ehrenamtlichen sozialen Engagements durch Wissenstransfer vor allem aus der Wirtschaft. Sieben Teilnehmer des Wettbewerbs erhalten für ihre herausragende Umsetzung sozialer Projekte ein Preisgeld in Höhe von jeweils 5 Euro. Einer der Preisträger erhält einen Sonderpreis der Bundeskanzlerin.

Am Mittwoch um 12.30 Uhr folgt der Empfang des Ministerpräsidenten Georgiens, Herrn Giorgi Kwirikaschwilis, mit militärischen Ehren. Es ist sein Antrittsbesuch im Bundeskanzleramt. An das Arbeitsmittagessen schließt sich um 13.45 Uhr eine Begegnung mit der Presse an.

Am Nachmittag, um 16.30 Uhr, wird die Bundeskanzlerin mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband und der Stiftung Warentest zu einem Gespräch zusammentreffen. Die Verbraucherpolitik hat einen hohen Stellenwert für die Bundesregierung. Deswegen gibt es in regelmäßigen Abständen diese Treffen der Bundeskanzlerin mit Vertretern der Verbraucherverbände. Dieses Mal wird es zum Beispiel auch um die Digitalisierung des Gesundheitsmarktes sowie um die Integration von Flüchtlingen als Verbraucher gehen. Das ist ein nicht presseöffentliches Gespräch.

Am Donnerstag, den 16. Juni, empfängt die Bundeskanzlerin um 12 Uhr den Ministerpräsidenten der Slowakei, Robert Fico. Sein Besuch im Kanzleramt erfolgt im Vorfeld der EU-Ratspräsidentschaft, die die Slowakei ab dem 1. Juli übernimmt. Entsprechend wird es sicherlich im Wesentlichen um europapolitische Themen gehen. Gegen 13 Uhr ist eine gemeinsame Pressekonferenz geplant.

Am Donnerstag folgt dann die reguläre Besprechung der Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der Länder mit der Bundeskanzlerin und anderen Mitgliedern des Kabinetts. Themen werden dieses Mal der Europäische Rat, die Umsetzung der Energiewende, der Netzausbau sowie Vereinbarungen zur Stärkung des Wissenschaftsstandortes Deutschland im Hochschulbereich sein, gewiss auch die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Das Ganze beginnt um 15 Uhr. Im Anschluss daran findet eine kurze Pressekonferenz mit der Bundeskanzlerin sowie den Ministerpräsidenten des Vorsitz- und des Co-Vorsitzlandes statt.

Noch ein internationaler Gast: am Freitagvormittag um 9.30 Uhr der polnische Präsident Andrzej Duda. Er folgt einer Einladung des Bundespräsidenten. Anlass dazu ist der 25. Jahrestag der Unterzeichnung des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit. Es wird kurze Pressestatements und einen Bildtermin vor Beginn des Gesprächs geben.

Am Freitag um 11.30 Uhr ist der Staatspräsident der Republik Niger, Mahamadou Issoufou, zu Gast im Bundeskanzleramt. Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt, wichtigstes Transitland für Flüchtlinge in Afrika und gleichzeitig in seiner Stabilität durch Terrororganisationen wie Boko Haram bedroht. Das gibt Ihnen die zu erwartenden Themen des Gesprächs vor: bilaterale entwicklungspolitische Beziehungen. Auch in diesem Fall ist eine Pressekonferenz vorgesehen, für ca. 12.30 Uhr. - Soweit der Blick auf die kommende Woche.

Vorsitzender Szent-Iványi: Wir kommen zu Fragen zur China-Reise, dabei aber noch einmal der Hinweis auf das Briefing nachher.

Frage: Das ist keine Frage, die ins Briefing gehört. - Herr Seibert, trifft sich die Kanzlerin wieder mit Bloggern und Menschenrechtlern in China?

Herr Schäfer, könnten Sie uns aus Sicht des Auswärtigen Amtes schildern, welche Probleme Sie in Sachen Menschenrecht in China sehen?

StS Seibert: Ich habe Ihnen die Programmpunkte, so wie ich sie Ihnen heute ankündigen kann, angekündigt. Das ist meine Antwort darauf.

Das Thema der Menschenrechte, der gesellschaftlichen Entwicklungen in China wird bei den Gesprächen der Bundeskanzlerin immer auch angesprochen.

Zusatzfrage: Zum Verständnis: also dieses Mal keine Blogger?

StS Seibert: Ich habe Ihnen die Termine, so wie ich sie Ihnen heute ankündigen kann, angekündigt.

Schäfer: Ich denke, die Frage, die Sie stellen, gehört am besten ins Briefing. Es stimmt aber, dass der Außenminister die Bundeskanzlerin auf der Reise nach China begleiten wird.

Zur Lage der Menschenrechte vielleicht nur so viel: Ohne jeden Zweifel gibt es zwischen uns und unseren chinesischen Partnern unterschiedliche Vorstellungen über die Wahrung, Geltung und Anwendung der Menschenrechte. Das alles wird seit Jahren in dafür vorgesehenen Fora mit der chinesischen Regierung besprochen. Die Beauftragte für Menschenrechtspolitik - vormals der Beauftragte für Menschenrechtspolitik - und Humanitäre Hilfe führt einen regelmäßigen Menschenrechtsdialog mit der chinesischen Regierung durch. Die Vertreter der Bundesregierung - jedenfalls der Außenminister - sparen dieses Thema bei allen ihren Gesprächen mit der chinesischen Führung überhaupt nicht aus. Zuletzt ist Herr Steinmeier nach meiner Erinnerung vor sechs oder acht Wochen in China, auch in Peking, gewesen. Auch bei dieser Reise, die dem Ziel diente, die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen vorzubereiten, sind natürlich diese wie auch viele andere Themen zur Sprache gekommen.

Zusatz: Herr Schäfer, ich finde, das gehört nicht ins Briefing. Eine öffentliche Antwort des Auswärtigen Amtes zu den Menschenrechtsproblemen in China erwarte ich jetzt schon.

Schäfer: Die haben Sie ja bekommen.

Zusatz: Nein.

Schäfer: Wie "nein"?

Zusatzfrage: Bitte konkret: Welche Menschenrechtsverletzungen sehen Sie?

Schäfer: Über das hinaus, was ich Ihnen gesagt habe, muss ich jetzt, denke ich, gar nichts sagen.

Frage: Ich möchte Sie, Herr Seibert und Herr Schäfer, trotz dem Briefing noch um eine politische Bewertung bitten. Das Mercator Institute for China Studies hat gestern die Außenpolitik Chinas mit dramatischen Worten beschrieben und dramatische Änderungen festgestellt. In den vergangenen sechs Monaten gehe China bei der Durchsetzung außenpolitischer Ziele sehr viel kompromissloser zu Werke. Die Tonlage habe sich deutlich verschärft. Das gelte nicht nur für den Inselstreit im Südchinesischen Meer, sondern auch für die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen.

Teilen Sie diese Einschätzung? Machen Sie diese Beobachtungen auch, oder wie ist Ihre politische Bewertung der Außenpolitik Chinas?

Vielleicht noch ein Wort vom Wirtschaftsministerium: Soweit ich weiß, ist auch eine große Wirtschaftsdelegation an Bord, aber nicht der Wirtschaftsminister. Warum nicht? - Danke.

StS Seibert: Auch ich schlage vor, dass Sie nachher vielleicht noch sitzenbleiben und sich das sicherlich sehr interessante Briefing mit dem außenpolitischen Berater der Bundeskanzlerin, Herrn Heusgen, anhören.

Ich will grundsätzlich sagen: Wir haben ein Interesse daran, China als einen verantwortlichen globalen Akteur in die globale Politik einzubinden - auf der Basis einer regelbasierten Ordnung. China spielt bei unterschiedlichen regionalen Themen - ich nenne zum Beispiel das Thema Iran - eine konstruktive Rolle. Auch der Beitrag Chinas zum Klimagipfel in Paris war sehr wichtig. Natürlich haben wir Sorge, beispielsweise über Spannungen im Südchinesischen Meer. Sie wissen, dass sich die G7 kürzlich zu diesem Thema geäußert hat. Deutschland hat dieses G7-Statement mit seiner klaren Sprache mitgetragen. Wir sind als eine Exportnation natürlich vor allem auch auf stabile und sichere Handelsrouten angewiesen.

Das sind einige der Themen, die wir miteinander besprechen - aber, wie gesagt, immer auf der Basis der Überzeugung, dass wir China zum Partner bei konstruktiven Lösungen für die globalen Probleme haben wollen.

Zusatzfrage: Offen geblieben war noch die Frage an das Wirtschaftsministerium. Es ist, denke ich, bekannt, warum der Minister nicht dabei ist.

Audretsch: Ich kann gerne etwas dazu sagen. Das kann ich auch sehr knapp machen. Der Minister hat unaufschiebbare anderweitige Verpflichtungen. Deswegen kann er persönlich nicht teilnehmen, wird aber durch Staatssekretär Machnig vertreten.

Zusatzfrage: Wird er selber später noch nach China reisen?

Audretsch: Mir ist im Moment keine Planung dazu bekannt.

Frage: Eine kurze Lernfrage, Herr Schäfer: Unterstützt die Bundesregierung die Containment-Strategie der Amerikaner gegenüber China?

Schäfer: Ich bin nicht sicher, ob Sie die amerikanische Außenpolitik gegenüber China mit "Containment" richtig beschreiben. Wir freuen uns darüber - das hat ja in den vergangenen beiden Tagen wieder stattgefunden - , dass es auf strategischer und auf politischer Ebene einen sehr intensiven politischen Dialog zwischen Washington und Peking gibt. Auch aus öffentlichen Verlautbarungen ist durchaus zu erkennen, dass es dabei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und China gibt, zum Beispiel zu dem eben von Herrn Seibert angesprochenen Thema der Lage im Ostchinesischen Meer. Dass wir - so wie Herr Seibert es gerade beschrieben hat - ein Interesse daran haben, das an Einfluss, an wirtschaftlicher und damit auch an politischer Bedeutung gewinnende China in die internationale Weltordnung zu integrieren und China zu einem konstruktiven Partner innerhalb dieser Staatengemeinschaft zu machen, kann ich nur bekräftigen. An vielen internationalen Konfliktbaustellen wie etwa in Syrien und im Iran, aber auch anderswo gelingt es sehr gut, mit China multilateral zusammenzuarbeiten.

Im Übrigen kann man nur herausstellen, wie wichtig auch uns der politische, der strategische Dialog mit China ist. Es ist ja nichts Gewöhnliches, dass wir mit der Volksrepublik China einen so intensiven Dialog führen, an dessen Spitze die Regierungskonsultationen stehen. Aber es vergeht ja kaum eine Woche oder ein Monat, in dem nicht irgendein politisches Forum die beiden Regierungen miteinander zusammenbringt. Der Dialog auch über schwierige Themen, auch über Themen, bei denen wir nicht immer einer Meinung sind, wie zum Beispiel bei dem von Ihnen in Ihrer ersten Frage angesprochenen Komplex der Menschenrechte, ist uns wichtig. Da werden wir nicht nachlassen.

Frage: Ich habe eine Frage zum Treffen der Bundeskanzlerin mit Präsident Duda. Der Bundestag sollte heute eine Resolution über die deutsch-polnischen Beziehungen verabschieden. Das ist nicht passiert wegen eines Streits um den Inhalt dieser Resolution, konkret um die Rolle der Vertriebenen. Bedauert die Bundeskanzlerin diesen Zustand? Es war eine gute Tradition, dass der Vertrag in fünfjährigen Abständen mit einer Resolution gewürdigt wurde.

StS Seibert: Ich möchte als Sprecher der Bundesregierung kein Urteil über Vorgänge im Deutschen Bundestag abgeben. Deswegen bitte ich um Verständnis dafür, dass ich das nicht kommentiere.

Die Bundeskanzlerin freut sich auf ihre Begegnung mit Präsident Duda am kommenden Freitag. Sicherlich wird die Bedeutung dieses bahnbrechenden Vertrages auch ein Gegenstand ihres Gesprächs sein.

Zusatzfrage: Wie steht die Bundeskanzlerin zur Charta der deutschen Heimatvertriebenen, in der die Vertriebenen fünf Jahre nach Kriegsende auf Rache verzichtet hatten? Meint die Bundeskanzlerin, dass eine Erwähnung dieser Charta in eine solche Resolution gehört oder nicht?

StS Seibert: Ich möchte hier für die Bundesregierung keine Stellung zu Vorgängen im Deutschen Bundestag oder zur Formulierung von Dokumenten nehmen, die der Deutsche Bundestag beschließt oder nicht beschließt.

Ich habe vorhin eines vergessen. Ich wollte Ihnen kurz ankündigen, dass jetzt entschieden worden ist, dass der G20-Gipfel 2017 in Hamburg am 7. und am 8. Juli des kommenden Jahres stattfinden wird, und zwar auf dem Gelände der Hamburg Messe.

Frage: Herr Seibert, solche Gipfel sind ja immer teuer, auch unter Sicherheitsgesichtspunkten. Welche Kostenschätzung liegt der Verkündung - Hamburg, Messegelände - nach derzeitigem Stand zugrunde?

StS Seibert: Ich sehe mich nicht in der Lage, jetzt - mehr als ein Jahr vor dem Ereignis - eine Kostenschätzung abzugeben. Wir haben beschlossen, dass Hamburg der richtige Ort ist. Das hat logistische, auch sicherheitstechnische Gründe. Die Hansestadt erfüllt sozusagen alle Anforderungen. Auf dem Gelände der Hamburg Messe finden jedes Jahr große internationale Veranstaltungen statt. Deswegen ist es geeignet. Der Termin steht jetzt fest. Ich bin jetzt nicht in der Lage, Kostenschätzungen abzugeben.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert und an Herrn Dimroth. Ich würde gern wissen, ob der Bundesregierung irgendwelche Erkenntnisse darüber vorliegen, dass Edward Snowden jemals für einen Geheimdienst eines anderen Landes gearbeitet hat als für Geheimdienste der USA.

Dimroth: Sie spielen auf eine möglicherweise so oder ähnlich getroffene Aussage des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz in seiner Funktion als Zeuge vor dem NSA-Untersuchungsausschuss an. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich diese ganz grundsätzlich nicht kommentiere und nicht dazu Stellung nehme. Das obliegt allein dem dafür zuständigen Gremium, nämlich dem Untersuchungsausschuss selbst.

Aber ich will Ihre Frage nicht unbeantwortet lassen. Erkenntnisse, wie von Ihnen erfragt, liegen mir nicht vor.

Zusatzfrage: Hat Herr Seibert etwas zu ergänzen?

StS Seibert: Nein, außer dass die Bundesregierung wie immer die Erkenntnisse aus der Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses durch die Aussagen der Zeugen nicht bewertet.

Zusatzfrage: Ich wollte das von Ihnen nicht aufgrund der Aussage von gestern wissen, sondern deswegen, weil der BND durchaus unter dem Kanzleramt "hängt" und man schon sagen könnte, dass solche Erkenntnisse ja bei Ihnen auflaufen müssten.

StS Seibert: Dann greift der zweite Satz, den Sie dazu von mir nicht selten hören, nämlich dass sich die Bundesregierung zu nachrichtendienstlichen Angelegenheiten grundsätzlich gegenüber den geheim tagenden Gremien des Deutschen Bundestages äußert.

Frage: Herr Dimroth, Herr Snowden hat sich gestern ja auch diesbezüglich geäußert und ins Spiel gebracht, dass Herr Maaßen eventuell ein FSB-Agent ist. Darum die Frage: Können Sie ausschließen, dass Herr Maaßen für einen anderen, einen ausländischen Geheimdienst arbeitet, Doppelagent ist - NSA, FSB?

Dimroth: Ich halte diese Behauptung und These für absolut abwegig.

Wie mit Fragen umzugehen ist, die darum bitten, ob ich irgendetwas ausschließen kann, wissen Sie.

Zusatzfrage: Warum können Sie es nicht ausschließen?

Dimroth: Ich kann auch nicht den negativen Gottesbeweis erbringen.

Frage: Herr Dimroth, darf ich davon ausgehen, dass, sollten dem Präsidenten des Verfassungsschutzes Informationen vorgelegen haben, wonach Herr Snowden agentenmäßig für einen russischen Geheimdienst tätig gewesen wäre, dies eine Information von derartigem Gewicht ist, dass sie dem Ministerium zur Kenntnis hätte gegeben werden müssen?

Dimroth: Die Schwierigkeit, die Sie sozusagen damit haben, Ihre Frage zu formulieren und die ganzen konjunktivischen Formulierungen unterzubringen, macht es mir relativ einfach, darauf zu antworten, weil ich auf hypothetische Fragen ganz grundsätzlich nicht antworte. Ich würde es sozusagen gerne auch wirklich bei dem belassen, was ich gesagt habe.

Ich weiß auch schlicht nicht genau, was Herr Maaßen gesagt hat. Ich habe die Berichterstattung dazu heute zur Kenntnis genommen. Es scheint mir darin auch sehr unterschiedlich wiedergegeben worden zu sein, was gesagt oder nicht gesagt wurde, sodass alleine schon eine hinreichend belastbare Grundlage fehlt, mir jedenfalls, um das jetzt für Sie im Einzelnen einzuordnen.

Ganz grundsätzlich gilt das, was Herr Seibert gerade zugesagt hat: Die Bewertung und Auswertung dessen, was da gesagt wurde oder auch nicht gesagt wurde, obliegt dem zuständigen Gremium. Informationen, die dort möglicherweise vorlagen oder auch nicht vorlagen, haben auch nur einen Adressaten, nämlich ebenfalls die dafür zuständigen parlamentarischen Gremien.

Zusatzfrage: Können Sie sich erinnern, ob in Ihrem Ministerium heute früh bei der Lektüre der Informationen irgendjemand überrascht gewesen ist?

Dimroth: Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich habe aber auch nicht mit allen relevanten Personen heute schon Kontakt gehabt, die möglicherweise überrascht hätten sein können.

Zusatzfrage: Sie waren nicht überrascht von der Information?

Dimroth: Da mich die Information, wie gesagt, nur über die Zeitungslektüre erreicht hat, fehlt mir eine hinreichend valide Tatsachengrundlage, die mich hätte überrascht sein lassen können.

Frage: Wie weit ist denn die Bundesregierung - das betrifft, glaube ich, dass BMJV und Herrn Seibert - mit ihrer Prüfung bezüglich eines möglichen Aufenthaltes respektive einer möglichen Einreise des Herrn Snowden und möglicher Hindernisse gekommen? Man prüft ja inzwischen doch seit einer Weile.

Malachowski: Dazu ist mir kein neuer Sachstand bekannt.

Zusatzfrage: Aber dauert die Prüfung an?

Malachowski: Ja, soweit ich weiß, schon.

Frage: Herr Seibert, wir haben gestern vom Verfassungsschutz gelernt, dass die Kanzlerin nach dem Herauskommen des Merkel-Spionage-Handy-Skandals nicht einmal mit dem Verfassungsschutz über Spionageabwehrtätigkeiten geredet hat, auch nicht mit Herrn Maaßen, gerade, was ihre persönlichen Angelegenheiten betrifft. Mit wem hat sich die Kanzlerin denn danach bezüglich ihrer persönlichen Spionageabwehr ausgetauscht?

StS Seibert: Ich bewerte nicht und kommentiere auch nicht Aussagen, die - - -

Zuruf: Das bezieht sich jetzt einfach nicht auf die Aussagen von gestern. Das ist eine allgemeine Frage zu dem Skandal!

StS Seibert: Es bezog sich so, wie Sie Ihre Frage gestellt haben, eindeutig auf die Aussage von gestern, und das werde ich nicht kommentieren. Im Übrigen gebe ich hier keine Auskunft über vertrauliche Gespräche, die die Bundeskanzlerin tagtäglich führt.

Zusatzfrage: Hat sie mit irgendjemandem über ihre persönliche Spionageabwehr geredet?

StS Seibert: Ich gebe keine Auskunft darüber, schon gar nicht über Sicherheitsvorkehrungen rund um die Bundeskanzlerin und die Kommunikation der Bundeskanzlerin.

Frage: Herr Schäfer und vielleicht auch Herr Seibert, seit ein paar Tagen benutzt die Türkei die Hagia Sophia in Istanbul wieder als Moschee. Das ist das erste Mal seit 80 Jahren. Das State Department hat heute protestiert und fordert von der Türkei, die Hagia Sophia zu respektieren. Was sagen Sie dazu?

Schäfer: Ich glaube, grundsätzlich sollte man einmal sagen, dass die Nutzung der Hagia Sophia eine Angelegenheit der Türkei ist. Sie ist gleichzeitig Weltkulturerbe der Unesco. Wir würden uns wünschen, dass es eine Nutzung der Hagia Sophia gibt, die den Status des Weltkulturerbes nicht berührt.

Zusatzfrage: Glauben Sie, dass es ein Zufall ist, dass die Türkei jetzt, nach 80 Jahren, versucht, die Hagia Sophia als Moschee zu benutzen?

Schäfer: Die Hagia Sophia ist über Jahrhunderte hinweg als eine Moschee benutzt worden. Was ich glaube, spielt, glaube ich, keine Rolle. Was andere auf dieser Bank glauben, spielt, glaube ich, auch keine Rolle. Gewissheiten können Sie vielleicht erhalten, indem Sie diese Frage nicht an uns richten, sondern an diejenigen, die die Maßnahmen im Hinblick auf die Hagia Sophia ergriffen haben.

Frage: Herr Schäfer, findet die Bundesregierung, dass die Türkei die Hagia Sophia als Monument achtet, als Weltkulturerbe?

Schäfer: Ich gehe davon aus, dass die Türkei die mit dem Status eines Weltkulturerbes der Unesco verbundenen Verpflichtungen umsetzt, und habe keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass das der Fall ist.

Frage: Herr Seibert, kann man dem Applaus, den die Bundeskanzlerin gestern Herrn Lammert gespendet hat, entnehmen, dass sie nachträglich zu der Erkenntnis gelangt ist, dass ihre eigene Kommentierung der erdoganschen Tiraden etwas zu zurückhaltend ausgefallen ist?

StS Seibert: Bundestagspräsident Lammert hat gestern für das ganze Haus gesprochen. Die Bundeskanzlerin hat mit ihrer Anwesenheit gestern Morgen klar ausgedrückt, dass sie hinter diesem Zeichen der Geschlossenheit und der Solidarität mit den Abgeordneten steht, das der Bundestagspräsident so deutlich gesetzt hat. So unterschiedlich die verfassungsmäßigen Rollen von Regierung und Parlament sind, werden sie sich in diesem Punkt nicht auseinanderdividieren lassen.

Ich will auch hinzufügen, dass Drohungen kein Mittel der Politik sein können, von wem auch immer sie kommen. Meinungsverschiedenheiten - auch tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten - müssen mit Argumenten ausgetragen werden. Sie müssen auch ausgehalten werden. Das entspricht der engen Verbindung unserer beiden Völker. Das entspricht auch dem guten Zusammenleben, das wir hier in Deutschland mit Millionen von türkischstämmigen Mitbürgern haben und an dem uns viel liegt. Sie sind ein Teil von Deutschland, und damit sind sie auch ein Teil seiner demokratischen Meinungsvielfalt sowie seiner politischen Kultur. Das alles, würde ich sagen, ist gestern im Deutschen Bundestag ausgedrückt worden.

Frage: Herr Seibert oder Herr Dimroth, genießen die Bundestagsabgeordneten mit türkischem Migrationshintergrund angesichts massivster Drohungen mittlerweile einen umfassenden Personenschutz?

Dimroth: Das kann ich Ihnen schon aus operativen Gründen nicht abschließend beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass das Bundeskriminalamt, das mit der Aufgabe des Schutzes bestimmter Personen auf Bundesebene betraut ist, selbstverständlich zur Verfügung steht, wenn seitens der Abgeordneten entsprechende Bedarfe signalisiert werden, sei es durch Beratung oder sei es sozusagen durch einen Meinungsbildungsprozess, der möglicherweise in einem entsprechenden Schutzstatus mündet. Aber zu den jeweiligen Einordnungen kann ich Ihnen hier nichts sagen, schon gar nicht zu Maßnahmen, weil das selbstverständlich die operative Zielerreichung solcher Maßnahmen infrage stellen würde.

Zusatzfrage: Heißt das, Abgeordnete, die sich tatsächlich akut bedroht fühlen, müssten sich beim BKA melden? Was ist mit dem umgekehrten Prozess, dass angesichts der Bedrohungslage die Sicherheitsbehörden wie das BKA zu der Erkenntnis kommen, dass man einen Personenschutz anbieten sollte?

Dimroth: Ganz grundsätzlich - das können Sie dem BKA-Gesetz entnehmen - gehören Abgeordnete nicht per se zu den Schutzpersonen, die nach dem BKA-Gesetz zu schützen sind. Als Teil eines Verfassungsorgans auf Bundesebene, nämlich des Deutschen Bundestags, können sie aber im Einzelfall sehr wohl als Schutzperson zu qualifizieren sein. Sie können ganz sicher und fest davon ausgehen, dass es einen steten Austausch gibt, der sozusagen in beide Richtungen funktioniert. Beispielsweise finden jeweils zu Beginn einer Legislaturperiode für alle neuen Abgeordneten, die das wünschen, eine entsprechende Unterrichtung und ein Briefing durch das BKA statt. Selbstverständlich gibt es immer, wie gesagt, dieses klare Angebot an alle Abgeordneten. Sollten sie Entwicklungen beobachten, die möglicherweise eine Neubewertung ihres Schutzbedarfs zur Folge hätten, stößt das beim BKA auf offene Ohren. Das ist, wie gesagt, eine stete Kommunikation, die in beide Richtungen verläuft.

Frage: Ich habe eine Frage zu sicheren Herkunftsstaaten. Als wie ernst bewerten Sie die Lage, wenn die Grünen das Gesetz im Bundesrat nicht mittragen, also wenn sie es blockieren? Wie ernst ist die Lage angesichts dessen? Was würde passieren, wenn es tatsächlich zu einer Blockade käme? Was würde das für die Abschieberegelung bedeuten?

Dimroth: Ich kann dazu gerne kurz Stellung nehmen. Zunächst einmal ist es so, dass es, wie Sie wissen, einen Gesetzentwurf der Bundesregierung gibt, der vom Bundeskabinett und auch vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde und der sich ja sehr sorgfältig sowohl mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch mit der Situation in den drei betroffenen Staaten auseinandersetzt. Der ist bekannt und liegt jetzt tatsächlich dem Bundesrat zur Entscheidung vor. Für nächsten Freitag ist dieser Tagesordnungspunkt bei der Plenarsitzung des Bundesrats vorgesehen. Den Beratungen darüber und den verschiedenen Meinungsäußerungen einiger, die dort abstimmungsberechtigt sind, werde ich mich hier nicht sozusagen wertend zuneigen; dafür bitte ich um Verständnis.

Sie fragten nach möglichen Konsequenzen für Abschieberegelungen. Ich glaube, das muss man vielleicht tatsächlich etwas erhellen: Einen unmittelbaren Konnex zwischen der Abschiebung und der Einstufung als sicherer Herkunftsstaat besteht rechtlich nicht. Wie Sie wissen, sind die Regeln zur Abschiebung ja im Nachgang und durchaus auch im Kontext mit der Kölner Silvesternacht von der deutschen Bundesregierung verschärft worden. Da gibt es sozusagen einen unmittelbaren Zusammenhang. Aber das Thema der Abschiebung hat jetzt erst einmal per se keinen unmittelbaren rechtlichen Konnex zum Thema der Einstufung als sichere Herkunftsstaaten.

Frage: Herr Dimroth, wer steht denn jetzt auf der Wunschliste des Innenministers? Welche Staaten sollen also als nächstes als sicher erklärt werden?

Dimroth: Die Beratungen zum Thema der sicheren Herkunftsstaaten Tunesien, Algerien und Marokko sind, wie wir gerade gehört haben, nicht abgeschlossen, weil tatsächlich der vorletzte verfassungsrechtlich vorgesehene Gesetzgebungsakt - der letzte wäre die Unterschrift des Bundespräsidenten - noch aussteht. Insofern ist es heute sicher nicht an der Zeit, über mögliche Ausweitungen zu spekulieren.

Frage: Inwiefern wird die Bundesregierung denn noch versuchen, eine Mehrheit im Bundesrat zu diesem Thema möglich zu machen? Das scheint ja nach jetzigem Stand nicht der Fall zu sein. Mit welchen Mitteln könnte das dann möglicherweise geschehen?

Dimroth: Wie Sie sich denken können, würde ich nicht mit Ihnen darüber diskutieren, ob, in welchem Format und mit welchen Inhalten Gespräche stattfinden. Ich kann Ihnen nach heutigem Stand im Übrigen auch nicht darüber berichten, dass es die gibt.

Die Bundesregierung hat ihren Meinungsbildungsprozess abgeschlossen, indem sie sich auf einen Gesetzentwurf geeinigt hat. Der liegt jetzt dem deutschen Bundesrat zur Entscheidung vor. Alles Weitere bleibt jetzt erst einmal abzuwarten

Frage: Ist die Türkei ein sicherer Drittstaat?

Dimroth: Fragen Sie mich?

Zusatz: Ja.

Dimroth: Das lässt sich so abschließend nicht beantworten. Wie Sie wissen, gibt es da verschiedene Mechanismen, die auch sozusagen rechtlich relevant sind. Es gibt sowohl den Mechanismus auf europäischer Ebene als auch eine entsprechende Einstufungsmöglichkeit auf nationaler Ebene. Das Abkommen zwischen der EU und der Türkei befasst sich ja auch sehr ausführlich mit dem Thema des Umgangs der Türkei mit Flüchtlingen in ihrem Staatsgebiet, und da gibt es keinerlei Zweifel daran, dass die Türkei alle sie völkerrechtlich bindenden Vorgaben im Umgang mit den dort Aufhältigen erfüllt und sie auch im Umgang mit den dort über das Abkommen zurückzuführenden Flüchtlingen einhält.

Zusatzfrage: Erkennt die Bundesrepublik die Türkei formell als sicheren Drittstaat an?

Dimroth: Eine formelle Einordnung als sicherer Drittstaat, wonach Sie jetzt fragen, ist mir jedenfalls rechtlich nicht bekannt. Es gibt im deutschen Recht die verfassungsrechtlich so vorgesehene Einstufung als sicheren Herkunftsstaat. Darüber, ob und inwieweit die Türkei diese Voraussetzungen erfüllen würde, gibt es derzeit keine Diskussionen. Das steht also nicht zur Debatte. Die Frage eines sicheren Drittstaats ist, wie gesagt, nach meiner Kenntnis nicht ein Instrument, das das deutsche Recht in dieser Form vorsieht.

Zusatzfrage: Aber ist diese formelle Anerkennung nicht die Voraussetzung dafür, dass die Bundesrepublik grünes Licht für die Abschiebung der Flüchtlinge aus Griechenland in die Türkei gibt?

Dimroth: Die formelle Voraussetzung dafür ist, dass wir davon ausgehen dürfen - auch aufgrund der Zusicherungen der Türkei -, dass die Türkei ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Flüchtlingen, die dort aufhältig sind, und insbesondere gegenüber den Flüchtlingen, die über dieses Abkommen in die Türkei zurückgeschoben werden, einhält. Daran haben wir keine Zweifel.

Frage: Herr Schäfer, dpa hat gerade aus Teheran gemeldet, dass sich der Bundesaußenminister nächste Woche mit seinem iranischen Amtskollegen in Berlin treffen werde. Können Sie so ein Treffen bestätigen? Können Sie sagen, welche Themen auf der Agenda stehen und welche Rolle das Problem der Spannungen mit Saudi-Arabien bei den Gesprächen spielen wird?

Schäfer: Ich kann ein solches Gespräch und eine solche Reise von Herrn Sarif nach Berlin zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestätigen, aber könnte Ihnen sagen, dass wir uns freuen würden, wenn der iranische Außenminister irgendwann in der nächsten Woche oder danach den Weg nach Berlin finden würde, weil es eine Reihe von Themen gibt, die immer wieder besprochen werden sollten und die wir dann gerne auch im direkten Kontakt mit der iranischen Regierung aufnehmen würden. Dazu gehören die Umsetzung der Wiener Vereinbarung über das Atomabkommen, die politische Öffnung, die damit verbunden ist, die wirtschaftliche Öffnung des Landes sowie die Neubelebung oder Wiederbelebung der bilateralen Beziehungen mit dem Iran einschließlich des Kulturaustausches. All das sind ganz wichtige Fragen, die, wie gesagt, auch immer wieder die politische Kontaktaufnahme notwendig machen. Herr Sarif ist herzlich willkommen in Berlin.

Zusatzfrage: Wird das Thema Saudi-Arabien angesprochen werden?

Schäfer: Wenn man mit dem iranischen Außenminister zusammenkommt, dann kommt man gar nicht umhin, das zu tun, sondern hat ein Interesse daran, auch die regionalen Fragen im Nahen und Mittleren Osten anzusprechen, die beide Seiten, Teheran und Berlin, bewegen. Dazu gehört der Konflikt in Syrien. Dazu gehören andere Fragen von beiderseitigem Interesse und in diesem Zusammenhang natürlich auch die schwierigen Beziehungen zwischen Teheran und Riad. Sie erinnern sich vielleicht, dass Herr Steinmeier bei seinen beiden Reisen nach Teheran und Riad, die er unternommen hat - zuletzt im Oktober letzten Jahres und im Februar dieses Jahres -, auch die bilateralen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran in den Blick genommen hat.

Zusatzfrage: Sind Sie momentan besorgt über die Spannungen zwischen diesen beiden Ländern, oder sind Sie eher gelassen?

Schäfer: Die Qualität der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran hat ganz wesentlichen Einfluss auf die Schnelligkeit und Wahrscheinlichkeit einer Lösung regionaler Konflikte. Je besser Teheran und Saudi-Arabien bilateral miteinander auskommen oder bereit sind, über regionale Fragen konstruktiv miteinander zu sprechen, desto besser für die Erfolge unserer Bemühungen um eine Konfliktbewältigung in Syrien, im Nahost-Friedensprozess, in Libyen und anderswo in der Region.

Frage: Herr Schäfer, weil das gerade im Weißen Haus und im State Department ein großes Thema ist: Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass sich Vertreter der US-Regierung, also namentlich Hillary Clinton, Ende 2012 heimlich mit Vertretern der iranischen Regierung, namentlich Herrn Ahmadinedschad, getroffen haben?

Schäfer: Nein, ich habe davon keine Kenntnis.

Zusatz: Das Auswärtige Amt, nicht Sie!

Schäfer: Sie haben jetzt mit mir den einzigen Vertreter des Auswärtigen Amtes vor sich, dem Sie diese Frage stellen können, und der hat Nein geantwortet.

Frage: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Welche Überlegungen gibt es hinsichtlich der Zukunft des Solidaritätszuschlags nach 2019? Welche Rolle spielt das Gutachten, über das heute berichtet wurde?

Audretsch: Es ist ja klar, dass der Solidarpakt für Ostdeutschland 2019 auslaufen wird. Das heißt, dass man dann ein neues gesamtdeutsches Projekt zur Förderung von strukturschwachen Regionen braucht. Das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gilt natürlich auch über 2019 hinaus. Das Bundeswirtschaftsministerium hat sehr früh damit begonnen, einen Prozess anzustoßen, und hat im Oktober 2014 dieses besagte Gutachten zur Weiterentwicklung der Regionalpolitik in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten liegt jetzt vor und ist vorgestellt worden. Darin sind Leitideen und Kernbotschaften enthalten. Die müssen jetzt fachlich weiterdiskutiert werden. Es ist klar, dass wir ein Gesamtkonzept dafür brauchen.

Jetzt wären in einem nächsten Schritt die Länder am Zug, sich dazu zu äußern und im Rahmen von Eckpunkten, die auch schon vorher vereinbart wurden, dann gemeinsam ein Konzept zu entwickeln, das dann ab 2020 daran anschließt. Dafür ist die Grundlage, dass wir dieses Gutachten heute vorgelegt haben.

Frage : Herr Jäger, das betrifft ja, wenn ich es richtig sehe, nicht zuletzt das BMF. Wie sehen Sie das denn?

Jäger: Wir beschäftigen uns im Augenblick natürlich vor allem mit einem Thema. Das sind die Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die ab 2020 neu zu definieren sind, in einem breiteren Sinne. Sie wissen, dass die Gespräche darüber laufen. Das ist eine sehr schwierige Materie.

Ich kann Ihnen im Augenblick keine Prognose abgeben, ob es noch vor der Sommerpause oder überhaupt in dieser Legislaturperiode zu einem erfolgreichen Abschluss kommen kann. Sie wissen, dass mein Minister diese Aussicht eher zurückhaltend einschätzt. Das liegt definitiv nicht daran, dass der Bund in dieser Frage keine Vorstellung hätte und den Ländern seine Vorschläge nicht übermittelt hätte. Es hat sich jetzt leider einfach erwiesen, dass die Länder zwar ihre gemeinsame Position formuliert haben, aber sich offenkundig schwertun, auf Basis dieser Position in Verhandlungen einzutreten, weil der Abstimmungsprozess zwischen den Ländern offensichtlich so komplex ist, dass das nicht so einfach geht. Wir bleiben an dem Thema dran, und dann wird man sehen.

Frage: Herr Jäger, könnten Sie vielleicht die Äußerungen des Ministers zum Thema Inzest erläutern? Mir ist der Gedankengang nicht ganz klar geworden, wie er die Gefahr des Inzests in Europa einschätzt.

Jäger: Jetzt bin ich doch ein bisschen enttäuscht. Ich war und bin nämlich eigentlich der Auffassung, dass diese Passage des Gesprächs aus sich selbst heraus verständlich ist. Das ist doch nun offenkundig eine vielleicht sarkastisch zugespitzte, aber sehr eindeutige Passage. Das ist ein Bekenntnis zu einem offenen Deutschland, zu einer offenen Gesellschaft. Abschottung ist für ein Land wie Deutschland - wir haben einen hohen Anteil am Welthandel und entsprechende Interessen, wir liegen in der Mitte Europas, wir sind ein Land des Austauschs und des Ausgleichs - keine Option. Daran hat der Minister noch einmal erinnert. Er tritt für eine offene, liberale und tolerante Gesellschaft in Deutschland ein.

Das sind eigentlich Dinge, die selbstverständlich sein sollten, wenngleich ich zugebe: Wenn ich mich jetzt im Internet umschaue und dort den einen oder anderen Leserkommentar zur Kenntnis nehmen muss, dann wird einem zum Teil schon ein bisschen gruselig. Ich habe es mir angetan, mich dort ein bisschen umzuschauen, und habe mich zwischendurch tatsächlich fragen müssen, ob wir - nicht wir, die wir jetzt hier sitzen, sondern die deutsche Gesellschaft oder Teile der deutschen Gesellschaft beziehungsweise manche Menschen in der deutschen Gesellschaft; ich präzisiere das jetzt - aus der deutschen Geschichte das gelernt haben, was wir alle gerne vermuten und unterstellen.

Zusatzfrage: Das Wort Inzest hatte jetzt erst einmal direkt nichts mit einer offenen Gesellschaft zu tun, sondern damit wird ja direkt auf Blutsverwandtschaft angespielt. Dass das jetzt mit einer offenen Gesellschaft in Zusammenhang gebracht wird, ist mir noch nicht ganz klar.

Jäger: Nein, das ist doch offenkundig! Ich hatte eben darauf hingewiesen, dass der Minister vielleicht in einer gewissen sarkastischen Zuspitzung einen Hinweis gegeben hat. Es ist überhaupt nicht unüblich, dass man so etwas in der Diskussion tut. Aber wer jetzt dem Bundesfinanzminister eine biologistische Argumentation unterstellt, der hat überhaupt nicht begriffen - noch nicht einmal im Ansatz -, worum es in diesem Gespräch geht und was die Zielrichtung seines Plädoyers ist.

Wir haben allen Grund, uns auf einen Umbruch in der Welt, der sehr tiefgreifend ist und sehr viele Bereiche unseres Lebens und Wirtschaftens betrifft, einzurichten und als Land entsprechend darauf zu reagieren. Das liegt ihm sehr am Herzen. Darauf hat er in diesem Interview hingewiesen. Das Plädoyer für ein weltoffenes, sich seiner globalen Verantwortung bewusst seienden Deutschlands ist ganz klar in diesem Text enthalten. Ich denke, dem gibt es nicht mehr viel hinzuzufügen. Das steht für sich selbst.

Frage: Herr Jäger, hat das der Finanzminister vielleicht im Rahmen seiner Absicht gesagt, Bundespräsident zu werden?

Jäger: Nein. Dieses Gespräch hat faktisch stattgefunden, bevor der Bundespräsident seine Entscheidung, sich nicht noch einmal zur Wiederwahl zu stellen, getroffen und verkündet hat. Es gibt damit überhaupt keinen Zusammenhang.

Frage: Wie sollte man die Phrase von Herrn Schäuble in besagtem Interview verstehen, dass die Griechen anders ticken?

Jäger: Auch das ist, glaube ich, nun wirklich selbsterklärend. Nehmen Sie nur das Beispiel der Reformprogramme. Wir treffen in Brüssel eine Verabredung, und dann werden diese Programme umgesetzt. Wir Deutschen denken dann immer: Jetzt haben wir die Verabredung, und es wird doch sicherlich wie am Schnürchen laufen. Dann bricht die Troika nach Athen auf, und es werden Termine nicht eingehalten, es gibt Verlängerungen, es gibt Nachprüfungen, es gibt Teiltranchen und all die bekannten Geschichten zum dritten Reformprogramm.

Der Minister hat auf diese ja nun offenkundige Tatsache hingewiesen, aber er hat auch sehr deutlich gemacht, dass er die Zusammenarbeit mit Griechenland schätzt und dass Deutschland - - -

(Rest der Antwort aufgrund einer Störung der Mikrofonanlage unverständlich)

Vorsitzender Szent-Iványi: Es tut mir leid; wenn das jetzt nicht geht, muss ich die Anlage einmal hoch- und herunterfahren. Aber jetzt scheint es ja erst einmal zu funktionieren. Bitte!

Zusatzfrage: Heißt das, dass die Griechen sozusagen andere Denksysteme haben? Denn das versteht man eigentlich unter dem Begriff "ticken", dass sie sozusagen in einem Parallel- oder - - -

Jäger: Nein, da machen Sie sich einmal keine Sorgen. Wir denken alle gemeinsam auf den Grundlagen der abendländischen Logik, die ja nicht zuletzt von großartigen griechischen Philosophen in Athen erfunden wurde. Insofern brauchen Sie da keine Befürchtungen zu haben. Aber es ist nun offenkundig, und das ist ja auch nichts Besonderes, dass jede europäische Gesellschaft ihre Eigenarten und ihre kulturelle Ausprägung hat. Es ist überhaupt nicht verkehrt, darauf hinzuweisen, dass das manchmal natürlich auch in die Politik hineinspielt; die Beispiele dafür habe ich Ihnen ja genannt.

Frage: Herr Jäger, Griechenland war der erste europäische Staat, der so ein brutales Sparprogramm hatte. Kein anderer europäischer Staat hat so ein Sparprogramm erhalten. Kein anderer europäischer Staat hat so eine Resolution erhalten. Alle sagen: Das war so brutal!

Schäfer: Ich weiß nicht, wer sagt, dass das brutal war. Die Bundesregierung hat das nie behauptet. Es war auch nicht brutal. Es war der schwierigen Lage Griechenlands angemessen. Eine andere Lösung war damals und ist heute leider nicht möglich.

Wenn Sie diesen Punkt schon ansprechen, dann darf man auch noch einmal in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass alle übrigen Reform- und Programmländer in der Europäischen Union ihre Programme inzwischen erfolgreich abgeschlossen haben, dass Griechenland im Augenblick mit großem Elan versucht, das dritte Programm umzusetzen, und es dann hoffentlich - wir sind da sehr zuversichtlich - auch umsetzen wird.

Die erste Programmüberprüfung haben wir ja jetzt abgeschlossen. Sie haben vielleicht mitbekommen, dass der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags heute Morgen zustimmend zur Kenntnis genommen hat, dass dies so ist. Deshalb kann der deutsche Gouverneur im ESM-Gouverneursrat in der kommenden Woche, wenn dort eine Entscheidung über die Auszahlung der ersten Tranche anstehen wird, auf Basis dieses Verfahrens seine Zustimmung geben.

Frage: Herr Seibert, zum BND und der Reform: Ich wollte Ihnen erst einmal die Möglichkeit geben, zu diesem geliebten Gesetzentwurf etwas zu sagen, der den Eindruck vermittelt, als sollten die inzwischen aufgedeckten zweifelhaften und größtenteils illegalen Praktiken des BND nachträglich legalisiert werden. Das könnten Sie vielleicht einmal ausräumen, wenn Sie möchten, obwohl ich davon ausgehe, dass Sie es nicht tun werden.

Ich würde gerne wissen, ob der Zeitplan immer noch feststeht, dass das Kabinett die BND-Reform vor dem Sommer beschließen möchte.

StS Seibert: Ich habe das Gefühl, die Vorrede war Ihnen wesentlich wichtiger als die eigentliche Frage.

Wir haben über dieses Thema oft gesprochen. Es ist öffentlich erklärt worden, dass die Bundesregierung an einer klarstellenden Regelung für die strategische Fernmeldeaufklärung des BND arbeitet. Das Bundeskanzleramt hat dazu einen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf soll eine ausgewogene Regelung, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen. Die Ressortabstimmung darüber ist noch nicht abgeschlossen. Deswegen und unter anderem auch aus Respekt vor dem Deutschen Bundestag werde ich mich zu den Einzelheiten dieses Gesetzentwurfes und zum Inhalt unserer laufenden Abstimmungen nicht öffentlich äußern.

Zu Ihrer konkreten Frage: Die Bundesregierung strebt einen Kabinettsbeschluss noch vor der Sommerpause an.

Zusatzfrage: Möchte die Bundesregierung, dass der BND als Auslandsgeheimdienst weiterhin nichts mit der deutschen inneren Sicherheit zu tun hat?

Können Sie uns sagen, ob für die Bundesregierung aktuell und künftig das Fernmeldegeheimnis für Metadaten gilt? Das könnte ich vielleicht als Lernfrage auch an Herrn Dimroth weitergeben.

StS Seibert: Ich habe mich zu dem Komplex des BND-Gesetzes ausreichend geäußert.

Dimroth: Ich muss zugeben, dass ich kurz unaufmerksam war. Deshalb müssten Sie den letzten Teil Ihrer Frage bitte noch einmal wiederholen.

Zusatzfrage: Da das BMI an der BND-Reform auch beteiligt ist: Gilt für die Bundesregierung aktuell und künftig das Fernmeldegeheimnis für Metadaten?

Dimroth: Das Fernmeldegeheimnis ist vom Grundgesetz in Artikel 10 geschützt und gilt völlig unabhängig von dem, was die Bundesregierung dazu meint, und in dem Umfang, wie ihn der Verfassungsgeber mit Schutz ausgestattet hat.

Zusatz: Also ja.

Dimroth: Also in dem Rahmen, wie ihn der Verfassungsgeber in Artikel 10 GG mit Schutz ausgestattet hat.

Freitag, 10. Juni 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 10. Juni 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/06/2016-06-10-regpk.html;jsessionid=BBD60044AD60EA88E39399C0610AE31D.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2016

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