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PRESSEKONFERENZ/1273: Regierungspressekonferenz vom 22. Juli 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 22. Juli 2016
Regierungspressekonferenz vom 22. Juli 2016

Themen: Verabschiedung eines Justizreformgesetzes durch Albanien, Sommerpressekonferenz der Bundeskanzlerin, EU-Beitrittsperspektive der Westbalkanstaaten, Abzug von deutschen Polizisten aus dem Südsudan/UNMIS-Mission im Südsudan, Ausrufung des Notstands in der Türkei, Attentat in Würzburg, Treffen der Bundeskanzlerin und der britischen Premierministerin, Export von Kernbrennstoffen ins Ausland, Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Übernahme von Tengelmann durch Edeka, Arbeitsentwurf zur Kennzeichnung von Mehrweg- und Einwegflaschen, Nominierung von Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, geplante Angleichung der Renten in West- und Ostdeutschland, IT-Sicherheitsgesetz, zivile Opfer bei einem Luftangriff in Syrien

Sprecher: StS Seibert, Fischer (AA), Plate (BMI), Flosdorff (BMVg), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Stamer (BMUB), Alemany (BMWi),


Vorsitzender Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Vorsitzender Detjen: Wir sind äußerst gespannt, ob Herr Seibert wie jeden Freitag Termine der Bundeskanzlerin für die kommende Woche zu verkünden hat. - Bitte, Herr Seibert.

StS Seibert: Guten Tag! Die Spannung kann ich auflösen: Ich habe keine öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin für die nächste Woche anzukündigen.

Vorsitzender Detjen: Als Ausgleich dafür hat aber Herr Fischer für das Auswärtige Amt eine Mitteilung zu machen.

Fischer: Genau. - Nachdem man manchmal den Eindruck hat, dass die Welt ein wenig aus den Fugen geraten ist und es nur noch schlechte Nachrichten gibt, möchte ich Sie gerne an einer der besseren, positiven Entwicklungen teilhaben lassen. Es geht nämlich um Albanien und die Verabschiedung des Justizreformgesetzes. Wir begrüßen die einstimmige Entscheidung des albanischen Parlaments für eine grundlegende Reform des Justizwesens. Das ist ein gutes Signal für die europäische Orientierung des Landes und ein wichtiger erster Schritt Albaniens auf dem Weg hin zu mehr Rechtsstaatlichkeit sowie ein Beitrag zur effektiven Bekämpfung von Korruption im Land. Die Justizreform ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Annäherung an die Europäische Union. Wir ermutigen alle politischen Akteure dazu, diesen Weg weiterzugehen. Die Justizreform ist aus unserer Sicht eine große Chance für Albanien. Es wird jetzt darum gehen, dass die Reform zügig und glaubhaft umgesetzt wird und dass weitere notwendige Reformen auf den Weg gebracht werden. - Das war es von mir.

Frage: Herr Seibert, wollte die Kanzlerin nicht vor dem Urlaub in die BPK kommen?

StS Seibert: Erkennbar nicht.

Zusatzfrage: Wann kommt sie denn?

StS Seibert: Vermutlich nach dem Urlaub, wie auch in anderen vergangenen Jahren schon.

Zusatzfrage: Wann ist der zu Ende?

StS Seibert: Warten Sie hier ab, was für öffentliche Termine der Bundeskanzlerin angekündigt werden. Die Kanzlerin wird sich jetzt, wie viele andere auch, eine Weile zu erholen versuchen. Sie ist aber immer im Dienst.

Zusatzfrage: Aber Sie wissen nicht, wie lange sie Urlaub macht?

StS Seibert: Sie werden hier erfahren, wann die öffentlichen Termine wieder beginnen.

Vorsitzender Detjen: Die Einladung der Bundespressekonferenz an die Bundeskanzlerin gilt selbstverständlich und ist ausgesprochen.

Frage: Eine Frage sowohl an Herrn Fischer als auch an Herrn Seibert: Aus Frankreich gibt es Forderungen zum Beispiel von Alain Juppé, dass nach der "Brexit"-Entscheidung jetzt auch die EU-Beitrittsgespräche mit den Westbalkanländern gestoppt werden sollten. Können Sie noch einmal sagen, ob sich seitens der Bundesregierung durch die "Brexit"-Entscheidung irgendetwas geändert hat beziehungsweise was die Einstellung der Bundesregierung mit Blick auf die Beitrittsperspektiven der Westbalkanstaaten ist?

Fischer: Ich glaube, wir halten weiter an der europäischen Perspektive der Westbalkanstaaten fest. Das ist auch mehrmals gesagt worden - ich glaube, unter anderem vom Bundesaußenminister, aber auch von der Bundeskanzlerin auf dem vor Kurzem stattgefundenen Westbalkangipfel in Paris.

Frage: Eine Frage an die Bundesregierung zum Südsudan: Der UN-Generalsekretär soll sehr verärgert darüber sein, dass Deutschland ohne Absprache mehrere Führungsoffiziere der Polizei aus dem Südsudan abgezogen hat. Wie stehen Sie zu dem Vorwurf, dass das ohne Absprache und zur Verärgerung der UN oder des Generalsekretärs gelaufen sei?

Fischer: Wenn ich mich dazu äußern darf: Es ist richtig, dass im Rahmen der Evakuierung der deutschen Staatsbürger und des Botschaftspersonals aus dem Südsudan durch Transportmaschinen der Bundeswehr auch fünf unbewaffnete deutsche Polizisten ausgeflogen worden sind, die bei der UNMIS-Mission ihren Dienst getan haben. Die Bundeswehr hat zudem vier verletzte UNMIS-Soldaten sowie viele Angehörige anderer Staaten ausgeflogen. Vielleicht ergänzend dazu: 15 Bundeswehrsoldaten, die bei UNMIS derzeit eingesetzt sind, leisten weiterhin vor Ort ihren Dienst.

Die Entscheidung beruhte darauf, dass in Anbetracht der heftigen Gefechte und Auseinandersetzungen vor Ort aus Sicht der Bundesregierung eine unmittelbare Gefahr für die persönliche Sicherheit der eingesetzten Polizisten bestand, die eine zeitweilige Evakuierung notwendig gemacht haben. Bei diesen temporär abgezogenen Polizisten handelt es sich um unbewaffnete Kräfte, die Beratungs- und Trainingsaufgaben ausgeführt haben. Es bestand dabei große Eilbedürftigkeit, weil die Bundeswehr eben nur an diesem einen Tag vor Ort in Dschuba war und die Polizisten ausfliegen konnte.

Ich glaube, es ist auch wichtig mitzuteilen, dass der zeitweilige Abzug dieser Polizisten dem Sekretariat der Vereinten Nationen im Voraus mündlich und schriftlich angezeigt worden ist. Die sind in New York also informiert gewesen.

Zusatzfrage: Man hört den Vorwurf, das sei ein schlechtes politisches Signal. Es gibt ja andere Nationen, die ihre Leute nicht abgezogen haben. Was sagen Sie dazu?

Fischer: Das kann ich nicht erkennen. Sie haben ja gehört, dass es sozusagen Gefahr in Verzug gab, dass der Handlungszeitraum, den es gab, nicht besonders groß war, und wir trotzdem die Vereinten Nationen unterrichtet haben. Von daher kann ich, glaube ich, mit Blick auf die Sicherheit der Polizisten und die Sicherheit ihres Einsatzes nur sagen: Der temporäre Abzug war vollständig gerechtfertigt.

Frage: Herr Plate, wenn ich richtig informiert bin, kam die Anordnung, dass die Polizisten zurückkommen, aus Ihrem Ministerium. Können Sie noch einmal begründen, warum Sie die Fürsorgepflicht als Grund angegeben haben?

Plate: Das kann ich, ehrlich gesagt, aus dem Stand nicht; mir ist die Anordnung nicht bekannt.

Zusatzfrage: Können Sie das nachreichen?

Plate: Ich werde es versuchen. Wenn die Anordnung tatsächlich von uns ist und das da drin steht, dann kann ich das nachreichen; wenn es nicht so ist, dann kann ich das logischerweise nicht nachreichen.

Frage: Temporär heißt ja, dass der Abzug zeitlich begrenzt ist. Wann gehen die wieder zurück?

Fischer: Darüber werden wir beraten, und wenn der Zeitpunkt gekommen ist, werden die Polizisten auch wieder zurückkehren.

Frage: Warum hat man denn die Soldaten abgezogen? Der Umgang mit schwierigen Situationen ist in der Polizeiarbeit ja durchaus nichts Ungewöhnliches, und das war laut UN-Angaben eine Situation, in der die Polizei dringend gebraucht wurde. Warum dann trotzdem diese Entscheidung?

Fischer: Erst einmal sind ja nicht Soldaten abgezogen worden; die Soldaten sind vor Ort geblieben. Es sind Polizisten gewesen, die unbewaffnet gewesen sind und die Trainings- und Beratungsaufgaben übernommen haben. Das heißt, die sind gar nicht operativ auf der Straße in Dschuba eingesetzt worden. Es hat Verletzte in der UNMIS-Mission gegeben, und da stand es aus unserer Sicht im Vordergrund, dass wir der Fürsorgepflicht, die wir für diese Beamten haben, nachkommen und sie mit den Möglichkeiten, die wir haben, dann auch aus Land herausbringen. Diese Möglichkeit mithilfe der Bundeswehr gab es einfach nur an diesem einen Tag.

Frage: Ist das entscheidende Kriterium denn die Tatsache gewesen, dass die Offiziere, die Polizisten unbewaffnet waren? Denn wie Sie sagten, gab es auch Verletzte bei der UNMIS-Mission, und da sind, wie Sie gesagt haben, weiterhin deutsche Soldaten im Einsatz. Worin besteht denn der Unterschied bei der Fürsorgepflicht? Beruht der wirklich auf dem Kriterium der Bewaffnung, ist es das? Oder gibt es eine andere Fürsorgepflicht für Soldaten als für Polizisten?

Fischer: Die Fürsorgepflicht ist natürlich bei allen deutschen Staatsbürgern die gleiche. Aber in diesem Fall wurde es vom Auftrag abhängig gemacht, und der Auftrag der Polizisten war einfach ein anderer als der der Soldaten. Im Übrigen unterliegen die Polizisten in der Tat auch dem Dienstvorbehalt des Bundesministeriums des Innern, und dort können Sie sicherlich auch weitere Aufklärung erhalten.

Zusatzfrage: Ich verstehe es immer noch nicht. In beiden Fällen sind es im weiten Sinne Angehörige von Institutionen der deutschen staatlichen Sicherheit. Auch Polizisten sind gelegentlich bewaffnet, begeben sich in schwierige, auch gesundheitsgefährdende Situationen. Was macht in diesem Fall unter Sicherheitsaspekten den Unterschied zwischen Polizeioffizieren und Soldaten - bezüglich derer Sie gesagt haben, dass auch für die ein Verletzungsrisiko besteht - aus? Ist es die Tatsache der Bewaffnung? Hätte man sie dann nicht vor Ort bewaffnen können?

Fischer: Es ist so, wie ich schon ausgeführt habe: Der Unterschied liegt im Auftrag, und diese Polizisten hatten einen Beratungsauftrag. Dieser Beratungsauftrag war in der unübersichtlichen Situation, die es in Dschuba gab, nicht mehr zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund gab es aus unserer Sicht dann auch keinen Grund, dass sie noch vor Ort verbleiben mussten - zumal bei der Abwägung dann die Fürsorgeaspekte überwogen haben.

Frage: Herr Fischer, als ich im Sudan war, habe ich registriert, dass die Bundeswehrsoldaten und die Bundespolizisten im gleichen Camp untergebracht sind. Können Sie sagen, ob sich an dieser Situation etwas geändert hat? Sollte sich daran nichts geändert haben: Wieso ist da die Sicherheitslage für die Soldaten anders als für die Polizisten, wenn sie im gleichen Camp, abgesichert durch relativ viel Militär und starke Kontrollen, untergebracht sind?

Fischer: Mangels Ortskenntnis kann ich Ihnen nicht mitteilen, ob die in demselben Camp untergebracht waren; da kennen Sie den Südsudan mutmaßlich besser, als ich ihn kenne. Aber noch einmal: Ich habe hier auf den Auftrag der Polizisten abgestellt, der in der unübersichtlichen Situation, die in Dschuba herrschte, nicht durchführbar gewesen ist.

Zusatzfrage: Aber der Auftrag beziehungsweise die Tätigkeit beider Gruppen vollzog sich ja aus dem Camp heraus? Deswegen frage ich nach dem Unterschied bei der Sicherheitseinstufung für Soldaten und für Polizisten.

Fischer: Sie haben meine Antwort gehört.

Frage: Ich habe zwei Fragen zum Thema Türkei: Herr Seibert, es gibt ja Forderung aus Reihen von Koalitionspolitikern nach einem EU-Sondergipfel zu diesem Thema. Dazu würde mich die Haltung der Bundesregierung interessieren. Genauso gibt es Forderungen von Koalitionspolitikern nach einem Abbruch oder zumindest Einfrieren der EU-Beitrittsverhandlungen. Auch dazu würde mich die Haltung der Bundesregierung interessieren.

StS Seibert: Danke für die Frage. - Einen EU-Sondergipfel einzuberufen ist Sache des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk, und das wird er zu entscheiden haben - sicherlich in Konsultationen mit einzelnen Mitgliedstaaten. Für uns ist klar, dass die Europäische Union wie auch die einzelnen Mitgliedstaaten die Situation dort in der Türkei jetzt natürlich sehr genau beobachten. Wir haben eine Situation mit einer hohen Zahl von schon erfolgten Festnahmen, Entlassungen und anderen repressiven Maßnahmen in den Streitkräften, in der öffentlichen Verwaltung, in der Welt der Wissenschaft. Wir haben jetzt zur Kenntnis zu nehmen, dass die türkische Regierung den Notstand für den Zeitraum von drei Monaten ausgerufen hat. Die Ausrufung des Notstands erleichtert natürlich auch noch einmal weitere repressive Maßnahmen.

Für uns ist deshalb klar: Wir müssen noch einmal sehr deutlich daran erinnern, welche Bedeutung Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit haben. Es wirft auch beunruhigende Fragen auf, wenn im Fernsehen oder auf Fotos Beschuldigte zu sehen sind, die deutlich Spuren von körperlicher Gewalt tragen, oder wenn Einzelne vor laufender Kamera gedemütigt oder erniedrigt werden. Also noch einmal: Die Rechtsstaatlichkeit - zu der sich der türkische Präsident, die türkische Regierung ja bekennen - muss sich jetzt beweisen, auch im Umgang mit den vielen Verhafteten und Beschuldigten, gerade auch in der Behandlung, die diese Menschen von der Polizei und der Justiz erfahren.

Ich denke, der Außenminister hat es für die Bundesregierung sehr klar gesagt: Nur die belegbare Verwicklung in strafbare Handlungen darf Auslöser staatlicher Maßnahmen sein, nicht eine mutmaßliche politische Gesinnung. Der Rechtsstaat schützt auch die Rechte von Angeklagten und von Bürgern, die in einen Verdacht geraten und die entsprechenden Verfahren sind unbedingt einzuhalten.

All das gibt genügend Grund, um die Entwicklungen der nächsten Tage und Wochen sowohl auf der Ebene der Mitgliedstaaten als auch auf europäischer Ebene sehr genau zu beobachten.

Wie es nun mit dem Beitrittsverfahren, auf das Sie ansprechen, weitergeht, ist auch keine deutsche Entscheidung. Wie gesagt, die EU wird also in den nächsten Tagen und Wochen sehr genau beobachten müssen, wie sich das Notstandsrecht in der Türkei entwickelt, wie der Putschversuch dort juristisch aufgearbeitet wird. Sicherlich wird man dann auch gemeinsam bewerten müssen, was da im Lande eines Beitrittskandidaten passiert. Zurzeit wenigstens ist es nach Einschätzung der Bundesregierung nicht denkbar, dass neue Verhandlungskapitel geöffnet werden.

Zusatzfrage: Ich würde gerne meine erste Frage noch einmal präziser stellen, weil Sie jetzt nur auf Herrn Tusk beziehungsweise auf Herrn Juncker verwiesen haben: Hielte die Bundesregierung einen EU-Sondergipfel zum jetzigen Zeitpunkt für eine gute Idee?

StS Seibert: Die Bundesregierung hält es für richtig, den türkischen Gesprächspartnern sehr klar unsere Überzeugungen von Rechtsstaatlichkeit und von Verhältnismäßigkeit auszudrücken, die Entwicklung dort in den nächsten Tagen und Wochen sehr genau zu beobachten und dann gegebenenfalls auch auf europäischer Ebene gemeinsam zu Bewertungen zu kommen.

Frage: An das Innenministerium: Rechnen Sie denn mit einem Ansteigen der Asylanträge von türkischen Staatsbürgern? Wie sind aus Ihrer Sicht unter der derzeitigen Situation in der Türkei die Chancen, dass die Anerkennungsquote, die momentan bei 1,9 Prozent liegt, zunimmt?

Plate: Vielen Dank für die Frage. Diese Frage ist identisch in der letzten Regierungspressekonferenz gestellt und beantwortet worden, von daher möchte ich einfach auf das Protokoll verweisen.

Frage: Herr Seibert, gestern haben offenbar viele von uns dieselben Bilder gesehen. Würden Sie nach dem Anschauen dieser Fernsehbilder sagen, dass das, was da zu sehen war - Menschen, die sehr offensichtlich gedemütigt wurden und Spuren von Gewaltanwendung zeigten -, sagen, dass das den Kriterien von Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde widerspricht?

Zweitens. Aus dem türkischen Parlament wird jetzt gesagt, das, was Erdogan da mache, sei ein Putsch gegen die Verfassung von oben. Können Sie diese Einschätzung zumindest nachvollziehen?

StS Seibert: Ich habe mich genau auf die Bilder bezogen, die Sie gerade beschrieben haben, und habe zu diesen Bildern gerade das gesagt, was ich für die Bundesregierung dazu zu sagen habe. Ich möchte das jetzt nicht wiederholen; ich glaube, das war sehr deutlich.

Ansonsten nehmen wir zur Kenntnis, dass die türkische Regierung den Notstand ausgerufen hat. Wir nehmen auch zur Kenntnis, dass dies ein Mittel ist, das die türkische Verfassung vorsieht. Der Notstand ist sozusagen Teil eins einer möglichen Eskalationsstufe, dem der Ausnahmezustand und das Kriegsrecht noch folgen würden. Es gibt also dieses Mittel in der türkischen Verfassung, deswegen will ich die Frage "Notstand, ja oder nein?" jetzt gar nicht so sehr in den Vordergrund rücken. Ich will vielmehr sagen - und das ist bereits vorher durch den Außenminister ausgedrückt worden -: Wir hoffen, dass der Notstand möglichst kurze Zeit in Kraft sein wird und dass die rechtsstaatlichen Grundsätze, die wir hier mehrfach angemahnt haben, auch in dieser Zeit beziehungsweise gerade in dieser Zeit beachtet werden.

Zusatzfrage: Die Frage war eigentlich, ob Sie die Bezeichnung "Putsch gegen die Verfassung von oben" - und das bezog sich ja nicht allein auf die Ausrufung des Notstandes, sondern auf das Gesamtpaket von Maßnahmen - nachvollziehen können.

StS Seibert: Wir haben unsere Kritik an dem, was wir seit der Niederschlagung oder dem Scheitern des Militärputsches in der Türkei erleben, hier in andere Worte gekleidet.

Frage: Herr Seibert, Herr Fischer, die österreichische Regierung beziehungsweise das österreichische Außenministerium hat ja den türkischen Botschafter einbestellt, um sich selbst in Bild zu machen. Inwieweit haben Sie das ebenfalls vor?

Fischer: Es gibt hier ja derzeit keinen türkischen Botschafter.

Zusatzfrage: Aber es gibt doch einen Geschäftsträger.

Fischer: Stimmt, aber es gibt keine Pläne, die mir bekannt wären, den Geschäftsträger einzubestellen. Im Übrigen ist es ja nicht so, dass wir kein Bild von den Vorgängen in der Türkei hätten. Der Außenminister stand ja mit dem türkischen Außenminister in Kontakt; unsere Botschaft ist vor Ort aktiv und steht in Kontakt mit allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen, mit der Regierung und der Opposition; wir haben ein Generalkonsulat in Istanbul, das sich einen sehr genauen Überblick verschaffen kann. Das heißt, Sie können davon ausgehen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in der Türkei uns praktisch minütlich auf dem Laufenden halten. Darüber hinaus stehen wir natürlich auch von der Zentrale hier in Berlin aus in Kontakt mit türkischen Ansprechpartnern. Wir haben also ein umfassendes Gesamtbild der Lage.

Zusatzfrage: Dieses Mittel der Einbestellung ist natürlich auch ein diplomatisches Mittel, um zu zeigen, dass man unzufrieden ist; deswegen haben die Österreicher das wohl gemacht, denn die werden über Ihre Kontakte im Außenministerium und das Konsulat in der Türkei ja vermutlich genauso gute Informationen haben wie Sie hier in Berlin. Deswegen die Frage: Wird es von Ihnen als diplomatisches Mittel in Erwägung gezogen, den Geschäftsträger einzuladen?

Fischer: Ich glaube, die Antwort darauf hatte ich Ihnen schon gegeben. Im Übrigen ist es, glaube ich, so - ich habe das auch nur der Presse entnommen -, dass die Einbestellung in Österreich erfolgt ist, weil es bestimmte Demonstrationen in Österreich gegeben hat, zu denen es Nachfragen des österreichischen Außenministeriums gab. Das heißt, die Situation ist aus dieser Hinsicht auch gar nicht vergleichbar.

Im Übrigen ist, denke ich, die Haltung der Bundesregierung sehr klar und der Türkei auch bekannt. Sie können, denke ich, davon ausgehen, dass das, was hier gesagt wird und was von der Bundeskanzlerin und vom Bundesaußenminister gesagt worden ist, in der Türkei durchaus gehört wird.

Frage: Herr Seibert, noch eine Frage zur Türkei: Die Bundeskanzlerin hat sich in den vergangenen Jahren sehr skeptisch geäußert, was die Beitrittsperspektiven der Türkei zur EU betrifft. Fühlt sie sich in ihrem Skeptizismus durch die aktuellen Entwicklungen in der Türkei bestätigt?

StS Seibert: Wir als Europäische Union führen ergebnisoffene Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Bei diesen Beitrittsverhandlungen - wie im Übrigen bei Beitrittsverhandlungen mit jedem anderen Beitrittskandidaten - spielen rechtsstaatliche Fragen eine ganz entscheidende, zentrale Rolle.

Ich habe für die Bundesregierung gerade gesagt, dass wir es unter den derzeitigen Umständen nicht für denkbar halten, neue Kapitel zu eröffnen. Aber das ist es, was ich dazu sagen kann. Wir sind in einem ergebnisoffenen Beitrittsprozess mit der Türkei. Alles Weitere - wie sich die Dinge in der Türkei entwickeln und wie man das gemeinsam in Europa bewerten wird - ist jetzt sicherlich zu beobachten.

Frage: Eine Frage an das Auswärtige Amt und eine an das Innenministerium:

Ich will auf den Geschäftsträger zurückkommen. Die Frage vorhin zielte, meine ich, auch darauf ab, dass es auch in Deutschland Vorfälle gegeben hat - es geht gar nicht so sehr um die Situation in der Türkei -, bei denen AKP-nahe Kräfte oder Anhänger der AKP entweder kurdische Einrichtungen oder mutmaßliche Gülen-Einrichtungen verwüstet oder angegriffen haben. Ist auch das kein Grund dafür, den Geschäftsträger einzuladen? Ich möchte nachfragen, ob Sie diesen Zusammenhang herstellen können.

An das Innenministerium: Gibt es bei Ihnen neue Erkenntnisse darüber, wie AKP-nahe Organisationen hier organisiert und aktiv sind? Haben Sie Erkenntnisse darüber, wie es um die Gefährdungslage von Gülen-Einrichtungen hier in Deutschland steht?

Fischer: Ich denke, zu der Frage, die Sie mir gestellt haben, müsste ich Sie an das Bundesinnenministerium verweisen, weil dort die Einschätzung der Dinge, die hier im Inneren ablaufen, vorgenommen wird. Aber bis auf Weiteres gilt aus Sicht der Bundesregierung, dass sich diejenigen, die sich an die freiheitlich-demokratische Grundordnung halten, auch ihr demokratisches Recht auf Demonstrationen ausüben dürfen - solange diese friedlich und gewaltfrei sind. Zu den einzelnen Vorkommnissen müssten Sie vielleicht den Kollegen befragen.

Plate: Ganz kurz. Ich denke, Ihre Frage zielt letzten Endes darauf ab, ob Erkenntnisse dazu vorliegen, dass ein Demonstrationsgeschehen oder ein wie auch immer geartetes Übergriffsgeschehen aus der Türkei heraus gesteuert würde. Darauf zielt die Frage letztlich ab. Dafür, dass dem so wäre, gibt es bei uns keinerlei Erkenntnisse. Ich denke, einige Folgefragen erledigen sich damit.

Hintergrund ist vielleicht auch, dass die von Ihnen genannten Gruppierungen allesamt nicht die Voraussetzungen dafür erfüllen, zum Beispiel Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes zu sein. Das kann ich jedenfalls für den Bundesverfassungsschutz ganz sicher sagen.

Die Einrichtungen, die Sie genannt haben, und vergleichbare Einrichtungen befinden sich in den 16 Bundesländern. Die konkrete Gefährdungsbewertung für jede einzelne dieser Einrichtungen obliegt dem jeweiligen Bundesland, in dem diese Einrichtung belegen ist.

Richtig ist, dass wir auch vonseiten des Bundes beobachten, dass es ein erhöhtes Demonstrationsaufkommen gibt. Wir gehen nicht davon aus, dass sich das schon erledigt hat. Das ist in Einzelfällen auch mit Gewalttätigkeiten oder Sachbeschädigung verbunden gewesen. Im Moment allerdings ist unsere Einschätzung die, dass der weit überwiegende Teil solcher Vorfälle keine gewalttätigen oder sachbeschädigenden Beimischungen hatte. Wir beobachten das natürlich weiter, auch mit einer gewissen Sorge, wie sich das weiter entwickelt. Es hängt natürlich mutmaßlich auch von den Ereignissen in der Türkei ab.

Der Innenminister selber hat sich auch schon dazu geäußert und gesagt, er verstehe zwar, dass sich viele Menschen, die hier lebten, durch das, was in der Türkei geschehe, in der einen oder anderen Weise betroffen oder emotional angefasst fühlten und auch ihre Meinung dazu hätten. Es sei aber ganz wichtig, dass diese Meinung friedlich geäußert werde und es nicht zur gewalttätigen Austragung von Meinungsverschiedenheiten auf deutschen Straßen komme. Die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern stehen dazu in engem Austausch.

Frage: Herr Seibert, Herr Fischer, wie bewerten Sie die Aussetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention? Verurteilen Sie das, oder macht Ihnen das wieder Sorgen? Welche Auswirkungen hat das auf den Flüchtlingsdeal?

StS Seibert: Ich fange hinten an. Wir haben mehrfach gesagt, dass wir zu dem EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen stehen, dass wir und die Europäer bereit sind, es weiter umzusetzen, und dass wir bisher auch keinen Anlass haben, zu meinen, dass die Türkei dies nicht tue. Dieses Abkommen existiert. Auch wenn es noch nicht vollständig umgesetzt ist, so hat es doch schon gute Wirkung entfaltet. Denn was dieses Abkommen will, bleibt im Ansatz vollkommen richtig. Die Bundeskanzlerin hat dies in der Pressekonferenz mit der britischen Premierministerin noch einmal verteidigt und noch einmal genau begründet. Das muss ich, denke ich, hier nicht noch einmal tun.

Es bleibt absolut richtig, dem Geschäft der Schlepper in der Ägäis die Grundlage entzogen zu haben. Es bleibt absolut richtig, statt illegale Migration hinzunehmen, auf rechtsstaatliches Handeln zu setzen. Es bleibt auch richtig, Flüchtlingsprojekte in der Türkei mit europäischen Mitteln finanziell so zu unterstützen, dass Flüchtlinge in der Türkei ein besseres und würdigeres Leben mit Bildungs- und Arbeitschancen bekommen können.

Fischer: Von mir vielleicht noch eine Ergänzung zur Europäischen Menschenrechtskonvention: Ich denke, es ist wichtig zu wissen, dass eine Abweichung nur zulässig ist, soweit es die Lage unbedingt erfordert. Das heißt, dass die Maßnahmen, die in der Türkei ergriffen werden, verhältnismäßig sein müssen und nicht im Widerspruch zu anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Türkei stehen dürfen. Keinesfalls darf von solchen Dingen wie dem Folterverbot oder dem Verbot der Bestrafung ohne gesetzliche Grundlage abgewichen werden. All diese Dinge können durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte überprüft werden.

Das heißt, eine Abweichung ist nur insofern gestattet, wie sie verhältnismäßig ist. Ich denke, wir haben hier sehr deutlich gemacht, dass für uns eines der Kernkriterien bei der Aufarbeitung dieses Putsches gerade die Verhältnismäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit sind.

Zusatzfrage: Ich meine, ich habe die Frage konkret formuliert: Welche Auswirkungen hat die Aussetzung der Menschenrechtskonvention auf die Vereinbarung mit der Türkei? Dass Sie Fan davon sind, weiß ich. Dass es weitergehen muss, weiß ich. Aber welche konkreten Auswirkungen hat diese Aussetzung?

StS Seibert: Ich sehe derzeit keine Auswirkungen dieser Situation auf die Lage der Flüchtlinge. Ich sehe auch keine Auswirkungen auf die sinnvolle Umsetzung des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens.

Ich verstehe auch, wenn ich das noch sagen darf, die Logik nicht, dass rechtsstaatliche Bedenken, die sich in der Türkei zurzeit natürlich stellen, dazu führen sollten, zu einem Zustand der Illegalität und des Sterbens in der Ägäis zurückzukehren. Diese Logik erschließt sich mir nicht. Sie ist auch nicht humanitär.

Frage: Herr Plate, zwar mögen die AKP-Ableger nicht unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen, aber die Aktivitäten ausländischer Geheimdienste in Deutschland wahrscheinlich schon. Gibt es Hinweise, dass die türkischen Sicherheitsbehörden hier in Deutschland gegen Oppositionelle vorgehen? Wird die Zusammenarbeit mit ihnen jetzt eingeschränkt?

Plate: Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, muss ich sagen: Es gibt keine solchen Hinweise. Das hatte ich gerade schon gesagt. Die qualitative Veränderung von der vorherigen Frage zu dieser Frage kann ich nicht so richtig erkennen.

Zusatz: Eben ging es um die AKP-nahen Organisationen.

Plate: Nein, es ging nicht nur darum. Es ging um die Frage, ob eine Steuerung des Demonstrationsgeschehens und von Gewalttätigkeiten in Deutschland von der Türkei aus erfolgt. Dazu habe ich gesagt - ich wiederhole es gern noch einmal -: Dazu haben wir keine Erkenntnisse.

Zusatz: Der zweite Teil der Frage war, ob es wegen des Ausnahmezustands oder der Situation in der Türkei jetzt Einschränkungen der Kooperation mit den türkischen Sicherheitsbehörden gibt, beispielsweise bei der Übermittlung von Informationen über Personen von Interesse.

Plate: Über nachrichtendienstliche operative Tätigkeiten berichte ich nicht in der Bundespressekonferenz.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert. Es geht noch einmal um die Milliardenzahlungen der EU. Sie sind als Heranführungshilfe deklariert. Damit soll die Anpassung an die Standards der EU erleichtert werden. Förderschwerpunkte sind laut EU Demokratie, Zivilgesellschaft und Rechtsstaatlichkeit. Seit 2007 sind dafür fast 5 Milliarden geflossen. Bis 2020 sollen weitere 4,5 Milliarden fließen.

Jetzt gibt es auch innerhalb der Koalition einen Dissens, ob diese Zahlungen weitergehen sollten. Die CSU ist der Meinung nein, zumindest Herr Singhammer. Frau Özoguz hat sich schon geäußert und sagt, diese Zahlungen sollten weitergehen.

Ist unter dem Eindruck dessen, was in der Türkei gerade passiert, wirklich noch davon auszugehen, dass dieses Geld für Demokratie, Zivilgesellschaft und Rechtsstaatlichkeit ausgegeben wird?

StS Seibert: Ich will vielleicht noch einmal klar machen, was diese sogenannten Vorbeitrittshilfen sind. Sie haben es ja angerissen. Damit unterstützt die EU politische und wirtschaftliche Reformen in den Kandidatenländern, gerade in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Es sind also Hilfen, die diese Kandidatenländer auf die Pflichten der EU-Mitgliedschaft und auf die EU-Standards vorbereiten sollen, die auf sie zukommen.

Bei der Türkei sind die meisten Mittel in die Bereiche Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie in die Bereiche Umwelt, Klima, Transport, Energie, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation geflossen. Die EU stellt diese Mittel zur Verfügung. Das Interesse ist auch ein europäisches Interesse, bei Beitrittskandidatenländern solche Vorbeitrittshilfen vorzunehmen.

Die EU-Kommission stellt diese Mittel zur Verfügung. Nun muss man sehr genau hinschauen, wie sich die Bedingungen für den Einsatz dieser Mittel in der Türkei unter den derzeitigen Bedingungen ganz besonders auch des Notstands entwickeln. Das wird dann auf europäischer Ebene besprochen werden müssen. Richtig.

Zusatzfrage: Wie sehen Sie die Chancen - - - Wie ist die Meinung der Bundesregierung, was diese Zahlungen angeht? Es geht immerhin um eine Milliarde Euro, die bereits auch aus Deutschland geflossen ist.

StS Seibert: Ich denke, wenige Tage nach dem Putsch ist es einfach zu früh. Man muss sich genau anschauen, was aus den Projekten geworden ist, in die diese Mittel geflossen sind, und ob sie sich überhaupt noch entfalten können oder ob sie in ihren Möglichkeiten jetzt begrenzt sind. Darüber wird die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten, die ja allesamt daran beteiligt sind, berichten. Darüber wird man dann miteinander diskutieren müssen.

Frage: Ich habe eine Art Lernfrage. Mich würde interessieren - ich weiß nicht, wer das am besten beantworten kann -, ob man qualitativ beschreiben kann, wie eng die Verflechtungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei aufgrund des Status als Beitrittskandidat und mit Blick auf den Prozess der Beitrittsverhandlungen, der bislang schon gelaufen ist, schon sind. - Ist die Frage verständlich? Im Grunde genommen geht es darum, dass wir alle wissen wollen, was die Türkei und was wir möglicherweise verlieren würden, wenn man die Beitrittsverhandlungen stoppen würde. Die Frage ist also: Was an Annäherung ist auf Basis dieser Verhandlungen bisher eigentlich passiert? Was hat sich schon institutionalisiert, etwa im Bereich der Forschung, im Bereich der Wissenschaft, im Bereich des Rechtsaustausches, wo auch immer? Kann man das so abstrakt beantworten?

StS Seibert: Ich zumindest sehe mich jetzt nicht in der Lage, Ihnen das in der nötigen Ausführlichkeit zu beantworten. Ich will gern schauen, ob wir in der Lage sind, dazu etwas nachzureichen.

Fischer: Ich will nur einen Aspekt anführen: Es ist im wirtschaftlichen Bereich. Die Türkei gehört ja praktisch zum europäischen Wirtschaftsraum. Es gibt eine gemeinsame Außenzollgrenze. Es gibt Zollfreiheit zwischen der Türkei und Europa. All diese Dinge haben natürlich dazu beigetragen, dass sich die europäische Wirtschaft und die türkische Wirtschaft sehr stark integriert haben. Das ist sicherlich einer der Aspekte, von denen man sagen kann, dass die Integration dort am weitesten fortgeschritten ist.

Frage: Eine Frage an das BMVg zu den Soldaten in Incirlik: Anfang der Woche hieß es, die Situation vor Ort sei nicht so gut - teilweise kein Strom, keine Klimaanlagen, Unterkunftsprobleme. Sind diese Probleme inzwischen gelöst? Wie ist die Situation der Angehörigen? Werden sie regelmäßig informiert, und wenn ja, wie oft?

Flosdorff: Um von hinten anzufangen: Wie oft Kontakt zu den Angehörigen besteht, kann ich Ihnen nicht sagen. Mir ist aber nicht bekannt, dass es Kommunikationsprobleme gibt.

Die Situation auf der Incirlik Air Base ist weiter auf dem Weg zur Normalität. Heute im Laufe des Tages soll die Stromversorgung wieder hergestellt sein. Für heute ist ein Flug eines A400M geplant, der Versorgungsgüter auf die Base bringt. Spätestens morgen sollten dann auch die kleineren Einschränkungen vorbei sein. Der normale militärische Betrieb läuft ohnehin. Die Aufklärungsflüge der Tornados finden statt. Der Tank-Airbus ist auch in der Luft, um die Flugzeuge der Koalition zu betanken.

Zusatzfrage: Nach Berichten beklagen sich Angehörige, dass sie nicht rechtzeitig informiert werden. Sie sollten wohl täglich informiert werden. Das findet nicht statt. Haben Sie darüber Erkenntnisse?

Flosdorff: Darüber habe ich leider keine Erkenntnisse. Das kann ich nachreichen. Oder Sie wenden sich an die Pressestelle des Einsatzführungskommandos in Potsdam. Dort kennt man sicherlich die genauen Einzelheiten in dieser Detailliertheit.

Frage: Eine Frage an Herrn Fischer. Zunächst war auf der Website des Auswärtigen Amtes die Rede von dem Ausnahmezustand, der in der Türkei verhängt worden sei. Dann wurde das in "Notstand" geändert. Wie kam es zu dieser Änderung? Gibt es jetzt eine Differenzierung oder eine andere Wertung der Bundesregierung? Auch Herr Seibert hat ja von Notstand gesprochen. Wie ist das zu erklären? Denn allgemein ist auch in der Berichterstattung immer von Ausnahmezustand die Rede.

Fischer: Es stimmt. In der Berichterstattung ist von Ausnahmezustand die Rede. Auch im normalen Alltagsdeutsch wird, meine ich, von Ausnahmezustand gesprochen. Allerdings kennt die türkische Verfassung drei verschiedene Verfassungsinstitute, um außergewöhnlicher Lagen wie Naturkatastrophen, versuchter Putsche oder innerer Unruhen Herr zu werden. Eines dieser Instrumente ist der Notstand, den die Türkei ausgerufen hat. Dabei verbleibt die Regierungsgewalt bei dem zivilen Teil der exekutiven Kräfte. Die Alternative dazu ist der Ausnahmezustand, bei dem bedeutend mehr Macht von der zivilen Macht auf die militärische Gewalt übergeht. Das Dritte wäre der Kriegsnotstand, der im Kriegsfalle ausgerufen würde und bei dem noch mehr Macht an das Militär überginge.

Zusatzfrage: Von der Wertigkeit her ist das, was momentan von der Türkei verhängt wurde, also das Geringste?

Fischer: Genau. Das kann man so sagen.

Frage: Herr Seibert, vielleicht auch Frau Tiesenhausen, eine Lernfrage zu den bisherigen Zahlungen im Rahmen des EU-Türkei-Deals: Wie viel soll dieses Jahr an die Türkei oder an Projekte in der Türkei fließen? Wie viel ist bisher konkret geflossen?

von Tiesenhausen-Cave: Die Kommission, die das koordiniert, sagt, dass bislang für Maßnahmen Mittel in Höhe von 150 Millionen Euro vertraglich gebunden und also zugesagt sind. Ausgezahlt wurden 105 Millionen Euro. Die Finanzierung dieser Mittel läuft so - das haben wir hier schon mehrfach erklärt -, dass 1 Milliarde Euro kurzfristig aus dem EU-Haushalt umgeschichtet wird und 2 Milliarden Euro dann von den Mitgliedsstaaten eingesammelt werden.

Zusatzfrage: Wie viel von den 105 Millionen Euro ist bisher von deutscher Seite geflossen?

von Tiesenhausen-Cave: Ich habe ja gesagt, dass zuerst aus dem EU-Haushalt umgeschichtet wird. Dann kommen die Gelder der Mitgliedsstaaten. Da wir bislang 105 Millionen Euro über die EU-Kommission ausgezahlt haben, ist das über den EU-Weg gegangen.

Zusatzfrage: Ist also deutsches Geld bisher noch nicht geflossen?

StS Seibert: Im EU-Haushalt ist deutsches Geld. Es kommt von nirgendwo anders her als aus den Mitgliedsstaaten.

Frage: Herr Fischer, können Sie uns sagen, wie viele deutsche Staatsbürger von der Botschaft betreut werden, weil sie verhaftet wurden oder anderweitig von den Repressalien betroffen sind? Ich denke dabei vor allem an Doppelstaatler.

Fischer: Dazu kann ich Ihnen aus dem Stehgreif nichts sagen. Mir ist dazu auch nichts bekannt. Das heißt nicht, dass es das nicht gibt.

Zu den Doppelstaatlern müsste man vielleicht sagen: Deutsch-türkische Doppelstaatler sind aus Sicht der Türkei türkische Staatsbürger und unterliegen der türkischen Jurisdiktion. Das heißt, die konsularischen Eingriffsmöglichkeiten sind durchaus beschränkter als bei Deutschen, die nur die deutsche Staatsangehörigkeit oder neben der deutschen beispielsweise die britische Staatsangehörigkeit haben und in der Türkei unterwegs sind.

Zusatzfrage: Wäre es möglich, die Antwort nachzureichen?

Fischer: Wir schauen, was wir tun können.

Frage: Herr Seibert, vorgestern hat die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, nach den Terroranschlägen wachse in China der Angst vor einer Reise nach Europa. Was meinen Sie dazu? Finden Sie eine solche Angst unbegründet, oder bleibt Deutschland ein sicheres Land wie zuvor?

Zweitens: Was ist das offizielle Kriterium für "Terroranschlag" und für "Amoklauf"? Bis wann kann man sicher wissen, ob der Mann in Würzburg wirklich ein Einzeltäter ist?

StS Seibert: Ich kann nun, ehrlich gesagt, nicht beurteilen, wie dieser entsetzliche Anschlag in China aufgenommen worden ist; ich bin sicher: mit allergrößter Sorge, vor allem auch um diese Familie aus Hongkong, die davon ja betroffen gewesen ist. Die Bundeskanzlerin hat ja auch sehr klargemacht, dass ihre Gedanken vor allen Dingen diesen Opfern gelten, in der Hoffnung, dass Genesung möglich sein wird und dass sie diese Verletzungen tatsächlich hinter sich bringen können.

Ich glaube, jeder muss wissen - sowohl in Deutschland als auch im Ausland - , dass die deutschen Sicherheitsbehörden alles tun, um Radikalisierung zu erkennen, Radikalisierte frühzeitig zu erkennen und sie auch für die Gemeinschaft unschädlich zu machen. Wir sind mit allen Kräften daran. Dennoch wird es nie eine Situation geben, in der man für ein ganzes Land sagen kann, dass so etwas nie vorkommen kann; das ist leider auch eine wahre Aussage. Aber wir sind mit allen Möglichkeiten, die unsere Sicherheitskräfte haben, dabei, nicht nur diesen entsetzlichen Fall von Würzburg aufzuklären, sondern eben auch dafür zu sorgen, dass das höchstmögliche Maß an Sicherheit in Deutschland herrscht. Ich denke, dass sich sowohl die Menschen in Deutschland als auch die Menschen im Ausland im Vertrauen auf die Anstrengungen, die der Staat hierfür unternimmt, hier zu jeder Zeit bewegen können und hierhin reisen können.

Was die eigentlichen Ermittlungen rund um diesen Fall in Würzburg betrifft, müsste ich an das Innenministerium beziehungsweise müssten wir alle zusammen an den Generalbundesanwalt verweisen, der diese Ermittlungen führt und die wir hier nicht im Detail kommentieren können.

Plate: Weil ich in der Sache zu den Ermittlungen nichts sagen kann - auch nicht zu deren voraussichtlicher Dauer, weil das in der Hand des Generalbundesanwalts liegt -, gibt es vielleicht von meiner Seite nur eine ganz kurze Ergänzung. Ich möchte zur Sicherheitslage aber vielleicht doch noch einmal sagen: Ja, wir betonen seit Längerem, dass Deutschland wie andere EU-Staaten Teil eines Gefahrenraums ist. Die Staaten stehen im Fokus des islamistischen Terrorismus. Ja, wir können Anschläge trotz aller Bemühungen nicht mit letzter Sicherheit ausschließen. Aber ich möchte auch sagen: Wenn man sich die Polizeilichen Kriminalstatistiken der letzten Jahre anschaut und sich anschaut, wie viele schwere Straftaten es gab, bezogen auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit, also wie viele Tötungsdelikte, dann muss man einfach einmal festhalten, dass es wenige Länder auf der Erde gibt, die, bezogen auf diese Zahlen, so sicher wie Deutschland sind. Trotz aller Gefahr bleibt diese Aussage bestehen und richtig.

Frage: Herr Plate, nachdem sich jetzt in Nizza herausgestellt hat, dass es eben doch nicht unbedingt ein Einzeltäter war, sondern dass der offenbar vernetzter war und sich auch nicht plötzlich radikalisierte, sondern diese Tat offenbar viel länger geplant hat, würden Sie trotzdem sagen, dass es richtig ist, dass man bei dem Fall von Würzburg immer noch und weiterhin davon ausgeht, obwohl die Generalbundesanwaltschaft ermittelt, dass es um einen Einzeltäter gehen könnte? Würden Sie sagen, dass man die Grenzziehung zwischen Amoklauf und Terrortat, die auch von Ihrem Minister thematisiert wurde, noch aufrechterhalten kann?

Plate: Vielleicht zunächst zu Ihrem ersten Punkt, auch wenn das, glaube ich, keine unmittelbare Frage war, zu Nizza: Ich weiß jetzt nicht genau, woher Sie diese Erkenntnis nehmen, dass das in Nizza auf keinen Fall ein Einzeltäter war. Klar, darüber war in Medien viel zu lesen, aber ich halte es, ehrlich gesagt, für deutlich verfrüht, diese Schlussfolgerung jetzt so apodiktisch zu treffen.

Zum Thema Würzburg: Es ist jedenfalls so, dass die Ermittlungen laufen. Natürlich ist es so, dass die Ermittlungen ergeben müssen, ob das die Tat eines Einzeltäters war oder nicht. Sie werden, glaube ich, wenn Sie Aussagen zu diesem Thema lesen, die aus den Reihen der Bundesregierung aufgekommen sind, auch keine finden, die die Behauptung enthält, dass es auf jeden Fall ein Einzeltäter war. Insofern stellt sich auch die Folgefrage danach, ob die Grenzziehung richtig ist oder nicht, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Vielleicht stellt sie sich auch, aber man kann sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten, weil die Ermittlungen ja gerade noch nicht abgeschlossen sind, die genau in Bezug auf diese Dinge sicherlich Erkenntnisse erbringen werden.

Frage: Herr Plate, auf die Gefahr hin, dass Sie auf den GBA verweisen, frage ich, weil das BAMF ja bei Ihnen beheimatet ist: Gibt es inzwischen Klarheit darüber, ob der Attentäter Afghane oder vielleicht doch Pakistaner war?

Plate: Vielen Dank für die Frage. Zu dieser Frage kann ich in der Tat nichts sagen, weil, wie Sie vielleicht wissen, eine Anhörung im BAMF noch nicht stattgefunden hatte. Die abschließende Identitätsklärung im BAMF erfolgt spätestens und vor allen Dingen im Rahmen der Anhörung, was ja auch logisch ist, weil man im Rahmen der Anhörung solche Dinge tun kann wie mit Dolmetschern und Sprachexperten zu schauen "Was ist das ganz genau für ein Akzent?", "Was liegen für Ortskenntnisse über den behaupteten Herkunftsort vor?" usw. usf. All diese Dinge geschehen in der Anhörung. Eine Anhörung bezüglich des Attentäters hat es aber noch nicht gegeben. Insofern kann ich das - jedenfalls, was die Zeit vor dem Ermittlungsverfahren angeht - nicht sagen.

Was sich im Ermittlungsverfahren hinsichtlich dieser Frage möglicherweise ergeben wird, kann ich jetzt noch nicht vorhersagen. Das obliegt sozusagen dem Generalbundesanwalt, der ja die bayerischen Sicherheitsbehörden mit den Ermittlungen beauftragt hat, um das zu ergründen.

Ich kann aber etwas sagen, und das geht in eine ähnliche Richtung. Es war ja auch heute vermehrt in der Zeitung zu lesen, dass es keine polizeiliche Identitätsfeststellung bezüglich des Täters gegeben habe. Ich weiß jetzt nicht genau, woher die Kollegen das haben, zutreffend ist es aber jedenfalls nicht. Richtig ist, dass der Täter nach den uns vorliegenden Erkenntnissen am frühen Morgen des 29. Juni 2015 in einer Reisegruppe über die deutsch-österreichische Grenze gekommen ist, was durch die Bundespolizei am 29. Juni um 3.55 Uhr auf einem grenznahen Parkplatz an der Bundesautobahn A3 festgestellt worden ist.

Das verwundert vielleicht, weil die Wiedereinführung von Grenzkontrollen ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht stattgefunden hatte. Aber es gab bereits eine erhöhte Schleierfahndung, also eine intensivierte Schleierfahndung. Um das vielleicht ein bisschen einordnen zu können: An jenem Tag, dem 29. Juni, hat die Bundespolizei bundesweit 228 unerlaubt eingereiste Personen festgestellt, davon 103 an der deutsch-österreichischen Grenze, also an der Grenze, über die auch der Attentäter gekommen ist.

Der Betroffene wurde dann durch die Bundespolizei in Gewahrsam genommen, in Passau polizeilich überprüft und wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise ohne erforderlichen Pass strafrechtlich angezeigt. Diese polizeiliche Überprüfung beinhaltete damals auch eine fahndungsmäßige Überprüfung der angegebenen Personalien und der Fingerabdrücke in den nationalen Datenbanken.

Man muss sich das so vorstellen: Das ist ein sogenanntes Fast-ID-System. Die Kollegen von der Bundespolizei haben ein Gerät dabei, das ungefähr so groß wie eine Computermaus ist. Man kann dort sozusagen einen Finger zum Abdruck auflegen. Dieses Gerät ist auch mit einer mobilen Schnittstelle ausgerüstet. Das heißt, die Daten werden dann, wenn sie aufgenommen worden sind - ich kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, ob ein Fingerabdruck oder mehrere aufgenommen worden sind -, an das Bundeskriminalamt übermittelt. Es erfolgt ein Abgleich insbesondere mit den Datenbanken AFIS-A und AFIS-P. Das sind die Datenbanken.

Ein solcher Abgleich ist damals erfolgt und hat keine Erkenntnisse polizeilicher Art zu dieser Person ergeben. Mit anderen Worten: Er war für die polizeilichen Datenbanken sozusagen neu; es gab da keine Voreinträge.

Frage: Herr Flosdorff, beschäftigt sich die Bundeswehr mit diesem Fall? Der Täter soll nämlich kurz vorher die Meldung aus Afghanistan bekommen haben, dass dort mindestens ein Freund von ihm getötet worden ist. Untersuchen Sie, ob die Bundeswehr oder Amerikaner - vielleicht durch Drohnenangriffe - daran mitschuldig waren oder dafür verantwortlich waren, was ja oft ein Motiv sein kann, also Rache am Westen?

Herr Plate, Herr de Maizière hat ja gestern dem "Tagesspiegel" ein langes Interview gegeben. Was mir aufgefallen ist, ist, dass er gesagt hat, dass er nicht alle Flüchtlinge unter Generalverdacht stellen möchte. Welche möchte er denn nicht unter Generalverdacht stellen?

Flosdorff: Diese Weiterungen des Falls sind mir nicht bekannt. Ich kann dazu nicht sagen.

Plate: Vielen Dank für Ihre Frage. Wenn das vielleicht unklar gewesen ist, dann freue ich mich über die Gelegenheit, es klarzustellen: Unter Generalverdacht soll natürlich niemand gestellt werden. Gemeint war damit, dass man jetzt nicht per se einen Verdacht gegen Flüchtlinge hegen soll, nur weil vielleicht einer ein Flüchtling gewesen ist, der eine schreckliche Tat begangen hat. Das ist, glaube ich, der eigentlich relativ klare Gehalt dieser Aussage, und ich hoffe, damit habe ich es ausreichend erklärt.

Zusatzfrage: Was ist ein "einsamer Wolf"? Das soll Fachjargon der Sicherheitsbehörden sein. Können Sie uns da aufklären, Herr Plate?

Plate: Nein, das kann ich nicht. Mir ist dazu keine Definition bekannt. Ich bin auch nicht sicher, ob das ein feststehender Begriff ist. Ich habe ihn in den letzten Tagen auch häufig gelesen, aber so richtig kann ich den Bedarf für eine solche Definition hier auch nicht erkennen.

Frage: Herr Seibert, ich würde gerne etwas zum Thema "Brexit" fragen. Vor dem Mittagessen mit Theresa May am Mittwoch hat die Bundeskanzlerin gesagt, man werde die Dinge besprechen, die im Zusammenhang mit Artikel 50 stehen, ohne Verhandlungen zu führen. Was waren denn diese Dinge? Können Sie etwas über das Ergebnis des Gesprächs berichten? Anders gefragt: Welche Dinge sind zwischen der EU und Großbritannien zu klären, bevor Artikel 50 angewendet wird?

StS Seibert: Erstens war das ein Abendessen, kein Mittagessen, weil die Premierministerin erst um 17.30 Uhr eintraf. Zweitens gab es eine ausführliche Pressekonferenz der beiden Damen, in der das besprochen und der Presse mitgeteilt wurde, was der Presse mitzuteilen ist. Drittens wissen Sie auch, dass das Thema "Großbritannien nach dem Referendum und seine künftige Haltung zur EU" nur eines von mehreren Themen war. Es gab mehrere Themen, die uns natürlich auch unabhängig von der EU-Mitgliedschaftsfrage bisher mit den Briten verbunden haben und auch in Zukunft verbinden werden, und auch die wurden dabei besprochen. Ich möchte wirklich auf die Pressekonferenz verweisen. Die war sehr ausführlich und, glaube ich, auch ganz aufschlussreich.

Zusatzfrage: Aber die Pressekonferenz war vor dem Abendessen. Was können Sie also zusätzlich vom Abendessen berichten?

StS Seibert: Ja, aber sie fand schon nach einem ersten Gespräch statt. Die Pressekonferenz sagte das aus, was beide Seiten zu diesem Zeitpunkt sagen wollten. Es ist doch ganz offensichtlich, dass keine informellen oder formellen Verhandlungen geführt wurden. Die Bundeskanzlerin hat ganz klar gesagt: Wir erwarten jetzt von Großbritannien, dass es nach einer Zeit des Überlegens, die völlig verständlich ist, nicht nur seinen Austritt nach Artikel 50 erklärt, sondern den europäischen Partnern auch gleich erklärt, welche zukünftige Beziehung zur Europäischen Union es anstrebt. Daraufhin wird die EU der 27 dann Leitlinien für die Verhandlungen erarbeiten, und dann wird es losgehen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Umweltministerium. Aus Deutschland werden laufend Kernbrennstoffe aus Atommeilern nach Cattenom in Frankreich und in andere Kraftwerke gebracht, und zwar mit einer Ausfuhrgenehmigung aus Deutschland. Seit heute liegt ein Rechtsgutachten des IPPNW dazu vor, das das für unzulässig erklärt, weil diese Betriebsstätten in Frankreich und in Belgien nicht sicher oder nicht zuverlässig arbeiten würden. Können Sie etwas dazu sagen, warum diese Exporte weiterhin stattfinden?

Stamer: Vielleicht zunächst ein kurzer Hinweis an Sie: Mein Kollege hat Ihnen inzwischen schon ausführlich geantwortet. Ich weiß nicht, ob Sie das schon gesehen haben.

Zusatz: Nein. Vielleicht können Sie das kurz zusammenfassen oder in zwei Sätzen sagen.

Stamer: Gut, dann kann ich noch einmal auf die wichtigsten Punkte oder auf einige Punkte eingehen, die Sie hier angesprochen haben. Zunächst einmal ein kurzer Hinweis zur rechtlichen Lage: Es ist so geregelt, dass der Antragsteller, der Kernbrennstoffe ins Ausland - auch in das europäische Ausland - exportieren und transportieren will, dafür eine Ausfuhrgenehmigung - die erteilt das BAFA - und eine Transportgenehmigung braucht. Im Atomgesetz ist das so geregelt, dass, wenn der Antragsteller alle Voraussetzungen für eine Genehmigung erfüllt, die Behörden nach dem Gesetz dann eine Genehmigung erteilen müssen. Die Juristen nennen das eine gebundene Genehmigung. Das BAFA hat in diesem Fall keinen Ermessensspielraum.

Sie wissen: Es stehen die Urananlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen in der Diskussion. Sie wissen, dass diese beiden Anlagen beim politischen Konsens zum Atomausstieg 2011 ausgenommen worden sind. Das mag man bedauern, aber derzeit ist die rechtliche Grundlage so. Die beiden Anlagen haben eine unbefristete Betriebsgenehmigung. Im Übrigen sind die zuständigen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden für Gronau das Wirtschaftsministerium in NRW und für Lingen das Umweltministerium in Niedersachsen.

Ihre zweite Frage bezieht sich auf das Gutachten, das heute vorgestellt worden ist. Wir kennen den Termin. Wir werden uns dieses Gutachten natürlich sehr genau und gründlich anschauen. Wir werden die Frage prüfen, ob sich für das BAFA rechtlich tragfähige Gründe dafür ergeben, Sicherheitsbedenken gegen ausländische Atomkraftwerke bei der Prüfung von Ausfuhranträgen zu berücksichtigen.

Zusatzfrage: Nun werden aus Sicht der Bundesregierung, wenn ich das richtig verstanden habe, auch noch die Atomkraftwerke Fessenheim, Cattenom und Doel in Belgien als nicht betriebssicher eingestuft. Warum kann dann trotzdem dorthin exportiert werden?

Stamer: Also noch einmal: Ich habe Ihnen die rechtliche Grundlage erläutert und gesagt, wie die rechtliche Grundlage hier ist. Durch die Behörde muss, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, eine Ausfuhrgenehmigung erteilt werden. Da gibt es keinen Ermessensspielraum. Ich habe das ja, wie gesagt, ausgeführt.

Was die Fragen angeht, die das Gutachten aufwirft, das heute vorgestellt worden ist, habe ich Ihnen ja gesagt, welcher Frage wir nachgehen werden.

Im Übrigen kann ich hier noch einmal darauf verweisen, dass gerade Bundesumweltministerin Hendricks in Gesprächen zum Beispiel mit dem zuständigen Minister in Belgien ja die Bedenken thematisiert hat, die es vor allen Dingen in der grenznahen Region gibt. Wir haben dem belgischen Minister einen Katalog mit 15 aus unserer Sicht offenen Sicherheitsfragen übergeben. Das sind Fragen, die Experten aufgelistet haben. Wir stehen im fachlichen Gespräch mit den Belgiern. Sie wissen, dass die Ministerin die Bitte - wie gesagt: die Bitte - geäußert hat, dass die hier in Rede stehenden belgischen Anlagen so lange vom Netz genommen werden, bis diese Fragen geklärt sind.

Frage: Frau Alemany, macht sich Ihr Minister während seines Kurzurlaubs wegen Edeka/Tengelmann Sorgen um seinen Job?

Hat er in der Zwischenzeit veranlasst, dass eine Fehleranalyse in seinem Haus gemacht wird, um zu klären, ob er bei den Verhandlungen mit der Ministererlaubnis möglicherweise einen Fehler gemacht hat?

Wie stellt sich Herr Gabriel eigentlich vor, dass der ja doch ungewöhnliche Streit zwischen einem Bundesminister und einem Oberlandesgericht so aus der Welt geschafft wird, dass nicht einer von beiden auf der Strecke bleibt?

Alemany: Über die Gedanken meines Ministers während seines Urlaubs mag ich gar nicht spekulieren. Das ist auch nicht mein Job.

Ich kann Ihnen aber gerne eine Einordnung zum Fall Edeka geben: Minister Gabriel hat sich ja in seiner umfassenden Pressekonferenz am letzten Dienstag schon dazu geäußert. Sie finden das alles online auf der Homepage eingestellt. Er hat ja heute auch noch einmal einer deutschen großen Tageszeitung gegenüber deutlich gemacht, worum es ihm eigentlich geht. Sein Ziel war und ist es, Arbeitsplätze und Arbeitnehmerrechte zu sichern. Das war seine Entscheidungsgrundlage. Das gehört im Übrigen auch zu den originären Aufgaben eines Bundeswirtschaftsministers, gerade bei einem solchen Instrument wie der Ministererlaubnis, bei dem es ja um mehr als rein wettbewerbliche Erwägungen geht, nämlich auch um wirtschaftspolitische.

Nun zu der Einlassung des OLG Düsseldorf von gestern für Sie zur Einordnung: Das ist kein neuer Stand. Es führt lediglich noch einmal das aus, was das OLG dem BMWi bereits letzte Woche in seinem vorläufigen Beschluss mitgeteilt hat. Das Gericht hat sowohl zum Gemeinwohlgrund - das ist ja durch die Medienlage bekannt - als auch zur Dokumentation eine andere Rechtsauffassung als wir als BMWi. Unsere Rechtsauffassung ist, dass wir das gesamte Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt haben. Unsere Rechtsauffassung ist auch, dass die Arbeitssicherung sehr wohl einen Gemeinwohlgrund darstellt. Wir werden jetzt dem OLG mitteilen, dass wir einverstanden sind, die bezeichneten Akten offenzulegen.

Zusatzfrage: Die Frage war, wenn ich noch einmal nachfragen darf, ob zwischenzeitlich eine Fehleranalyse in Ihrem Haus in Bezug darauf veranlasst wurde, ob es dabei nach Recht und Gesetz und nach der notwendigen Praxis zugegangen ist und wie sich Herr Gabriel vorstellt, dass dieser Streit so zu Ende geht, dass nicht einer von beiden auf der Strecke bleibt, entweder er oder das Gericht. Sucht er sozusagen nach einem Mediator, oder wie stellen Sie sich das vor?

Alemany: Ich habe Ihre Frage schon verstanden. Die Antwort war: Wir haben ein ordnungsgemäßes Verfahren durchgeführt.

Zusatzfrage: Wird also keine Fehleranalyse in Ihrem Haus nach dem Entscheid des OLG veranlasst?

Alemany: Nur zur Erklärung: Es gibt ja noch keinen Hauptsachebescheid. Es gibt einen vorläufigen Beschluss. Es gibt den Hinweis beziehungsweise die Bitte des OLG von gestern, die bezeichneten Aktenteile zugänglich zu machen. Das werden wir jetzt machen, natürlich unter Wahrung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, also mit den üblichen Einschränkungen. Aber ansonsten ist das Verfahren unserer Rechtsauffassung nach ordnungsgemäß und zulässig durchgeführt worden.

Frage: Frau Alemany, hat sich denn schon etwas ergeben? Sie wollten ja das vorläufige Urteil prüfen. Minister Gabriel hatte - so hatte ich ihn zumindest verstanden - angekündigt, dagegen Rechtsmittel einzulegen. Gibt es dazu schon einen neuen Stand?

Alemany: Wir prüfen dies noch.

Frage: Sie sagten, es gebe keine neuen Stand. So wie ich es verstanden habe, gibt es schon unterschiedliche Stände, weil der Beschluss vom 12., also aus der vorigen Woche, ja das Eilverfahren betraf, das von Rewe angestrebt wurde, und das Jetzige sozusagen ein Zwischenbeschluss ist, aber eben in Bezug auf das eigentliche Verfahren. Jetzt ist also doch schon ein neuer Stand gegeben. Es geht ja jetzt zum Beispiel konkret um dieses Papier der Edeka-Anwälte, das nicht an Rewe weitergeleitet werden sollte. Können Sie bestätigen, dass es dieses Papier gibt und dass es nicht weitergeleitet wurde? Vorige Woche haben wir ja vor allem über die vertraulichen Gespräche gesprochen.

Alemany: Dazu kann ich gerne auch noch etwas sagen. Es sind ja verschiedene Wörter wie "Geheimgespräche" und "Zufallsfunde" und "Befangenheit" im Umlauf. Das weise ich alles zurück.

Der Minister beziehungsweise das gesamte BMWi darf Gespräche führen, so zum Beispiel mit den Antragstellern oder auch den Gewerkschaften. Diese sind Teil der Willensbildung, die man sich bei so einem Prozess machen muss. Sie fließen in die interne Willensbildung zum Beispiel für die Auflagen ein, die der Minister gestellt hat, unter denen so eine Fusion oder eine Ministererlaubnis erteilt werden kann. Zu diesen Auflagen können alle Verfahrensbeteiligten Stellung nehmen. Sie konnten mehrmals Akteneinsicht nehmen. Es gab, glaube ich, zwei rechtliche Gehörrunden, bevor dann über die Ministererlaubnis entschieden wurde und diese dann erteilt wurde. Das war also alles bekannt.

Zu der Edeka-Beurteilung in Bezug auf das Rewe-Angebot möchte ich auch gerne einmal etwas klarstellen: Selbstverständlich wurde diese Bewertung auch sofort in die Akte gegeben. Auch dies ist den Verfahrensbeteiligten zugänglich gemacht worden. Im Januar und Februar hatten sie, wie gesagt, die Akteneinsichtsmöglichkeit und die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Frage: Frau Alemany, eine ganz kurze Lernfrage: Auch wenn es unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt, wie dieses Verfahren abzulaufen hat, wo sind diese denn eigentlich festgelegt? Wo sind die Verfahrensregeln festgeschrieben?

Alemany: Unsere Verfahrensregelungen zur Ministererlaubnis finden Sie in 42 zur Ministererlaubnis.

Zusatzfrage: Über die Deutung des 42 unterscheiden sich die Auffassung des Gerichts und die des Ministeriums?

Alemany: So allgemein, wie Sie das in der Frage andeuten: Nein. Es gibt nur verschiedene Punkte, die das Gericht anders sieht als wir, so zum Beispiel die Frage: Wie definiert sich ein Gemeinwohlgrund? Was ist darunter zu subsumieren? Wie muss überhaupt dokumentiert werden? Wir, die ja das Ministererlaubnisverfahren durchführen und damit zur Kartellbehörde für die Dauer dieses Verfahrens werden, haben ganz klare Regularien, die nachlesbar sind. Noch einmal: Wir sind der Meinung, dass wir sie vollkommen zulässig und regelgerecht durchgeführt haben.

Frage: Zunächst eine Frage an das Umweltministerium. Frau Stamer, es gibt offensichtlich einen Gesetzentwurf aus Ihrem Haus, der die Kennzeichnung von Mehrweg- und Einwegflaschen betrifft. Was ist der Sinn dieses Vorhabens? Es gibt ja seit Ende Juni auch schon die freiwillige Verpflichtung vieler großer Hersteller und auch des Handels, diese Kennzeichnung deutlich zu machen. Reicht Ihnen das nicht oder wollen Sie den Verbraucher noch stärker darauf hinweisen, dass er doch Mehrwegflaschen gegenüber den Einwegflaschen bevorzugen sollte?

Stamer: Zunächst nur ein kurzer sachlicher Hinweis: Bei uns im Haus ist ein Arbeitsentwurf erarbeitet worden. Es gibt noch keinen Gesetzentwurf, und damit gibt es auch noch keine Einleitung der Ressortabstimmung. Das nur für Sie kurz zur Einordnung.

Sie haben es in der Tat angesprochen: Unser Ziel ist es, bei dem Thema Einweg/Mehrweg mehr Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher mit dem Ziel zu schaffen, dass verstärkt auf Mehrwegflaschen zurückgegriffen wird. Sie haben die beiden Initiativen angesprochen. Das sind zwei Maßnahmen, die sich ergänzen und die nicht gegeneinander stehen. Zum einen streben wir an, dass es eine Kennzeichnung an den Regalen gibt. Zum anderen gibt es vonseiten der Industrie eine freiwillige Initiative, diese Kennzeichnung an den Flaschen vorzunehmen. Diese Initiative wird vom Bundesumweltministerium unterstützt.

Noch einmal: Das Ziel ist, mehr Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen, um auf diese Art und Weise Mehrweg zu stärken und zu fördern.

Zusatzfrage: Es heißt, dass in diesem Arbeitsentwurf auch die angepeilte Mehrwegquote von 80 Prozent gestrichen werden soll. Können Sie das bestätigen? Wenn ja, warum verabschiedet man sich von diesem Ziel?

Stamer: Zunächst einmal ist es bisher eine unverbindliche Zielvorgabe gewesen. Sie hat sich als nicht wirksam erwiesen. Für Sie als Hintergrund: Diese verbindliche Mehrwegquote ist bereits vor über zehn Jahren abgeschafft worden, als seinerzeit das Einwegpfand eingeführt worden ist.

Frage: Die "F.A.Z." schreibt auch, dass das Konzept der allgemeinen Wertstofftonne nicht mehr weiter verfolgt wird und es deswegen jetzt auch kein Wertstoffgesetz, sondern nur ein Verpackungsgesetz geben soll, obwohl das Konzept eigentlich im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Woran ist das gescheitert?

Stamer: Zunächst einmal ist diese Berichterstattung in der Sache überhaupt nichts Neues. Es ist schon seit längerem bekannt, dass das Bundesumweltministerium an einem Verpackungsgesetz arbeitet. Es gab einen Streit. Eine bundesweit einheitliche Regelung für ein Wertstoffgesetz ist nicht zustande gekommen. Über die Frage, wer die gelben Säcke abholen darf, konnte kein Konsens gefunden werden. Leider hat aus unserer Sicht dieser Streit das Thema Umweltschutz überlagert.

Um diese Blockadehaltung zu überwinden, ist entschieden worden, dass wir an einem Verpackungsgesetz arbeiten und uns auf die Punkte konzentrieren, die konsensfähig sind. Dazu gehören zum Beispiel höhere Recyclingquoten für Verpackungen, mehr Wertstofftonnen auf freiwilliger Basis - das können die Kommunen in Absprache mit den dualen Systemen vor Ort einrichten; das steht Ihnen frei -, und es soll mehr Anreize für die Wirtschaft zum Einsatz von sparsamen recyclingfähigen Verpackungen geben.

Frage: Herr Seibert, seit heute Nacht ist ja klar, wer der republikanische Präsidentschaftskandidat wird; das war ja auch keine große Überraschung. Man muss sich trotzdem auf die Möglichkeit einstellen, dass ab dem kommenden Jahr ein Präsident Trump Amerika regiert. Es gibt viele Stimmen, die warnen, das deutsch-amerikanische und vor allen Dingen das europäisch-amerikanische Verhältnis würde sich drastisch verschlechtern, was man ja auch aus seinen Aussagen durchaus heraushören kann. Auch der amerikanische Botschafter hat sich dahingehend heute Morgen schon geäußert, dass man in einen (akustisch unverständlich) treiben könnte, was Amerika betrifft. Wie sind die Befürchtungen der Bundesregierung, was eine mögliche Präsidentschaft Trumps angeht?

StS Seibert: Es bleibt dabei - und die Bundesregierung wird auch bis November dabei bleiben -, dass wir den Vorwahlkampf und die Vorwahlereignisse in den USA nicht kommentieren, auch nicht die Reden und Auftritte der einzelnen Kandidaten bewerten.

Zusatzfrage: Im Wahlkampf 2008 gab es ein Treffen zwischen der Bundeskanzlerin und dem damaligen Kandidaten Obama. Ist man damals von dieser Sprachregelung abgewichen und hat man sich das jetzt aufgrund der neuen Situation und der Person, um die es hier geht, anders überlegt?

StS Seibert: 2008 war ich noch nicht dabei. Ich schaue aber für Sie gerne einmal in den Protokollen der damaligen Regierungspressekonferenzen nach. Ich würde mich wundern, wenn es da zu Kommentaren und Bewertungen gekommen wäre.

Zuruf (akustisch unverständlich)

StS Seibert: Ja, vielleicht gab es ein Treffen. Aber im Moment sind wir doch gar nicht in der Phase, wo über irgendein Treffen zu berichten wäre. Es steht auch gar nicht infrage. Es will im Moment keiner ein solches Treffen. Deswegen werden wir jetzt doch hier nicht hypothetisch über Treffen reden.

Frage: Herr Seibert, jetzt muss ich doch noch einmal nachfragen: Wäre die Bundeskanzlerin denn zu einem solchen Treffen bereit? Es hat ja sich gegenüber Ihrer Aussage am Mittwoch, als Sie gesagt haben, dass Sie es nicht kommentieren wollen, weil er noch nicht offizieller Kandidat der Republikaner ist, natürlich etwas in der heutigen Nacht verändert. Er ist es nun. Deswegen stellt sich schon die Frage, ob die Bundeskanzlerin denn bereit wäre, Trump zu treffen und ob es in der Bundesregierung, wie der Kollege gefragt hatte, Besorgnis darüber gibt, dass es einen US-Präsidenten geben könnte, der angekündigt hat, die Bündnistreue gegenüber europäischen Partnern anders als bisherige Präsidenten auszulegen.

StS Seibert: Dann lassen Sie mich dreierlei sagen:

Erstens. Ich bleibe dabei, dass wir den Vorwahlkampf und vor allem den Vorwahlprozess und die einzelnen Kandidaten nicht bewerten.

Zweitens. Mir ist nicht bekannt, dass der neue republikanische Kandidat einen Besuch bei der Bundeskanzlerin vorhat. Deswegen ist das jetzt eine hypothetische Frage. Wenn daraus eine reale Frage wird, können wir ja noch einmal reden.

Drittens - und das ganz grundsätzlich - bekennt sich die Bundesregierung zu Artikel 5 des Nato-Vertrags. Das ist das zentrale Versprechen der Bündnissolidarität, das uns in diesem Bündnis verbindet und das uns leitet. Die kollektive Verteidigung nach Artikel 5 ist und bleibt die Hauptaufgabe der Nato. Das ist auf der Gipfelerklärung in Warschau vor Kurzem noch einmal hervorgehoben worden.

Das ist aber eine ganz grundsätzliche Bemerkung, die beispielsweise dem folgt, was der Nato-Generalsekretär gesagt hat.

Zusatzfrage: Eine Frage an das Bundesfinanzministerium zu den Rentenplänen von Frau Nahles. Könnte ich dazu einen Kommentar bekommen?

Sehen Sie, dass das Geld, das Frau Nahles aus dem Bundeshaushalt dafür eingeplant hat, wachsend ab 2018 zur Verfügung steht?

von Tiesenhausen-Cave: Ich kann Ihnen dazu einen Kommentar geben. Dieser ist aber prozedural, denn wir werden das Thema innerhalb der Bundesregierung beraten. Ich gehe davon aus, dass zu diesem Gesetzentwurf auch demnächst eine Ressortabstimmung eingeleitet wird - das ist ja noch nicht der Fall -, und dann wird das in dieser Ressortabstimmung vertraulich und regierungsintern besprochen.

Zusatzfrage: Aber gibt es finanziellen Spielraum für die Jahre ab 2018?

von Tiesenhausen-Cave: Ich will jetzt nicht hypothetisch sprechen. Ich kann nur rein faktisch sagen, dass Maßnahmen, die nicht beschlossen sind, in der Finanzplanung nicht abgebildet sind.

Frage (zu den Präsidentschaftswahlen in den USA): Eine Lernfrage an das Verteidigungsministerium: Haben eigentlich Staatschefs von Nato-Partnern die Möglichkeit, die Leistung ihres Landes in der Beistandspflicht von einer Überprüfung abhängig zu machen, was die Beistandssuchenden vorher eingebracht haben? Wenn ich den Artikel 5 des Nato-Vertrags, den Herr Seibert eben schon zitiert hat, richtig gelesen habe, dann steht ein solcher Vorbehalt dort überhaupt nicht drin. Oder gibt es andere Regelungen, von denen wir vielleicht nichts wissen?

Flosdorff: Ich bin kein Experte, was die Rechtsauslegung des Nato-Vertrags angeht. Da kann ich Ihnen nicht helfen.

Zusatzfrage: Kann jemand anders helfen? Ich meine, das ist ja nun der damals potenzielle und jetzt tatsächliche Kandidat; er hat das ja vor 24 Stunden oder so gesagt. Wenn da jemand ankündigt "Ob wir Beistandsleistungen erbringen, machen wir von der Überprüfung abhängig", dann müsste das doch aufseiten der Bundesregierung mindestens auch eine Überprüfung in Gang setzen, ob er überhaupt die rechtliche Möglichkeit dazu hat, so etwas durchzusetzen. Das findet nicht statt, das nimmt man einfach so hin?

Flosdorff: Wir bewegen uns hier ja im rein spekulativen Bereich. Herr Seibert hatte eben auch schon gesagt, dass es hier um Ereignisse in Wahlvorwahlen der Vereinigten Staaten von Amerika geht. Hier in der Regierungspressekonferenz wird über konkretes Regierungshandeln berichtet und Fragen dazu werden beantwortet. Ich glaube nicht, dass diese Frage hier unbedingt Gegenstand konkreter Prüfungen sein muss.

Zusatzfrage: Dann wiederhole ich meine erste Frage: Hat nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung der Regierungschef eines Nato-Partners das Recht und die Möglichkeit, Beistandspflicht von einer vorherigen Überprüfung der Leistungen anderer abhängig zu machen?

Fischer: Ich glaube, dazu ist schon alles gesagt worden - vor allen Dingen ist dazu auch alles von der derzeitigen US-Administration gesagt worden. Der amerikanische Außenminister hat ja sehr deutlich gemacht, dass die Beistandspflicht in der Nato ein hohes Gut, ein zentrales Gut ist, und dass diese auch weiterhin gilt.

Frage: Eine Frage an Herrn Plate zum IT-Sicherheitsgesetz, das jetzt ja seit einem Jahr in Kraft ist: Werten Sie das inzwischen schon als einen Erfolg? Falls ja: Wie viele Meldungen beispielsweise von Energie- und Telekommunikationsunternehmen hat es denn bisher gegeben? Die sind jetzt schließlich verpflichtet, bei erheblichen Angriffen - das ist ja nicht so genau definiert - Meldungen zu machen.

Plate: Vielleicht erst einmal ganz grundsätzlich: Das IT-Sicherheitsgesetz ist in der Tat schon eine ganze Weile in Kraft. Allerdings darf ich vielleicht noch einmal an die Konzeption des IT-Sicherheitsgesetzes erinnern, die ja vorsieht, dass bestimmte Übergangsfristen gelten und Konkretisierungen im Verordnungswege erfolgen müssen. Eine dieser Verordnungen ist bereits in Kraft; eine andere, die weite Teile betrifft, noch nicht, und auch Übergangsfristen laufen noch. Insofern liegt es in der Natur der Sache, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine aussagekräftigen und belastbaren Zahlen vorliegen können.

Es ist aber schon jetzt erkennbar, dass das IT-Sicherheitsgesetz in den adressierten Sektoren vielfältige Aktivitäten in Gang gesetzt hat, die auch zu einer Verbesserung der IT-Sicherheit bei den Betreibern kritischer Infrastrukturen führen werden. Wie vom Gesetz intendiert, verschickt das BSI anlassbezogen Warn- und Lageinformationen an die bereits registrierten Kontaktstellen der Betreiber kritischer Infrastrukturen und an die für kritische Infrastrukturen zuständigen Aufsichtsbehörden. Damit wird das Ziel verfolgt und erreicht werden, ein Gesamtlagebild zu haben und zuerst Betreiber kritischer Infrastrukturen rechtzeitig zu warnen, sodass diese notwendige Schutzmaßnahmen vor Schadenseintritt umsetzen können. Es hat sich also, auch wenn die Übergangsfristen weit überwiegend noch laufen, schon jetzt eine erhebliche Aktivität entfaltet, die in die Richtung geht, in die wir uns das vorgestellt haben.

Frage: Ich möchte zu den Luftangriffen in Syrien kommen. Herr Flosdorff, Amnesty International spricht jetzt von mehr als hundert Toten, die es bei einem Luftangriff der Anti-ISIS-Koalition auf ein syrisches Dorf gegeben habe; Al Jazeera spricht sogar schon von 200 getöteten Zivilisten, darunter 35 Kinder. Haben Sie mittlerweile erste Erkenntnisse über diesen Angriff Ihrer Koalition? Hat Deutschland, haben die Bundeswehr-Tornados diese Area vorher aufgeklärt oder nicht? Fordern Sie eine unabhängige Untersuchungskommission, die diese Tat aufklärt?

Flosdorff: Dieses Thema hatten wir hier ja schon häufiger. Der Auftrag der Bundeswehr dort besteht darin, Aufklärungsflüge über dem Nordirak und über Syrien gegen den IS durchzuführen. Aufklärungstornados der Bundeswehr liefern hochauflösende Bilder, die sowohl dazu dienen, Ziele zu identifizieren, als auch dazu, schützenswerte zivile Ziele auszuklammern und zur Identifikation beizutragen. Die Angriffe, die dann geflogen werden, und die Entscheidungen, die gefällt werden, welche Ziele angegriffen werden, fußen auf einer Fülle von Informationen und nicht nur auf Luftaufklärungsbildern, sondern auch auf anderen Bildern, auf mündlichen Aussagen oder auf sonstigen Erkenntnissen, die im Rahmen der Koalition gewonnen werden.

Ich habe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bundeswehr in irgendeiner Weise direkt oder indirekt in diesem Zusammenhang eine Rolle gespielt hat. Ich habe hier auch nicht über irgendwelche Erkenntnisse zu berichten, was das konkrete Ausmaß dieses unglücklichen Ereignisses angeht. Ich weiß aber, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bereits angekündigt haben, dort eine Untersuchung anzustellen, um den genauen Hergang herzuleiten und die Folgen zu analysieren.

Zusatzfrage: Herr Seibert, schließen Sie sich der Aussage an, dass das ein "unglückliches Ereignis" ist, dass man da hundert unschuldige Menschen wegbombt? Wie passt das eigentlich mit der Fluchtursachenbekämpfung der Bundesregierung zusammen?

Herr Flosdorff, habe ich Sie richtig verstanden: Sie klären immer nur im Vorfeld auf, aber Sie klären im Nachhinein nicht auf, ob das, was Sie da bombardieren wollten, auch wirklich bombardiert wurde?

Flosdorff: Sie haben vielleicht eine falsche Vorstellung von den militärischen Abläufen. Das sind konkrete Aufklärungsaufträge, die im Rahmen der Koalition ergehen. Das alles wird von einem gemeinsamen Hauptquartier aus koordiniert. Die Bundeswehr führt diese Aufträge aus und wertet auch selber aus, trägt also dazu bei, die Sicherheit zu erhöhen.

Ich möchte das alles auch noch einmal in den Zusammenhang stellen: Bei allen an diesem wirklich schrecklichen und brutalen Konflikt beteiligten Parteien ist es sicherlich so, dass die Koalition sehr viel Rücksicht auf ziviles Leben und schützenswerte Einrichtungen nimmt und sich sehr viel Mühe gibt, da Erkenntnisse zu gewinnen, und sie steckt da auch so viel Sorgfalt und so viele Ressourcen hinein wie keine andere an diesem fürchterlichen Konflikt beteiligte Partei - in welche Richtung sie da auch schauen.

Insofern kann ich Ihnen jetzt nicht berichten, dass wir eigene Erkenntnisse haben. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, wie lange jetzt die Untersuchungen dauern werden. Es ist gut, dass diese Untersuchungen angestellt werden. Wir haben auch keine Zweifel daran, dass diese Untersuchungen mit hoher Intensität und Sorgfalt durchgeführt werden. Mehr kann ich Ihnen dazu an dieser Stelle leider nicht berichten.

Vorsitzender Detjen: Herr Seibert, Sie waren angesprochen.

StS Seibert: Das hatte ich nicht so verstanden; ich habe das jedenfalls nicht gehört. Ich kann mich aber dem anschließen, was Herr Flosdorff für das Bundesverteidigungsministerium gesagt hat.

Vorsitzender Detjen: Die Frage war, ob Sie sich den Begriff des "unglücklichen Ereignisses" zu eigen machen.

StS Seibert: Ich glaube, Herr Flosdorff hat das gerade doch sehr klar charakterisiert. Wenn so etwas in einem Konflikt geschieht, also Zivilisten zu Opfern werden, dann ist das natürlich unglücklich - man könnte auch sagen, dann ist das tragisch - und dann muss das aufgeklärt werden. Aber die Anti-IS-Koalition, deren Teil wir sind, tut alles, was sie kann, um genau diesen Fall zu vermeiden. Sie wird mit Sicherheit nach der Untersuchung dieses Falles daraus auch Konsequenzen ziehen.

Freitag, 22. Juli 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 22. Juli 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/07/2016-07-22-regpk.html;jsessionid=ED96C5B56C5F88481E0E3A3D76895F54.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2016

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