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PRESSEKONFERENZ/1371: Regierungspressekonferenz vom 2. Januar 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 2. Januar 2017
Regierungspressekonferenz vom 2. Januar 2017

Themen: Anschlag in Istanbul, Anschläge im Irak, Entwicklungen im Kongo, Polizeieinsatz in der Silvesternacht in Köln, Lage in Syrien, Mindestlohn für Flüchtlinge, Regelbetrieb von Lang-Lkw, Gefährdungslage in Deutschland, finanzielle Entlastung von Kommunen

Sprecher: SRS Streiter, Schäfer (AA), Dimroth (BMI), Friedrich (BMVI), Langenbruch (BMUB), Westhoff (BMAS), Chaudhuri (BMF)


Vorsitzender Feldhoff eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Streiter: Die Bundesregierung verurteilt den gestrigen Anschlag in Istanbul auf das Schärfste. Bereits gestern hat die Bundeskanzlerin dem türkischen Präsidenten Erdogan kondoliert: "Wieder haben Terroristen in Ihrem Land zugeschlagen. In Istanbul haben sie einen menschenverachtenden, hinterhältigen Anschlag auf Menschen verübt, die gemeinsam den Jahreswechsel feiern wollten. Ich verurteile diesen Anschlag und übermittele Ihnen mein Beileid. Meine Gedanken sind bei den Opfern, ihren Familien und Freunden."

Wir sind wirklich entsetzt ob der Niedertracht der Attentäter, die wahllos friedlich feiernde Menschen töten und verwunden. Wir fühlen uns den Opfern und ihren Familien in besonderer Weise verbunden, gerade auch, nachdem wir hier in Berlin auf dem Weihnachtsmarkt Ziel eines ähnlichen Anschlags mit ähnlicher Zielrichtung geworden sind. Zugleich gilt, dass die Bundesregierung im Kampf gegen den internationalen Terrorismus eng an der Seite der Türkei steht.

Schäfer: Dass dies eben nicht nur ein Anschlag auf Istanbul, auf die Türkei ist, sondern auch auf eine bestimmte Art und Weise zu leben, die wir auch teilen, mag man erkennen an der Vielfalt der Nationalitäten der Opfer dieses furchtbaren Anschlags.

Ich kann Ihnen sagen, dass wir jetzt, nachdem wir sehr eng und sehr intensiv mit den zuständigen türkischen Behörden zusammengearbeitet haben, davon ausgehen müssen, dass auch einige Deutsche Opfer dieses schrecklichen Anschlags in Istanbul in der Nacht von Silvester auf Neujahr geworden sind. Wir gehen davon aus, dass zwei der Todesopfer aus Deutschland kamen, also hier ihren festen Wohnsitz hatten. Einer von beiden ist sicher ein deutscher und ein türkischer Staatsangehöriger; bei dem anderen gehen wir zurzeit davon aus, dass er nur türkischer Staatsangehöriger ist. Aber auch das müssen wir vielleicht noch abschließend prüfen. Beide Verstorbenen waren in Bayern wohnhaft.

Darüber hinaus kann ich Ihnen mitteilen, dass es drei deutsche Staatsangehörige gibt, die bei dem Anschlag verletzt worden sind. Sie sind in guter medizinischer Behandlung und außer Lebensgefahr.

Frage : Herr Schäfer, können Sie sagen, aus welchen Ländern die Verletzten kommen? Können Sie auch etwas zum Alter der Betroffenen sagen?

Schäfer: Diese Informationen liegen mir zurzeit nicht vor. Ich bin auch nicht sicher, ob ich Ihnen dazu etwas sagen könnte, denn bei den Verletzten müssten wir natürlich auch Persönlichkeitsrechte und die Privatsphäre respektieren. Ich will schauen, ob das geht. Ich bin sicher, dass Kolleginnen und Kollegen zuschauen, und falls das möglich ist, reiche ich das nach.

Frage : Ich habe heute noch nicht auf Ihre Internetseite geschaut; daher frage ich: Hat sich irgendetwas im Hinblick auf Reisewarnungen zur Türkei geändert? Wird die Sicherheitslage dort anders eingeschätzt als vor dem Wochenende?

Schäfer: Wir haben zuletzt gestern Nachmittag um kurz vor 15 Uhr die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes für die Türkei angepasst. Ich kann einfach mal die entsprechende aktuelle Passage mit Stand heute, 2. Januar, und mit Gültigkeit seit gestern Nachmittag, 15 Uhr, vorlesen:

"Kurz nach Mitternacht ereignete sich am 01.01.2017 ein Terroranschlag auf den Nachtclub 'Reina' in Istanbul. Es gab Tote und Verletzte. Reisenden in Istanbul wird empfohlen, sich weiterhin umsichtig in der Stadt zu bewegen, vorerst Menschenansammlungen und größere Veranstaltungen zu meiden und die weitere Entwicklung in den Medien und diesen Sicherheitshinweisen zu verfolgen."

Dann folgen einige Ausführungen zur allgemein gefährlichen Lage in der Türkei angesichts der Terroranschläge, die es in Istanbul, in Ankara und auch an anderen Orten der Türkei in den letzten 18 Monaten gegeben hat.

Ich danke Ihnen für die Frage, weil ich glaube, dass es für alle Deutschen, die in die Türkei reisen, wichtig ist, dass sie sich vorher bei uns schlaumachen. Sie können sich darauf verlassen, dass diese unsere Reisehinweise immer aktuell sind. Wir können nicht die Zukunft vorhersehen, aber wir können jedenfalls hinreichend Achtsamkeit schaffen dafür, dass es Länder gibt, zu denen, wie wir jetzt traurigerweise wissen, auch Deutschland gehört, in denen es passieren kann, dass man Opfer eines Terroranschlags wird.

Frage: Herr Schäfer, ich erinnere mich, dass das Auswärtige Amt nach dem Anschlag auf die deutsche Touristengruppe ähnlich lautende Reisehinweise hatte. Inwiefern hat sich das jetzt verändert? Können Sie das sagen?

Schäfer: Wenn ich die Lage mal aus einer etwas höheren Flughöhe betrachte: Ich glaube, die Lage in der Türkei und damit die abstrakte, aber auch konkrete Gefahr, Opfer von Terroranschlägen zu werden, ist mit den Ereignissen von gestern und von vorgestern nicht anders geworden, sondern das Risiko, das es gibt, hat sich manifestiert.

Es sind Dinge geschehen, mit denen die türkischen Behörden rechnen konnten, auch gerechnet haben und die wir auch in unseren Reise- und Sicherheitshinweisen und auch in unseren Analysen über die Lage in der Türkei immer für möglich halten müssen.

Frage : Herr Dimroth, im Zusammenhang mit dem Anschlag in der Türkei und den deutschen Opfern: Wie funktioniert die Zusammenarbeit auf Sicherheitsebene mit der Türkei im Moment? Ist möglicherweise geplant, dass eigene deutsche Ermittler in die Türkei reisen, um dort die türkischen Kollegen zu unterstützen?

Dimroth: Ganz allgemein gilt das, was auch hier schon mehrfach dazu ausgeführt wurde: Die bilaterale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden, zwischen den deutschen und den türkischen Sicherheitsbehörden, ist gut. Die Türkei ist gerade im Zusammenhang mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus ein sehr wichtiger Partner für die deutschen Sicherheitsbehörden. Das gilt ganz ohne Ansehung von konkreten Ereignissen wie dem schrecklichen Anschlag von Istanbul. Das gilt auch fortdauernd.

Was Ihre Frage nach möglicher Unterstützung durch deutsche Beamte, Ermittlungskräfte anbetrifft, kann ich Ihnen jedenfalls derzeit noch nichts mitteilen. Das würde auch voraussetzen, dass die türkische Seite das entsprechend anfordert und unterstützt. Das ist bis jetzt nicht der Fall. Sollte sich das ändern, würden wir das prüfen und gegebenenfalls entsprechend tätig werden. Aber jedenfalls kann ich Ihnen dazu mit Stand heute noch nichts mitteilen.

Zusatzfrage : Sie haben die Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden genannt und als sehr gut beschrieben. Merkt man auf deutscher Seite, dass in der Türkei bei den Sicherheitsbehörden möglicherweise Beamte fehlen, weil Erdogan seine Säuberungsaktionen ja auch innerhalb der Beamtenschaft durchgesetzt hat? Da müssen ja auch bei den Sicherheitsbehörden etliche Stellen geräumt worden sein. Merkt man das auf deutscher Seite? Sehen Sie da irgendeine Auswirkung?

Dimroth: Jedenfalls so abstrakt kann ich das weder mit Ja noch mit Nein beantworten. Selbstverständlich ist nicht ausgeschlossen, dass es in Einzelfällen auch zu Personalwechsel oder -austausch gekommen ist, wo dann persönliche Ansprechpartner nicht mehr in der alten Funktion tätig sind. Dass das aber ganz grundsätzlich, sozusagen auf der abstrakten Ebene, Einfluss auf die Zusammenarbeit hätte, kann ich nicht berichten und dementsprechend auch nicht bestätigen.

Schäfer: Wie wir dem Bekennerschreiben von IS für Istanbul entnehmen können, hat IS auch in den letzten Tagen und gerade heute wieder sein Unwesen im Irak getrieben. Das Land, insbesondere die Hauptstadt Bagdad, ist über das vergangene Wochenende von mehreren Anschlägen, überwiegend Selbstmordanschlägen, erschüttert worden. Am Samstag, an Silvester, starben bei einem Selbstmordanschlag auf einem Markt im Zentrum Bagdads 27 Menschen; einen Tag später, an unserem Neujahrstag, gab es einen Anschlag auf einen Kontrollposten südlich von Nadschaf im Zentrum der schiitischen Geistlichkeit im Irak mit mindestens 13 Toten. Zu beiden Anschlägen hat sich bereits der IS bekannt.

Heute Morgen ist bekannt geworden, dass es auch heute erneut in Bagdad, im Stadtteil Sadr City, zu einem Anschlag mit einer Autobombe gekommen ist, dem wiederum 30 Menschen zum Opfer gefallen sind. Der Blutzoll der Menschen im Irak summiert sich allein in den letzten Tagen auf weit über 60.

Ich möchte Ihnen auch an dieser Stelle für die Bundesregierung sagen, dass wir erschüttert sind angesichts der fortgesetzten Serie von Anschlägen, dass wir mitfühlen mit den Angehörigen und Familien der Opfer und den Verletzten baldige Genesung wünschen. Auch da gilt das, was Herr Streiter gerade eben für die Bundesregierung gesagt hat: Auch im Irak werden wir an der Seite unserer Partner den Kampf gegen und die Auseinandersetzung mit ISIS weiterführen. Wir haben da in vielerlei Hinsicht im abgelaufenen Jahr ziemlich große Fortschritte erreicht.

Man sieht an den Aktionen der letzten Tage in der Türkei und im Irak, dass dem Biest noch nicht der Kopf abgeschlagen ist, aber wir sind weiter daran, mit all den Mitteln, die wir zur Hand haben, nämlich mit politischen Mitteln, mit den Mitteln der Überzeugungsarbeit, aber eben auch mit militärischen Mitteln, dafür zu ringen, dass die Bedrohung durch ISIS, die uns alle gemeinsam betrifft, irgendwann nicht mehr in dieser Weise fortbesteht.

Das Letzte, was ich Ihnen gerne sagen möchte, ist eine Reaktion auf eine gute Entwicklung in Afrika. Ich weiß nicht, ob Sie das schon gestern oder vorgestern in den Agenturmeldungen oder in den Nachrichten mitverfolgt haben. Ich möchte ausdrücklich für die Bundesregierung sagen, dass wir das Abkommen begrüßen, das nun endlich zustande gekommen zu sein scheint. Ich sage das mit aller Vorsicht, weil, so glaube ich, noch letzte Unterschriften zwischen der Opposition und der Regierung in der Demokratischen Republik Kongo ausstehen.

In Kinshasa ist, wie Sie wissen, bereits seit über zwei Wochen die Amtszeit des kongolesischen Präsidenten Kabila abgelaufen. Es hat viele Verhandlungen, Probleme und Schwierigkeiten bei der Frage gegeben, wie es nun politisch auf der Grundlage der kongolesischen Verfassung weitergeht. Es hat auch Proteste gegeben, die gewaltsam niedergeschlagen worden sind.

Ich möchte Ihnen für die Bundesregierung sagen, dass es gut ist, dass dieses Abkommen nun endlich zustande gekommen ist und ganz offenbar von den politisch relevanten Kräften im Kongo Akzeptanz erfährt. Das bedeutet, dass das Land jetzt eine Perspektive und einen konkreten Fahrplan für einen echten demokratischen Übergang hat. Deshalb fordern wir alle politischen Akteure zur konsequenten und transparenten Umsetzung ohne Abstriche und mit Respekt für die kongolesische Verfassung auf. Wir appellieren an alle Beteiligten, die Menschenrechte zu achten, die Verstöße der letzten Wochen und Monate zu untersuchen und vollständig aufzuklären und die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Auch fordern wir die Freilassung und die Rehabilitierung der festgenommenen Aktivisten und Vertreter der Opposition.

Ich möchte abschließend sagen, dass wir große Wertschätzung haben für die Katholische Bischofskonferenz, die mit ihren guten Diensten in der Vermittlung der Gespräche einen ganz wichtigen Beitrag zu der jetzt wohl erfolgten Einigung geleistet hat. Ich möchte Ihnen sagen, dass wir den Übergangsprozess jetzt gemeinsam mit unseren europäischen Partnern begleiten und zur Unterstützung eines dann bis hoffentlich spätestens Ende dieses Jahres anstehenden Wahlprozesses bereitstehen.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Dimroth: In NRW wird der gemeinsame Polizeieinsatz der Landespolizei NRW und der Bundespolizei kritisiert. Den Polizisten wird von Amnesty International Racial Profiling vorgeworfen.

Für Kritik sorgt auch der Begriff "Nafri". Mich würde interessieren, ob dieser Begriff auch vom Innenministerium beziehungsweise von der Bundespolizei verwendet wird und was Sie von diesem Begriff halten.

Dimroth: Vielen Dank für Ihre Frage, die weitestgehend auf Sachverhaltsteile zielt, die im Verantwortungsbereich der nordrhein-westfälischen Landesregierung respektive der nordrhein-westfälischen Polizei- und Sicherheitskräfte liegen. Nichtsdestotrotz will ich gerne die Gelegenheit nutzen, etwas zu sagen.

Aus Sicht der Bundespolizei verlief die Silvesternacht weitestgehend störungsfrei. Der Einsatz der Bundespolizeikräfte ist damit, auch, was das Konzept anbetrifft, durchaus als Erfolg zu bewerten.

Was Ihre Frage nach Racial Profiling anbetrifft, kann ich Ihnen nur ganz allgemein sagen, dass diskriminierende Fahndungsmethoden, sogenanntes Racial Profiling, also Kontrollen, die nur an die äußere Erscheinung von Personen anknüpfen, ohne dass weitere verdichtende polizeiliche Erkenntnisse hinzukommen, aus unserer Sicht rechtswidrig sind und bei der Bundespolizei weder praktiziert noch gelehrt werden. Dies mal ganz allgemein zu dem Thema Racial Profiling und unserer Sicht auf dieses Thema.

Was den von Ihnen genannten Begriff anbetrifft, entspricht das jedenfalls nicht einer offiziellen Sprache, die für eine bestimmte Personengruppe im Zuständigkeitsbereich des BMI genutzt wird. Ich kann von hier aus jetzt nicht ausschließen, dass der eine oder andere Bundespolizist im Einsatz diesen Begriff schon einmal verwendet hat. Sozusagen das komplette Bild erschließt sich mir nicht. Es ist jedenfalls keine offizielle Sprachregelung oder ein offizieller Begriff, den wir verwenden würden.

Zusatzfrage: Jetzt hatten Sie auch schon das Racial Profiling angesprochen. Sie haben es ja gerade auch ausgeführt, aber haben Sie denn Erkenntnisse darüber, dass die Bundespolizei sich zum Beispiel daran beteiligt hat, große Menschengruppen einzukesseln, was offensichtlich aufgrund der Herkunft passiert ist, was ja wiederum dem Kriterium, das Sie gerade selber formuliert haben, entsprechen würde.

Dimroth: Vielleicht ist Ihnen bei der Formulierung Ihrer Frage gerade selbst aufgefallen, wie viele konjunktivistische Formulierungen darin stecken: hätte, wäre, würde. Das muss man sich sicher genau anschauen. Ich kann Ihnen nur sagen, was grundsätzlich gilt und was unser klares Verständnis und das klare Verständnis der Bundespolizei in ihrem Tun ist. Das habe ich hier gerade vorgetragen. Das gilt ausnahmslos. Das gilt selbstverständlich auch für die jetzt gerade vergangene Silvesternacht.

Ob in Einzelfällen hier möglicherweise bei den verschiedenen Polizeieinsätzen Dinge vorgefallen sind, die nicht diesen Vorgaben entsprechen, wird jetzt sehr genau anzuschauen und zu überprüfen sein. Das, was Sie formulieren, ist ja aber doch erst mal eine schlichte Behauptung. Da wird man jetzt sehr genau schauen müssen, ob an dieser Behauptung etwas dran ist, die auch vonseiten von Kritikern sehr lautstark erhoben wird - das haben wir sehr wohl zur Kenntnis genommen -, um dann entsprechend eine Bewertung vorzunehmen. Aber in der Reihenfolge scheint es mir doch richtig zu sein und nicht zunächst eine Behauptung sozusagen als Tatsache zu nehmen und daraufhin schon bestimmte Konsequenzen zu diskutieren.

Zusatz: Die Behauptung habe nicht ich aufgestellt, sondern ich habe ja eben gesagt, dass der Vorwurf von Amnesty International kommt.

Dimroth: Doch. Sie haben gerade einen Sachverhalt sozusagen konstruiert und daraufhin eine Schlussfolgerung gezogen und letztlich zu dem Ergebnis führend dann die Aussage getroffen, dass das, was dort passiert ist, ja dann doch Racial Profiling gewesen sei. Diese Behauptung erscheint mir jetzt noch sehr verfrüht und nicht durch wirklich sorgfältig aufbereitete Berichte gedeckt.

SRS Streiter: Ich würde gern ungefragt dazu noch etwas sagen. Die Bundesregierung ist sehr erleichtert, dass die öffentlichen Silvesterfeiern in Deutschland weitgehend friedlich und vor allem ohne so schreckliche Vorfälle wie im vergangenen Jahr abgelaufen sind.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, wie es gestern schon der Bundesinnenminister getan hat, mich auch im Namen der Bundeskanzlerin ausdrücklich bei allen Polizistinnen und Polizisten in Deutschland für ihren Einsatz zu unserer Sicherheit zu bedanken.

Frage: Herr Dimroth, wie der Polizeipräsident in Köln sich gestern eingelassen hat, ist das kein Einsatz gewesen, der sich auf das vergangene Silvesterfest beschränkt, sondern es ist perspektivisch davon auszugehen, dass größere Veranstaltungen, nächste Silvesterfeiern ähnlich massiv geschützt werden müssen.

Ich weiß, dass Sie nur für die Bundespolizei sprechen, aber wenn man sich überlegt, was das für eine Belastung für die Beamten ist, sei es im Land oder im Bund, wie sehen Sie das perspektivisch mit Blick auf die Überstunden, schlichtweg mit Blick auf die Arbeitsbelastung der Polizeibeamten, um den mehr oder weniger störungsfreien Ablauf solcher Großveranstaltungen wie jetzt des Silvesterfests in Köln immer hinzubekommen?

Dimroth: Das ist, soweit ich für die Bundespolizei sprechen kann, natürlich eine zusätzliche, weitere Herausforderung, neben den vielen Herausforderungen, die ohnehin schon bestehen und die die Kolleginnen und Kollegen der Bundespolizei, denen tatsächlich nicht genug zu danken ist - insofern kann ich auch nur noch einmal unterstreichen, was Herr Streiter gerade gesagt hat -, ohnehin zu schultern haben. Ich könnte das jetzt aufzählen: Großereignisse im Bereich Sport, Grenzkontrollen.

All dies sind natürlich Dauerbelastungen, die von den Kolleginnen und Kollegen nicht ohne Weiteres und nicht ohne überbordenden und übergroßen persönlichen Einsatz zu schultern sind. Weil das so ist, haben wir es in dieser Legislaturperiode und zuletzt mit dem letzten Haushalt ja aber auch geschafft, die Bundespolizei in einem Maße perspektivisch personell zu stärken, wie es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einzigartig ist - genau das ist ja die Reaktion des Gesetzgebers auf den Befund, dass die Bundespolizei vor den gerade genannten Herausforderungen steht; es gibt sicher noch viele mehr, die man hier aufzählen könnte -, um auf genau diese Herausforderungen zu reagieren. Es ging also darum, in einem wirklich nennenswerten Umfang Personal aufzubauen, um eine Überbelastung zu verhindern.

Zusatzfrage: Haben Sie einen Überblick über die Überstunden, die sich inzwischen bei der Bundespolizei angehäuft haben?

Dimroth: Die habe ich jedenfalls hier nicht vorliegen. Ich erinnere mich grob, dass Vergleichbares mal im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage abgefragt wurde. Ich nehme das gerne noch mal mit. Ich habe jetzt hier jedenfalls keine Summe, die ich Ihnen nennen könnte, dabei.

Frage : Herr Dimroth, was müsste denn ein Mensch nordafrikanischen Ursprungs tun, um mit seinen blonden blauäugigen Freunden nächstes Jahr zusammen Silvestern feiern zu können, oder würden Sie davon abraten?

Dimroth: Ich würde davon nicht abraten. Jeder, der sich berufen fühlt, die Silvesternacht wo auch immer friedlich feiernd in der Öffentlichkeit zu begehen, sollte das tun. Den ersten Teil Ihrer Frage verstehe ich schlicht nicht. Was müsste er tun? Er müsste eben das tun: fröhlich feiernd sich einen öffentlichen Platz suchen, an dem er sich gerne aufhalten möchte, ob mit oder ohne - wie Sie das formuliert haben - blonden Freund. Das halte ich für völlig irrelevant.

Jeder sollte sich dort aufhalten, wo er das möchte. Wenn er sich friedlich verhält und fröhlich feiern möchte, dann gilt das selbstverständlich für jeden in Deutschland ohne Ansehung seiner Herkunft oder seiner Staatsangehörigkeit.

Zusatzfrage : Haben Sie irgendwelche Hinweise darauf, dass das in Köln zu Silvester nicht möglich war?

Dimroth: Was die Zuständigkeit der nordrhein-westfälischen Polizei- und Sicherheitskräfte anbetrifft, kann ich hier nicht sprechen. Das ist, glaube ich, auch nicht überraschend, weil das ja schon in vielerlei Konstellationen hier Gegenstand der Diskussion war. Deswegen kann ich dazu jetzt auch keine absolute Aussage treffen.

Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Berichte, die uns seitens der Zuständigkeit der Bundespolizei vorliegen, darauf keinen Hinweis geben, ich Ihnen hier auch gerade sehr deutlich ausgeführt habe, wie wir grundsätzlich zu dem Thema des sogenannten Racial Profiling stehen und wie auch die Bundespolizei dazu sehr grundsätzlich steht. Zu allem anderen müssten Sie gegebenenfalls beim Kölner Polizeipräsidium oder beim Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen erfragen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in dem dortigen Zuständigkeitsbereich hier Grund zur Nachfrage besteht.

Frage : Zum gleichen Punkt, einfach um da Klarheit zu gewinnen: Sie sagen, man muss sehr genau schauen, ob es etwas gab, was diesem Nein zu einem Racial Profiling widerspricht. Wer schaut da? Ist für das Innenministerium mit der Zuständigkeit für die Bundespolizei mit diesem ersten Blick, der keinen Anhaltspunkt ergeben hat, dass es so etwas gegeben hat, quasi das Schauen auf diesen Komplex beendet, oder ist man an irgendeiner Aufarbeitung des Silvestereinsatzes beteiligt und schaut sich die Dinge noch einmal im Detail an? Ist für den Bund die Sache jetzt beendet?

Dimroth: Selbstverständlich - das gilt nach solchen Einsätzen grundsätzlich - wird man das intern sehr sorgfältig aufarbeiten, im Berichtswege. Die jetzt erhobene, teilweise sehr deutliche Kritik, beispielsweise aus dem parlamentarischen Raum, wird sicher Anlass sein, das noch genauer zu betrachten.

Was den Zuständigkeitsbereich der Geschäftsbereichsbehörden des BMI in diesem Fall, also vor allem der Bundespolizei, anbetrifft, ist es, wie gesagt, ohnehin gängige Praxis, dass man nach solchen Großeinsätzen sehr genau evaluiert, was und wie ideal und möglicherweise auch nicht ganz ideal gelaufen ist. Das ist Gegenstand der täglichen Polizeiarbeit. Das wird in diesem Fall selbstverständlich ohnehin passieren und in Anbetracht der jetzt geäußerten öffentlichen Kritik insbesondere sehr genau noch einmal den Punkt umfassen, der hier gerade diskutiert wird, nämlich die Frage: Ist hier möglicherweise rechtswidrig vorgegangen worden? Es wäre, wie ich das gerade eingangs sehr deutlich ausgeführt habe, schlicht rechtswidrig. Das wird man sich jetzt auch für den Bund noch einmal sehr genau anschauen.

Mir scheinen nach bisheriger Kenntnis des Sachverhalts die Vorwürfe jedenfalls weitreichend in Richtung der nordrhein-westfälischen Kräfte zu gehen. Auch dort wird man - davon gehe ich aus, auch wenn ich das von hier aus natürlich nicht zuständigkeitshalber sagen kann - sich das sicher sehr genau anschauen und gegebenenfalls auch auf parlamentarische Fragen und Ähnliches dann antworten müssen.

Frage: Hatten Sie eigentlich im Vorfeld der Silvesternacht schon Erkenntnisse darüber, dass es wieder gruppenmäßige Verabredungen gibt? Es gab Berichte darüber, dass es größere Gruppen von nordafrikanisch aussehenden Männern in Zügen gab, die nach Köln angereist sind. Hatten Sie vorher Erkenntnisse, dass so etwas stattfinden würde, zum Beispiel indem Sie im Internet Hinweise gefunden haben, dass es da Verabredungen gegeben hat?

Dimroth: Für die Erstellung eines entsprechenden Sicherheitskonzepts vor solchen Veranstaltungen sind die Behörden vor Ort zuständig. Dementsprechend wäre auch das eine Frage, die in diesem Fall möglicherweise die Kölner zu beantworten hätten.

Selbstverständlich entsteht im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei beispielsweise Erkenntnis darüber, wenn sich bestimmte Gruppen in Zügen befinden, weil sie sich dann nämlich im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei aufhalten. Dann wird das selbstverständlich in die aktuelle Lage eingespeist, die durch den zuständigen Polizeiführer vor Ort letztlich verantwortungsvoll ausgewertet werden muss. Es sind dann die entsprechende Schlüsse auch für polizeiliche Maßnahmen vor Ort zu ziehen, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Bundespolizeikräften, die in solchen Lagen, wie es bei jedem Bundesligaspiel beispielsweise üblich ist, den örtlichen Polizeikräften und dem örtlichen Polizeiführer unterstellt werden.

Wenn Bundespolizisten außerhalb ihres originären Zuständigkeitsbereichs tätig werden - das ist bei Bereitschaftspolizei üblich; das ist, wie gesagt, das tägliche Geschäft, beispielsweise bei Bundesligaspielen -, dann wird ein Bundespolizist im Verantwortungsbereich und unter Anleitung des Polizeiführers des jeweiligen Landes tätig. So ist das ganz übliche Verfahren.

Zusatzfrage: Gab es denn diese Erkenntnis? Es war ja aus dem vergangenen Jahr bekannt, dass große Gruppen in Zügen nach Köln gereist sind. Es scheint auch in diesem Jahr wieder so gewesen zu sein. Das heißt, dafür war ja die Bundespolizei verantwortlich. Hatten Sie Erkenntnisse darüber, oder haben Sie das erst an dem Abend beobachten können?

Dimroth: Dass vorab konkrete Erkenntnisse über das von Ihnen geschilderte Szenario vorlagen, wäre mir jedenfalls nicht bekannt.

Noch einmal: Für die Lagebewertung und die daraus folgenden strategischen, konzeptionellen Planungen, was die Sicherheit vor Ort anbetrifft, ist nicht die Bundespolizei zuständig. Ich habe Ihre Frage so verstanden, dass Sie wissen wollen, ob bei der Bundespolizei konkret vorher Erkenntnisse vorlagen, dass genau das passiert, was jetzt passiert ist? Nach meinem Kenntnisstand gab es diese konkrete Erkenntnis nicht.

Selbstverständlich waren nach den Ereignissen der vorvergangenen Silvesternacht alle Behörden dafür sensibilisiert - das kann man sich ja vorstellen -, dass solche Dinge passieren können. Davon konnte man eben bis vor einem Jahr in dem Maße und in dem Umfang nicht ausgehen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass man aus dem, was vor einem Jahr passiert ist, eine Lehre gezogen hat und das als mögliches Szenario in die Lageplanung und in die Ressourcenplanung auch der Bundespolizei einbezogen hat.

Dass es konkrete Hinweise gab, dass soundso viel Menschen in dem und dem Zug saßen, das ist mir jedenfalls nicht bekannt. Ich kann aber gerne noch mal als Fragestellung mitnehmen, ob und inwieweit diese Erkenntnis vorlag.

Zusatzfrage: Es gab ja aber in der Nacht offenbar Hinweise der Bundespolizei an die Landespolizei, dass aus verschiedenen Städten - Essen usw. - größere Gruppen nordafrikanischer Männer oder nordafrikanisch aussehender Männer sich auf den Weg nach Köln machen. Wie muss man sich das vorstellen? Die werden ja dann im Zug beobachtet oder schon an den Bahnhöfen beobachtet. Fahren dann Bundespolizisten in diesen Zügen mit, und erfolgt dann die Übergabe?

Es gab ja die Einkesselung von Hunderten nordafrikanischer Männer, wie man später festgestellt hat. Es muss ja in der Übergabe zwischen Bundespolizei und Landespolizei funktioniert haben. Welche Erkenntnisse haben Sie denn da?

Dimroth: So, wie Sie es beschrieben haben, ist das jedenfalls lege artis das übliche Verfahren. Das Ende des Zuständigkeitsbereichs ist in der Regel, so schwierig das sein mag, laut Verwaltungsgerichtsrechtsprechung immer eine imaginäre Linie auf einem Bahnhofsvorplatz. Man mag bekritteln, dass das etwas vage erscheint, aber es ist sozusagen die Folge von verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung, dass die bundespolizeiliche Zuständigkeit etwas vor dem Bahnhofsgebäude endet und die landespolizeiliche Zuständigkeit beginnt. Idealerweise ist es also, wie Sie es gerade beschrieben haben, dass die Bundespolizei in ihrem Zuständigkeitsbereich die erforderlichen Maßnahmen ergreift, und wenn ihre Zuständigkeit endet, entsprechende Informationen und dann tatsächlich auch polizeiliche Maßnahmen an die zuständige Landespolizei übergibt; genau so ist das.

Zuruf: (akustisch unverständlich)

Dimroth: Das ist wieder eine Behauptung, und wir drehen uns, ehrlich gesagt, im Kreis.

Frage : Ich möchte gerne an die Frage des Kollegen anschließen, denn der Polizeipräsident von Köln hat heute Morgen gesagt, die Bundespolizei habe zuvor schon - also bevor die Polizei in Köln eingeschritten ist - aus den Zügen gemeldet, dass hochaggressive Gruppen nach Köln unterwegs seien. Haben Sie diese Informationen auch? Diese Frage wurde ja eben nicht beantwortet: Fahren dann entsprechend auch Bundespolizisten in den Zügen mit?

Dimroth: Ja, da fahren grundsätzlich Polizisten mit - je nach Lageeinschätzung, das kann man jetzt also nicht für alle denkbaren Fälle mit Ja oder Nein beantworten. Aber sollte das aus polizeitaktischer Sicht für erforderlich gehalten werden, dann ist das eine typische Maßnahme, die die Bundespolizei anwendet, um die Gefahr möglichst unter Kontrolle zu halten. So ist das auch hier geschehen.

Die Frage nach den Zügen hatte ich schon einmal beantwortet. Ich hatte gesagt, dass in der konkreten Lage selbstverständlich solche Erkenntnisse bei der Bundespolizei auflaufen und dann auch an die zuständigen Landesbehörden weitergegeben werden.

Zusatzfrage : Aber das ist ja nun eine theoretische Antwort.

Dimroth: Nein, das ist eine praktische Antwort.

Zusatzfrage : Mich interessiert jetzt aber die ganz konkrete Lage, nämlich die vom Silvesterabend. Sind in dieser Lage solche Erkenntnisse bei der Bundespolizei aufgelaufen?

Dimroth: Ja, die sind aufgelaufen und weitergegeben worden.

Zusatzfrage : Und da sind dann auch Polizisten hingefahren?

Dimroth: Da sind in einzelnen Zügen auch Polizisten mitgefahren, genau so ist das.

Frage : Die Silvesternacht war ja recht erfolgreich, wenn man die Zahl der Straftaten mit der Zahl vom Vorjahr vergleicht. Sieht das BMI hier ein Vorbild für eine Herangehensweise zur Verhinderung von Straftaten bei anderen Szenarien? Sprich: Wird man solche Großeinsätze vermehrt sehen, oder war das jetzt ein Einzelfall, weil die Übergriffe vom Vorjahr so hohe politische Wellen geschlagen haben?

Dimroth: Auch da muss ich Sie - auch wenn es Sie langweilt - zunächst einmal zum wiederholten Male darauf verweisen, dass für solche Fragen ganz grundsätzlich die Landesbehörden zuständig sind. Für die Frage der Sicherheit von Großveranstaltungen jedweder Art liegt die Zuständigkeit bei den zuständigen Landesbehörden, die in der Regel ja auch - auch das hatte ich hier schon mehrfach ausgeführt - allein überhaupt den hinreichenden Erkenntnisgewinn haben, um bestimmte Fragestellungen zu beantworten; denn die kennen bestimmte Örtlichkeiten naturgemäß viel besser, als das eine Bundesbehörde beziehungsweise Mitarbeiter einer Bundesbehörde können, und die kennen eine bestimmte Klientel regional viel besser, als das eine Bundesbehörde kann - so ohne Weiteres jedenfalls. Es ist eben auch so - auch das mag man möglicherweise sogar falsch finden -, dass wir eine klare Zuständigkeitsverortung und Verantwortungsteilung haben und auf dieser Grundlage die Behörden selbstverständlich tätig werden. Alles andere wäre jedenfalls nicht ohne Weiteres mit dem geltenden Recht vereinbar.

Zusatzfrage : Ich interessiere mich hier eher für die höhere politische Ebene, wenn man über die Sicherheit in Deutschland allgemein spricht. Nach den Silvesterübergriffen letztes Jahr wurde ja auch auf Bundesebene groß diskutiert, wie man die Sicherheit in Deutschland verbessern kann. Sieht die Bundesregierung da jetzt solche Aktionen wie an Silvester in Köln als Teil des Gesamtkonzepts, oder sagt man: Das macht die Landesregierung?

Dimroth: Na ja, dort, wo es Schnittstellen gibt, geht das nur in guter Zusammenarbeit zwischen den Behörden - in dem Fall der Bundespolizei und den Landesbehörden. Das ist ohnehin eine Selbstverständlichkeit - und zwar eine gelebte Selbstverständlichkeit.

Wenn Sie mich jetzt ganz allgemein fragen: Der Bundesminister des Innern hat ja mehrfach - zuletzt eben auch nach dem schrecklichen Anschlag hier auf dem Berliner Breitscheidplatz - gesagt, dass er davon ausgeht, dass die örtlichen Behörden die lageangepassten und lageangemessenen Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, um solche Großveranstaltungen mit Augenmaß, aber hinreichend zu sichern.

Wenn Sie mich jetzt fragen, ob das, was in Köln als Einsatzszenario abgelaufen ist, ein "role model" für vergleichbare Fälle in der Zukunft ist, dann kann ich Ihnen diese Frage nicht beantworten, sondern nur allgemein darauf verweisen, dass wir selbstverständlich davon ausgehen, dass die zuständigen Behörden vor Ort lageangepasst und lageangemessen in jedem Einzelfall die Maßnahmen ergreifen, die eine Veranstaltung hinreichend sichern. Das können ganz unterschiedliche Maßnahmen sein, zum Beispiel - wie jetzt in Köln exerziert - bestimmte Verbote - etwa das Verbot, in bestimmten Bereichen bestimmte Feuerwerkskörper zu zünden -, Absperrungen, Personenkontrollen, Taschenkontrollen; das ist ja skalierbar und in jede Richtung denkbar. Das sind aber keine Fragen, die vom Bund vorgegeben oder entschieden werden können. Vielmehr können wir da nur darauf vertrauen, dass die Behörden vor Ort das richtig machen.

Frage: Ich würde gerne noch einmal an unsere Konversation anknüpfen, die wir eben schon einmal hatten. Sie haben ja auch gesagt, dass in gewisser Weise Bundespolizisten im Zug diese hochaggressiven Männergruppen begleitet haben. Das heißt, es findet dann ja eine Interaktion zwischen der Bundespolizei und den am Kölner Hauptbahnhof bereitstehenden Kräften statt; da gibt es dann die imaginäre Linie, die Sie angesprochen haben. Diese Zusammenarbeit scheint ja exzellent funktioniert zu haben, denn die Gruppen, die vorher im Zug beobachtet wurden, wurden dann durch diesen Bahnhof über die imaginäre Linie hinüberbefördert und landeten dann im Kessel der Polizei Köln. Jetzt würde mich einmal interessieren, was der Anlass gewesen ist, die aus diesem Zug in den Kessel zu bringen, und dann landen da plötzlich nur Nordafrikaner, und Sie sagen: Jetzt ist es die Verantwortung der Polizei NRW. Aber die Bundespolizei hat doch aufgrund irgendwelcher Kriterien dann gemeldet "Die sind hochaggressiv", aber zufälligerweise waren das dann alle Nordafrikaner. Ich kann jetzt noch nicht so ganz nachvollziehen, wieso Sie sagen, dass Sie da keine Verantwortung haben.

Dimroth: Ich kann jetzt, ehrlich gesagt, nicht so ganz nachvollziehen, was genau Ihre Frage ist; das ist jetzt ja auch erst einmal wieder eine Behauptung.

Frage: Okay, dann stelle ich die Frage: Nach welchen Anlässen oder nach welchen Kriterien wurden diese Männer dann der Polizei Köln zugeführt, außer dem Kriterium ihres Aussehens?

Dimroth: Sie haben ja eben selbst mehrfach das Kriterium "hochaggressiv" genannt. Das scheint mir jedenfalls ein polizeitaktisch und auch polizeirechtlich hinreichend passgenaues Kriterium zu sein, um bestimmte Maßnahmen daran zu knüpfen. Genau so ist es wohl gewesen. Jedenfalls ist es mein Erkenntnisstand aus dem Berichtswesen, dass polizeirechtlich völlig unangreifbar und unantastbar Erkenntnisse vorlagen, die auf eine gewisse Aggressivität dieser Gruppen hindeuteten, und dann hat man entsprechende Maßnahmen ergriffen. Viel mehr ist dazu nicht zu sagen. Da Sie das selber auch schon mehrfach erwähnt haben, überrascht es mich jetzt tatsächlich, dass Sie nach weiteren Kriterien fragen. Mir scheint "hochaggressiv" ein polizeirechtlich hinreichendes Kriterium zu sein, denn die Polizei wird tätig, um Gefahren abzuwehren, bevor sie sich realisieren. Bei der Frage "Wann existiert eine Gefahr?" ist, denke ich, die Erkenntnis, dass eine Gruppe hochaggressiv ist, ein sehr nachvollziehbares Kriterium, um bestimmte Maßnahmen daran zu knüpfen - um eben genau das zu tun, was Polizei tun soll, nämlich zu verhindern, dass sich Gefahren realisieren.

Zusatzfrage: Und Aussehen und Herkunft sind dann Zufall?

Dimroth: Ich habe dem, was ich grundsätzlich gesagt habe, nichts hinzuzufügen. Wie gesagt, mir scheint vieles von dem, was Sie hier vortragen, doch sehr stark von Behauptungen geprägt zu sein. Es gibt offensichtlich, wie Sie selber vortragen, Kriterien, die polizeirechtlich völlig unangreifbar sind, die hier eine Rolle gespielt haben, und alles andere wird man sehen. Ich denke, ich habe jedenfalls das, was wir zum Thema des sogenannten Racial Profiling und dazu, wie wir das rechtlich einschätzen, denken und zu sagen haben, sehr deutlich gesagt. Das ist das, was wir dazu denken.

Frage : Herr Dimroth, ich bin erstaunt, dass Sie am 2. Januar schon so genau wissen, was passiert ist, und so gut Auskunft geben können. Wann, denken Sie, werden Sie ein vollständiges Bild der Lage dort haben? Oder liegt Ihnen das bereits tatsächlich vor, sodass Sie das so abschließend beurteilen können?

Dimroth: Ich habe das nicht abschließend beurteilt; ich habe immer darauf verwiesen, dass ich nach dem jetzigen Berichtsstand antworte. Ich muss mich langsam wundern, denn wir sitzen hier jetzt ja schon ein bisschen, und ich habe auf Fragen gerade geantwortet, dass abschließende Berichterstattung und abschließende Auswertung noch stattfinden. Jetzt tun Sie so, als hätte ich behauptet, ich kennte den Sachverhalt komplett und würde schon zu abschließenden Bewertungen kommen. Genau das Gegenteil habe ich gerade ausgeführt; von daher frage ich mich ganz ehrlich, was diese Frage soll. Ich habe gerade auf eine Frage hin ausgeführt, dass wir uns noch sehr umfassend berichten lassen werden, um dann zu einer abschließenden Bewertung zu kommen - die logischerweise also heute noch nicht vorliegen kann.

Zusatzfrage : Dann formuliere ich die Frage um: Wann rechnen Sie denn damit, dass Sie das können?

Dimroth: Zeitnah.

Zusatzfrage : Das heißt?

Dimroth: Zeitnah.

Frage : Herr Schäfer, ich habe am Freitag vergeblich versucht, zu der Waffenruhe in Syrien eine ähnliche Stellungnahme vom Auswärtigen Amt zu bekommen, wie Sie sie eben über den Kongo gegeben haben; stattdessen bekam ich einen Hinweis auf das Interview Ihres Ministers in der "Passauer Neuen Presse". Können Sie das vielleicht nachholen?

Schäfer: Das mache ich sehr gerne; das hätte ich sowieso noch getan, deshalb ist es gut, dass Sie fragen. Aber das Interview, das Sie bekommen haben, war ja nicht neben dem Thema - sozusagen "Sechs, setzen!" -, sondern hatte Passagen, die sich mit der aktuellen Lage in Syrien befasst haben.

Ich kann Ihnen sagen, dass wir die am Silvestertag erfolgte einstimmige Verabschiedung einer Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen - Resolution 2336 - zum Waffenstillstandsabkommen in Syrien begrüßen. Wir freuen uns darüber, dass es jetzt nach einigen Tagen Wirksamkeit dieses Waffenstillstandes tatsächlich so scheint, als wenn an den meisten Orten in Syrien, an denen es auch in der Vergangenheit Kämpfe gegeben hat, tatsächlich die Kampfhandlungen mindestens deutlich eingeschränkt sind, wenn auch dieser Waffenstillstand eben nicht lückenlos und überall eingehalten wird. Das heißt doch nichts anderes, als dass zum ersten Mal seit Jahren die Menschen in Syrien die Gelegenheit haben, den Jahresanfang zu begehen, ohne, wie noch tags zuvor, das Opfer der laufenden Gewalttätigkeiten zu werden.

Weil das so ist, verbinden wir damit auch die Hoffnung, dass jetzt mehr passiert. Das Ausbleiben von Kampfhandlungen ist gut, aber sicherlich nicht genug, um wirklich Frieden in Syrien zu schaffen. Deshalb - so hat es der Sicherheitsrat vorgestern ja auch bereits erklärt - begrüßen wir, dass es neue Initiativen gibt, auch den politischen Handlungsstrang wieder aufzugreifen und Gespräche zu führen - mit dem Ziel, eine politische Lösung für Syrien zu finden, die dann tatsächlich die Kämpfe zu einem Ende kommen lassen kann. Deshalb ist es aus unserer Sicht wichtig, dass das, was von der Türkei, von Russland und auch vom Iran angekündigt worden ist, nämlich Regime und Opposition in Astana bereits in den nächsten Wochen zusammenzubringen, unter der Ägide, unter dem Dach und in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und dem Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen erfolgen kann; denn der ist die richtige Institution beziehungsweise die richtige Person, die diesen schwierigen politischen Vermittlungsprozess aus unserer Sicht führen soll. Es ist selbstverständlich, dass dabei alle Akteure eingebunden werden müssen, die mit Recht geltend machen, dass sie für die Zukunft Syriens eine Stimme haben, und das gilt selbstv erständlich auch für wesentliche Teile der syrischen Opposition. Deshalb appellieren wir an alle Konfliktparteien, auch in diesem politischen Handlungsstrang, der sich jetzt wieder abzeichnet, kompromissbereit zu sein und wirklich mit dem Willen zu einer politischen Transition die Verhandlungen aufzunehmen.

Zusatzfrage : Herr Schäfer, würden Sie es auch begrüßen, wenn die Verhandlungen ohne die Schirmherrschaft der UN vonstattengehen? Wie sehen Sie überhaupt die Möglichkeit einer Verzahnung der Gespräche in Astana mit denen in Genf?

Schäfer: Auf Ihre letzte Frage habe ich noch keine gute Antwort, weil ich einfach nicht weiß, wie sich das in den nächsten zwei Wochen ergeben wird. Sie wissen sicherlich, dass die ersten Gespräche in Astana für den 13. Januar - also in knapp zwei Wochen - geplant sind. In Russland - das wissen Sie auch - beginnen jetzt die Weihnachts- und Jahresendfeierlichkeiten mit dem orthodoxen Weihnachtsfest. Ich vermute, da wird in den nächsten Tagen auch nicht mehr allzu viel auf der politischen Schiene geschehen können.

Ich weiß aber - und das ist ja auch Teil der Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen -, dass auch Russland und dass auch die Türkei ein Interesse daran haben, die Vereinten Nationen nicht etwa aus dem politischen Prozess herauszuhalten, sondern sie einzubinden. So ist es unter Beteiligung Russlands auch vom Sicherheitsrat entschieden worden, und da nehmen wir Moskau und auch die anderen, die Verantwortung tragen für den Prozess, der jetzt hoffentlich in Astana beginnt, natürlich beim Wort. Ich glaube, das kann auch gar nicht anders sein, weil all das Wenige, was in den letzten Jahren im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gelungen ist, immer auch die wichtige Rolle der Vereinten Nationen und des Sondergesandten der Vereinten Nationen herausgestellt hat. Staffan de Mistura hat das Vertrauen der Bundesregierung, und wir glauben, dass er weiter der richtige Mann ist, um sich sehr engagiert auch in diese Verhandlungen einzubringen.

Zusatzfrage : Sollten Ihrer Ansicht nach die Europäer an diesem Prozess in Astana teilnehmen?

Schäfer: Auch der russische Außenminister und der türkische Außenminister haben immer gesagt, dass der Wiener Prozess, der Münchner Prozess, all die Entscheidungen, die in der ISSG, also der internationalen Unterstützergruppe Syriens, in der die Europäer beteiligt sind und in der auch Deutschland beteiligt ist, jetzt nicht etwa ad acta gelegt werden, sondern Teil des Entscheidungs- und Verhandlungsprozesses sind. Deshalb gehe ich davon aus, dass all das, was jetzt in Astana und darüber hinaus - man darf ja nicht glauben, dass das mit einem Treffen plötzlich alles friedlichen ausgehen würde - geschehen wird, auch unter Beteiligung Europas und damit auch Deutschlands geschehen wird.

Frage: Herr Schäfer, wie gestärkt oder geschwächt sehen Sie denn jetzt die USA beziehungsweise auch die Europäer, wenn man auf die Entwicklung in Syrien schaut? Hier in der Bundespressekonferenz ist Russland in den vergangenen Wochen ja auch häufig von der Bundesregierung für das Vorgehen besonders in Aleppo kritisiert worden. Nun präsentiert Russland sich als jemand, der einen wie auch immer gearteten Frieden beziehungsweise ein Ausbleiben von Gewalt zustande gebracht hat. Gibt es deshalb eine Änderung in Ihrer Einschätzung?

Schäfer: Auch im Lichte der Entwicklungen der letzten Tage gibt es an dem, was von dieser Bank oder von Vertretern Deutschlands und der Bundesregierung über die furchtbaren Dinge gesagt worden ist, die bei der Belagerung, Bombardierung und dann schließlich auch bei der Räumung von Aleppo geschehen sind, nichts zurückzunehmen - weder im Hinblick auf unseren Wunsch und unsere Forderung, die Verantwortlichen für möglicherweise begangene Kriegsverbrechen zur Verantwortung zu ziehen, noch bei allen anderen Fragen der politischen Verantwortlichkeit.

Dennoch können wir feststellen, dass es Russland, der Türkei und dem Iran gelungen ist, durch Kontakte zu denjenigen, die in Syrien sozusagen faktisch militärische Macht auf sich vereinigen, eine Waffenstillstandsvereinbarung zu erreichen - ich bin fast versucht zu sagen: vor Ort zu erzwingen -, die hält. Völlig unabhängig davon, was wir vielleicht von dem einen oder anderen halten, der an dieser Waffenstillstandsvereinbarung mitgewirkt hat, ist das eindeutig ein guter Schritt, ein richtiger Schritt und - wenn es denn hält - auch ein wichtiger Schritt, weil er die wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass es einen politischen Prozess geben kann. Dieser politische Prozess wird dann zeigen, ob diejenigen, die diesen Waffenstillstand verhandelt haben, es tatsächlich ernst meinen mit einer politisch verhandelten Friedenslösung für Syrien; denn die Frage des Schicksals und der Zukunft von Präsident Assad und seinem Regime und auch die Frage der Einbindung von gesellschaftlichen Gruppen Syriens bei der Ausübung einer neuen Machtstruktur in Syrien sind Fragen, die politisch in Astana und dann darüber hinaus auf den Tisch kommen müssen. Da werden wir dann sehen, wie sich die drei Beteiligten und darüber hinaus alle anderen international einbringen.

Wir müssen - auch das will ich hier ganz offen sagen - tatsächlich auch sehen, dass der Übergangs-, der Transitionsprozess in Washington von einem Präsidenten zum anderen - das passiert alle vier oder alle acht Jahre, je nachdem - die Rolle der Vereinigten Staaten von Amerika in Syrien beeinträchtigt hat, weil die amtierende Regierung eine Halbwertzeit hat, die mit jedem Tag kürzer wird, die neue Regierung noch nicht im Amt ist und wir von der Administration Trump letztlich noch keine klaren Signale - weder vor noch hinter den Kulissen - bekommen haben, wie sie sich zu diesem politisch wie militärisch und auch sonstwie schwierigen Thema des Nahen und Mittleren Ostens und insbesondere Syriens positionieren wird. Das wissen wir nicht; auch nach den Gesprächen, die Vertreter der Bundesregierung in den letzten Wochen in Washington geführt haben, gibt es da für uns noch nicht hinreichend Klarheit, als dass wir jetzt schon genau wüssten, was mit dem 20. Januar und danach an Politik aus Washington gegenüber Syrien verfolgt werden wird.

Zusatzfrage: Für wie isoliert halten Sie die Europäer jetzt?

Schäfer: Europa ist überhaupt gar nicht isoliert. Wir haben unsere Rolle - und Deutschland ist da wirklich vorangegangen - nie im militärischen Umgang mit der Krise im Vordergrund gesehen; vielmehr war die Rolle Deutschlands und die Rolle Europas die eines politischen Spielers. Der sind wir weiterhin. Darüber hinaus haben wir große Verantwortung gespürt und übernommen für den ganzen humanitären Bereich. Ich glaube, Deutschland ist 2016 für Syrien insgesamt weltweit zum größten Geber geworden, und wir sind dem Deutschen Bundestag sehr dankbar dafür, dass die Haushaltsansätze im Auswärtigen Amt und im BMZ für humanitäre Hilfe insgesamt, aber insbesondere auch für die Region, für die Flüchtlinge in und aus Syrien, uns in einer Weise zur Verfügung gestellt worden sind, die es möglich macht, diese Rolle, die wir sehen und für die wir Verantwortung übernehmen wollen, in diesem Jahr auch fortzusetzen.

Frage : Herr Dimroth, welche Folgen kann denn die Waffenruhe in Syrien für die syrischen Flüchtlinge in Deutschland haben? Anders gefragt: Wie lange muss die Waffenruhe halten, damit die syrischen Flüchtlinge nicht mehr als Kriegsflüchtlinge, sondern als politische Flüchtlinge - mit einer dann entsprechend anderen Rechtslage - betrachtet werden?

Dimroth: Das lässt sich so abstrakt natürlich überhaupt nicht beantworten, zumal möglicherweise Ihrer Frage jedenfalls in Teilen auch ein kleines Missverständnis innewohnt. Die Frage der Einordnung und der Kategorisierung von in Deutschland Schutz nachsuchenden Flüchtlingen hängt selbstverständlich von jedem individuellen Einzelfall ab.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, gehen Sie in Ihrer Frage ja davon aus, dass, wenn eine Waffenruhe hinreichend lange andauert, ein Zustand erreicht wird, in dem die Menschen aus Syrien, die hier Schutz nachsuchen, nicht mehr als Kriegsflüchtlinge behandelt werden, sondern als politisch individuell Verfolgte. Dieser Schluss jedenfalls ist so pauschal sicherlich falsch; denn ob jemand individuell politisch verfolgt ist, ist ja eine Frage, die unabhängig von einem Kriegsgeschehen in dem Land zu beantworten ist und auch heute schon in der Regel nicht positiv beantwortet wird. Das würde ja bedeuten, dass jemand plausibel vortragen kann, dass er im jetzigen syrischen System aufgrund seiner politischen Einstellungen, beispielsweise aufgrund seiner Haltung zum Assad-Regime, mit harten Repressalien in Syrien zu rechnen hätte. Dann würden wir von politischer Verfolgung sprechen. Die kann es in Einzelfällen geben, und die gibt es ja auch - die Schutzquoten sind bekannt. Daran würde sich durch einen Waffenruhezustand - ich will nicht von einem Friedenszustand sprechen, auf den wir natürlich alle hinarbeiten und hoffen - aber ohnehin nichts ändern.

Die zweite Frage wäre tatsächlich: Wie ist das mit Menschen, die eine solche politische Verfolgung nicht vortragen, sind die dann überhaupt noch schutzbedürftig? Diese Frage wird dann irgendwann zu klären sein, wenn dieser Zustand erreicht ist. Ich sehe heute jedenfalls nicht - auch nicht perspektivisch -, dass wir in den nächsten Tagen einen Zustand erreicht haben werden, bei dem man per se sagen kann, dass kein Schutzbedarf mehr besteht. Das ist aber eine hypothetische Frage, die selbstverständlich von dem weiteren Verlauf der Dinge abhängt. Der aktuelle Zustand jedenfalls wird, denke ich, nicht Anlass zu solchen grundlegenden Abweichungen von der bisherigen Entscheidungspraxis geben. Wir hoffen aber natürlich für die Region, für die Menschen selbst, dass bald ein solcher Zustand erreicht wird - völlig unabhängig von dem Flüchtlingskontext, sondern im ureigensten Interesse der Region, im ureigensten Interesse der Menschen selbst -, bei dem sie nicht mehr ihr Heimatland verlassen und woanders Schutz nachsuchen müssen; das ist eine Selbstverständlichkeit. Ich kann Ihnen jetzt aber nicht sozusagen abstrakt auf einem Bild einen Zustand malen, bei dem dann Entscheidungen anders ausgehen würden, als sie bisher ausgehen. Das hängt vielmehr tatsächlich von der sehr komplexen Weiterentwicklung und eben von dem jeweils individuell vorgetragenen Schutzbedarf jedweden Antragstellers ab.

Frage : Herr Schäfer, hat sich denn an der Einschätzung der Bundesregierung zu der Rolle, die Herr Assad in einem künftigen möglicherweise befriedeten Syrien spielen kann, irgendetwas geändert, hat sich an der Prognose, welche Rolle Herr Assad spielen wird, etwas geändert?

Schäfer: Auf welche Prognose spielen Sie an?

Frage : Ich frage erst einmal nach der Position der Bundesregierung, die ja Herrn Assad keine Rolle geben wollte. Sind die Aussichten, dass Herr Assad in einem befriedeten Syrien eine Rolle spielt, nach dem von Russland und Iran mit herbeigeführten Waffenstillstand nicht besser geworden? Das war das, was ich mit "Prognose" meinte.

Schäfer: Es ist ja nicht neu - und nicht beschränkt auf Syrien und auch nicht beschränkt auf die Gegenwart -, dass sich eine Veränderung der militärischen Kraftverhältnisse natürlich auch auf die Veränderungen der politischen Kraftverhältnisse im Rahmen von Friedensverhandlungen auswirkt. Das beste Beispiel dafür in Europa sind sicherlich die Friedensverhandlungen von Münster und Osnabrück am Ende des 30-jährigen Krieges, wo es ja nie einen Waffenstillstand gab, sondern die Verhandlungsparteien miteinander gerungen und verhandelt haben, während - ich glaube, das kann man guten Gewissens sagen - damals der deutsche Bürgerkrieg voll weiter wogte und die Veränderungen der militärischen Verhältnisse unmittelbar Auswirkungen am Verhandlungstisch fanden.

So wird es in Syrien auch sein. Dass mit Hilfe des Iran und mit Hilfe Russlands das Assad-Regime Ost-Aleppo und andere Teile des Nordens von Syrien zurückerobert hat, stärkt das Regime. Ich glaube, das ist ein Faktum, das niemand einfach so hinwegdiskutieren kann. Aber die Argumente, die uns und andere in den letzten Jahren dazu gebracht haben, festzustellen, dass Assad keine dauerhafte Rolle in einer friedlichen Zukunft Syriens haben kann, sind unverändert - außer, dass tagtäglich die Zahl der Toten, die auf das Konto des Assad-Regimes gehen, weiter ansteigt. Vor drei Jahren haben wir vielleicht gesagt: Mit 100 000 Toten, für die das Assad-Regime Verantwortung trägt, kann es keine Zukunft mit Assad in Syrien geben. Jetzt sind wir bei einer Zahl von jenseits von mindestens 300 000 Toten. Das Argument wird also, wenn Sie so wollen, gewissermaßen immer stärker.

Die Verhandlungsposition von großen, wichtigen und auch einflussreichen Rebellen und Oppositionsgruppen ist noch viel härter. Diese sagen, sie können sich eine Zukunft ihres Landes unter Beteiligung ihrer eigenen gesellschaftlichen Gruppen mit Assad nicht vorstellen. Aber der Verhandlungsprozess läuft jetzt wieder an. Jetzt muss man einmal schauen, ob es tatsächlich - anders als in der Vergangenheit - zu konkreten Verhandlungen über das kommt, was im Wiener Prozess gewollt ist, nämlich einen "transitional governing body", also eine Übergangsregierung, und welche Rolle dabei Assad spielen wird. Mir scheint es völlig klar zu sein, dass es ohne eine massive, deutliche Einschränkung der Prärogativen des syrischen Präsidenten sicher dazu keine Zustimmung geben kann.

Ganz sicher wird es auch keine Verhandlungslösung geben, die einem syrischen Präsidenten Assad auf Dauer diese oder eine andere wichtige Rolle in einem friedlichen zukünftigen Syrien einräumt. Aber jetzt bereits zu wissen, was als Ergebnis bei so etwas herauskommen kann, wo wir ja bisher erst einmal nur die Hoffnung haben, dass es überhaupt einmal zu Verhandlungen kommt, können Sie von mir nicht erwarten.

Frage: Ich habe eine ganz profane Frage zum Thema Lang-Lkw an das Bundesverkehrsministerium und das Bundesumweltministerium. Es gab heute Morgen eine Agenturmeldung, dass Umweltstaatssekretär Flasbarth dem BMVI einen Alleingang vorwirft. Eine Lernfrage an das Verkehrsministerium: Ist die Lang-Lkw-Ausnahmeverordnung vorher nicht mit dem Kabinett abgestimmt worden?

Zweite Frage an das Bundesumweltministerium: Kritisiert wurde auch, dass es noch keine ausreichenden Erkenntnisse über die Auswirkungen des Lang-Lkw zum Beispiel auf die Schiene gibt. Ist der Abschlussbericht aus Ihrer Sicht ausreichend oder nicht?

Friedrich: Dann würde ich einmal beginnen. Sie haben es gerade in Ihrer Frage schon angesprochen: Es gab zwei Punkte, die uns zugetragen worden sind. Der eine ist das Thema der Auswirkungen und der andere das Thema der Abstimmung.

Ich würde zunächst auf das Thema der Abstimmung eingehen. Diesbezüglich widersprechen wir der Darstellung von Staatssekretär Flasbarth. Es handelt sich um eine Ministerverordnung des Bundesverkehrsministeriums, und das BMUB wurde in die Entscheidung einbezogen. Das BMUB hat bei den fünf Lang-Lkw-Typen lediglich bei einem Typen Bedenken geäußert, und das war Typ 1. Dabei ging es nicht um die grundsätzliche Zulassung dieses Typs für den Betrieb.

Zum Thema Auswirkungen würde ich auch gerne noch etwas sagen. Die Auswirkungen wurden in einem großen Feldversuch über fünf Jahre untersucht. Die BASt, die Bundesanstalt für Straßenbau, hat das Ganze wissenschaftlich dokumentiert und transparent veröffentlicht. Das kann man auf unserer Homepage auch noch einmal nachlesen, wenn man möchte. Der Bericht kommt eindeutig zu dem Ergebnis, dass die Lang-Lkw zuzulassen sind.

Lang-Lkw können seit dem 01.01. 2017 im streckenbezogenen Regelbetrieb auf Basis des bestehenden Positivnetzes fahren. Die grundsätzliche Teilnahme mit dem Streckennetz liegt in der Entscheidung der Länder. Das heißt, die Länder bestimmen selber, welche Strecken sie für dieses Netz freigeben.

Langenbruch: Dann kann ich für das Umweltministerium sagen, dass Staatssekretär Flasbarth sich heute noch einmal zu dem Thema geäußert hat, weil wir Bedenken haben, dass es zu dieser Verlängerung des Regelbetriebs für Lang-Lkw und zu einer Art Dauerphase, Dauerregelbetrieb für den sogenannten Typ 1 gekommen ist.

Wir waren von der Verordnung überrascht. Wir hatten in Gesprächen auch mit dem Verkehrsministerium darauf gedrängt, dass dieses Thema weiterhin in den Ressorts und auch nicht durch eine Ministerverordnung besprochen wird, also im Alleingang des Ministers, sondern eben durch das Kabinett. Jetzt ist die Verordnung da, und jetzt muss der Minister die Verantwortung für das faktische Geschehen auf den Straßen übernehmen, auch wie die Umweltauswirkungen dieser Lang-Lkw sein werden und auch, wie es europarechtlich um den Lang-Lkw bestellt ist. Vor allen Dingen bei Typ 1 gibt es ganz klare Aussagen im EU-Recht, die besagen, dass er nicht innereuropäisch fahren darf.

Wir hatten während des gesamten Verfahrens dafür geworben, dass die Testphase für alle Lang-Lkw erst einmal verlängert wird, weil wir eben nicht wie das Verkehrsministerium der Ansicht sind, dass schon alle Fragen - Was bedeutet das umweltpolitisch? Wird das auch eine verstärkte Verlagerung auf die Schiene bedeuten? - abschließend geklärt sind.

Friedrich: Hierzu würde ich gerne noch etwas ergänzen. Es ist so, dass der Typ 1, der angesprochen wird - das ist die sogenannte Sattelzugmaschine mit Sattelanhänger bis zu einer Gesamtlänge von 17,8 Meter -, nach wie vor im Testbetrieb ist. Das heißt, der Test läuft in diesem Fall noch sieben Jahre.

Typ 2, von dem hier noch nicht die Rede war, was ich aber gerne noch ergänzen würde, befindet sich in einer Versuchsverlängerung, und zwar um ein weiteres Jahr. Im Regelbetrieb befinden sich jetzt die Typen 3, 4 und 5.

Das Ganze kann man auf der Homepage nachlesen, wo aufgezeigt wird, wie die einzelnen Sattelzugmaschinen aussehen.

Frage: Herr Streiter, können Sie helfen?

SRS Streiter: Nein.

Zusatzfrage: Es scheint ja durchaus ein Dissens zu sein.

SRS Streiter: Ich muss da gar nicht helfen. Es gibt eine Verordnung, und die Verordnung ist in Kraft.

Zusatz: Sie sagen, dass es in Ordnung geht, dass die Verordnung in Kraft ist.

SRS Streiter: Ich muss da nicht helfen.

Zusatz: Als unbeteiligte Zuhörerin hat es sich jetzt gerade so dargestellt, als gäbe es einen Dissens zwischen dem einen Ministerium und dem anderen.

SRS Streiter: Das kann ja schon mal sein. Das ändert aber nichts daran, dass die Verordnung gilt.

Zusatz: Okay.

Frage : Frau Friedrich, die Verordnung beinhaltet, wenn ich das aus Ihrer Pressemitteilung richtig weiß, die Strecken, die von den Ländern angemeldet sind, wo diese entsprechenden verlängerten Sattelauflieger fahren dürfen. Wie viel Kilometer Streckennetz sind das überhaupt? Wo muss ich überhaupt damit rechnen, dass mir so ein Lang-Lkw auf der Straße begegnet? Wer sollte sich ein bisschen in Acht nehmen?

Friedrich: Insgesamt ist es so, dass es ein Streckennetz von fast 11 600 Kilometern in ganz Deutschland gibt. Es sind fast alle Bundesländer dabei. Im Moment sind Berlin, Rheinland-Pfalz und Saarland nicht dabei; Rheinland-Pfalz hat aber schon Interesse angemeldet.

Was das Procedere angeht, ist es so: Unternehmen in den einzelnen Ländern machen den Ländern wiederum Vorschläge, wo sie gerne fahren würden. Die Länder prüfen das Ganze: Ist das möglich? Kann man da überhaupt mit so einem großen Lang-Lkw fahren? Wenn sie zu einem positiven Ergebnis dieser Prüfung kommen, übermitteln sie diese Ergebnisse an das BMVI, und das BMVI entscheidet dann darüber, ob das Streckennetz erweitert wird. Das findet regelmäßig statt. Das heißt, die Länder schicken regelmäßig Informationen beziehungsweise das BMVI prüft regelmäßig, ob das Streckennetz erweitert werden kann.

Frage: Ich habe eine Lernfrage. Herr Streiter, Sie sagen: Die Verordnung gilt. Das habe ich verstanden. Es scheint aber trotzdem Einwände aus dem Bundesumweltministerium zu geben. Wie geht das jetzt weiter? Es gibt die Verordnung, und dann sollen sich die beiden Ministerien einigen? Wie läuft das jetzt?

SRS Streiter: Das nennt man Demokratie. Man ringt um den richtigen Weg.

Zusatz: Demokratie heißt auch abstimmen. Man kann auch im Kabinett darüber abstimmen lassen.

SRS Streiter: Ja, aber Demokratie heißt auch, dass nicht immer alle einverstanden sind.

Frage : Herr Westhoff, vielleicht können Sie ein bisschen das aufschlüsseln, was wir heute in der "Süddeutschen Zeitung" zum Thema Mindestlohn und Ausnahmen für Flüchtlinge lesen durften. Um was handelt sich dabei tatsächlich genau? Wer soll von was und unter welchen Voraussetzungen ausgenommen werden?

Westhoff: Es geht nicht um Ausnahmen; es geht auch nicht um Abweichungen. Da ist die Formulierung, zumindest gesagt, unglücklich, die die "Süddeutsche Zeitung" gewählt hat. Es geht einfach darum, zu schauen: Das Mindestlohngesetz ist vor zwei Jahren in Kraft getreten, und seitdem hat sich einiges getan. Es sind ganz neue Gruppen in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Das wird noch eine Riesenherausforderung sein.

Es geht hier einzig und allein um die Fälle, die nach Deutschland kommen und eine in den Herkunftsländern wie auch immer geartete erworbene Berufsausbildung mitbringen. Die wird dann in Deutschland anerkannt; das ist so. Um hier als Tischler oder als Krankenschwester arbeiten zu können, muss man bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Es ist auch gar nicht ungewöhnlich oder eine Überraschung, dass zum Teil insbesondere praktische Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten - nicht nur; da geht es auch Sprachkenntnisse - für diese Anerkennung des ausländischen Berufsabschlusses fehlen können.

Nur und einzig und allein für diese Fälle geht es darum, zu schauen: Wenn diese Zuwanderer in deutschen Betrieben noch einmal Praxiserfahrungen sammeln, um einen Abschluss anerkannt zu bekommen, was ist dann davon mindestlohnfrei zu stellen und was davon hat schon eher den Charakter einer Beschäftigung und ist nicht mindestlohnfrei. Es geht einzig und allein darum. Es geht also um eine Gleichbehandlung von in Deutschland schon lange lebenden Migranten oder mit in Deutschland in Ausbildung befindlichen Menschen, die einfach unter anderem bestimmte praktische Fertigkeiten erlernen müssen - das ist ja das duale Ausbildungssystem in Deutschland -, um dann einen ordentlichen Ausbildungsabschluss zu bekommen und damit berufsqualifiziert in den Arbeitsmarkt starten zu können.

Es war nie umstritten - auch nicht bei den Gewerkschaften -, ob Ausbildungsgänge, Ausbildungen reguliert sind oder nicht, also ob das sozusagen von Kammern verwaltete Ausbildungsgänge sind oder nicht. Dass diese mindestlohnfrei sind, stand nie zur Diskussion. Es war immer klar, dass das mindestlohnfrei ist, weil das Lernen und das Fähig-Machen für ein Beschäftigtsein in der Zukunft im Vordergrund stehen. Darum geht es hier auch bei den Menschen, die zu uns kommen, dass sie bestmöglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren sind. Das geht nur mit bestimmten Fertigkeiten. Wenn dabei noch zur Anerkennung eines Abschlusses und damit faktisch zur Erlangung eines nach deutschem Recht gültigen Berufsabschlusses etwas fehlt, dann ist das im Zweifel mindestlohnfrei zu stellen. Und es geht um Abgrenzungsfragen, die zu beantworten sind. Darüber macht sich die Bundesregierung im Moment naturgemäß Gedanken.

Zusatzfrage : Sie sagen, die Bundesregierung macht sich darüber naturgemäß Gedanken. Wo ziehen Sie denn bislang die Abgrenzung, wenn Sie denn schon so weit sind? Oder wie lange dauert es, bis Sie das genau formulieren können?

Westhoff: Es ist wie überall im Rechtswesen. Es gibt das Mindestlohngesetz. Das kann notwendigerweise nicht in alle kleinen Verästelungen und individuellen Belange und Dimensionen hineinreichen. Es ist ein relativ neues Phänomen, das in großer Zahl Menschen mit sehr unterschiedlichen beruflichen Hintergründen, Fertigkeiten und Abschlüssen zu uns kommen. Im Moment wird das auch schon entschieden, aber es werden in Zukunft immer mehr Menschen nach Abschluss ihres Asylverfahrens in Deutschland dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und sie werden zu integrieren sein. Insofern ist das etwas Präventives, was für die Zukunft ganz maßgeblich sein soll.

Es geht einfach darum, alle, die damit befasst sind - die Bundesagentur, der Zoll, der den Mindestlohn kontrolliert, die Kammern, also die Handwerkskammer, die Industrie und Handelskammern, die entscheiden müssen, ob das eine lernende Beschäftigung ist, die mindestlohnfrei zu stellen ist - , in die Lage zu versetzen, entlang möglichst klarer Richtlinien zu entscheiden: "Ich bin rechtlich auf der sicheren Seite, wenn ich den Mindestlohn nicht gewähre" oder umgekehrt "Ich muss ihn gewähren, weil es eine mindestlohnpflichtige Beschäftigung ist".

Zuruf : Ab wann?

Westhoff: Ab wann das so sein soll? Na ja, das ist ein Diskussionspapier. Das soll so schnell wie möglich passieren. Ich kann hier heute kein Datum nennen. Es geht dann um Richtlinien. Es wird auch keine Rechtsänderung geben.

Das möchte ich noch einmal betonen: Es geht nicht um eine Änderung des Mindestlohngesetzes. Es geht nur um eine Klarstellung dahin gehend, wie das Mindestlohngesetz auf potenziell neue Tatbestände und die Lebenswirklichkeit, die in diesem Bereich eben bunt und schillernd ist, anzuwenden ist.

Frage : Herr Westhoff, hat das Ministerium mal geschätzt, wie viele Leute jährlich so ein Praktikum machen oder in den nächsten Jahren machen dürften?

Westhoff: Nein. Ich kann Ihnen da keine spitze Zahl nennen. Es ist klar, wie viele Menschen nach Deutschland gekommen sind. Es ist noch nicht klar, wie viele von ihnen dauerhaft hierbleiben werden. Es ist ja keine Überraschung, dass eine große Dynamik in dem System ist. Wie viele von ihnen alleine von den Sprachkenntnissen überhaupt in der Lage sind, in Betrieben praktische Erfahrungen zu sammeln, ab wann das der Fall sein wird, wie lange das jeweils dauert, liegt alles noch im sehr Ungefähren.

Es geht hier darum, dass die Menschen, die vor Ort in den Betrieben, in den Handwerkskammern, in den Agenturen für Arbeit für eine rechtskonforme Praxis Verantwortung tragen, ermessen können, ob ihr Handeln mit dem Gesetz übereinstimmt.

Ich kann Ihnen jetzt keine Zahl von Menschen nennen, für die das in einer bestimmten Frist gilt. Ich weiß nicht genau, ob das Bildungsministerium andere Aufschlüsse hat, aber es geht immer darum zu ermessen: Wer kommt in Deutschland auf den Arbeitsmarkt? Was bringen sie an Berufsabschlüssen mit? Was fehlt noch, um die Abschlüsse, die sie mitbringen, in Deutschland als Berufsabschlüsse anerkennen zu können? Ich glaube, da sind wir im Moment allgemein noch in einer Phase, in der man keine spitzen Zahlen für bestimmte Fristen nennen kann. Das geht schlechterdings nicht.

Zusatzfrage : Gibt es denn eine solche Statistik für die Vergangenheit? Müssen die Leute das irgendwie melden, wenn sie so ein Praktikum machen? Haben Sie diese Zahl für 2016?

Westhoff: Nein. Ich habe dazu keine Zahlen. Wir führen dazu keine Statistiken. Wenn es Zahlen für die Vergangenheit gibt, werden sie so gut wie keinen Aufschluss darüber geben, was in Zukunft an dieser Stelle an Zahlen zu erwarten ist. Wir reden jetzt über eine Entwicklung und über einen Gegenstand, der überhaupt erst in den nächsten Jahren akut werden wird.

Es hat sicherlich immer Fälle gegeben, in denen Menschen nach Deutschland gekommen sind, in der Vergangenheit auch, von denen zur Anerkennung von Berufsabschlüssen praktische Erfahrungen gesammelt werden mussten. Andererseits gibt es das Mindestlohngesetz erst seit zwei Jahren. Insofern stellt sich diese Frage erst seit einer gewissen Zeit.

Noch einmal: Ich glaube, wir tun hier etwas für die Zukunft. In der Gesetzgebung und in der Rechtsprechung ist es immer so, dass man die Gesetzgebung und die Rechtsprechung daraufhin überprüft: Wie ist sie anwendbar? Gibt es neue - ich sage es mal rein technisch - Tatbestände? Gibt es neue Entwicklungen, die dafür sorgen, dass man nachsteuert, und zwar nicht gesetzestechnisch nachsteuert, indem man das Gesetz ändert - das ist eine andere Dimension; darum geht es hier in der Tat explizit nicht -, sondern indem Handlungsanweisungen, Interpretationshilfen und dergleichen gegeben werden, mehr nicht.

Frage : Herr Dimroth, die "Bild"-Zeitung meldet heute, dass die österreichischen Behörden die deutschen Behörden davor gewarnt hätten, dass vier mutmaßliche Attentäter aus Mossul eingereist seien, die einen Anschlag planten. Ihnen ist dieser Hinweis sicher bekannt. Gibt es daraus Konsequenzen? Ist man dem nachgegangen? Hat man entsprechende Erkenntnisse in Deutschland?

Dimroth: Es wird Sie nicht wundern, dass ich zu konkreten Einzelsachverhalten - gleich, welcher Natur -, wenn sie das Maß an Sensibilität aufweisen wie ein von Ihnen gerade konstruierter Fall, mich hier nicht verhalten kann.

Ganz grundsätzlich gilt - das hat der Minister auch in einem Interview zum Silvestertag noch mal verdeutlicht -, dass die Gefährdungslage anhaltend hoch ist. So bitter wie das ist: Sie war anhaltend hoch vor den Ereignissen am Breitscheidplatz und ist es eben auch heute noch.

Richtig ist auch, dass die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden insbesondere europäischer Partner sehr gut ist, wir hier sehr eng und vertrauensvoll versuchen, dieser Bedrohung gemeinsam Herr zu werden. In vielerlei Hinsicht gelingt das, ist hier auch viel geschehen, gerade auf europäischer Ebene.

Der Informationsaustausch ist ein ganz zentrales Thema bei dem angemessenen Umgang mit dieser Gefährdungslage. Auch das haben wir immer wieder betont. Dieser Befund macht auch nicht an den europäischen Grenzen halt, sondern der Informationsaustausch insgesamt, auch mit internationalen Partnern, ist hier ein ganz wesentlicher Baustein. Das gilt, wie gesagt, auch mit Stand heute. Das gilt für alles, was ich gesagt habe, genauso wie es Ende des letzten Jahres gegolten hat.

Wie gesagt, zu konkreten Sachverhalten, die möglicherweise einer gewissen Einstufung unterliegen, weil sie eine hinreichende Sensibilität aufweisen, kann ich hier nichts sagen.

Zusatzfrage : Hat die Zahl solcher Hinweise in den letzten zwei Wochen seit dem Anschlag vom Breitscheidplatz zugenommen? Dies ist nach Anschlägen ja üblich. Können Sie dazu etwas sagen?

Dimroth: Ich kann Ihnen jedenfalls keine Zahl nennen. Tatsächlich ist allgemein zu beobachten - so auch diesmal -, dass das Informationsaufkommen, das die Sicherheitsbehörden erreicht - das muss nicht nur den Bereich umfassen, bei dem andere Partnerbehörden Informationen weitergeben, sondern ganz allgemein das Informationsaufkommen, insbesondere auch aus den Szenen selbst heraus -, deutlich größer ist, als es außerhalb solcher konkreten Anschlagsszenarien der Fall ist. Das ist so, und das war auch diesmal so.

Das allgemeine Informationsaufkommen ist nach solchen Anschlägen immer höher als außerhalb solcher Zusammenhänge.

Frage : Ich habe eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Es gibt Forderungen aus den Kommunen, zugesagte Entlastungen von 5 Milliarden, die für 2018 verabredet sind, ein Jahr vorzuziehen, weil es dem Bund finanziell so gut geht. Ist das Bundesfinanzministerium bereit, zumindest darüber zu reden? Sind solche Bitten an das Finanzministerium herangetragen worden?

Chaudhuri: Wir haben klare Absprachen, wie sich der Bund an den finanziellen Belastungen von Ländern und Kommunen beteiligt. Aus unserer Sicht ist im Moment daran nichts zu ändern.

Montag, 2. Januar 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 2. Januar 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/01/2017-01-02-regpk.html;jsessionid=E13AC7B7558560AC0AF0C2427A90F424.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2017

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