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PRESSEKONFERENZ/1480: Regierungspressekonferenz vom 16. Juni 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 16. Juni 2017
Regierungspressekonferenz vom 16. Juni 2017

Themen: Beschluss des US-Senats über eine Ausweitung der US-amerikanischen Sanktionen gegen Russland und den Iran, Finanzhilfen für Griechenland, Termine der Bundeskanzlerin (Deutscher Verbrauchertag, Besuch des rumänischen Staatspräsidenten, C20-Dialogforum, Tag der Deutschen Industrie, Deutscher Kommunalkongress, Kabinettssitzung, Konferenz des "German Marshall Fund of the United States", Empfang der Preisträgerinnen und Preisträger des Bundeswettbewerbs "Jugend forscht", Besuch des finnischen Ministerpräsidenten, Tag der Immobilienwirtschaft, Europäischer Rat), Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, von einem Diplomaten in Berlin verursachter Fahrradunfall mit Todesfolge, Antrag von Air Berlin auf Landesbürgschaften, in Köln geplanter Friedensmarsch gegen islamistischen Terror, in der Türkei inhaftierte Deutsche, Ehe für alle, Medienberichte über die angebliche Tötung des Anführers der Terrormiliz Da'esh

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Jornitz (BMWi), Klebb (BMVg)


Vorsitzende Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich wüsste gern, ob die Bundesregierung die scharfe Kritik des Außenministers Gabriel an dem Beschluss des US-Senats betreffs der Russlandsanktionen teilt, von denen offenbar auch die deutsche Wirtschaft betroffen wäre. Ich hätte insbesondere gern eine Einschätzung, ob dieser Senatsbeschluss völkerrechtswidrig wäre.

StS Seibert: Ich kann Ihnen sagen, dass es eine große inhaltliche Übereinstimmung zwischen der Haltung der Bundeskanzlerin und der Stellungnahme des Außenministers und des österreichischen Bundeskanzlers gibt. Die Bundeskanzlerin teilt die Sorgen, die in diesem Text zum Ausdruck gebracht werden. Die Entscheidung des US-Senats wirft bei ihr genau die gleichen Fragen auf, die Herr Kern und Herr Gabriel thematisieren.

Es ist, vorsichtig gesagt, ein eigenwilliges Vorgehen des US-Senats. Es ist befremdlich, dass da, wo es um die Sanktionierung russischen Verhaltens geht - beispielsweise im Zusammenhang mit der US-Wahl -, auch die europäische Wirtschaft ein Ziel der amerikanischen Sanktionen sein soll. Das darf nicht sein. Solche Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung, also in Drittstaaten, lehnen wir aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Die Bundeskanzlerin ist ebenso wie die Autoren dieses Textes der Überzeugung, dass wirtschaftliche Interessen und Sanktionsfragen nicht miteinander zu vermischen sind.

Zusatzfrage: Haben Sie eine Einschätzung, ob das völkerrechtswidrig wäre?

Schäfer: Ich habe die vielleicht 15 eng beschriebenen Seiten des Votums des US-Senats dabei. Das ist gesetzlich und rechtlich höchst kompliziert, weil das alles Veränderungen von bereits bestehenden Gesetzen zur Sanktionsgesetzgebung sind - im Übrigen nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen den Iran und, so meine ich, auch noch gegen andere Staaten. Die Rechtstechnik ist, ohne dass wir das hier zu kommentieren hätten, schon ungewöhnlich. Deshalb ist das alles gar nicht so einfach zu verstehen.

Extraterritoriale Anwendung amerikanischer Gesetze bedeutet, dass die Amerikaner für sich in Anspruch nehmen, dass Dritte - in diesem Falle deutsche, österreichische oder andere europäische Unternehmen - mit amerikanischen Sanktionen belegt werden können, wenn sie ein Verhalten an den Tag legen, das aus amerikanischer Sicht sanktionswürdig wäre. Es ist nicht das erste Mal, dass die Amerikaner so etwas tun. Ich will nicht sagen, dass sich das wie ein roter Faden durch die Sanktionsgesetzgebung der Vereinigten Staaten zieht, aber jedenfalls ist es in den vergangenen Generationen schon häufiger vorgekommen.

Der Fall, der diesem hier am meisten ähnelt, ist etwas, woran sich die Älteren unter Ihnen vielleicht erinnern. Das war damals ein hochgradig politisch aufgeheiztes Thema, nämlich der Versuch der Reagan-Administration, wenn ich mich richtig erinnere, in den 80er-Jahren, das sogenannte Erdgasröhrengeschäft, also den Bau von Gaspipelines aus der damaligen Sowjetunion bis nach Europa, bis nach Deutschland, mit Sanktionen zu belegen und auf diese Art und Weise zu behindern. Die damalige Bundesregierung, nach meiner Erinnerung unter Bundeskanzler Helmut Kohl, hat sich vehement dagegen gewehrt mit der auch aus heutiger Sicht noch zutreffenden Begründung, dass es nicht nur völkerrechtswidrig ist, auf diese Art und Weise nationale Gesetzgebung auf Dritte anzuwenden, sondern dass es auch politisch inopportun ist. Das Argument war damals das gleiche wie heute: Ihr, liebe Amerikaner, müsst es schon uns überlassen, wie wir unsere Energieversorgung in Deutschland und Europa regeln. Das ist nicht euer Bier, sondern das ist unsere Angelegenheit.

Die Auszüge aus dem Gesetzentwurf des Senates, der ja noch durch das Abgeordnetenhaus abgesegnet werden muss und dem noch die Unterschrift des amerikanischen Präsidenten fehlt, sind sehr eindeutig. Wenn Sie wollen, kann ich das hier gern vortragen. Ich überlasse es Ihnen, Frau Vorsitzende, ob Sie das wollen und ob wir dafür die Zeit haben.

Ganz grundsätzlich zu Ihrer Frage: Ja, wenn dieses Gesetz so in Kraft tritt, wie es vom Senat verabschiedet worden ist, und wenn der amerikanische Präsident die Ermächtigung nutzt, die dieses Gesetz vorsieht, nämlich auch deutsche und europäische Unternehmen mit Sanktionen zu belegen, die in irgendeiner Form mit dem Bau, der Finanzierung oder dem Betrieb von Pipelinesystemen in die Europäische Union befasst sind, dann halten wir das für völkerrechtswidrig. So ist es.

Vorsitzende Wefers: Vielleicht können Sie einen Quellenhinweis geben, wo das zu finden ist. Das wäre für die Kollegen hilfreich.

Schäfer: Dieses Gesetz ist wie in jedem demokratischen Rechtsstaat üblich mit Verabschiedung ganz bestimmt im Internet auf der Seite des US-Senats zu finden. Die entscheidenden Passagen finden sich in der "Section 257" unter der Überschrift "Ukrainian Energy Security". In den Punkten 9 und 10 sagen die Amerikaner in geradezu hemdsärmeliger Offenheit, dass die amerikanische Regierung den Export von amerikanischen Energieressourcen priorisieren sollte, damit amerikanische Jobs, amerikanische Arbeitsplätze gesichert werden. Das steht in einem unmittelbaren textlichen Zusammenhang mit genau diesen Sanktionsvorschriften, über die wir gerade sprechen.

Frage: Herr Seibert, deutet es, wenn Sie von einer großen Übereinstimmung mit dem Text sprechen, darauf hin, dass es keine völlige Übereinstimmung ist und dass es Differenzen gibt? Liegen Sie in der Tonalität oder im Inhalt?

Herr Schäfer, der Minister war in den vergangenen Monaten mehrfach in Washington und hat sich auch mit Vertretern im Kongress getroffen. Haben sich dieser Streitpunkt und auch die Eskalation angedeutet? Ich vermute, insofern sind Vorbereitungen gescheitert, um diesen Streit nicht eskalieren zu lassen. Was meint der Minister mit dem letzten Satz: "Noch ist Zeit und Gelegenheit, das zu verhindern"?

StS Seibert: Große inhaltliche Übereinstimmung bedeutet große inhaltliche Übereinstimmung. Jeder schreibt einen Text so, wie er ihn schreibt. Aber es gibt eine ganz große inhaltliche Übereinstimmung in den Sorgen, die dieser Text zum Ausdruck bringt, in den Problemen, die er sehr klar anspricht, auch in den Überzeugungen, die darin sehr klar angesprochen werden.

Schäfer: Zunächst würde ich gern noch ergänzen - das ist keine direkte Antwort auf Ihre Frage -, dass nicht nur das Erdgasröhrengeschäft in den 80er-Jahren Anwendung von aus unserer Sicht völkerrechtswidriger extraterritorialer Sanktionsgesetzgebung war. Auch im Zusammenhang mit dem Umgang mit dem iranischen Atomprogramm hat es Sanktionen der amerikanischen Seite gegeben, die aus unserer Sicht extraterritorial und deshalb völkerrechtlich mindestens zweifelhaft gewesen sind. Das war immer ein Gesprächspunkt zwischen der Europäischen Union, und zwar ausdrücklich der Europäischen Union, unseren britischen und französischen Partnern in den E3 mit den Amerikanern. Ich selber war mehrfach dabei, als mit John Kerry, dem amerikanischen Außenminister, darüber gesprochen wurde, dass uns das eine Einigung im Iran-Atomdeal nur schwerer machen würde.

Ja, noch ist Zeit, einzulenken. Vielleicht nur so viel: Dieser Beschluss des amerikanischen Senates fügt sich in eine unheimlich aufgeheizte innenpolitische Debatte in den Vereinigten Staaten, in Washington, um tatsächliche oder vermeintliche Beziehungen der jetzigen US-Administration oder ihrer Vorgänger im Wahlkampf mit der Russischen Föderation ein. Diejenigen, die diesen Sanktionsbeschluss im Senat forciert haben, sind nicht notwendigerweise solche, die sich in dieser innenpolitisch aufgeheizten Situation auf der Seite des amerikanischen Präsidenten befinden. Wir wissen aus öffentlichen Äußerungen, aber auch aus Gesprächen, die wir natürlich mit der amerikanischen Administration und dem State Department geführt haben, dass man auch in der amerikanischen Regierung nicht sonderlich glücklich über diesen Beschluss des amerikanischen Senates ist. Der amerikanische Außenminister selber hat schon einige Kritik daran geäußert.

Da, wie in einem Zweikammersystem üblich, wie auch in Deutschland beide Kammern identischen Texten zustimmen müssen, ist es noch möglich, dass bei den Beratungen im Abgeordnetenhaus und dann auch unter Beteiligung der amerikanischen Regierung und des State Departments - das wünschen und hoffen wir auch - Änderungen an diesen Beschlüssen gefunden werden können. Deshalb haben der österreichische Bundeskanzler und der deutsche Außenminister gestern gesagt, dass noch Zeit ist, einzulenken, also zum Beispiel von dieser Art der Sanktionen extraterritorialer Natur gegen deutsche und europäische Unternehmen Abstand zu nehmen.

Im Übrigen ist es ja so: Bisher haben wir es geschafft, über drei Jahre lang - dreieinhalb Jahre lang - Seite an Seite mit unseren amerikanischen Partnern zu stehen bei dem Versuch, Druck auf Russland auszuüben - auch mit Wirtschaftssanktionen -, um Russland bei dem aus unserer Sicht nicht korrekten, unangemessenen und auch völkerrechtswidrigen Verhalten auf der Krim und im Osten der Ukraine zum Einlenken zu bringen. Wir sind umso stärker, je geschlossener wir agieren. Dass wir jetzt Situation haben, in der es ganz offensichtlich nicht darum geht, Russland zum Einlenken im Ukraine-Konflikt zu bringen, sondern eigene wirtschaftliche Interessen zu promovieren, ist neu und ist für uns Anlass zu der durchaus heftigen Kritik, die der deutsche Außenminister und der österreichische Bundeskanzler gestern zum Ausdruck gebracht haben.

StS Seibert: Ich möchte nur kurz hinzufügen: Es ist sehr gut, dass Herr Schäfer gerade diesen letzten Punkt noch einmal gemacht hat; denn genau darauf bezieht sich eben auch die große inhaltliche Übereinstimmung der Bundeskanzlerin mit diesem Text. Dieses geschlossene und entschlossene, partnerschaftlich miteinander abgestimmte Verhalten Europas und der USA, der transatlantischen Partner, auf die Annexion der Krim, auf die Eskalation in der Ostukraine, die durch Russland gefördert wurde, ist von großem Wert. Das war in den letzten drei Jahren wichtig und das bleibt wichtig. Das ist ein wichtiger Teil auch dieses Textes.

Frage: Herr Seibert, die "Süddeutsche Zeitung" schreibt heute in dieser Causa:

"Regierungssprecher Steffen Seibert äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht dazu, ob Gabriel seine Erklärung auch mit Kanzlerin Angela Merkel abgestimmt habe."

Insofern würde mich schon noch einmal interessieren: War diese Erklärung von Gabriel im Kern nun mit der Bundeskanzlerin abgestimmt oder nicht?

Zweitens. Sie sprechen immer noch von großen inhaltlichen Übereinstimmungen. Ist es quasi so, dass die Kanzlerin inhaltlich den Punkt von Gabriel teilt und nur semantisch Differenzen bestehen, oder wie haben wir das zu verstehen?

StS Seibert: Der Text war nicht abgestimmt, aber wie ich mich jetzt seit 15 Minuten redlich bemühe, Ihnen klar zu machen, gibt es eine große inhaltliche Übereinstimmung. Wenn sie das "groß" nun noch auseinandernehmen wollen, kann ich das auch nicht ändern - vielleicht hätte ich auch nur sagen müssen "Es gibt eine inhaltliche Übereinstimmung". Wir sprechen hier doch über die gleichen Punkte mit der gleichen Vehemenz und der gleichen Besorgtheit. Das ist das, was ich ausdrücken wollte.

Zusatzfrage: Wenn wir also schreiben "Die Bundesregierung teilt die Kritik von Außenminister Gabriel", dann liegen wir richtig?

StS Seibert: Das werde ich nicht dementieren.

Schäfer: Vielleicht darf ich, um Ihnen zu erläutern, wie das gelaufen ist und wie es auch laufen soll - weil es geradezu idealtypisch ist -, noch sagen: Unsere Botschaft in Washington verfolgt natürlich Dinge, die im deutschen Interesse sind, in Washington, im Senat, im Abgeordnetenhaus, in der amerikanischen Regierung, außerordentlich nah und intensiv. Bereits wenige Stunden nach der Verabschiedung dieses Gesetzestextes - im Übrigen auch schon zuvor, aber jedenfalls auch wenige Stunden nach Verabschiedung des Gesetzestextes - haben unsere Kollegen in Washington an die Bundesregierung gekabelt - natürlich auch an das Bundeskanzleramt. Es hat dann sehr zügig einen Austausch auf hoher Beamtenebene zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundeskanzleramt gegeben. Uns war es wichtig, schnell zu reagieren, weil wir bei solchen Dingen, die deutschen Interessen eben diametral widersprechen, auf den dafür vorgesehenen diplomatischen Kanälen, aber eben auch öffentlich deutlich machen müssen und deutlich machen wollen, was wir glauben, was nicht okay ist. Das ist uns, glaube ich, mit den Äußerungen des deutschen Außenministers zusammen mit dem österreichischen Bundeskanzler gelungen. Auch einige angelsächsische Medien haben das sehr prominent aufgegriffen.

Insofern haben wir, wenn Sie so wollen, zwei Kommunikationsröhren: die öffentlichen Äußerungen aus der deutschen Bundesregierung, so wie Sie sie kennen, aber natürlich auch das direkte Gespräch mit der Administration und dann hoffentlich auch, sicherlich auch mit denjenigen im Abgeordnetenhaus und im Senat, die für diese Entscheidungen dann verantwortlich sein werden.

Frage: Ich habe zwei Fragen an Herrn Seibert und Herrn Schäfer.

Erstens. Die mögliche Sanktionierung von Unternehmen, die an Gasleitungen mitarbeiten, ist eigentlich ein ziemlich kleiner Teil des Gesetzentwurfs. Wären Sie zufrieden mit dem Gesetz, wenn dieser Teil gestrichen wäre?

Zweitens. Außenminister Tillerson hat sich diese Woche auch dazu geäußert, dass er sich eine Lösung der Ukraine-Krise auch außerhalb des Minsk-Prozesses vorstellen könnte. Können Sie sich so eine Lösung vorstellen?

StS Seibert: Ich will grundsätzlich sagen, dass es nicht die Aufgabe der Sprecher der Bundesregierung ist, amerikanische Gesetzesvorhaben oder Beschlüsse des Senats zu beurteilen - außer da, wo sie konkret auch deutsche Interessen betreffen und deutschen Überzeugungen entgegenstehen. Diesen Punkt haben wir hier klar gemacht.

Schäfer: Vielleicht würde ich nur ergänzen: Wir haben eine neue Situation. Herr Seibert hat es gerade gesagt, ich habe es auch gesagt: Dreieinhalb Jahre lang haben wir über den Atlantik hinweg wirklich an einem Strang gezogen. Wir haben immer dafür gesorgt, dass es eine europäische geschlossene Haltung gab, die dann auch mit unseren amerikanischen Partnern abgestimmt war und zu parallel laufenden Schritten führte. Mit diesem Gesetzentwurf sind wir in einer anderen Situation, einfach weil das Motiv für die in diesem Beschluss zu verhängenden Russland-Sanktionen eben nicht mehr nur die Annexion der Krim oder das Verhalten Russlands im Osten der Ukraine ist, sondern die vermeintlichen oder tatsächlichen Einflussnahmen, die aus Russland auf den amerikanischen Präsidentschaftswahlprozess erfolgt wären. Das findet sich ja auch ausdrücklich in der Motivation dieses Gesetzes. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass es aus dem Senat keine enge Abstimmung mit uns gegeben hat, so wie es das in der Vergangenheit immer gegeben hatte bei den Sanktionen, die eine Reaktion darauf sein sollten, wie sich Russland im Osten der Ukraine und auf der Krim verhalten hat. Damit müssen wir jetzt umgehen und das müssen wir zur Kenntnis nehmen, genauso wie Herr Seibert das gesagt hat. Das ist - ich hatte es angedeutet - natürlich auch Teil eines sehr heftig ausgetragenen innenpolitischen Spiels in Washington.

Zu Ihrer zweiten Frage: Ich glaube, die steht damit im Zusammenhang. Es gibt für das politische Washington jetzt neue Dinge, die im Raum stehen, die dann womöglich tatsächlich zu einem verabschiedeten Gesetz mit neuen Russland-Sanktionen führen. Das nehmen wir zur Kenntnis, und dazu würden wir uns nur sehr vorsichtig äußern.

Zusatzfrage: Und zu Minsk?

Schäfer: Ich sagte es ja bereits: Wir haben eine neue Situation, in der Sanktionen in Rede stehen, die eben nicht nur mit Minsk im Zusammenhang stehen, sondern mit dem direkten Verhältnis zwischen Moskau und Washington im Zusammenhang mit vermeintlichen oder tatsächlichen Cyberattacken auf den amerikanischen Wahlprozess. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Das macht die Sache nicht einfacher, weil es sozusagen multidimensionaler wird. Aber natürlich haben wir ein Interesse daran - und das werden wir auch machen; im Übrigen ist das Teil der gestrigen Erklärung des deutschen Außenministers -, dass wir alles tun wollen, um gemeinsam mit unseren Partnern in den Vereinigten Staaten von Amerika einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Krise und der Konflikt im Osten der Ukraine überwunden werden kann. Dazu bekennt sich die amerikanische Administration, dazu bekennt sich der amerikanische Außenminister, und dazu bekennen wir uns auch.

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat ja im Mai Gespräche mit dem neuen französischen Präsidenten Macron geführt, sie hat Gespräche mit Präsident Putin in Sotschi geführt, und beide Male hat man sich ganz klar darauf verständigt, das bewährte Normandie-Verhandlungsformat auf der Basis der Minsker Beschlüsse beizubehalten und weiterzuentwickeln.

Frage: Herr Seibert, können Sie mir noch einmal erläutern, wieso sich die Kanzlerin nicht selbst an die Spitze der Protestbewegung in Deutschland gestellt hat, sondern das bloß ihren Außenminister hat machen lassen?

StS Seibert: Die Kanzlerin äußert sich durch mich, wie es ja nicht unüblich ist, in dieser Regierungspressekonferenz - und zwar ganz im Sinne dessen, was der gestrige Text ist.

Zusatzfrage: Aber die Kanzlerin äußert sich, wenn es ihr wichtig ist, schon auch vor Ihnen und direkt. Was hat sie also dazu veranlasst, sich nicht persönlich öffentlich festzulegen, sondern das ihren SPD-Vizekanzler machen zu lassen? In Österreich hat ja auch ein Kanzler geantwortet.

StS Seibert: Ich kann hier nicht für Österreich sprechen. Ich habe hier, wie es bei uns nicht unüblich ist, sehr klar für die Bundeskanzlerin die Überzeugungen ausgedrückt.

Frage: Herr Seibert und Frau Tiesenhausen, ist die Bundesregierung zufrieden mit dem gestrigen Kompromiss in der Eurogruppe in Sachen Griechenland?

StS Seibert: Ich werde es sehr allgemein machen: Verständlicherweise begrüßt die Bundesregierung die gestrige Äußerung der Eurogruppe. Damit kann nun diese zweite Programmüberprüfung erfolgreich abgeschlossen werden. Sobald die nationalen Verfahren abgeschlossen sind, kann die nächste Tranche in Höhe von 8,5 Milliarden Euro durch den ESM ausgezahlt werden. In Deutschland wird dafür der Deutsche Bundestag entsprechend den Vorgaben des ESM-Finanzierungsgesetzes beteiligt. Wir begrüßen, dass diese Einigung nun dazu beitragen kann, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in Griechenland zu stärken und dabei zu helfen - wie es ja auch der Finanzminister gestern in mehreren Interviews klar ausgedrückt hat -, dass Griechenland künftig wieder auf eigenen Füßen stehen kann.

Zusatzfrage: Herr Seibert, hat Frau Merkel am Mittwoch oder Donnerstag mit Herrn Tsipras telefoniert? Herr Schäuble hat gesagt, Herr Tsipras telefoniere sehr oft mit Frau Merkel. Ist das in einem negativen Sinne zu verstehen?

Frau Tiesenhausen, Herr Schäuble hat gestern in der Eurogruppe gesagt, dass es vor drei Wochen einen Kompromiss gab, dass Griechenland aber aus Kommunikationsgründen noch Zeit brauche. Ist das wahr? Gab es vor drei Wochen einen Kompromiss?

StS Seibert: In der Tat gibt es immer wieder telefonische Kontakte, auch zwischen der Bundeskanzlerin und dem griechischen Ministerpräsidenten - sicherlich nicht am Donnerstag; ich glaube, Anfang dieser Woche. Ich könnte es Ihnen jetzt nicht genau sagen.

von Tiesenhausen-Cave: Es ist ja allgemein berichtet worden, dass die Eurogruppe, die sich auch schon im Mai mit dem möglichen Abschluss der zweiten Programmüberprüfung befasst hat, nicht formal zu einem Abschluss kommen konnte. Das ist ja auch in den abschließenden Pressekonferenzen sehr deutlich geworden. Insofern gibt es einen formalen Abschluss erst dann, wenn - wie es gestern erfolgte - alle zustimmen und es ein Eurogruppen-Statement gibt. Es war natürlich schon so - das ist aber auch nichts Neues - , dass bereits in der Mai-Sitzung deutliche Fortschritte erzielt wurden. Wir waren dann aber nicht in der Lage, mit allen Beteiligten abzuschließen. Das ist zum Glück gestern gelungen. Insofern hat die Mai-Sitzung Fortschritte gebracht, und die endgültige Einigung ist dann gestern Abend erfolgt.

Frage: In welcher Form wird der Bundestag in dieser Frage des Griechenland-Beschlusses beteiligt? Beschränkt sich das auf den Haushaltsauschuss, oder wird auch das Plenum des Bundestages selbst daran beteiligt? Denn Abgeordnete beider Regierungsparteien haben sich heute Morgen dazu geäußert und sind der Meinung, dass der gestrige Beschluss nicht vom Bundestagsmandat abgedeckt ist. Wenn das nicht abgedeckt ist, dann kommt das ja nicht nur in den Haushaltsausschuss, sondern dann muss sich auch das Plenum damit befassen.

von Tiesenhausen-Cave: Ich kann Ihnen ja gerne einmal die Abläufe beschreiben: Es ist so, dass zur Stunde gerade die Abgeordneten der drei beteiligten Ausschüsse - Haushalt, Finanzen und Europa - über die Ergebnisse von gestern Abend informiert werden. Wie es das Bundestagsbeteiligungsgesetz beim ESM vorsieht, ist es erst einmal Sache des Haushaltsausschusses, jetzt zu bewerten, wie das Ergebnis eingeordnet wird. Sie haben dann ja schon selber gesagt - ich glaube, Sie kennen die Abläufe auch -, dass, wenn das so gesehen werden würde, eventuell auch eine Befassung des Plenums infrage kommt. Das sind aber die Abläufe, die wir jedes Mal haben und die auch dieses Mal ganz transparent durchlaufen werden. Die Abgeordneten werden also direkt nach der Sitzung informiert, dann bildet sich der Haushaltsausschuss eine Meinung, und dann werden wir sehen, was eventuell kommt. Wenn der Haushaltsausschuss d'accord ist, dann kann der deutsche Vertreter im ESM-Rat beauftragt werden oder die Billigung bekommen, auch der konkreten Auszahlungsentscheidung - die ja über den ESM erfolgt, und nicht durch die Eurogruppe - zuzustimmen.

Zusatzfrage: Finden Sie es denn abwegig, dass Abgeordnete jetzt fordern, dass das Thema im Plenum diskutiert wird?

von Tiesenhausen-Cave: Ich glaube, es ist nicht meine Rolle, jetzt zu beurteilen, ob das abwegig ist oder nicht. Die Mechanismen sind klar, wir halten uns nach Strich und Faden daran; das ist jedes Mal so und das ist auch dieses Mal so. Ich bin etwas zu spät gekommen, weil ich noch den Beginn einer Unterrichtung kurz abgewartet habe. Das läuft also alles.

Der Minister ist gestern auch auf die Frage angesprochen worden, ob er es für eine wesentliche Änderung hält. Wir sind der Ansicht: Das ist es nicht. Es ist aber Prärogativ des Parlaments, das einzuordnen. Das läuft, und der Haushaltsausschuss ist das Gremium, in dem das passieren wird.

Frage: Ich möchte auch noch einmal auf die Frage der wesentlichen Änderungen eingehen. Der Bundestag hatte ja konkret gefordert, dass sich der IWF finanziell, also konkret mit Geld, an dem laufenden Programm beteiligt. Das war eine Voraussetzung für die Genehmigung des Programmes. Jetzt fließt erst einmal kein Geld, und dieses Geld wäre ja auch an Konditionen geknüpft, die einzugestehen sich der Bundesfinanzminister ja geweigert hat. Wie kann man denn jetzt argumentieren, dass das eine Erfüllung der Bedingungen ist?

von Tiesenhausen-Cave: Wir haben immer gesagt: Es ist wichtig, dass der IWF an Bord kommt, und zwar nicht nur in beratender Funktion, wie er es jetzt schon bei dieser laufenden und gerade abgeschlossenen Programmüberprüfung war, sondern auch formell. Dies hat die IWF-Chefin Lagarde gestern Abend zugesagt. Sie hat ja auch eine Pressekonferenz gegeben beziehungsweise an einer Pressekonferenz teilgenommen und zugesagt, dass sie dem IWF-Board womöglich schon heute, aber jedenfalls sehr zeitnah das Auflegen eines eigenen IWF-Programms empfehlen wird. Was das Volumen betrifft, so hat sie eine Milliardenzahl genannt, die der IWF aber noch definieren wird. Insofern ist das ein volles IWF-Programm, und insofern ist das aus unserer Sicht auch keine wesentliche Änderung der Beschlüsse des Bundestags 2015.

Zusatzfrage: Und die Tatsache, dass faktisch zu diesem Zeitpunkt kein Geld fließt, ist keine wesentliche Änderung?

von Tiesenhausen-Cave: Wir haben immer gesagt: Es geht um eine volle Beteiligung des IWF. Diese hat Frau Lagarde gestern Abend zugesagt. Sie wissen auch, dass das jetzige ESM-Programm mit der Auszahlung von 8,5 Milliarden Euro noch nicht einmal zur Hälfte ausgeschöpft ist. Das heißt, es gibt keinen Engpass an möglichen Kreditmitteln. Wichtig ist, dass der IWF voll "commited" ist, wie Frau Lagarde es gestern Abend zugesagt hat. Insofern möchte ich mich hier jetzt auch gar nicht weiter im Detail in eine Argumentation begeben. Das ist eine Sache, die in den Gremien des Bundestags - zur Stunde wird ja schon informiert - in den nächsten Tagen sicherlich beraten wird. Das wird der Haushaltsausschuss einordnen.

Frage: Frau Tiesenhausen, ich würde mich gern noch einmal an der wesentlichen Änderung festbeißen wollen: Ist aus Sicht des Finanzministeriums der Griechenland-Kompromiss jetzt durch den Bundestagsbeschluss abgedeckt oder nicht?

von Tiesenhausen-Cave: Diese Frage ist ja gerade durch die Kollegin genannt worden; der Minister ist gestern Abend auch in Fernsehinterviews danach gefragt worden. Wir gehen davon aus, dass er abgedeckt ist.

Frage: Herr Schäfer, wie bewerten der Außenminister und das Außenministerium die gestrige Lösung - insbesondere die Lösung in Sachen IWF, die eine Beteiligung sein soll, aber keine ist?

Frau Tiesenhausen, können Sie uns einmal die konkreten zukünftigen Aufgaben des IWF erklären? Man stützt sich nicht mehr auf die Expertise des IWF und man braucht das Geld des IWF nicht mehr. Was soll der IWF künftig also machen?

Schäfer: Ich glaube, dass gestern Abend nach monatelanger Verzögerung eine Einigung über die Auszahlung der nächsten Tranche erzielt werden konnte, ist erst einmal eine gute Nachricht; denn Griechenland bekommt jetzt die nötige Luft zum Atmen und kann die Weichen dafür stellen, nach dem Programmende im kommenden Jahr wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Wir wollen und wir werden Griechenland auf diesem Weg dabei unterstützen. Dabei ist es wichtig, dass wir weitere Hängepartien vermeiden. Deshalb werden wir uns in der Bundesregierung dafür einsetzen, dass das Programm reibungslos und erfolgreich zu Ende geführt werden kann.

von Tiesenhausen-Cave: Wie Sie wissen, war der IWF, als dieses dritte Griechenland-Programm 2015 startete, noch nicht an Bord. Er ist jetzt sukzessive in einer beratenden Rolle eingestiegen und hat sich bei dieser Programmüberprüfung, die gestern Abend glücklicherweise erfolgreich abgeschlossen werden konnte, sehr eingebracht. Insofern haben wir eine Bewegung des IWF hin zum Programm. Mit dem formalen Beschluss eines eigenen IWF-Kreditprogramms, der gestern ja durch Frau Lagarde in Aussicht gestellt wurde, wird dieser Prozess verstetigt. Der IWF wird damit wieder zu einer voll beteiligten Institution, so wie wir das auch schon aus dem bisherigen Programm kennen. Insofern ist der IWF voll an Bord, und darum ist es immer gegangen.

Zusatzfrage: Aber die Frage war: Was wird die zukünftige Rolle des IWF sein, was macht der, was kontrolliert der? Denn die Beratungsleistungen und das Geld ignoriert man ja.

von Tiesenhausen-Cave: Diesen Einwurf von Ihnen mache ich mir überhaupt nicht zu eigen. Der IWF ist ein geschätzter Ratgeber, gerade in Reformprozessen, und zwar nicht nur in Europa, sondern auch in anderen Teilen der Welt. Der IWF wird die Rolle einnehmen, die er schon davor eingenommen hat, nämlich die Rolle als kompetenter Berater bei Reformprozessen. Er ist damit eine voll beteiligte Institution, so wie das auch die anderen Institutionen, der ESM und die Kommission sind. Insofern kehrt er in eine Rolle zurück, die er schon einmal hatte und die wir seit Langem angestrebt haben.

Vorsitzende Wefers: Herr Seibert, wollen Sie uns mit den Terminen der nächsten Woche versorgen?

StS Seibert: Das mache ich gerne.

Es geht am Montag, dem 19. Juni, um 10 Uhr morgens hier in Berlin los: Die Bundeskanzlerin wird auf Einladung des Verbraucherzentrale Bundesverbandes auf dem Deutschen Verbrauchertag eine Rede halten. Diese Bundesregierung nimmt Verbraucherschutz, Verbraucherpolitik sehr ernst und hat auch eine gute verbraucherpolitische Bilanz vorzuweisen. Wir haben in dieser Legislaturperiode in den Bereichen Digitales, Finanzen, Energie und Ernährung wichtige Maßnahmen ergriffen, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen und zu stärken. Zu nennen wären zum Beispiel Maßnahmen wie der kollektive Verbraucherschutz als ein weiteres Aufsichtsziel der BaFin oder die Abmahn- und Klagemöglichkeit von Verbänden und Kammern bei Datenschutzverstößen durch Unternehmen, die eingeführt worden ist.

Am Montagmittag begrüßt die Bundeskanzlerin den rumänischen Staatspräsidenten Klaus Johannis im Bundeskanzleramt. Es gibt ein Arbeitsmittagessen, an das sich gegen 13 Uhr dann eine gemeinsame Pressebegegnung anschließt. Nur zur Einordnung: 2017 ist ein wichtiges Jahr, ein Jubiläumsjahr in den deutsch-rumänischen Beziehungen: Wir feiern den 25. Jahrestag des deutsch-rumänischen Nachbarschaftsvertrages von 1992. Vor 50 Jahren haben die Bundesrepublik Deutschland und Rumänien diplomatische Beziehungen aufgenommen, und vor 10 Jahren ist Rumänien der Europäischen Union beigetreten.

Am Montagnachmittag fliegt die Bundeskanzlerin dann nach Hamburg. Sie nimmt dort um 15.30 Uhr am C20-Dialogforum, dem G20-Dialog mit den Nichtregierungs-organisationen, teil. Sie wissen, dass dieser umfassende Austausch mit der Zivilgesellschaft für die Bundeskanzlerin einen sehr hohen Stellenwert im Vorlauf auf den G20-Gipfel in Hamburg hat. Diese Einbindung ist uns sehr wichtig, und das C20-Dialogforum ist nun die letzte Veranstaltung aus dieser Dialogreihe. Vertreterinnen und Vertreter von VENRO, Oxfam International, Forum Umwelt & Entwicklung sowie Global Trade Watch werden zunächst eine Rede der Bundeskanzlerin in der HafenCity Universität hören, und dann gibt es eine Podiumsdiskussion. Es werden dann auch die von den C20 ausgearbeiteten Empfehlungen an die Bundeskanzlerin übergeben. Das Ganze können Sie bei Interesse im Livestream und auf unserer Internetseite www.g20-germany.de verfolgen.

Am Dienstag, dem 20. Juni, wird die Bundeskanzlerin hier in Berlin am Tag der Deutschen Industrie teilnehmen und gegen 10.30 Uhr eine Rede halten. Wie Sie wissen, ist das eine alljährliche Veranstaltung des BDI, und sie findet im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt statt.

Anschließend, ab etwa 11.20 Uhr, ist die Bundeskanzlerin hier in Berlin beim Deutschen Kommunalkongress zu Gast und wird dort eine Rede halten. 11 Kommunen sind im Deutschen Städte- und Gemeindebund organisiert, der diesen Kongress alle vier Jahre organisiert und vernetzt. Das Motto heißt "Deutschland umbauen. Modernisieren, digitalisieren, sozial gestalten".

Am Mittwoch tagt um 9.30 Uhr, also zum üblichen Zeitpunkt, das Bundeskabinett.

Anschließend, ab etwa 11.15 Uhr, nimmt die Kanzlerin an einer Konferenz des "German Marshall Fund of the United States" im Deutschen Historischen Museum teil. Anlass dieser Konferenz ist der 70. Jahrestag des Marschallplans. Am 5. Juni 1947 war es, dass der damalige US-Außenminister George C. Marshall das "European Recovery Program" vorstellte. Heute ist es unter seinem Namen als Marshallplan bekannt. Die Kanzlerin wird bei dieser Konferenz ein Grußwort sprechen.

Am Mittwoch um 14.30 Uhr empfängt die Bundeskanzlerin - auch das hat jetzt lange Tradition - die 69 Preisträgerinnen und Preisträger des Bundeswettbewerbs "Jugend forscht" im Bundeskanzleramt. Auch in diesem Jahr wird sie nach ihrer Begrüßungsrede den mit 3000 Euro dotierten Preis der Bundeskanzlerin für die originellste Arbeit überreichen. Preisträger sind in diesem Jahr zwei Schüler aus Bayern in der Kategorie Chemie. Insgesamt hatten sich mehr als 12 Jungforscher und Jungforscherinnen mit fast 6500 Projekten bundesweit für diesen Wettbewerb angemeldet.

Im Anschluss - wir sind immer noch am Mittwoch - bekommt die Bundeskanzlerin im Kanzleramt Besuch vom finnischen Ministerpräsidenten Juha Sipilä. Die beiden werden sich vor dem dann folgenden Treffen des Europäischen Rats über die anstehenden Themen austauschen. Bei Ankunft von Ministerpräsident Sipilä gegen 16 Uhr sind Pressestatements geplant. Er wird dann am späteren Nachmittag zusammen mit dem Bundesaußenminister das sogenannte Mittsommerfest auf dem Gelände der finnischen Botschaft besuchen.

Immer noch am Mittwoch um 17.30 Uhr nimmt die Bundeskanzlerin am Tag der Immobilienwirtschaft des Zentralen Immobilienausschusses - ZIA - hier in Berlin teil und wird dort eine Rede zur aktuellen Bau- und Wohnungspolitik halten.

Am Donnerstag und Freitag reist die Bundeskanzlerin dann zum Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel, also zum Europäischen Rat. Es gibt zunächst den Meinungsaustausch mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani. Der Europäische Rat wird sich dann mit einer breiten Themenpalette befassen. Wir werden Ihnen dazu am Mittwoch, dem 21. Juni, um 14.30 Uhr hier in der Bundespressekonferenz ein Briefing mit Herrn Corsepius anbieten, deshalb will ich die Themen nur kurz ansprechen: Es wird um Klimapolitik und um die Bekämpfung des Terrorismus gehen. Ein weiteres zentrales Thema dieses Europäischen Rates wird die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik sein. Es gibt einige wichtige Unterpunkte des Themas Migration, die auf der Tagesordnung stehen. Des Weiteren geht es um die Vertiefung des Binnenmarktes und um das Digitale Europa, und wie immer beim Juni-ER werden die länderspezifischen Empfehlungen erörtert und das Europäische Semester 2017 abgeschlossen.

Am späten Donnerstagabend, also nach dem Arbeitsabendessen, wird es dann noch einen Europäischen Rat im 27er-Format, also ohne Großbritannien, geben. Da wird es dann insbesondere um den Entscheidungsprozess zur Verlagerung der beiden EU-Agenturen gehen, die bisher in Großbritannien ansässig sind, also die Arzneimittelagentur EMA und die Bankenaufsichtsbehörde EBA. An diesem Abend steht noch keine Entscheidung an, vielmehr geht es um die Strukturierung des gemeinsamen Entscheidungsprozesses.

Das war es dann.

Vorsitzende Wefers: Am Freitag gibt es gar nichts?

StS Seibert: Am Freitag ist immer noch Brüssel - das ist ein zweitägiger Rat.

Vorsitzende Wefers: Ach so, sehr gut, vielen Dank. Gut, dass ich das jetzt auch weiß.

Frage: Ich hätte gerne eine Einschätzung der Bundesregierung: In Großbritannien gibt es immer noch keine Regierung, die Regierungsbildung ist also noch nicht abgeschlossen. Die Brexit-Verhandlungen sollen ja am Montag starten. Macht das unter diesen Bedingungen überhaupt Sinn?

StS Seibert: Die britische Premierminister hat ihrerseits mehrfach gesagt - auch, als sie Herrn Macron in Paris besucht hat -, dass sie den Zeitplan einhalten möchte. Wir können natürlich nur für uns sprechen: Wir sind vorbereitet und werden als EU-27 am Start sein. Herr Barnier hat das Treffen anberaumt, und ich gehe auch davon aus, dass es stattfindet.

Frage (zu einem von einem Diplomaten in Berlin verursachten Fahrradunfall mit Todesfolge): Herr Schäfer, es wurde ja gemeldet, dass das Auswärtige Amt eine Verbalnote an die saudische Botschaft geschickt hat. Ich würde gerne wissen, ob es schon eine Antwort der Botschaft darauf gibt und ob Sie eventuell beabsichtigen, die Aufhebung der Immunität des Diplomaten zu beantragen.

Schäfer: Lassen Sie mich zunächst einmal sagen, dass das, was da geschehen ist, wirklich ganz tragisch ist. Ich weiß nicht, ob alle wissen, um was es geht: Da ist ein älterer Mann auf dem Fahrrad deshalb ums Leben kommen - so jedenfalls die Ermittlungen der Polizei -, weil plötzlich und unerwartet die Tür von einem Auto, das im Parkverbot auf dem Radweg stand, geöffnet wurde, er dagegen fuhr und dann solche schrecklichen Verletzungen erlitt, dass er dann im Krankenhaus verstorben ist. Das ist jetzt erst einmal völlig unabhängig davon, wer dafür die Verantwortung trägt und ob daran Diplomaten beteiligt sind oder nicht, ein ganz fürchterlicher tragischer Fall, in dem unter normalen Umständen die Polizei ermitteln würde. Dann träfen Polizei und Staatsanwaltschaft die Entscheidung, ob ein Ermittlungsverfahren aufgenommen würde - wegen fahrlässiger Tötung meinetwegen oder wegen anderer Delikte. In manchen Berichten heißt es ja auch, es gehe um Unfallgefahr.

Nun ist es offensichtlich so, dass ein saudischer Diplomat an diesem Verkehrsunfall beteiligt ist und im Auto gesessen hat. Deshalb ist er mindestens Unfallbeteiligter, wenn nicht sogar selber dafür verantwortlich, die Tür geöffnet zu haben. Ich sage das in aller Vorsicht, weil das natürlich polizeilich festgestellt werden muss.

In solchen Fällen, die immer wieder vorkommen, ist es tatsächlich so, dass nach den Regeln des internationalen Gesandtschaftsrechtes ein ausländischer ordnungsgemäß in Deutschland akkreditierter Diplomat nicht der deutschen Strafjustiz untersteht. Das heißt nicht, dass er nicht gehalten wäre, sich nach diesen Regeln des internationalen Gesandtschaftsrechtes nicht an die deutsche Rechtsordnung zu halten. Das ist genauso seine Pflicht wie die jedes anderen Diplomaten oder jedes anderen Menschen, der sich in Deutschland aufhält. Aber Sanktionierungen können aus den Gründen, über die wir sprechen können, für Diplomaten in dieser Weise nicht verhängt werden.

Deshalb gibt es nach dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen abgestimmte Möglichkeiten, mit dem Diplomaten oder mit seinem Staat oder seinem Botschafter in Kontakt zu treten, um diese Fälle zu regeln. Deshalb hat sich das Auswärtige Amt gestern - der Vorfall ist, glaube ich, am 13. Juni, vor drei Tagen, geschehen - an die saudische Botschaft gewandt und sie gebeten, Stellung zu den dem Auswärtigen Amt vorliegenden Informationen darüber zu nehmen, dass unter Beteiligung eines Mitarbeiters der Botschaft ein Unfall geschehen sei.

Wir haben auf diese Verbalnote von der saudischen Botschaft jetzt und hier noch keine Antwort. Sie ist gestern herausgegangen. Heute ist Freitag. Ich denke, das ist auch noch im Rahmen und angemessen, dass wir noch keine Antwort haben. Das ist noch kein Anlass - für uns jedenfalls nicht -, daran Kritik zu üben. Aber ich habe in den Medien gesehen, dass es bereits eine öffentliche Stellungnahme der saudischen Botschaft zu diesem Vorfall gibt, in der sie bedauern, was geschehen ist.

Das weitere Verfahren ist jetzt, dass wir natürlich mit der saudischen Botschaft in Kontakt bleiben werden, um zu klären, was da geschehen ist, um mit der saudischen Botschaft die polizeilichen Erkenntnisse und Informationen, die uns vorliegen, zu besprechen. Je nachdem, welche Erkenntnisse das sind, müssen wir dann überlegen, wie wir weiter damit umgehen. Das Sanktionsregime, das das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vorsieht, hält viele Möglichkeiten vor, etwa die Anregung - so könnte man sich das vorstellen - einer Strafverfolgung in Saudi-Arabien. Es geht auch noch mehr: Es könnte überlegt werden, ob es angesichts bestimmter Erkenntnisse noch angemessen ist, dass sich dieser Diplomat weiter in Deutschland aufhält.

Aber das müssen wir alles sehen. Es gibt da überhaupt keine Vorverurteilungen. Es gibt dieses Instrumentarium, das wir auch bereit sind anzuwenden, aber bitte auf der Grundlage von belegten Informationen und mit dem Versuch, das partnerschaftlich und fair mit den Betroffenen - in diesem Fall der saudischen Botschaft, den Mitarbeitern und den Opfern - zu klären.

Zusatzfrage: Eine kurze Nachfrage dazu, Herr Schäfer. Können Sie losgelöst von dem jetzt aktuellen Fall vielleicht einmal darlegen, wie oft das Auswärtige Amt schon bei ausländischen Botschaften beantragt hat, die Immunität eines Diplomaten aufzuheben und wie oft dem dann stattgegeben wurde?

Schäfer: Das kommt sehr selten vor. Ich habe Beispiele aus einem anderen Bereich parat, der uns manchmal Sorgen macht, nämlich den Bereich des Umgangs von ausländischen Diplomaten mit privaten oder dienstlichen Hausangestellten. Auch über dieses Thema haben wir an dieser Stelle schon häufiger gesprochen. Auch da scheuen wir uns nicht, bei glaubhaften Informationen über Dinge, die mit der deutschen Rechtsordnung, mit unserem "ordre public" nun weiß Gott nicht im Einklang sind, mit der Botschaft und den betroffenen Diplomaten sehr ernsthaft zu reden und dabei auch in Erwägung zu ziehen, solche Sanktionen zu ziehen.

Wenn es um strafrechtliche Ermittlungen geht, dann nehmen wir jeden Einzelfall sehr ernst. Wir nehmen jeden Einzelfall mit den betroffenen Botschaften auf und schauen uns an - je nach Schwere des Falles -, welches die richtige Antwort, die richtige Reaktion nach den Regelungen des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen in diesem konkreten Fall ist.

So tun wir das hier auch. Da kann man etwa die Botschaft bitten, die Immunität aufzuheben. Da kann man die Botschaft bitten, den Diplomaten abzuberufen oder man kann ihn zur unerwünschten Person erklären mit der Folge, dass, wenn er nicht ausreist, er dann wie ein gewöhnlicher Staatsangehöriger behandelt wird und die diplomatischen Privilegien nicht mehr gelten.

Frage: Herr Schäfer, es gab letztes Jahr 22 Ordnungswidrigkeiten durch Diplomatenfahrzeuge. Mich würde einmal interessieren, wie viele Diplomatenfahrzeuge es eigentlich gibt.

Schäfer: Ich habe keine Antwort darauf. Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß auch nicht, ob das Auswärtige Amt darüber eine Liste führt. Ich vermute, dass die meisten der in Deutschland tätigen Diplomaten auch über ein Fahrzeug verfügen. Aber selbst das hilft mir nicht, Ihnen dazu eine Zahl zu nennen.

Lassen Sie mich dazu sagen, dass jede einzelne Ordnungswidrigkeit, die von einem ausländischen Diplomaten in Deutschland, in Berlin, begangen wird, eine zu viel ist. Das finden wir nicht gut. Das ist völlig unangemessen, weil es Schaden für die diplomatischen Beziehungen anrichtet und für den Ruf, den das diplomatische Corps hier in Berlin und in Deutschland genießt. Deshalb schicken wir regelmäßig sogenannte Rundnoten heraus, in denen wir darauf hinweisen, dass jeder einzelne und ganz besonders im Straßenverkehr der in Deutschland akkreditierten Diplomaten verpflichtet ist, sich an die Regelungen zu halten. Überall da, wo wir das Gefühl haben, dass bestimmte Botschaften oder Angehörige bestimmter Botschaften besonders über die Stränge schlagen, nehmen wir uns auch diese Botschaften vor, um dort Gespräche mit dem Botschafter oder Verantwortlichen der Botschaft zu führen mit dem Ziel, die Zahlen solcher in Berlin begangenen Ordnungswidrigkeiten zurückzubringen.

Es bleibt dabei, dass die Regeln des internationalen Gesandtschaftsrechtes aus Sicht der Bundesregierung richtig und vernünftig sind, weil sie auch deutsche Diplomaten im Ausland in autoritären Regimen davor schützen, in einen Druck zu geraten, der unangemessen wäre und unseren politischen Zielen widerspräche. Dass das in Deutschland auch von hier tätigen ausländischen Diplomatinnen und Diplomaten missbraucht wird, missbilligen wir ausdrücklich.

Zusatzfrage: Es gibt ja eine "top five" der Sünder hier in Berlin an Ordnungswidrigkeiten. Das sind China, Russland, Saudi-Arabien, Ägypten und die USA. Ist davon auszugehen, dass die Saudis weniger Diplomaten hier in Berlin haben als zum Beispiel die Russen und die Amerikaner, sodass besonders die Saudis Sünder sind?

Schäfer: Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Vielleicht fragen Sie einfach die saudische Botschaft und schauen, wie sie Ihnen antworten. Dass es in der Tat Botschaften und Mitarbeiter dieser Botschaften gibt, die sich konsequent an die Regeln in Deutschland halten, weil es intern durchgesetzt wird, dass Ordnungswidrigkeiten nicht akzeptabel sind, und andere, bei denen diese Regeln nicht gelten, das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Frage: Herr Schäfer, ich würde gern Ihr Angebot annehmen, noch einmal über die Gründe für die diplomatische Immunität zu sprechen. Natürlich profitieren gegebenenfalls Diplomaten, wenn sie aus Deutschland kommen, auch davon. Aber ist es denn richtig - aus heutiger Sicht -, dass sich diese diplomatische Immunität beispielsweise auch auf Verkehrsdelikte erstreckt?

Schäfer: Man kann darüber streiten. Der Sinn und Zweck dieses internationalen Gesandtschaftsrechtes und der Immunitäten, der Privilegien und Befreiungen, die akkreditierte Diplomaten genießen, ist, glaube ich, ziemlich schnell einsichtig. Es geht darum, dass es möglich ist, auch im Krisen- und Konfliktfall Gesprächskanäle offen zu halten, sodass Diplomaten - etwa deutsche Diplomaten, die in einem Staat akkreditiert sind, in dem es ruppig zugeht, in dem autoritäre Zustände herrschen, in Diktaturen - Verhandlungen für die Bundesregierung, für Deutschland, führen können, ohne Gefahr zu laufen, im Gefängnis zu landen und sie unsere Interessen vertreten und unsere Werte deutlich machen können.

Da an der richtigen Stelle einen - ich will einmal sagen - Strich zu machen "Was ist noch irgendwie okay? Was kann man verfolgen und was nicht?", ist letztlich unmöglich. Deshalb hat sich die Staatengemeinschaft in den 60-iger Jahren darauf geeinigt, etwas zu kodifizieren, was seit vielen Jahrhunderten Gewohnheitsrecht war, dass nämlich die Gesandten - damals von Königen oder Fürsten, später von Staaten - dann, wenn sie in offizieller Mission unterwegs sind, von der Rechtsordnung des Staates, in das sie reisen, befreit sind. Diese Regelungen sind, wie gesagt, im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen kodifiziert.

Wir sind froh, dass es das gibt, weil es sicherstellt, dass deutsche Diplomaten in den vielen Ländern, in denen es ganz anders zugeht als bei uns, sicher sein können, nicht in irgendeinem Verließ zu landen, gefoltert zu werden, getötet zu werden oder auf unzulässige Weise irgendwie strafrechtlich oder anders behelligt zu werden.

Zusatzfrage: Noch eine Verständnisfrage, wenn ich darf, Herr Schäfer. Ordnungswidrigkeiten werden erfasst. Deshalb kennen wir auch diese Zahlen. Es sind mehr als 22. Aber bei Straftaten weiß man nicht, wie viele es sind. Können Sie mir bitte noch einmal erklären, warum man das bei Ordnungswidrigkeiten weiß? Werden sie sanktioniert und nur Straftaten nicht? Das habe ich noch nicht ganz verstanden.

Schäfer: Ich habe ja nicht gesagt, dass diese Straftaten nicht erfasst würden. Ich habe nur gesagt: Ich glaube, dass das Land Berlin eine Statistik darüber führt, welche Ordnungswidrigkeiten von welchen Diplomaten begangen werden. Das sind dann Zahlen, die dem Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellt werden - eben mit dem Ziel, dass wir denjenigen Botschaften, an denen das häufiger vorkommt und es offensichtlich kein Zufall sein kann und es nicht angemessen verfolgt wird, deutlich machen, dass wir das missbilligen.

Bei Straftaten wird das ähnlich sein. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es da Zahlen gibt.

Glücklicherweise ist es so, dass so dramatische Fälle wie der, der der Anlass unserer Diskussion ist, relativ selten vorkommen. Es ist einfach schlicht furchtbar, dass so etwas passieren kann, wie es einen 55-jährigen Mann aus dem Leben reißt, weil zufälligerweise an der falschen Stelle in der falschen zehntel Sekunde die Tür eines Autos aufgeht.

Zusatzfrage: Aber habe ich es richtig verstanden, dass die diplomatische Immunität die Diplomaten auch davor schützt, dass sie Bußgeld für Falschparken bezahlen müssen?

Schäfer: Das ist richtig. Es ist wieder ein bisschen komplizierter. Nach dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen sind die Befreiungen und Privilegien umfassend. Das heißt, ein saudischer Diplomat oder ein amerikanischer Diplomat in Deutschland unterliegt in keiner Weise - auch nicht mit seinen privaten Handlungen - der deutschen Rechtsordnung. So ist das ausdrücklich - ich glaube, in Artikel 31 des Wiener Übereinkommens - geregelt. Bei Konsuln, also bei Mitarbeitern von Generalskonsulaten und Konsulaten, ist es anders. Da gilt die Befreiung von der Rechtsordnung des Gaststaates nur für dienstliche Handlungen. Für private Handlungen gibt es eine Verantwortung vor der Rechtsordnung des Gaststaates.

Frage: Herr Schäfer, im weiteren Sinne zu diesem Thema: Sie haben über Botschaften gesprochen, die über die Stränge schlagen. Nun gibt es ja den delikaten, wenn auch etwas weniger dramatischen Fall dieses katarischen Gebäudes in Berlin, bei dem eine nackte Dame verhüllt wird, unter anderem mit einer deutschen, aber auch mit einer katarischen Fahne. Wollen Sie das kommentieren, oder nutzen Sie vielleicht das deutsch-katarische Kulturjahr 2017 dazu, diesen Fall anzusprechen?

Schäfer. Ich kenne das Gebäude gut, weil ich in Zehlendorf wohne und häufiger daran vorbeigehe. Es ist sehr löblich, dass das Gebäude renoviert worden ist. Das war nämlich über viele Jahre hinweg in einem schändlichen Zustand.

Über alles andere möchte ich mich nicht auslassen.

Frage: Zur Vollständigkeit, Herr Schäfer: Wie viele Ordnungswidrigkeiten begehen denn deutsche Diplomaten im Ausland?

Schäfer: Da wir ein Rechtsstaats sind, in dem sehr großer Wert darauf gelegt wird, dass sich auch deutsche Diplomaten und Diplomaten im Ausland an Recht und Gesetz halten - in diesem Fall dem der Gaststaaten -, gibt es die klare Regelung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes im Ausland, dass sie sich, wenn sie eine Ordnungswidrigkeit begehen, auch wenn das nicht rechtlich geboten ist, ihrer Verantwortung stellen und ein etwaiges Bußgeld bezahlen.

Zusatz : Das war ja nicht die Frage.

Schäfer: Zahlen gibt es dazu nicht. Es gibt dazu keine Statistiken. Es gibt aber die Regelung, dass wir nicht einfach irgendwo parken und uns nicht darum scheren, ob das verboten oder nicht verboten ist, sondern die Botschafterinnen und Botschafter sind wie alle Mitarbeiter gehalten, die Regeln des Gastlandes einzuhalten. Das gilt auch für Ordnungswidrigkeiten.

Frage: Zum Stand der Dinge: Hat Air Berlin jetzt die vollständigen Unterlagen zur Prüfung des Bürgschaftsantrags eingereicht? Es gab eine Medienberichterstattung, laut der der Antrag im Grunde skeptisch eingeschätzt werde.

Jornitz: Vielen Dank für die Frage. Wir haben uns ja in den letzten drei Regierungspressekonferenzen auch zu diesem Thema geäußert, und ich fürchte, ich kann Ihnen dazu keinen neuen Stand mitteilen.

Zusatzfrage: Heißt das, die Unterlagen sind noch nicht eingereicht?

Jornitz: Es gibt keinen neuen Stand.

Zusatz: Das ist keine Antwort!

Jornitz: Ich kann gerne noch einmal das wiederholen, was wir schon gesagt haben, aber mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.

Zusatzfrage: Es ist doch ganz einfach! Hat das Unternehmen die vollständigen Unterlagen zur Prüfung eingereicht oder nicht?

Jornitz: Dann nicht.

Zusatzfrage: Ich hätte gerne eine Bewertung der Bundesregierung zu der Tatsache, dass die DITIB bei der morgen geplanten Demonstration islamischer und anderer Verbände gegen Terrorismus nicht mitmacht. Möchte die Bundesregierung das kommentieren?

StS Seibert: Ich möchte, wenn ich darf, doch ein bisschen ausführlicher dazu sprechen. Eines ist ja völlig klar: Der Terrorismus des IS und anderer, wie er in Berlin und in London, in Paris, in Brüssel, in Istanbul, in Kabul und - vergessen wir das nicht - auch immer wieder in Afrika zugeschlagen hat - diese Liste ist natürlich keine vollständige -, ist eine Bedrohung für uns alle, für jeden friedliebenden Menschen, gleichgültig, ob Christ, ob Muslim, ob Jude oder ob Angehörige einer anderen oder auch überhaupt keiner Glaubensrichtung. Wir alle stellen uns diesem gemeinsam entgegen. Diese Mörder missbrauchen den Islam, dessen Werte sie in Wirklichkeit verhöhnen, wie sie die Werte jeder Religion und jedes humanistisch denkenden Menschen verhöhnen.

Die Bundeskanzlerin begrüßt es sehr, dass Muslime und ihre Freunde an diesem Samstag unter dem Motto "Nicht mit mir" ein klares Zeichen gegen Gewalt und Terrorismus jeder Art setzen wollen, wie sie auch - ich glaube, im Januar 2015 nach den Anschlägen in Paris - hier in Berlin am Brandenburger Tor in einer Kundgebung ein klares Zeichen gesetzt haben, damals gemeinsam mit den Spitzen unseres Staates. Es ist gut, wenn Muslime klarmachen, dass in ihren Reihen und Moscheen kein Platz für Hass und Gewalt ist. Auch der muslimischen Geistlichkeit kommt dabei eine erhebliche Verantwortung zu. Darauf hat die Bundeskanzlerin mehrfach öffentlich hingewiesen.

Es ist auch gut, wenn Christen, Juden und Nichtgläubige klarmachen, dass sie zu unterscheiden wissen zwischen der übergroßen Zahl der friedliebenden Anhänger des Islams und den wenigen, die sich des Islams in perverser Weise bedienen. Dass die DITIB an dieser Kundgebung am morgigen Samstag nicht teilnehmen will, ist einfach schade.

Frage : Herr Schäfer, zur Türkei und den deutsch-türkischen Gefangenen: Was gibt es Neues, was die sechs angeht?

Wie war der Besuch von Herrn Erdmann bei Herrn Yücel? Das, was ich auf Ihrer Webseite gelesen habe, erschien mir sehr positiv zu sein, als ob es gar nichts zu meckern gäbe, weder von Deutschlands noch von Herrn Yücels Seite.

Schäfer: Es gibt nichts, das ich Ihnen zu diesen Fällen an Neuem berichten könnte.

Auch über den Fall von Herrn Yücel und den Besuch von Herrn Erdmann haben wir ja schon öffentlich Bericht erstattet. Das war ein gutes Gespräch, das länger dauerte, als es eigentlich rechtlich vorgesehen ist. Die beiden haben eineinviertel Stunden lang miteinander sprechen können, auch unbehelligt und unbeaufsichtigt. Deshalb ist es ein gutes Gespräch gewesen, in dem Herr Erdmann sich des Umstands versichern konnte, dass es Deniz Yücel gut geht, dass er, wie gesagt, in gutem Zustand ist und dass er guten Mutes ist, dass eine gute Lösung für ihn gefunden werden kann.

An dieser guten Lösung arbeiten wir - nicht nur für ihn, sondern auch für die anderen, die da in türkischer Haft sind -, und da bleiben wir weiter dran. Mehr kann ich Ihnen zurzeit gar nicht sagen.

Zusatzfrage : Der andere bekannte Fall ist Frau Tolu. Geht es ihr gut?

Schäfer: Da hat es vor einiger Zeit - ich glaube, am 2. Juni, also heute vor 14 Tagen - einen ersten Besuch gegeben. Da haben Angehörige des Generalkonsulats in Istanbul Frau Tolu aufgesucht und auch ein längeres Gespräch mit ihr führen können. Die Situation ist anders als bei Herrn Yücel, weil ein kleines, zweijähriges Kind im Spiel ist. Das macht es schwierig und auch humanitär komplizierter.

Für beide Fälle gilt, dass wir die feste Auffassung haben, dass die Untersuchungshaft unangemessen ist und dass wir bei den türkischen Behörden darauf drängen, dass es ein faires und rechtsstaatliches Verfahren gibt. Das beinhaltet automatisch die Forderung, dass man Untersuchungshaft verhältnismäßig anwendet, und das scheint uns in beiden Fällen nicht gegeben zu sein.

Zusatzfrage: Herr Seibert, die neue Landesregierung von Schleswig-Holstein, die von der CDU geführt wird, hat sich erstmals für die Homo-Ehe oder die Ehe für alle ausgesprochen. Ist es angesichts der parteiübergreifenden Mehrheit auch in Deutschland, bei der bisher, glaube ich, nur die CDU/CSU und die AfD nicht mitmachen, jetzt Zeit für die Bundeskanzlerin, sich doch noch einmal in dieser Legislaturperiode mit dem Thema Ehe für alle zu befassen?

StS Seibert: Für diese Bundesregierung kann ich Ihnen dazu keinen neuen Stand mitteilen.

Frage: Herr Klebb, heute hat das russische Verteidigungsministerium mitgeteilt, dass es Meldungen gibt, dass die russische Luftwaffe den Anführer der Terrormiliz Da'esh, Abu Bakr al-Baghdad, wohl bei einem Angriff im Mai getötet haben soll. Liegt dem deutschen Verteidigungsministerium dazu irgendetwas vor? Gibt es dazu Informationen?

Klebb: Dazu kann ich Ihnen leider nichts sagen. Davon ist mir nichts bekannt.

Freitag, 16. Juni 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 16. Juni 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/06/2017-06-16-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
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Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2017

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