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PRESSEKONFERENZ/1490: Regierungspressekonferenz vom 28. Juni 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 28. Juni 2017
Regierungspressekonferenz vom 28. Juni 2017

Themen: Kabinettssitzung (Entwurf des Bundeshaushalts 2018, Bericht der Bundesregierung zur internationalen Kooperation in Bildung, Wissenschaft und Forschung), Personalie, Reise des Bundesaußenministers nach Russland, Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Holdingkonstruktion der Deutschen Bahn, Forderungen nach einer Kopplung der Steigerung des Engagements in der Entwicklungszusammenarbeit und des Krisenpräventionsbudgets an den steigenden Verteidigungsetat, G20-Gipfel in Hamburg, Hochhausbrand in London/Evakuierung eines Hochhauses in Wuppertal, Vorratsdatenspeicherung, Berichte über unangemessenes Verhalten Berliner Polizisten in Hamburg

Sprecher: SRS'in Demmer, Herb (BMFSFJ), Schäfer (AA), Hille (BMVI), Weißgerber (BMF), Knödler (BMZ), Alemany (BMWi), Wettern (BMUB), Plate (BMI), Scholz (BMJV)


Vorsitzende Maier eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'IN Demmer sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS'in Demmer: Zur Kabinettssitzung: Der Finanzminister hat Ihnen hier ja gerade schon ausführlich die wichtigsten Daten zum Bundeshaushalt 2018 und den Finanzplan bis 2021 vorgestellt. Deswegen mache ich es jetzt hier kurz: Mit dem Regierungsentwurf für den Haushalt 2018 kommt die 18. Legislaturperiode zu einem erfolgreichen haushaltspolitischen Abschluss. Die Regierungskoalition hat die politischen Schwerpunkte ihres Koalitionsvertrags umfassend umgesetzt, und sie hat neue Herausforderungen erfolgreich gemeistert, ohne neue Schulden aufnehmen zu müssen.

Dann war heute der erste Bericht der Bundesregierung zur internationalen Kooperation in Bildung, Wissenschaft und Forschung im Kabinett. Dieser Bericht informiert über die europäischen und internationalen Maßnahmen und Aktivitäten, die von der Bundesregierung in den Jahren 2014 bis 2016 umgesetzt wurden. Schwerpunktthema ist Europa.

Die zunehmende Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung ist Herausforderung und Chance zugleich. Die Bundesregierung reagiert auf diese Trends, indem sie die europäische und internationale Zusammenarbeit ausbaut. Nur so kann Deutschland zur Lösung globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Energieversorgung, Gesundheit und Ernährungssicherheit beitragen. Es geht auch darum, im weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe attraktiv bleiben. Ein gutes Beispiel ist die Mobilität von ausländischen Studierenden: Deutschland ist unter deren TOP-5-Zielländern nach den USA, Großbritannien, Australien und Frankreich. Mehr als ein Drittel der deutschen Hochschulabsolventen in höheren Semestern war mindestens einmal studienbezogen im Ausland. Deutsche Gastwissenschaftler und Gastwissenschaftlerinnen sind in allen Weltregionen aktiv. Auch die Anzahl ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland ist seit 2008 kontinuierlich gewachsen.

Mit seiner Forschungsförderung gehört Deutschland gemeinsam mit Finnland, Schweden, Dänemark und Österreich zum europäischen Spitzenfeld. 2015 betrugen die deutschen Ausgaben für Forschung und Entwicklung 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts.

Herb: Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist heute meine letzte Regierungspressekonferenz. Ich nehme das zum Anlass, mich von Ihnen zu verabschieden und auch zu bedanken. Es waren dreieinhalb echt sehr spannende und interessante Jahre als Sprecherin des Familienministeriums. Das hat mir echt viel Spaß gemacht, was auch damit zusammenhing, dass ich immer sehr vertrauensvoll mit Ihnen zusammenarbeiten konnte. Das war wirklich eine Bereicherung. Dafür herzlichen Dank!

Ich gehe jetzt erst einmal eine Zeit lang raus, aber ich bin sicher, dass wir uns dann in ein paar Monaten - vielleicht an anderer Stelle - wiedersehen werden. Ich freue mich darauf und wünsche Ihnen bis dahin einen schönen Sommer. Vielen Dank.

Schäfer: Der Außenminister fliegt jetzt gerade ab und ist auf seiner dritten Reise nach Russland. Er reist nach Krasnodar, um da gemeinsam mit dem russischen Außenminister eine Konferenz deutsch-russischer Städtepartnerschaften zu eröffnen. Er wird auch ausführlich Gelegenheit haben, mit seinem russischen Amtskollegen in Krasnodar zu sprechen. Er wird in Krasnodar übernachten und dann morgen nach Berlin zurückreisen.

Trotz aller politischen Differenzen mit Russland sollten und dürfen wir nicht vergessen, wie eng und vielfältig die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland nach dem Ende des Kalten Kriegs geworden sind. Die Städte und Gemeinden tragen daran ganz großen Anteil. Letztlich sind tragende Beziehungen zwischen Völkern nur dann ein Erfolg, wenn sie von den Zivilgesellschaften getragen werden, und das gilt ganz besonders für das ja für ganz Europa wichtige Verhältnis zwischen Deutschland und Russland, zwischen Deutschen und Russen.

Natürlich hat Herr Gabriel eine ganze Menge von Themen im Gepäck. Das betrifft manche bilaterale Frage, aber natürlich auch die großen Themen auf der internationalen Agenda. Dazu gehören der Konflikt in Syrien, die Fragen um den Jemen und um Libyen sowie natürlich der nicht enden wollende Konflikt im Osten der Ukraine, bei dem wir von den Ukrainern genau wie von den Russen erwarten, dass sie Schritte gehen, um die Vereinbarung von Minsk umzusetzen. Ich danke Ihnen.

Frage: Es geht um ein heutiges Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Streit mit der Deutschen Bahn um die Quersubventionierung des Personenverkehrs. Ich hätte gerne zuerst einmal eine Stellungnahme von Ihnen dazu, wie Sie dieses Urteil bewerten.

In dem Urteil gab es ja auch Kritik daran, dass nicht entsprechend dokumentiert sei, wie die Gelder hin und her geflossen seien. Ziehen Sie daraus möglicherweise auch Konsequenzen für die Bahn?

Hille: Zuerst einmal ist das Urteil ja noch nicht allzu alt. Geben Sie uns deshalb noch etwas Zeit, uns das Ganze etwas genauer anzuschauen. Grundsätzlich hat der EuGH die Klage der Kommission ja in weiten Teilen zurückgewiesen.

Was Ihre Frage angeht: Wir schauen uns das Urteil an und werden dann gegebenenfalls das Nötige vollziehen.

Zuruf: Das war doch eine klare Aussage!

Hille: So wie üblich.

Frage: Frau Demmer, ich wüsste gerne, welche bleibende Wirkung die heutige Protokollerklärung der SPD-Bundesminister im Bundeskabinett hat, wonach sie dem Verteidigungshaushaltsentwurf von Herrn Schäuble nicht zustimmen können, solange nicht für jeden Euro mehr Geld 1,50 Euro für Armutsbekämpfung und Entwicklungsarbeit aufgebracht wird. Fällt diese Erklärung wie Schäubles Zahlenwerk der Diskontinuität zum Opfer, oder ergibt sich daraus eine politische Folgewirkung, mit der sich das Kabinett möglicherweise beschäftigen wird?

SRS'in Demmer: Vielen Dank für die Frage. Die Folgewirkung ist insofern gegeben, als es keinerlei Dissens gibt. Die Bundeskanzlerin hat immer wieder deutlich gemacht, dass unser globales Engagement im Bereich der Sicherheit ganzheitlich definiert werden muss und neben Ausgaben für Verteidigung immer auch das Engagement für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe umfasst. Das hat sie zuletzt nämlich auf der Pressekonferenz anlässlich des 8. Meseberger Zukunftsgesprächs am 14. Juni betont. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren neben einem größeren Engagement im Bereich der Sicherheit und Verteidigung in erheblichem Maß in die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe investiert. Wie Sie den Aussagen auf der Pressekonferenz im Rahmen des erwähnten Meseberger Zukunftsgesprächs entnehmen können, gibt es aus Sicht der Bundeskanzlerin keine grundsätzlichen Meinungsunterschiede. Insofern ist das ein Kontinuum.

Weißgerber: Ich kann das noch ergänzen, wenn Sie mögen. Der Bundesfinanzminister hat eben auch klargemacht, wie dieser Haushaltsentwurf einzuordnen ist. Das ist eben kein Wahlkampf-Haushalt, sondern das ist der letzte zu beschließende Haushaltsentwurf dieser Bundesregierung. In diesem Haushaltsentwurf sind ja auch Spielräume für die Jahre 2019 bis 2021 in Höhe von insgesamt 14,8 Milliarden Euro offengelegt worden. Die sind ja bewusst nicht unterlegt worden, sondern man hat sich innerhalb der Bundesregierung darauf geeinigt, dass das eben nach der Bundestagswahl von der dann neuen Mehrheit der neuen Koalition zu unterlegen ist, und zwar mit den Prioritäten, die diese Mehrheit dann eben hat. Insofern gilt es dann eben, nach der Bundestagswahl weiterzureden.

Zusatz: Frau Demmer, Sie sagten, es gebe keinerlei Dissens zwischen der Bundeskanzlerin und dem, sagen wir in diesem Fall einmal, Wortführer Gabriel in dieser Angelegenheit. Nun hat Herr Gabriel aber heute ausdrücklich erklärt, dass er 1,50 Euro für Entwicklung und 1 Euro für Verteidigung will. Das heißt, "keinerlei Dissens" übersetze ich so: Die Bundeskanzlerin steht hinter dem von Gabriel vorgegebenen Ziel, Wehr- und Entwicklungshaushalt im Verhältnis 1:1,5 zu erhöhen.

SRS'in Demmer: Der Dissens besteht nicht in der grundsätzlichen Haltung dazu, wie Krisenprävention, Stabilisierung und die Ausgaben für Verteidigung zu handhaben sind. Es geht einfach darum, dass unser globales Engagement im Bereich der Sicherheit ganzheitlich definiert ist. Darin sind sich die Bundeskanzlerin und der Außenminister einig.

Weißgerber: Ich würde hier vielleicht auch noch einmal etwas ergänzen wollen, weil ich das gerade vorbereitet habe. Der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - es ist ja nicht so, dass da in den letzten Jahren nichts passiert ist - ist von 6,4 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf nunmehr 8,7 Milliarden Euro im Jahr 2018 angestiegen. Das ist ein Zuwachs von 35 Prozent in vier Jahren.

Wir erfüllen dieses Jahr die ODA-Quote, also die offizielle Quote für die internationale Entwicklungszusammenarbeit in Höhe von rund 0,7 Prozent. Wir haben ungefähr 24,67 Milliarden US-Dollar für Entwicklungshilfe aufgebracht. Damit lag Deutschland in absoluten Zahlen hinter den USA auf Platz zwei der Gebernationen, also noch vor Großbritannien. Dies also nur, um vielleicht auch dem Eindruck entgegenzutreten, im Bereich der internationalen Zusammenarbeit und Entwicklung hätte sich nichts getan.

Knödler: Da das BMZ ja nun direkt angesprochen ist, dachte ich, es ergibt vielleicht Sinn, dass das BMZ auch noch etwas dazu sagt. Die Linie unseres Hauses zu dem Sachverhalt ist klar, und der Minister hat das auch schon öfter so gesagt: Wer die Verteidigungsausgaben erhöht, der muss auch dauerhaft und nachhaltig das Ziel erreichen, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung in die Entwicklungspolitik zu investieren. Das ist vor dem Hintergrund der globalen Herausforderungen auch völlig klar.

Wir sind damit konfrontiert, dass zum Beispiel - Sie wissen es - in Afrika jedes Jahr nach einer Studie des IWF fast 20 Millionen junge Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen. Für die gibt es keine Perspektive und keine Jobs. Die Botschaft, dass wir vor Ort mehr in diese Perspektive investieren müssen und dass das eine globale Herausforderung ist, ist angekommen. Deshalb, damit wir als Deutschland, aber auch als G20, als die führenden Wirtschaftsnationen der Welt, hierauf reagieren und die nötigen Lösungen finden, hat die Bundesregierung dieses Thema auch auf die G20-Agenda gepackt. Das heißt, wir handeln.

Herr Weißgerber hat es schon gesagt: Wir haben in dieser Legislaturperiode massiv mehr in die Entwicklungszusammenarbeit investiert. Aber wir setzen das Thema auch auf die globale Agenda und wollen unsere internationalen Partner dabei mitnehmen.

Frage: Herr Knödler, da Herr Weißgerber darauf hingewiesen hat, dass in diesem Jahr die ODA-Quote von 0,7 Prozent erfüllt werden wird: Wird das nach den vorliegenden Zahlen auch im nächsten Jahr der Fall sein? Wenn nicht, warum nicht?

Knödler: Wie ich gerade schon sagte, ist die Position unseres Ministers und unseres Hauses, dass das 0,7-Prozent-Ziel dauerhaft und nachhaltig erreicht werden muss. Die OECD und auch wir haben sehr transparent kommuniziert, dass in diesem Jahr und im letzten Jahr auch die Flüchtlingsausgaben in Deutschland ein Beitrag zur Erreichung des Ziels waren und sind. Wir sehen es deshalb als Aufgabe der Bundesregierung an beziehungsweise es wird dann eben auch die Entscheidung einer zukünftigen Bundesregierung sein, nach der Wahl mit den entsprechenden Mehrheiten dafür zu sorgen, dass die Quote auch in Zukunft erreicht wird.

Zusatzfrage: Bedeutet das, da die Flüchtlingsausgaben ja jeweils nur einmalig angerechnet werden können, dass, wenn nicht im nächsten Jahr zusätzliche Mittel aus dem regulären Bundeshaushalt kommen, dann die 0,7-Prozent-ODA-Quote nicht erreicht werden würde?

Knödler: Mir liegen die Zahlen zu den Flüchtlingsausgaben für das nächste Jahr noch nicht vor. Uns allen liegen sie noch nicht vor. Wir wissen es nicht.

Klar ist - das Ziel ist formuliert, und das ist auch die Position der Bundesregierung -, dass wir dauerhaft und nachhaltig das 0,7-Prozent-Ziel erreichen wollen und müssen und dass wir dafür - das ist unsere Position - die notwendigen Schritte auch einleiten müssen.

Dazu, was das für Konsequenzen auch auf einen Haushalt in der Zukunft haben wird: Es wird dann eben die Aufgabe einer zukünftigen Bundesregierung sein, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, damit dieses Ziel, wie ich vorhin schon sagte - ich wiederhole mich noch einmal -, dauerhaft und nachhaltig erreicht werden kann.

Frage: Herr Schäfer, wird zu den Gesprächsthemen (auf der Reise des Bundesaußenministers nach Russland), da Sie Syrien erwähnten, auch das gehören, was die US-Regierung zu wissen meint, nämlich dass offenbar Vorbereitungen für einen neuerlichen Giftgasangriff getroffen werden? Verfügen Sie über diese oder weitergehende Erkenntnisse? Wird das thematisiert werden? Russland bestreitet das ja, glaube ich.

Schäfer: Ich kann Ihnen von keinen eigenen Erkenntnissen der Bundesregierung berichten. Wenn es um Syrien geht, dann geht es ganz bestimmt auch um aktuelle Fragen, und dies ist eine aktuelle Frage. Der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien wie überall sonst ist ein furchtbarer Tabubruch, auf den die internationale Staatengemeinschaft in den letzten Jahren in Syrien in unterschiedlicher Weise reagiert hat. Dass die amerikanische Regierung so etwas sagt und dass sich auch der französische Präsident in ganz ähnlicher Weise eingelassen hat, spiegelt, glaube ich, einfach wider, wie sehr es verabscheuenswürdig ist, diese Art von Waffen in jeglicher Art von internem Bürgerkrieg oder in kriegerischen Auseinandersetzungen einzusetzen. Das Gefühl und die Überzeugung, dass sich das in jeder Hinsicht nicht gehört und auch völkerrechtswidrig ist, teilen wir absolut.

Wir hoffen, dass wir dabei auch mit der russischen Seite an einem Strang ziehen. Wir haben in der Vergangenheit durchaus einmal Schwierigkeiten mit der russischen Regierung gehabt, die nicht bereit war, den einen oder anderen Schritt, den große Teile der Staatengemeinschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gehen wollten, mitzugehen. Deshalb ist es durchaus möglich, ja vielleicht sogar wahrscheinlich, dass das in den Gesprächen des Außenministers auch zur Sprache kommen kann.

Frage: Zum G20-Gipfel und den Anfragen des türkischen Präsidenten, in Deutschland Veranstaltungen abzuhalten - ich weiß nicht, ob Frau Demmer oder Herr Schäfer dazu etwas sagen möchten -: Was ist diesbezüglich die Position der Bundesregierung? Inwiefern muss man das jetzt qualitativ anders einschätzen, als wenn er zu Zeiten des Wahlkampfs angefragt hätte?

Herr Plate, haben Sie vielleicht einen Überblick, wie viele dieser Anfragen an Deutschland gestellt wurden?

SRS'in Demmer: Die Türkei ist ja Mitglied der G20, deswegen wird Präsident Erdogan auch am Gipfel in Hamburg teilnehmen. Bisher sind von türkischer Seite aber keine Reisepläne von Staatspräsident Erdogan auf offiziellem Wege an die Bundesregierung herangetragen worden, die über das G20-Programm in Hamburg hinausgehen.

Zusatzfrage: Herr Plate, gibt es bei Ihnen einen Überblick zu den Anfragen für Veranstaltungen nach dem G20-Gipfel?

Plate: Die türkische Seite stellt Veranstaltungsanfragen der von Ihnen beschriebenen Art mangels Zuständigkeit nicht an das Bundesinnenministerium.

Zusatzfrage: Würde die Bundesregierung diese Veranstaltungen nach dem G20-Gipfel - wenn sie denn stattfinden -, qualitativ-inhaltlich anders bewerten als während der Wahlkampfzeiten?

SRS'in Demmer: Das ist ja eine sehr hypothetische Frage.

Frage : Frau Demmer, es geht mir im Grunde genommen auch ein bisschen um G20, allerdings um das Verhältnis zu den USA: Es gab gestern Abend eine Veranstaltung, in der der US-Handelsminister Ross per Videoschalte eine Rede gehalten hat, die dann nach 20 Minuten sozusagen abgedreht wurde. Da war ja auch die Kanzlerin abwesend. War es im Sinne der Kanzlerin, dass sein Auftritt beziehungsweise diese Rede beendet wurde? Es war ja dann so, dass sie direkt danach gesprochen hat und im Grunde genommen auch auf diese Rede Bezug genommen hat; man hatte aber ein bisschen den Eindruck, dass auch sie nicht unerfreut war, dass das Ross-Statement beziehungsweise seine Rede beendet wurde. Hat man eigentlich noch eine Hoffnung, dass man mit den USA beim Thema Handel irgendwie noch auf einen gemeinsamen Nenner kommt, oder ist der Eindruck korrekt, der auch gestern Abend entstanden ist, dass die deutsche Seite die amerikanischen Argumente in diesem Handelsstreit kennt und auch nicht weiter Lust hat, zuzuhören?

SRS'in Demmer: Das sind ja ganz viele Fragen auf einmal. Zunächst einmal: Ich war gestern Abend nicht dabei, deswegen kann ich dazu gar nichts sagen; dazu müsste sich vielleicht das Ressort äußern.

Zum Thema Handel würde ich gern darauf verweisen, dass auf dem G7-Gipfel in Taormina ein sehr erfolgreiches Kommuniqué entstanden ist, gerade zum Thema Handel. Ansonsten würde ich jetzt an das Ressort verweisen.

Alemany: Ich kann gern etwas zum Thema Handel sagen. Zur Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrates gestern kann ich naturgemäß nichts sagen; ich war auch nicht dort.

Zum Thema des Verhältnisses mit den USA hat sich Ministerin Zypries jetzt ja schon mehrfach geäußert. Sie sieht die gegenwärtige Ausrichtung der US-Handelspolitik in Richtung mehr Protektionismus, mehr Isolationismus mit großer Sorge. Insgesamt ist die Haltung des BMIs und der ganzen Bundesregierung ja immer gewesen, dass durch Abschottung niemand gewinnt - am allerwenigsten die USA, wo ja immerhin 41 Millionen Jobs vom Handel abhängen. Handel ist kein Kampf, bei dem der eine gewinnt und der andere verliert; vielmehr geht es im Handel um regelbasiertes Handeln, wie es die WTO garantiert, und es geht um Dialog. Der ist jetzt natürlich umso wichtiger; deswegen hat Ministerin Zypries auch verdeutlicht, dass sie es schade fand, dass der Deutschland-Besuch von Herrn Wilbur Ross gestern aufgrund von Terminschwierigkeiten von Herrn Ross nicht stattfinden konnte.

Unser Hauptthema, das uns momentan in Bezug auf die Amerikaner Sorge bereitet, ist das Thema Stahl. Wie Sie sicherlich mitbekommen haben, prüfen die USA derzeit den Stahlbereich, um eventuell Schutzmaßnahmen einzuleiten, wenn der Bericht, den Herr Ross schreibt oder schon geschrieben hat, zu dem Schluss käme, dass eine Gefährdung nationaler US-Verteidigungsinteressieren besteht. Der Bericht liegt noch nicht vor, aber wir erwarten, dass es, wenn er zu dem Schluss käme, dass eine Gefährdung der nationalen Sicherheit in Amerika besteht, im Stahlbereich möglicherweise zu Zöllen oder Einfuhrbeschränkungen kommen könnte. Das würde natürlich unsere Stahlfirmen vor große Probleme stellen. Unser Staatssekretär Machnig hat dazu jetzt schon zwei Telefonschaltkonferenzen mit seinem amerikanischen Pendant durchgeführt, um Antworten auf die drei großen Fragen "Was?", "Wann?" und "Wie?" zu erhalten. Zu allen drei Fragen haben wir bislang noch keine besonders zielführenden Antworten erhalten, wir wissen also schlicht nicht, was in dem Bericht steht und wann er vorgelegt wird - wahrscheinlich aber in Kürze.

Jetzt warten wir erst einmal ab. Ich möchte aber nicht unerwähnt lassen, dass wir keinerlei Anhaltspunkte dafür sehen, dass unsere Stahlexporte - seien es die deutschen oder die europäischen Stahlexporte - in die USA irgendeinen Anlass für eine Beeinträchtigung der nationalen Sicherheit der USA bewirken könnten. - So viel von uns gesagt.

Zusatzfrage : Das war ja jetzt doch ganz ausführlich. - Dann habe ich noch eine Nachfrage: Hat sich Frau Zypries, die ja so sehr bedauert hat, dass Herr Ross jetzt doch nicht nach Deutschland gekommen ist, die Rede von ihm gestern Abend angehört? Die war ja tatsächlich doch ziemlich lang und wurde ja nach 24 Minuten mit genau dem Argument abgeschaltet, dass er eigentlich nur zehn Minuten reden wollte. Das muss sie dann ja auch irgendwie bedauert haben, wenn sie die Rede gehört hat.

Alemany: Wie gesagt, ich kann hier als Sprecher des Wirtschaftsministeriums zu einer CDU-Veranstaltung nichts sagen. Wir haben natürlich die Medienberichterstattung darüber verfolgt, und die Argumente, die dort verlautbart wurden, sind uns auch nicht neu. Es gibt ja schon länger eine Kritik der Amerikaner an unserem Leistungsbilanzüberschuss. Auch dazu wurden, glaube ich, alle Argumente bei der Reise unserer Ministerin in die USA ausgetauscht. Wie Sie wissen, sind die meisten Faktoren, die den Leistungsbilanzüberschuss ausmachen, nicht von politischer Hand beeinflussbar, wie zum Beispiel der Erdölpreis oder der Wechselkurs. Das sind ja Dinge, die den Leistungsbilanzüberschuss zum großen Teil beeinflussen. Die Dinge, die man tun kann, nämlich die Binnenkonjunktur stärken, haben wir in dieser Legislaturperiode gemacht. Wir drängen auch immer weiter darauf, die öffentlichen Investitionen in Deutschland zu stärken; denn das dämpft diesen Effekt ein bisschen. Die Kritik, die gestern in der Rede noch einmal verdeutlicht wurde beziehungsweise die heute medial transportiert wurde, ist jedenfalls nicht neu.

Uns ist wichtig, im Dialog zu bleiben und zu erklären. Wie gesagt, auch in Amerika hängen sehr viele Jobs vom Handel ab, insofern wird Abschottung nicht zuletzt auch die USA treffen; sie wird aber natürlich auch sehr viele andere Länder treffen. Die dafür richtige Plattform ist die G20-Ebene und der Verhandlungstisch, aber keine einseitigen Abschottungsmaßnahmen.

SRS`in Demmer: Weil ich eben auf G7 rekurriert habe, würde ich noch einmal sagen wollen: Die Bundeskanzlerin weist ja immer wieder darauf hin, dass Abschottung und Protektionismus eine klare Absage zu erteilen ist. Die Bundesregierung wird den G20-Vorsitz natürlich auch weiterhin dazu nutzen, die Vorteile von grenzüberschreitendem Handel und offenen Märkten zu betonen und eine Diskussion über die Gestaltung der Globalisierung dort zu führen.

Frage: An das Bauministerium zum Hochhausbrand in London und die Evakuierung jetzt in Wuppertal: Nach dem Brand in London ist ja gesagt worden, dass so etwas in Deutschland eigentlich nicht vorkommen könne, weil hier bei Hochhäusern nur nichtbrennbare Materialien zum Dämmen verwendet werden dürfen. Offensichtlich war das in Wuppertal nicht der Fall. Da würde mich jetzt interessieren: Halten Sie das für einen absoluten Einzelfall oder kann das auch anderswo passieren? Was müsste passieren, um jetzt herauszufinden, wo gegen diese Regelung verstoßen worden ist?

Wettern: Vielen Dank für die Frage. - Es werden ja sicherlich alle Kollegen mitbekommen haben, dass heute Morgen das Wuppertaler Hochhaus geräumt wurde. Im Rahmen einer turnusmäßigen baurechtlichen Überprüfung war festgestellt worden, dass das Hochhaus nicht ausreichend und sicher genug gedämmt ist. Der Eigentümer wurde darauf hingewiesen, mit der Maßgabe, Änderungen bei der Dämmung einzuführen. Das ist nicht erfolgt. Daraufhin wurde nach unserem Kenntnisstand die Evakuierung eingeleitet. Das war also sozusagen eine bauordnungsrechtliche Maßgabe; insofern hat das Baurecht oder das Bauordnungsrecht gegriffen. Gleichwohl werden wir den Bundesländern vorschlagen, die zurzeit sechsjährige Überprüfungsfrist für diese Dämm- und Brandschutzvorgaben zu verkürzen.

Zu der Aussage, dass das überhaupt nicht vorkommen dürfe: Wir gehen derzeit davon aus, dass das mit dem Hochhaus ein Einzelfall ist. Es gibt allerdings keine bundesweite Datensammlung dazu. Wir haben uns heute umgehend mit den zuständigen Bauministerinnen und Bauministern in Verbindung gesetzt und uns auch mit dem Vorsitzenden der Bauministerkonferenz zu diesem Thema verständigt. Zu dieser Absprache - Entschuldigung, das ist bei mir erst auf den Tisch geploppt, während ich hier schon saß -: Wir stehen zusätzlich bereits mit den Behörden in Wuppertal und NRW in Kontakt, um noch einmal genauere Daten über das Hochhaus zu erhalten und dann in den Ländern - das haben die Kolleginnen und Kollegen der Bauministerien heute Morgen schon einmal abgesprochen - überhaupt Daten darüber zu erheben, welche und wie viele Häuser ein ähnliches Gefährdungspotenzial haben.

Zusatzfrage: Wenn Sie das jetzt erst erheben wollen, was ist dann die Grundlage für Ihre Aussage, dass Sie davon ausgehen, dass es sich um einen Einzelfall handelt?

Wettern: Das kann ich Ihnen aktuell nicht beantworten.

Zusatzfrage: Noch eine Lernfrage: War es schon immer verboten, an Hochhäusern brennbare Dämmmaterialien zu verwenden, oder ist diese Regelung erst später eingeführt worden?

Wettern: Dazu muss ich gerade noch einmal ablesen: Vorschriften, nach denen an Neubauten Wärmedämmung an Außenwänden gefordert wird, gibt es schon seit 1977; seit 1984 gibt es das auch für Altbauten. Die Zahl der Hochhäuser und sonstigen Gebäude, an denen möglicherweise brennbare Dämmstoffe angebracht wurden, können wir jetzt aber wirklich noch nicht beziffern. 2007 sind die Auflagen für brennbare Dämmstoffe noch einmal konkretisiert worden beziehungsweise überhaupt erst verabschiedet worden.

Frage: Herr Plate, ist die Sicherheitslage in Deutschland ab sofort noch bedrohlicher, nachdem die Bundesnetzagentur die Vorratsdatenspeicherung gestoppt hat? Oder hat es keine Auswirkungen auf die Sicherheitslage, ob die Vorratsdatenspeicherung praktiziert wird oder nicht?

Plate: Zu den Auswirkungen auf die Sicherheitslage hatte ich mich in der letzten Regierungspressekonferenz, in der ich hier saß, bereits geäußert - wenn ich das richtig in Erinnerung habe, war das am Freitag. Das gilt weiterhin genau so, wie ich es auch da schon gesagt habe.

Zusatzfrage: Da ich am Freitag nicht da sein konnte, -

Plate: Dann müssten Sie wohl in das Protokoll schauen.

Zusatzfrage: - kann ich es entweder nachlesen oder Sie fassen das netterweise in einem Satz zusammen. Ich entnehme Ihrer Miene aber - -

Plate: Nein, ich kann das gerne noch einmal zusammenfassen, wenn Sie mögen. Dann erlaube ich mir aber noch einen kleinen Ausflug zur Frage der Erhöhung der Gefährdungslage im Allgemeinen.

Der Minister hat schon häufig gesagt, und auch hier haben das verschiedene Sprecherinnen und Sprecher des BMI schon häufiger gesagt: Die Gefährdungslage ist unverändert hoch. Eine wie auch immer geartete Steigerung von "hoch" ergibt ohnehin keinen wirklichen Sinn.

Zu dem konkreten Thema Vorratsdatenspeicherung sei nur einmal darauf hingewiesen, dass das in erster Linie kein Instrument der Gefahrenabwehr, sondern der Strafverfolgung ist. Insofern lassen sich, ehrlich gesagt, jedenfalls unmittelbare Auswirkungen auf die Gefährdungslage etwas schwierig beschreiben, nämlich im Wesentlichen dadurch, dass die Vorratsdatenspeicherung auch ein Instrument ist, mit dem Netzwerkstrukturen, die hinter Tätern stehen, deren Straftaten damit aufgeklärt werden, leichter entdeckt werden können und dieses Instrument damit natürlich auch ein Gefahrenabwehrpotenzial hat. Richtig ist aber: Bisher gibt es keine Vorratsdatenspeicherung in dem Sinne - es wäre ja jetzt erst losgegangen -, sodass der Sicherheitsgewinn, den ich gerade beschrieben habe, im Wesentlichen einer ist, der nicht eintritt, wenn das jetzt ab dem 1. Juli von der Bundesnetzagentur so gehandhabt wird wie beschrieben. Insofern kann man jetzt weniger von einer Verschlechterung als von einem Ausbleiben der beabsichtigten Verbesserung reden.

Frage: Was bedeutet denn das Aussetzen der Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung für dieses politische Instrument oder Vorhaben? Ist es damit gestorben, oder wie soll es damit weitergehen?

Plate: Die Frage richtet sich, glaube ich, nicht an mich - oder sollte sich jedenfalls nicht überwiegend an mich richten -, denn das ist ja in einem Gesetz festgelegt, das in der Federführung des BMJV liegt. Die jetzt konkret in Rede stehende Umsetzungsproblematik liegt bei der Bundesnetzagentur; das ist also etwas, was beim BMWi liegt. Beim BMI liegt eigentlich kein richtiger Teil der Frage, die Sie gestellt haben. Ich möchte an dieser Stelle trotzdem darauf verweisen, dass es im Moment noch nicht einmal eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren gibt, sodass Schlussfolgerungen, wie Sie sie in Ihrer Frage nahegelegt haben, jedenfalls verfrüht sind.

Zusatzfrage: Fühlt sich das Justizressort berufen, dazu etwas zu sagen?

Scholz: Herr Plate hat es vollkommen richtig gesagt: Die konkreten Fragen, die jetzt die Entscheidung der Bundesnetzagentur betreffen, müssten Sie an die Kollegin vom Bundeswirtschaftsministerium richten. Ich kann ansonsten auch nur das wiedergeben, was wir zu diesem Thema hier schon in der letzten Woche gesagt haben, nämlich dass, wie Sie wissen, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts im Rechtsschutz ergangen ist und eine Entscheidung in der Hauptsache insofern noch aussteht. Die gilt es jetzt abzuwarten. Sie wissen sicherlich auch, dass Verfassungsbeschwerden zu diesem Gesetz anhängig sind, über die auch noch nicht entschieden worden ist. Da muss man jetzt also abwarten, wie diese Verfahren ausgehen.

Zusatzfrage: Kann dazu noch Frau Alemany etwas sagen, weil sie mehrfach angesprochen wurde?

Alemany: Ich kann zu 113b TKG ausführen, den die beiden Herren schon angesprochen haben. Es ist richtig, dass das Gesetz ab dem 1. Juli gilt. Aber die Bundesnetzagentur hat heute veröffentlicht, wie sie damit umgehen möchte, weil wir alle, wie gesagt, den Beschluss des Hauptsacheverfahrens noch abwarten müssen. Bis dahin sieht die BNetzA von allen Maßnahmen zur Durchsetzung der geregelten Speicherverpflichtung ab. Das heißt, es wird weder Bußgeldverfahren noch sonstige Überprüfungen oder Nachforschungen geben. Das alles ruht jetzt, bis eine Entscheidung da ist.

Zusatzfrage: Dann versuche ich doch noch eine letzte Nachfrage an wen auch immer. Wenn die gerichtliche Begründung ist - auch wenn ein Hauptsacheverfahren noch abzuwarten ist -, dass es nicht EU-Recht beziehungsweise den EU-Datenschutzrichtlinien entspricht, wo sind dann die politischen Fehler bei der Ausarbeitung dieses politischen Instruments gemacht worden beziehungsweise wo liegt der Dissens oder warum denken Sie nach wie vor, dass es EU-Recht entspricht? War die Vorratsdatenspeicherung nicht eine politische Fehlentscheidung? Muss man das nicht einmal so eingestehen, wenn es von Gerichten so festgestellt wird?

Alemany: Ich denke, grundsätzlich verbietet es sich, jetzt schon Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, was ein möglicher Beschluss und eine mögliche Begründung beinhaltet. Man müsste sich, denke ich, schon erst einmal anschauen, was das Hauptsacheverfahren und vor allem die anderen anhängigen Verfahren bringen, was dann in den Entscheidungen steht und wie das Gericht es sieht. Dann kann man gegebenenfalls Änderungen einleiten.

Plate: Einen Satz möchte ich vielleicht doch noch dazu sagen, weil Sie sagten, Gerichte hätten das festgestellt. Richtig ist: Bisher haben drei Gerichte Gelegenheit gehabt, sich in verschiedenen Konstellationen zu der Neuregelung zu äußern, und eines davon hat sich in einem Eilverfahren so geäußert, wie Sie es gesagt haben.

SRS'in Demmer (zum G20-Gipfel in Hamburg): Mir schien es doch zu brüsk. Deshalb möchte ich gern noch anfügen, dass es im Falle einer solchen Anfrage natürlich viele schwierige Aspekte zu bedenken geben würde. In den vergangenen Wochen und Monaten ist ja einiges passiert. Die Beziehungen sind nicht einfacher geworden.

Frage: Eine Frage an Herrn Plate: Ist die Feierkultur einzelner Polizeihundertschaften geeignet, das Vertrauen der Bürger in jederzeit korrekte Polizeiarbeit, vor allem im Zusammenhang mit Großereignissen, zu beeinträchtigen?

Sehen Sie vor dem Hintergrund Anlass, sich damit dienstlich zu beschäftigen, wie einer solchen Beeinträchtigung entgegengewirkt werden kann, oder ist das ganz allein Ländersache?

Plate: Auch wenn Ihre Frage eher allgemein formuliert ist, bezieht sie sich, denke ich, auf einen ganz konkreten Vorfall im Zusammenhang mit der Berliner Landespolizei. Das liegt ersichtlich in ausschließlicher Zuständigkeit des Landes Berlin. Die zuständigen Kollegen haben sich dazu schon entsprechend geäußert. Ich denke, diesen Äußerungen ist echt überhaupt gar nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Ich habe die Frage deswegen ein wenig allgemeiner gestellt, weil man sich auch die Frage stellen kann: Das war ja nicht nur individuelles Verhalten, sondern in größerem Zusammenhang. Ich denke, kommuniziert wurde es dann aber eher von Menschen, die das von außen her mitbekommen haben. Welche Mechanismen innerhalb von Polizei funktionieren nicht, dass sich so etwas überhaupt als organisiertes Verhalten ereignen kann?

Plate: Neben dem, was ich schon gesagt habe, kann ich dazu vielleicht nur ergänzen: Dafür, dass sich das Verhalten, das Sie beschreiben und über das zu lesen war, irgendwie als Verhalten der Polizei im Allgemeinen verallgemeinern lässt, habe ich wirklich nicht den leisesten Hinweis - nicht bei der Polizei in Berlin und schon sowieso nicht bei der Polizei in allen 16 Bundesländern oder bei der des Bundes.

Zusatzfrage: Ich meinte auch nicht die Polizei im Allgemeinen, never. Aber es sind Polizeieinheiten. Ich will jetzt nicht den Begriff "Korpsgeist" oder etwas Ähnliches hineinbringen. Wir hatten in der Diskussion um die Bundeswehr auch die Thematik, ob manche Organisationsstrukturen so etwas fördern und eine selbstkritische Auseinandersetzung damit behindern. Das ist der Hintergrund der Frage.

Plate: Das gibt mir, ehrlich gesagt, trotzdem überhaupt keine Veranlassung, irgendetwas anderes zu sagen als das, was ich gerade gesagt habe.

Frage: Ich habe noch eine Frage zur Russlandreise des Außenministers. Herr Gabriel soll heute gesagt haben, dass er eine konstruktive Vorgehensweise von Russland erwarte. Was würden Sie als konstruktive Vorgehensweise zum Beispiel im Syrien-Konflikt, in der Ukraine, in Afghanistan oder in Libyen bezeichnen?

Schäfer: Sie machen ein weites Feld auf. Aber weil Sie die Ukraine erwähnen: Da ist es eigentlich ziemlich einfach. Es gibt schöne Minsker Vereinbarungen vom Herbst 2014 und vom Winter 2015 aus Minsk, die unter Beteiligung des russischen Präsidenten und der russischen Regierung ausbuchstabieren, was die nächsten und die richtigen Schritte sind, um zu einer Überwindung des Konflikts in der Ostukraine beizutragen. Es wäre ganz sicher konstruktiv, wenn man das tun würde. Das ist relativ einfach.

Bei der Annexion der Krim ist es ganz genauso. Sicherlich ist es nicht konstruktiv, wenn man gegen jede Regel des Völkerrechts einem Nachbarstaat ohne dessen Zustimmung einen Teil des Territoriums wegnimmt und einfach so Grenzen verändert. Das ist nicht nur nicht konstruktiv, sondern das ist sogar ein Verstoß gegen all die Vereinbarungen, die unter Beteiligung der russischen Föderation am Ende des Kalten Krieges getroffen wurden.

In Syrien ist es konstruktiv, wenn man im Geleitzug mit anderen Teilen der Staatengemeinschaft darauf hinwirkt, dass der syrische Präsident Assad seinen Krieg gegen das eigene Volk einstellt, in dessen Folge mehrere hunderttausend Menschen ums Leben gekommen sind und weiter sterben. Konstruktiv ist es in Syrien, gemeinsam mit der internationalen Staatengemeinschaft dabei zu helfen, dass die vom Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen, Staffan de Mistura, für Mitte Juli angesetzten Friedensverhandlungen in Genf zu einem guten Ende führen können. Denn das Assad-Regime wird sich nur dann bewegen - das zeigen alle Erfahrungen der letzten Jahre -, wenn diejenigen, die jedenfalls meistens hinter ihm stehen, nämlich die Regierung in Teheran, nein, mehr als die Regierung in Teheran, die Verantwortlichen in Teheran und die Regierung in Moskau entsprechenden Druck ausüben. Das wäre auch konstruktives Verhalten.

Aber ich kann Ihnen dafür noch ganz, ganz viele andere Beispiele geben, wenn Sie das wollen.

Zusatzfrage: Eine Nachfrage zum Minsker Abkommen: Sie haben gesagt, dass es dafür ein Abkommen gibt. Ende letzten Jahres wurde auch verabschiedet, dass man eine Roadmap dazu macht. Wie sieht es mit der Roadmap aus? Ist sie jetzt teilweise fertig oder nicht? Gibt es eine Möglichkeit, dass Sie vielleicht ein Staats- oder Regierungschef bei einem nächsten Gipfel vorstellt?

Schäfer: Sie spielen auf eine Vereinbarung der Staats- und Regierungschefs im Normandie-Format an, die sich im Herbst letzten Jahres getroffen haben. Dort wurde in der Tat vereinbart, eine Roadmap auszuarbeiten, um die Roadmap der Minsker Vereinbarung umzusetzen. In der Folge hat es noch Ende letzten Jahres, aber auch in diesem Jahr sehr intensive Verhandlungen darum gegeben, die letztlich immer wieder an den gleichen Punkten auf Schwierigkeiten stießen wie die anderweitige Umsetzung der Minsker Vereinbarung. Es ist dann immer wieder an Berlin und Paris, an der deutschen Regierung und der französischen Regierung, die Partner im Normandie-Format, nämlich die Regierungen in Kiew und in Moskau, darauf hinzuweisen, dass eine Überwindung der Krise nur dann möglich ist, wenn von beiden Seiten wirklich die ernsthafte Bereitschaft dazu besteht, das zu tun, was von ihnen selber unterzeichnet wurde, nämlich all das umzusetzen, was in den Minsker Vereinbarungen beschlossen worden ist. Daran hapert es bis heute. Das gilt auch für die Vereinbarung und die Verhandlungen über die Roadmap, so wie sie von den Staats- und Regierungschefs im Herbst letzten Jahres in Auftrag gegeben wurde.

Ich weiß nicht, ob die Frage war - Sie haben es angedeutet -, ob es noch zu Treffen kommen kann. Die Antwort lautet Ja. Natürlich kann es zu Treffen kommen. Im Hintergrund, sozusagen ohne große öffentliche Aufmerksamkeit, gibt es immer Gespräche, nicht nur in den Minsker Arbeitsgruppen, in der Minsker Kontaktgruppe, sondern auch im Normandie-Format zwischen den Beamten und auf der hohen Beamtenebene. Immer dann, wenn wir glauben würden, dass es politisch sinnvoll ist, ein bestimmtes Thema, eine bestimmte Sorge zum Beispiel um den immer noch nicht haltenden Waffenstillstand auf eine politische Ebene zu ziehen, dann würden wir das tun und unseren Partnern vorschlagen, sich gegebenenfalls auf der Ebene der Außenminister oder sogar darüber hinaus zu treffen. Aber von konkreten Plänen kann ich Ihnen jetzt nicht berichten.

Mittwoch, 28. Juni 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 28. Juni 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/06/2017-06-28-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2017

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