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PRESSEKONFERENZ/1553: Regierungspressekonferenz vom 23. Oktober 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift Pressekonferenz - Montag, 23. Oktober 2017
Regierungspressekonferenz vom 23. Oktober 2017

Themen: Unterhauswahl in Japan, Abgeordnetenhauswahl in Tschechien, Ausbildungsmission der Bundesregierung im Nordirak, deutsche Waffenlieferungen an die Streitkräfte der Autonomen Region Kurdistan im Irak, Forderung nach einer europäischen Initiative für eine Nahostkonferenz, Verlängerung der Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat, Bildung einer neuen Bundesregierung, neue Webseite der Informationskampagne #RumoursAboutGermany des Auswärtigen Amtes, Regierungsabkommen über eine finanzielle Unterstützung für die Beschaffung von drei weiteren U-Booten für die israelische Marine, Rechtsextremismus in der Bundeswehr, konstituierende Sitzung des Deutschen Bundestages, Auslieferungsersuchen der Türkei nach dem Putsch im Juli 2016, inhaftierte deutsche Staatsangehörige in der Türkei

Sprecher: StS Seibert, Flosdorff (BMVg), Baron (BMWi), Adebahr (AA), Reymann (BMEL), Haufe (BMU), Kalwey (BMF), Malachowski (BMJV)


Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich möchte ein paar Worte zu Japan sagen. Gestern waren dort Unterhauswahlen. Nach dem Wahlerfolg von Ministerpräsident Shinzo Abe und seiner Liberaldemokratischen Partei freut sich die Bundesregierung darauf, die traditionell engen, freundschaftlichen und vertrauensvollen Beziehungen unserer beiden Länder fortzusetzen. Wir sind uns mit Japan ganz und gar einig im Einsatz für eine regelbasierte und stabile Weltordnung. In dieser Einigkeit arbeiten wir gemeinsam als G7-Partner, G20-Partner und im Rahmen der Vereinten Nationen.

Die Bundeskanzlerin wird Ministerpräsident Abe, wie es in solchen Fällen üblich ist, gratulieren. Wir werden dieses Schreiben veröffentlichen, sobald es übersandt wurde.

Frage: Können Sie, Herr Seibert, vielleicht ein paar ähnliche Worte, eine Einschätzung zu der tschechischen Wahl sagen? - Vielen Dank.

StS Seibert: Dies tue ich gern, aber vielleicht nicht so ausführlich, wie Sie es sich wünschen würden.

Die Bundesregierung hat natürlich die deutliche Veränderung des tschechischen Wählerverhaltens zur Kenntnis genommen. Die ANO-Partei von Herrn Babis hat sehr stark abgeschnitten und mit Abstand die meisten Stimmen bekommen. Nun gilt es für die europäischen Partner Tschechiens in erster Linie, die Regierungsbildung abzuwarten.

Ganz klar ist, dass Tschechien ein wichtiger Partner in der Europäischen Union und in der Nato bleibt. Darauf hat auch Herr Babis nach dem Wahlerfolg seiner Partei Bezug genommen.

Zusatzfrage: Denken Sie, dass die deutsch-tschechischen Beziehungen durch die Wahl beeinflusst werden könnten, schließlich ist Herr Babis gegen Migration und auch gegen den Euro?

StS Seibert: Wissen Sie, die Beziehungen zwischen Deutschland und Tschechien sind sehr eng und sehr vertrauensvoll. Die Schnittmenge unserer Interessen - deutscher wie tschechischer - ist sehr groß. Deswegen geht die Bundesregierung davon aus, dass die Zusammenarbeit sowohl bilateral als auch in der Europäischen Union auch in Zukunft konstruktiv sein wird.

Frage: Nur ein kleiner Zusatz: Hat die Bundeskanzlerin Herrn Babis schon gratuliert?

StS Seibert: Nein, sie hat noch nicht gratuliert. Wir wollen die Regierungsbildung abwarten. Dann wird das zum gegebenen Zeitpunkt geschehen.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Flosdorff, und zwar zum Auslandseinsatz im Nordirak. Nach der Aussetzung wurde die Ausbildung jetzt wieder aufgenommen. Ich wüsste von Ihnen gern, was sich im Vergleich zum Ende der vergangenen Woche an der Lage so grundlegend geändert hat, dass man jetzt wieder ausbildet und warum das keine, so möchte ich sagen, Zickzackbewegung dieses Einsatzes ist.

Dann würde mich in diesem Zusammenhang noch Folgendes interessieren: In den Bundestagsdebatten zur letzten Verlängerung im Januar gab es vonseiten der Grünen und sicherlich auch von anderen Bedenken in Bezug auf die Endverbleibskontrolle von Waffen. Da jetzt wieder Meldungen die Runde machen, dass diese Waffen im innerirakischen Konflikt eingesetzt werden, will ich fragen: Wie stellen Sie sicher, dass die Waffen, die Sie geliefert haben, nicht zweckentfremdet werden?

Flosdorff: Vielen Dank für die Frage. - Wenn Sie im Protokoll noch einmal genau nachschauen, dann werden Sie sehen, dass ich am Freitag der vergangenen Woche schon gesagt habe, dass sich die Lage weiter beruhigt hatte. Die Ministerin hatte sowohl mit dem irakischen Regierungschef al-Abadi als auch mit dem Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan, Herrn Barzanî, telefoniert. Sie hatte mit ihrem amerikanischen Amtskollegen gesprochen. Die große Richtung war, dass alle an einem Strang ziehen wollen, um die Lage weiter zu beruhigen, die Interessenkonflikte auf friedlichem Wege beizulegen, wieder an den Verhandlungstisch zu kommen und es nicht in gewaltsame Konflikte größeren Ausmaßes ausarten zu lassen.

Am vergangenen Freitag gab es in geringerem Umfang noch einmal Gefechte; das ist richtig. Vorweg: Wir haben keine Anzeichen dafür, dass dort zum Beispiel, wie in Medien berichtet, Panzerabwehrraketen vom Typ MILAN zum Einsatz gekommen sind. Es ist möglich, dass sich dort Kräfte vonseiten der Peschmerga aufgehalten haben, die über deutsche Gewehre verfügten. Ich verweise aber auch darauf, dass es im Raum Kirkuk durchaus noch die Präsenz von IS-Kräften gibt.

Im Großen und Ganzen konsolidiert sich die Lage im Nordirak. Das hat uns dazu bewogen, am vergangenen Sonntag die Ausbildung wieder aufzunehmen. Dabei handelt es sich um wöchentliche Module, die immer sonntags beginnen. Wir haben sie also für eine Woche ausgesetzt. Aktuell sind wieder 400 Peschmerga in der Ausbildung. Dabei geht es vornehmlich um Minenräumung und ABC-Abwehr.

Ich verweise auch darauf, dass Deutschland dort nicht allein aktiv ist oder allein ausbildet, sondern dass wir dort ein sehr wichtiges Element in einem Verbund von Alliierten sind, die diese Ausbildung gemeinsam stemmen. Deutschland stellt unverzichtbare Beiträge dazu.

Wenn Sie darauf verweisen, dass es jetzt eine Revision dieses Auslandsengagements gibt, dann ist das richtig. Deswegen haben wir das Mandat im Kabinett erst einmal um drei Monate verlängert, sodass Gelegenheit besteht, sich über die weitere Ausrichtung in Ruhe Gedanken zu machen.

Zusatzfrage: Eine Nachfrage zur Endverbleibskontrolle: Können Sie beschreiben, welche Sicherungen Sie eingezogen haben, damit das nicht schieflaufen kann?

Flosdorff: Ich als Vertreter des Verteidigungsministeriums bin für das Thema der Endverbleibskontrolle nicht zuständig. Wir hatten das Thema hier öfter. Wir haben Zusicherungen vonseiten der Peschmerga, dass die von Deutschland gelieferten Ausrüstungsgegenstände dort ausschließlich im Kampf gegen den IS benutzt werden.

Zusatzfrage: Kann das Wirtschaftsministerium dazu ergänzen?

Baron: Ich kann noch einmal darauf verweisen, dass es sich um Fälle von Bundeswehrabgaben handelt und nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz damit das Bundesverteidigungsministerium die zuständige Behörde ist. Grundsätzlich gilt, dass die Endverbleibserklärung natürlich bei jeder Exportgenehmigung eingeholt werden und die Nachweisführung erfolgen muss. Die Details liegen bei dieser Genehmigung aber beim Bundesverteidigungsministerium.

Frage: Herr Flosdorff, wir haben das Thema des Einsatzes deutscher Waffen in der vergangenen Woche erörtert. Sie hatten vergangenen Freitag noch einmal gesagt, es gebe keine Erkenntnisse darüber, dass von den Peschmerga deutsche Waffen gegen Regierungstruppen eingesetzt worden seien. Nun habe ich Sie vorhin so verstanden, dass Sie sagten, in dem Gebiet seien ja auch IS-Kräfte unterwegs. Wollen Sie damit andeuten, dass möglicherweise diese IS-Kräfte solche deutschen Panzerabwehrwaffen einsetzten? Wie gehen Sie solchen Berichten nach? Offensichtlich sind Regierungssoldaten durch Einsatz deutscher Waffen getötet worden. Nur zu sagen: "Wir haben ein Versprechen der Peschmerga", kann in dieser Situation doch nicht ausreichen.

Flosdorff: Ich möchte an dieser Stelle erst einmal feststellen, dass es keine gesicherten Erkenntnisse darüber gibt, ob Regierungssoldaten der irakischen Armee durch deutsche Waffen zu Tode gekommen sind.

Es hat auch Nachforschungen gegeben. Wir beobachten die Lage sehr genau. Wir lassen uns auch ständig unterrichten. Wenn Sie genau in die Meldungen hineinschauen, dann sehen Sie, dass es hier Medienberichterstattung über Medienberichterstattung ist und dass es sich noch lange nicht um irgendwelche amtlich bestätigten Quellen handelt. Trotzdem nehmen wir das sehr ernst. Wir gehen allen Meldungen und Hinweisen nach auf den Wegen, die wir haben - also zum einen in Zusammenarbeit mit der Regionalregierung in Erbil, aber zum anderen sprechen wir natürlich auch mit der Zentralregierung im Irak -, und versuchen immer zu verifizieren, was an der Medienberichterstattung dran ist. Wir haben das in den vergangenen zwei Jahren hier ja häufiger gehabt. Ich erinnere mich sehr gut. Da tauchen Fotos und Filme auf. Hinterher stellt man fest, dass diese Bilder zu einem ganz anderen Zeitpunkt an einem ganz anderen Ort aufgenommen wurden. Man muss sich immer die Zeit nehmen, um genau zu verifizieren, was tatsächlich geschehen ist.

Es stimmt, Deutschland hat in sehr großem Umfang Waffen an die kurdische Autonomieregierung geliefert. Diese hat sie höchst erfolgreich im Kampf gegen den IS im Nordirak eingesetzt, Millionen eigener Bürger dort Schutz geboten und den IS zurückgedrängt. Sie haben dort auch Millionen Flüchtlingen Schutz geboten. Sie sind bisher auch allen Anfragen aus Deutschland, wenn es zu Verlusten von Waffen gekommen ist, penibel nachgegangen und haben Berichte abgeliefert. Auch dieses Thema hatten wir schon häufig hier in der Bundespressekonferenz.

Wir haben bisher keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass sich die kurdische Regionalregierung in toto hierbei vertragstreu verhält. Im Gegenteil, das wurde auch von kurdischer Seite immer ernst genommen. Insofern bitte ich um Verständnis, dass man nicht ungeprüft Dinge übernimmt, sondern dass man sich die Zeit nimmt, abzuwarten, was dabei herauskommt.

Wir können hier nur sagen: Wir beobachten die aktuelle Situation sehr genau. Wir lassen uns unterrichten. Wir gehen den Meldungen nach. Wir werden von Tag zu Tag und auch von Woche zu Woche entscheiden, wie man die Situation neu bewertet. Wir haben auch eine Phase vor uns, in der die Mandate noch einmal im Bundestag besprochen werden und in der es vielleicht neue Regierungskonstellationen gibt, die ebenfalls eigene Bewertungen vornehmen. Das ist durch die Kabinettsbeschlüsse, die wir vergangene Woche hier schon besprochen haben, auch schon angelegt. So wird es weitergehen.

Zusatzfrage: Können Sie uns zusagen, dass Sie proaktiv über mögliche neue Erkenntnisse, was den Verbleib und den Einsatz dieser Waffen angeht, berichten?

Flosdorff: Wenn es gesicherte Erkenntnisse gibt, die auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden - ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, aus welchen Quellen sie alle kommen können -, dann werde ich hier sicherlich gern darüber Auskunft geben. Ansonsten wird das in den zuständigen Gremien verhandelt.

Frage: Herr Flosdorff, da Ihr Haus ja für den Endverbleib zuständig ist, interessiert mich, was eigentlich dann passiert, wenn Sie irgendwann einmal über gesicherte Erkenntnisse verfügen sollten, dass deutsche Waffen ordnungswidrig eingesetzt wurden. Sagt die Ministerin dann: "Ihr müsst die Waffen alle wieder zurückgeben", oder gibt es eine Konventionalstrafe oder einen Brief mit einer Rüge bei rechtswidrigem Einsatz gelieferter deutscher Waffen? Was fordert das Verteidigungsministerium?

Flosdorff: Wir hatten so etwas in der Vergangenheit ja schon einmal. Es gab Berichte. Die kurdische Regionalregierung wurde dann durch die Kollegen vom Auswärtigen Amt und uns aufgefordert, den Berichten nachzugehen und zu prüfen, welche Waffen verloren gegangen sind und was von dem, was Deutschland geliefert hat, noch da ist. Das ist in einem peniblen Bericht sowohl im Auswärtigen Amt als auch bei uns zur Zufriedenheit aller vorgestellt worden.

Ansonsten gilt, dass Zuständigkeiten in der Bundesregierung sicherlich nicht hier live in der Bundespressekonferenz hin und her geschoben werden, sondern es gibt bewährte Regeln, die auch schriftlich festgelegt sind.

Zusatzfrage: Dann muss ich aber einmal nachfragen: Erzählen Sie in Sachen Endverbleibsklausel jetzt falsches Zeug oder das Wirtschaftsministerium, oder habe ich nur falsch verstanden, dass das Wirtschaftsministerium gerade gesagt hat, das Verteidigungsministerium sei zuständig, und dass das Verteidigungsministerium sagt, das Wirtschaftsministerium sei zuständig?

Flosdorff: Ich habe nur gesagt: Für die Verfolgung des Endverbleibs ist das Verteidigungsministerium nicht zuständig.

Zusatzfrage: Dem hat das Wirtschaftsministerium nicht widersprochen, oder habe ich das nur falsch verstanden?

Baron: Ich habe lediglich das Genehmigungsverfahren dargestellt. Bei Bundeswehrabgaben liegt nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz die Zuständigkeit beim Bundesverteidigungsministerium. Natürlich bedarf jede Genehmigung einer Endverbleibserklärung, die - das hat Herr Flosdorff auch dargelegt - hier eben durch die Regionalregierung in Kurdistan erteilt worden ist. Alles Weitere hat Herr Flosdorff dargelegt; dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Frage: Ich habe es nicht verstanden. Welches Ministerium ist zuständig für die Endverbleibskontrolle?

Meine eigentliche Frage: Frau Adebahr, Herr Röttgen hat gestern in einem Interview eine Nahostkonferenz vorgeschlagen, ein politischer Vorstoß nach einer militärischen Phase, initiiert von den Europäern. Was meinen Sie aus Sicht des Auswärtigen Amtes: Wie viel Substanz hat solch ein Vorschlag? Ist er möglicherweise schon konkret?

Flosdorff: Zu Ihrer ersten Frage: Ich kann meinen Äußerungen nichts hinzufügen. Ich bitte um Verständnis. Die Peschmerga haben das in dem Zusammenhang versichert. Das ist die Endverbleibserklärung. Wir sind zuständig für das Genehmigungsverfahren. In einem Kriegsgebiet nachzuverfolgen, wo jede einzelne Waffe ist, ist eine sehr, sehr schwierige Aufgabe, insbesondere in einem Konflikt. Wir haben es auch nicht mit einer Armee zu tun, die dort Waffenlager hat und in der alles aus gesicherten Kasernen und geordneten Verhältnissen heraus erfolgt. Die Peschmerga haben sich im Kampf gegen den IS sehr effektiv und sehr tapfer eingesetzt. Trotzdem wohnen die Kämpfer der Peschmerga häufig auch zu Hause, fahren gemeinsam organisiert an die Front. Das ist nicht mit Verhältnissen in anderen Armeen vergleichbar. Deshalb ist in diesem Fall aus gutem Grund eine andere Regelung getroffen worden als in anderen Fällen. Das Bundesverteidigungsministerium - ich kann es Ihnen noch einmal versichern - ist bei diesen Lieferungen nicht für die Kontrolle der Endverbleibserklärung zuständig.

Adebahr: Ich habe die Äußerung von Herrn Röttgen nicht im Detail im Ohr. Ich kann Ihnen zu der Frage von Frieden und Friedensordnung im Nahen Osten gern sagen, dass dafür aus Sicht des Auswärtigen Amtes ganz verschiedene Komponenten ineinandergreifen.

Zum einen haben wir die Notwendigkeit den politischen Prozess in Genf zu Syrien fortzuführen. Daneben haben wir ein Format in Astana, das sich mit der technischen Umsetzung des Waffenstillstands befasst. Dann haben wir zum Irak und zum Großkomplex des Kampfes gegen ISIS die internationale Anti-ISIS-Koalition, in der Deutschland Mitglied ist und zu der es einen aktiven Beitrag in der Stabilisierungsgruppe leistet. Diese Koalition wird im Zuge des Kampfes gegen den IS und der weiteren Erfolge ihre Strategie natürlich anpassen, und sie wird beraten müssen, wie sich das fortentwickelt.

Wir haben in Israel eine schwierige Situation. Wir sehen dort im Moment gerade die Versöhnungsbemühungen zwischen Fatah und Hamas, die wir grundsätzlich begrüßen, auch wenn dabei noch viele Fragen offen sind.

Ich will sagen: der Nahe und Mittlere Osten haben viele Konflikte und viele Formate, die auch in politischer Weise bearbeitet werden müssen - auch durch die EU, weshalb wir uns auch für eine Stärkung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik einsetzen. Ich denke, auf allen diesen Feldern müssen wir vorankommen und auch versuchen, politische Lösungen für alle Konflikte dort - das sind eben einige, und sie sind auch verschiedener Art - zu finden. Das Nuklearabkommen mit dem Iran ist ein weiterer Strang, der in den Nahen Osten hineinspielt. Wir als Bundesregierung bewegen uns dort, wie gesagt, auf einer Vielzahl von politischen Handlungsfeldern.

Frage: Frau Baron, jetzt hat Herr Flosdorff noch einmal glasklar gesagt, das Verteidigungsministerium sei für die Kontrolle der Endverbleibserklärung nicht zuständig. Ist das Wirtschaftsministerium für diese Kontrolle zuständig? Ich habe Sie vorhin so verstanden, dass Sie sich dafür auch nicht zuständig fühlen. Wenn dem so ist, würde dies bedeuten, dass in diesem Fall offenbar niemand in der Bundesregierung für das zuständig ist, was man eine Endverbleibskontrolle nennen könnte. Ist dieser Eindruck richtig?

Baron: Der Eindruck ist nicht richtig. Ich schildere gern noch einmal das Genehmigungsverfahren. Es handelt sich um Bundeswehrabgaben. Zuständige Behörde nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz ist das Bundesverteidigungsministerium. Jeder Genehmigung, der sich dann eine Außenwirtschaftsgenehmigung anschließt, muss eine Endverbleibserklärung beigefügt werden. Herr Flosdorff hat mehrmals dargelegt - wir haben das auch in der Regierungspressekonferenz mehrmals getan -, dass diese erfolgt ist, nämlich durch die Regionalregierung in Kurdistan. Damit sind diese Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt.

Im Folgenden gab es - auch das hat Herr Flosdorff dargestellt - die Aufforderung an die Regierung in Kurdistan. Sie erging durch das Auswärtige Amt oder das Bundesverteidigungsministerium. Die Berichte sind erfolgt. Insofern gibt es das Genehmigungsverfahren. Ich habe dargestellt, dass es hierbei einen Unterschied - eine Abweichung - zu sonstigen Rüstungsgenehmigungen gibt, die im Fall von Bundeswehrabgaben greifen, die Zuständigkeit nach Kriegswaffenkontrollgesetz.

Zusatzfrage: Das ist eben genau der Punkt. Es gibt ein Genehmigungsverfahren. Aber Ihrer beider Darlegungen konnten wir entnehmen, dass es keine Kontrolle gibt. Es gibt ein Verfahren, es gibt eine Erklärung der Empfängerseite. Es gibt aber offenbar keine Kontrolle über den tatsächlichen Verbleib. Richtig?

Baron: Die Kontrolle wurde ja gerade dargestellt. Wenn es Hinweise gibt - - -

Zuruf: Nein, die gibt es nicht. Entschuldigung! Herr Flosdorff hat gesagt, dass das Verteidigungsministerium in diesem Fall die Kontrolle nicht ausübt. Da Sie sie auch nicht ausüben: Wer übt sie dann aus, oder wird sie tatsächlich überhaupt nicht ausgeübt?

Baron: Nein. Es gibt ein Genehmigungsverfahren; das habe ich dargestellt. Dann geht es darum, ob es gesicherte Erkenntnisse gibt, ja oder nein. Herr Flosdorff hat dargestellt, dass es keine gesicherten Erkenntnisse gibt. Deshalb kann es jetzt auch keine Konsequenzen in etwaigen Genehmigungsentscheidungen geben.

Das Regularium sieht vor, dass bei jeder Genehmigungsentscheidung über den Endverbleib entschieden wird. Dazu werden alle Informationen gesammelt: Hat man gesicherte Erkenntnisse oder nicht? Dann wird das entsprechend bewertet. Der Endempfänger verpflichtet sich über die Enderklärung. Sollte es bei neuen Genehmigungen Zweifel geben, dass der Endverbleib gesichert wurde, wenn es also gesicherte Erkenntnisse gegeben haben sollte, dass dies nicht der Fall ist, dann werden entsprechende Ausfuhranträge abgelehnt. Das ist das Regularium der Endverbleibskontrolle.

Flosdorff: Um es noch einmal einzuordnen: Das eine ist das Genehmigungsverfahren. Dann werden Waffen ausgeliefert. Es gibt eine Endverbleibserklärung. Dann stellt sich die Frage, inwieweit man danach nachverfolgen kann, wo jede einzelne Waffe oder jeder ausgelieferte Munitionsteil geblieben ist.

Das ist im Zug von Länderabgaben - wenn es also staatliche Beziehungen gibt, wie wir sie in der Vergangenheit ja auch häufiger gehabt haben - aus Beständen der Bundeswehr relativ einfach möglich und gut nachvollziehbar, wenn auf der anderen Seite vergleichbare militärische Strukturen bestehen. Hier hat Deutschland in einer akuten Situation gehandelt - wohlüberlegt, wohlabgestimmt, und zwar sowohl innerhalb der Koalition als auch mit internationalen Partnern -, um sich diesem Vormarsch des IS und dem drohenden Völkermord an den Jesiden entgegenzustellen. Ich erinnere genau wie am Freitag noch einmal daran: Der IS stand kurz vor Bagdad. Insofern war es wichtig, dass man aktiv wird und diejenigen unterstützt, die sich vertrauenswürdig dem IS entgegenstellen. Wir haben hier viel darüber gesprochen, auch über den Erfolg, den die Ausrüstung und Unterstützung - auch die Ausbildungsunterstützung - der Peschmerga im Irak ausgemacht hat; denn es ist ein ganz wichtiger Faktor, den IS zurückzudrängen.

Jetzt stellt sich einfach die Frage: Wie kann man praktisch in diesen Strukturen, die im Nordirak bestehen, ein tagesaktuelles Register über den Bestand - also darüber, wo welche Waffe ist - haben? Da muss man sagen: Das ist in einem Kriegsgebiet schlichthin nicht möglich, und angesichts der Strukturen, in denen die Peschmerga ihre Armee aufgestellt haben, ist es noch viel schwieriger möglich. Müssen wir deswegen irgendwie ein grundsätzliches Misstrauen hegen? Wir hatten in den vergangenen Jahren so viele einzelne Fälle - und da waren Sie ja häufig auch beteiligt -, in denen es hieß, dass mit Blick auf diesen oder jenen Raum beziehungsweise Ort etwas Bestimmtes berichtet worden sei, und die Frage war dann: Stimmt das? Am Ende des Tages - ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern können - muss man sich fragen, ob es überhaupt einen einzigen Fall gibt, in dem sich das dann auch einmal zweifelsfrei bestätigt hat und keine Falschmeldung beziehungsweise vielleicht auch bewusst von irgendeiner Seite eingestreute Propaganda war.

Als wir dann einmal einen Bericht angefordert haben, sind die Peschmerga dem nachgekommen und haben gesagt: Diese Waffen sind zerstört und eine einstellige Zahl von Waffen ist verloren worden. Sie haben auch zugegeben - - Wenn irgendwo Waffen auf dem Schwarzmarkt verkauft worden sind, dann sind sie diesen Fällen nachgegangen. Das waren Einzelfälle, und das Gegenteil ist auch nie irgendwo aktenkundig bewiesen worden. Berichtend aus dem Telefonat, das die Ministerin in der vergangenen Woche mit dem kurdischen Regionalpräsidenten geführt hat, kann ich auch sagen: Dem ist die Unterstützung aus Deutschland sehr wichtig, die sind sich sehr bewusst, dass es eine sehr ernste Angelegenheit ist, wenn gegen Vereinbarungen, die sie mit der deutschen Seite geschlossen haben, verstoßen wird. Die haben ein hohes Interesse daran, weiterhin die Unterstützung zu erhalten, und sie erkennen auch an, dass sich Deutschland immer wieder für die Einheit des Iraks einsetzt. Sie wissen das und haben auch gesagt: Das ist klar und wir haben von euch auch immer wieder gehört, dass das für euch ein ganz wichtiger Punkt ist, genauso wie die Endverbleibserklärung auch.

Insofern haben wir wirklich keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass gegen diese Vereinbarungen in größerem Umfang verstoßen wird, und da bitte ich hier jetzt auch wirklich einmal, das Ganze nicht auf die Spitze zu treiben. Wir reden hier über ein großes Konfliktgebiet, wir reden hier über einen geografischen Raum, in dem der IS lange noch nicht geschlagen ist und in dem es auch weiterhin akute Bedrohungsszenarien gibt, und wir sehen im Nordirak eine Lage, die sich seit den Konflikten in den letzten zehn Tagen weiter beruhigt hat.

Frage: Ich habe eine Frage an das Landwirtschaftsministerium, und zwar erwartungsgemäß zum Thema Glyphosat, das ja diese Woche in Brüssel ansteht, weil die Verlängerung der Genehmigung erfolgen soll: Hat die Bundesregierung da inzwischen eine Linie gefunden, wird man sich also wieder enthalten oder wird man der Zulassung zustimmen? Gibt es darüber auch eine Abstimmung mit dem Umweltministerium?

Reymann: Ich kann Ihnen zu diesem Thema keinen neuen Sachstand mitteilen. Die Bundesregierung stimmt derzeit ihre Position zu dem Vorschlag der EU-Kommission zur Wiederzulassung ab. Hierzu laufen Gespräche mit allen beteiligten Ressorts, aber über deren Ausgang kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussagen treffen.

Zusatzfrage: Aber es stimmt doch, dass das am Mittwoch in Brüssel entschieden werden soll? Bis dahin müsste es dann ja eine Entscheidung geben.

Reymann: Das ist auch mein Kenntnisstand, ja.

Zusatzfrage: Gibt es denn Anzeichen dafür, dass es eine Einigung innerhalb der Bundesregierung gibt? Die hat es bisher ja nie gegeben.

Reymann: Wie gesagt, ich kann meinen Worten nichts weiter hinzufügen. Warten Sie es ab - die Gespräche laufen.

Frage: Kann das Umweltministerium vielleicht noch einmal seine Haltung zur Frage der Verlängerung deutlich machen?

Haufe: Das kann ich machen. - Die Ministerin hatte ihre Position ja mehrfach bekräftigt, und daran hat sich auch nichts geändert. Für sie bleibt ein Nein ein Nein.

Frage: Können Sie noch einmal kurz die Gründe für das Nein nennen?

Haufe: Das kann ich gerne tun. - Die Ministerin hat dazu mehrfach Stellung genommen. Es geht darum, dass die Pflanzenschutzmittelzulassung deutlicher als bisher den Schutz der Biodiversität, der Artenvielfalt, berücksichtigt. Wir sehen nicht, dass das bisher in dieser Weise gewährleistet ist. Glyphosat ist ein Mittel, das massenweise angewendet wird, und es ist ein Mittel, das besonders deutlich die Artenvielfalt beeinträchtigt. Sie haben ja auch die aktuellen Befunde über ein Insektensterben, die auch in diese Richtung gehen, gehört. Das bekräftigt und bestätigt die Ministerin in ihrer Haltung.

Frage: Herr Seibert, ich muss ein kleines bisschen ausholen; ich bitte um Verständnis. Korrigieren Sie mich, wenn ich von falschen Voraussetzungen ausgehe. Das Thema ist die geschäftsführende Regierung. Ich vermute einmal, dass die Kanzlerin parat steht, falls der Bundespräsident sie beauftragen wird, die Regierungsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers - so steht es im Grundgesetz immer noch - weiterhin wahrzunehmen. Weiterhin glaube ich herausgefunden zu haben, dass die Kanzlerin bis morgen 11 Uhr noch im Vollbesitz ihrer exekutiven Kräfte ist. Das heißt nach meinem Verständnis des Grundgesetzes und der Kommentarliteratur, sie hätte auch bis morgen noch die Gelegenheit beziehungsweise die Möglichkeit oder das uneingeschränkte Recht gehabt, das Kabinett nach ihren Vorstellungen umzubilden, um eventuell besser für die kommenden Monate gerüstet zu sein; denn wir hören ja jeden Tag: Jamaika kann funktionieren, es kann aber auch scheitern oder es kann bis ins nächste Jahr dauern, bis es zustande kommt. Es ist also ungewiss, a) ob es klappt und b) wann es funktioniert.

Meine Frage an Sie ist jetzt: Warum geht die Kanzlerin jetzt bewusst in eine Situation hinein, in der das Kabinett zur Hälfte aus Opposition besteht, warum hat sie die SPD-Minister also nicht in dem Moment entlassen, als die erklärt haben "Wir gehen in die Opposition"? Warum nimmt sie eine Situation in Kauf, in der der Chef des Bundeskanzleramtes zugleich das Finanzministerium mitverwalten soll? In meinen Augen ist das ein bisschen heikel, weil der Finanzminister durch sein Vetorecht ja eine besondere Stellung hat, also auch eine Korrektur- und Kontrollinstanz gegenüber dem, was das Kabinett so alles an Geldausgaben beschließt, sein soll? Warum nimmt sie in Kauf, dass Christian Schmidt als Bundeslandwirtschaftsminister - der ebenfalls mit in den Koalitionsverhandlungen steht und auch von daher zeitlich beansprucht werden wird und nebenbei auch noch das Thema Glyphosat am Hals hat, wie wir gerade gehört haben - das weiß Gott heikle Verkehrsministerium mit seinen zig Baustellen und ungelösten Problemen mit verwalten soll? Warum wurde Frau Barley, die mit Abstand unerfahrenste Ministerin der SPD, als Nebenjob jetzt die Verwaltung des Riesenministeriums für Arbeit und Soziales beauftragt? Das sind alles Entscheidungen, die mir nicht so richtig einleuchten. Aber vielleicht bin ich da einfach nicht auf dem aktuellen Stand; deswegen wäre es mir lieb, wenn Sie mir die Überlegungen der Kanzlerin dazu einmal verklickern können.

StS Seibert: Sie konfrontieren mich jetzt mit einem Wust an politischen Wertungen, dass Sie dieses heikel und jenes bedenklich finden, und das muss ich Ihnen völlig überlassen. Ich kann für die Bundesregierung nur Folgendes sagen: Wir sind in der absoluten demokratischen Normalität. Wir sind eine amtierende Bundesregierung. Mit dem morgigen Tag der Konstituierung eines neuen Deutschen Bundestages endet dies. Die Bundeskanzlerin wird dann, so es so läuft wie alle erwarten, vom Bundespräsidenten mit der Geschäftsführung beauftragt und wird dann ihrerseits den Bundesministern eine schriftliche Bitte zukommen lassen, ihre Geschäfte weiterzuführen. Das alles ist ein Zustand, der sich genau im Rahmen dessen bewegt, was unsere Verfassung und unsere politische Praxis für solche Zeiten zwischen einer Bundestagswahl und der Bildung einer neuen Bundesregierung vorsehen.

Ihre politischen Wertungen muss ich Ihnen überlassen. Ich kann nur sagen: Es kommt dann morgen voraussichtlich zu einer geschäftsführenden Regierung, die im Übrigen quasi dieselben Rechte wie eine regulär im Amt befindliche Regierung hat. Sie hat dieselben Befugnisse, aber natürlich werden auch dabei die politischen Gepflogenheiten beachtet werden. Deswegen wird natürlich in der Phase der Geschäftsführung - die Bundeskanzlerin hat das ja auch vor dem Wochenende in Brüssel gesagt - eine gewisse Zurückhaltung zu wahren sein und werden wichtige Themen mit potenziellen neuen Regierungspartnern zu konsultieren sein. Mehr kann ich Ihnen darüber jetzt gar nicht sagen.

Zusatzfrage: Aber meine Annahme, dass die Kanzlerin das Recht gehabt hätte, ihr Kabinett umzubilden, ist zutreffend?

StS Seibert: Sie haben die Literatur offensichtlich so ausgiebig gelesen. Ich kann Ihnen nur sagen: Sie hat das Kabinett nicht umgebildet, außer dass es aufgrund der Tatsache, dass bisher Minister Positionen in den Fraktionen ihrer Parteien übernommen haben, einige Veränderungen gab. Ich kann dazu nichts Weiteres sagen. Ich halte mich hier an die Fakten, und die sind so, wie sie vor uns liegen.

Frage: Herr Seibert, gehört es zu den Aufgaben der amtierenden Bundesregierung, potenziellen Koalitionspartnern - beispielsweise für eine Jamaika-Koalition - inhaltliche Zuarbeiten aus ihren Häusern zu leisten - beispielsweise durch Tischvorlagen aus dem Finanzministerium oder aus anderen Ministerien -, oder gehört dies nicht zu den Aufgaben der geschäftsführenden oder regulär amtierenden Bundesregierung?

StS Seibert: Ich muss gestehen, dass ich jetzt nicht weiß, was Sie damit meinen. Ich kann Ihnen hier über die Art und Weise, wie zwischen den Parteien sondiert wird, naturgemäß nichts berichten. Ich bin mir jetzt aber auch nicht ganz sicher, worauf Sie sich beziehen.

Zusatzfrage: Es geht ja beispielsweise um eine präzise Analyse des Finanzspielraums für zukünftige - ich sage es einmal in Anführungsstrichen - Wahlgeschenke oder Koalitionsgeschenke und um die Frage, wie die zu finanzieren sind. Wenn dafür eine präzise Unterlage des Bundesfinanzministeriums erstellt wird, gehört das dann zu den regulären Aufgaben des Bundesfinanzministeriums, oder ist das auch - wie es schon im Wahlkampf war - im Sinne einer ausgegliederten Zusatzleistung für das Ressort denkbar?

StS Seibert: Den Halbsatz "wie es schon im Wahlkampf war" weise ich einmal zurück. Wir haben hier ausführlich darüber gesprochen, wie in dieser Bundesregierung und auch im Kanzleramt vorgegangen wurde, um genau die Vermischung von Dingen zu trennen.

Zuruf: (akustisch unverständlich)

StS Seibert: Ich müsste das Bundesfinanzministerium oder das Bundesinnenministerium fragen, ob sie dazu eine Antwort haben; ich habe dazu jetzt keine Antwort. Das könnten wir aber gegebenenfalls nachreichen.

Kalwey: Ich habe in der letzten Bundespressekonferenz auf diese Frage geantwortet. Wie Sie wissen, kommentieren wir solche Berichte, wie sie da entstanden sind, nicht. Ich habe hier auf die Finanzplanung abgestellt, und im Nachgang haben wir auch darauf hingewiesen, dass für die Berechnung tatsächlicher Spielräume das Ergebnis der nächsten Steuerschätzung, die vom 7. bis 9. November durchgeführt werden wird, abzuwarten ist. Mehr habe ich Ihnen dazu nicht zu sagen.

Frage: Herr Seibert, es hätte ja auch sein können, dass Sie sagen: Die Kanzlerin hat die Möglichkeit einer Kabinettsumbildung erwogen, um gegebenenfalls besser für die kommenden Monate gewappnet zu sein, sie aber aus diesen oder jenen Gründen verworfen. Ist das nicht der Fall oder haben Sie keine Kenntnis davon, ob sie das erwogen hat?

StS Seibert: Sie stellen Hypothesen in den Raum und möchten, dass ich Ihnen sage, dass diese Hypothesen ein bisschen, nicht viel oder ein ganz klein bisschen real sind. Ich werde mich damit nicht befassen. Die Bundeskanzlerin hat über die Ihnen bekannten Umbildungen des Kabinetts hinaus, die aufgrund von Abgängen notwendig waren, das Kabinett nicht verändert. Eines will ich noch sagen: Ich glaube, sie fühlt sich gut gerüstet. Mehr habe ich dazu aber nicht zu sagen.

Zusatz: Entschuldigung, wenn ich frage, ob die Kanzlerin etwas erwogen, aber dann verworfen hat, dann ist das keine Hypothese, sondern eine Frage. Es steht Ihnen frei, die so zu beantworten, wie Sie das für richtig halten.

StS Seibert: Ich hatte sie ja am Anfang schon beantwortet, und da waren Sie nicht zufrieden, weil ich Ihnen diese Hypothese nicht geliefert habe. Ich kann nur sagen: Halten wir uns an die Fakten. Es hat über die notwendigen Veränderungen hinaus keine Kabinettsumbildung gegeben.

Zusatzfrage: Sie haben gesagt, gerade in der Außenpolitik und Europapolitik stimme sich die Kanzlerin jetzt schon mit den potenziellen Koalitionspartnern ab. Daraus dürfen wir schließen: Sie stimmt sich nicht ab mit SPD und Linken. Sie geht also ganz fest davon aus, dass Jamaika funktionieren wird? Was für ein Fall tritt eigentlich ein, wenn sie sich mit den Parteien A, B, C, D abstimmt, aber es nachher ganz anders kommt?

StS Seibert: Ich habe das Gefühl, dass Sie mit Ihren Fragen eigentlich in anderen Pressekonferenzen noch besser aufgehoben wären - wenn ich das so sagen darf. Ich kann Ihnen nur sagen: Diese Bundesregierung - ab morgen vermutlich geschäftsführende Bundesregierung - ist dennoch handlungsfähig, und wo gehandelt werden muss, wird sie das tun, und zwar wie bisher auch mit den notwendigen internen Absprachen zwischen den Mitgliedern der Bundesregierung. Gleichzeitig sind wir jetzt in dieser natürlich alle paar Jahre stattfindenden Situation, dass es auch Gespräche über die Bildung einer neuen Koalition gibt und man deswegen größere Initiativen, neue Projekte, Festlegungen für die nächsten Jahre vernünftigerweise mit denen bespricht, die möglicherweise in den nächsten Jahren in der Regierung sind. Das beendet aber nicht das Gespräch in dieser Bundesregierung, das ist doch auch klar.

Frage: Vom Auswärtigen Amt wird heute eine Internetseite freigeschaltet, bei der es darum geht, Fehlinformationen, die durch Schleuserbanden verbreitet werden, richtigzustellen. Die entsprechende Kampagne gibt es ja schon seit Längerem. Mich würde interessieren. Was ist neu daran? Gab es einen konkreten Anlass zur Erstellung dieser Webseite? Wurden die älteren Kampagnen in irgendeiner Form evaluiert?

Adebahr: Dazu kann ich gerne etwas sagen. Wir haben das hier auch schon mehrfach thematisiert. Das läuft seit 2015, und das Ziel unserer Kampagne Auslandsvertretungen in den Herkunftsländern aktiv sind, um Menschen anzusprechen, die darüber nachdenken, nach Europa und insbesondere nach Deutschland zu gehen. Dabei geht es uns nicht - das möchte ich noch einmal deutlich sagen - um irgendeine Art von Abschreckung, sondern um Aufklärung. Wir versuchen mit der Webseite über die tatsächlichen Lebensumstände in Deutschland, über die rechtlichen Bedingungen für Einreise und Aufenthalt, über unser Engagement für die Schaffung von Bleibeperspektiven und auch über die Gefahren unterwegs zu informieren. Wir wollen verhindern, dass sich Menschen in ohnehin schwieriger Lage mit verklärten oder falschen Vorstellungen und falschen Erwartungen in schwierige Hände und auf schwierige Wege begeben. Oberste Priorität bleibt es dabei, den Menschen Hilfe zu bieten und eine möglichst vertrauenswürde und klare Informationsgrundlage für diese schwerwiegenden Lebensentscheidungen zu bieten, mit denen diese Menschen sich tragen.

Wir setzen heute mit der Webseite, die nachher online geht, die seit 2015 laufende Kampagne fort und bündeln dort nun auf Englisch, Französisch und Arabisch mehrere unserer Social-Media-Aktivitäten gegen Gerüchte und Fehlinformationen im Netz und führen auf dieser Webseite - und das ist das Neue - alle relevanten Informationen, die wir haben, für diese Migranten und Flüchtlinge zusammen. Denn - Sie haben es selber schon gesagt - das wichtigste Ziel ist, die Deutungshoheit im Netz nicht allein den Schleusern zu überlassen. Diese Webseite wird optimal für Smartphones nutzbar sein, und sie wird darauf setzen, Fehlinformationen aufzugreifen und sie gezielt durch Fakten zu ersetzen.

Unser bisheriges Engagement haben wir evaluiert. Man muss bei dieser Kampagne zwischen den direkten Kommunikationskanälen des Auswärtigen Amtes und den Kanälen, die unsere Auslandsvertretungen selber unterhalten, trennen. Darüber hinaus gibt es institutionelle Partner wie die Deutsche Welle, NGOs und internationale Organisationen wie IOM oder UNHCR, die sich dort engagieren. Für uns selbst, für das Auswärtige Amt, kann ich Ihnen sagen, dass wir für Posts, die wir auf unseren AA-Kanälen und auf der Facebook-Seite setzen, sehr oft über 100 und zum Teil sogar über 500 Hits haben. Wir erreichen auch in bestimmten TV-Formaten ein Millionenpublikum, auch in Afghanistan. Das Testimonial einer vom AA geförderten Videokampagne, das wir ins Netz gestellt haben, ist allein über 7 Millionen Mal angeklickt worden - und so geht das weiter; ich kann Ihnen da gern noch ausführlicheres Zahlenmaterial zur Verfügung stellen.

Das alles hat uns bewogen, diese neue Webseite zu schaffen und da alle relevanten Informationen zu bündeln, um diese Kampagne, die wir als Bundesregierung seit 2015 fahren, tatkräftig und mit neuem, gutem Outfit fortzusetzen.

Frage: Am letzten Wochenende wurde sowohl in Israel als auch in Deutschland berichtet, dass Deutschland und Israel im Zusammenhang mit dem U-Boot-Deal ein MoU unterzeichnen. Passiert das heute? Wenn ja, warum ausgerechnet heute beziehungsweise diese Woche?

StS Seibert: Danke für die Frage. Ich will zwei Sätze vorweg dazu sagen.

Die Beschaffung von Rüstungsgütern durch Israel bei der deutschen Industrie hat seit weit über 20 Jahren mehrere Bundesregierungen beschäftigt. Sie sind alle nach sehr sorgfältiger Abwägung zu dem Schluss gekommen, eine finanzielle Beteiligung Deutschlands zuzulassen, damit Deutschland vor dem Hintergrund unserer historischen Verantwortung gegenüber dem Staat Israel einen Beitrag zu Israels Schutz und Israels Existenzsicherung leisten kann.

Nun zu Ihrer konkreten Frage: Für den heutigen Tag, dem 23. Oktober, ist die Unterzeichnung eines Regierungsabkommens über eine finanzielle Unterstützung für die Beschaffung von drei weiteren U-Booten für die israelische Marine vorgesehen. Die Bundesregierung wird bei dieser Unterzeichnung durch das Verteidigungsministerium vertreten sein. Diese Vereinbarung betrifft den deutschen Finanzierungsbeitrag zur Beschaffung dieser drei weiteren U-Boote, die dann ab 2027 die drei dann in die Jahre gekommenen U-Boote aus dem ersten Los ablösen sollen.

Zu den Einzelheiten wurde, wie in solchen Fällen üblich, Vertraulichkeit vereinbart. Es sind dazu Verhandlungen geführt worden, die für die Bundesregierung das BMVg geführt hat. Das Auswärtige Amt war in diese Verhandlungen eingebunden. Nun sind die Verhandlungen beendet, und deswegen kann jetzt diese Unterzeichnung erfolgen.

Frage: Herr Flosdorff, es geht um das Thema "Rechtsextremismus in der Bundeswehr". Nach Einschätzung des MAD gab es seit 2008 200 rechtsextreme Soldaten in der Bundeswehr. Die Grünen sprechen von einer bedenklichen Größenordnung. Wie schätzt das Bundesverteidigungsministerium das ein? Welche Maßnahmen ergreift man eigentlich, um Rechtsextremismus in der Bundeswehr einzudämmen?

Flosdorff: Ich kann die Zahl des MAD - 200 Personen - bestätigen. Allerdings muss man vorsichtig sein, daraus Durchschnittszahlen zu bilden und auf die aktuelle Situation zu schließen. Das stimmt so nicht. Zu Zeiten der Wehrpflicht hatten wir deutlich höhere Zahlen festgestellt, was den Rechtsextremismus in Deutschland angeht. Im Zeitraum von 2012 bis 2017 haben wir seit Aussetzen der Wehrpflicht im Schnitt etwa acht Extremismusfälle gemessen, davon vier Fälle von Rechtsextremismus pro Jahr.

Wir haben als Konsequenz daraus - es geht nicht nur um Rechtsextremismus, sondern um Extremismus insgesamt - im vergangenen Jahr die Einstellungsüberprüfung eingeführt, und zwar vor Eintritt in die Bundeswehr. Diejenigen, die ausgesucht sind und eine Einstellungszusage bekommen sollen, werden vor ihrem Eintritt in die Bundeswehr durch den MAD überprüft. Dieses Gesetz ist seit dem 1. Juli 2017. In Kraft, sodass diese Überprüfungen jetzt durchgeführt werden.

Unabhängig davon geht der MAD allen Hinweisen auf einen extremistischen Hintergrund nach und bearbeitet sie. Aktuell gibt es 291 Verdachtsfälle, die in Bezug auf Rechtsextremismus untersucht werden. Das ist sozusagen das "workload". Das ist nicht die Jahreszahl, sondern das ist das, was im Moment gerade geprüft wird. Wenn sich die Zahlen der Vergangenheit wiederholen, wird sich höchstwahrscheinlich eine relativ kleine Zahl von erwiesenen Extremismusfällen ergeben.

Die Konsequenzen, die sich daraus für Soldaten ergeben können, reichen von disziplinaren Konsequenzen, strafrechtlichen Konsequenzen, aber auch von laufbahnrechtlichen Folgen bis hin zur Entlassung von Soldaten.

Wenn Sie Zahlen hören möchten: In den Jahren 2012 bis 2016 wurden 18 Angehörige der Bundeswehr vorzeitig wegen erwiesenen Rechtsextremismus aus der Bundeswehr entlassen.

Frage : Herr Seibert, mit Blick auf die morgige konstituierende Sitzung des Deutschen Bundestages wollte ich von Ihnen wissen, wie die Kanzlerin eigentlich morgen in diese Sitzung hineingeht. Ist das für sie eine ganz normale Eröffnungssitzung des Bundestages, auch angesichts der Tatsache, dass dort zum ersten Mal Vertreter der AfD sitzen werden?

StS Seibert: Zunächst einmal - ich glaube, das empfindet auch die Bundeskanzlerin so -: Wenn sich ein neuer Deutscher Bundestag konstituiert, nachdem in Deutschland eine freie, gleiche und demokratische Wahl stattgefunden hat, dann ist das immer ein besonderer Moment für unsere Demokratie. Es ist nicht Routine, sondern durchaus etwas, denke ich, was jeden Demokraten als ein besonderer Tag erscheinen muss. Das wird man, denke ich, morgen auch merken. Nicht umsonst beginnt so ein Tag - jedenfalls für sehr viele Abgeordnete - mit einem ökumenischen Gottesdienst, an dem die Bundeskanzlerin morgen auch teilnehmen wird.

Zweitens. Sie ist eine der 709 Abgeordneten. Sie ist eine direkt gewählte Abgeordnete, die im Wahlkreis das Mandat ihrer Wähler und Wählerinnen bekommen hat. Das nimmt sie sehr ernst, und das ist ein sehr wichtiger Teil ihrer politischen Arbeit.

Das sind schon einmal zwei Gedanken, mit denen sie sicherlich in den morgigen Tag hineingehen wird.

Was die Anwesenheit von AfD-Abgeordneten betrifft, hat die Bundeskanzlerin in den vergangenen Wochen immer wieder ihre Haltung dazu klargemacht: Sie ist überzeugt, dass es notwendig ist, mit guter, lösungsorientierter Politik, die die Probleme der Menschen ernst nimmt und die Probleme der Menschen auch löst, den Anteil und die Attraktivität dieser Partei für viele Wähler wieder zurückzufahren.

Frage: Herr Seibert, erlauben Sie mir noch eine Replik auf Ihre Bemerkung, ich sei hier möglicherweise in der falschen Veranstaltung. Die Frage bezog sich auf die Kanzlerin und mit wem sie sich in der Europapolitik abstimmt. Ich denke, wir sind uns hier einig. Diese Frage und auch die eventuelle Antwort dazu gehören hier in die Bundespressekonferenz und nirgendwo anders hin.

Ich wollte aber Herrn Flosdorff fragen, ob das Thema U-Boote/Einsatzfähigkeit schon vergangene Woche behandelt worden ist. Ich habe gelesen, dass im Moment nicht ein einziges deutsches U-Boot einsatzbereit ist.

Flosdorff: Wir haben dieses Thema am vergangenen Freitag hier behandelt.

Weil ich gerade das Mikrofon habe, möchte ich die Gelegenheit ergreifen, um mich zu korrigieren: Mein Kollege meinte eben, ich hätte von aktuell 291 Verdachtsfällen gesprochen. Es sind 391 Verdachtsfälle, die aktuell vonseiten des MAD in Bearbeitung sind.

Frage: Eine Frage entweder an das BMI oder das BMJV. Aus einer Antwort der Bundesregierung an die Fraktion Die Linke im Bundestag geht hervor, dass seit Juli 2016 81 Auslieferungsbegehren aus der Türkei nach Deutschland gerichtet worden sind. Können Sie uns sagen, wie vielen davon stattgegeben wurde? Wie viele davon wurden mit Terrorismusunterstützungsverdacht begründet?

Frau Adebahr, gibt es etwas Neues über die in der Türkei inhaftierten Deutschen zu berichten?

Malachowski: Ich kann anfangen, weil das tatsächlich das Bundesjustizministerium betrifft. Was ich bestätigen kann, ist die Zahl von 81 Ersuchen aus der Türkei, die seit dem Putsch in Deutschland eingegangen sind. Sehr viel mehr kann ich dazu nicht sagen, denn eine belastbare statistische Differenzierung erfolgt erst mit Vorlage der Auslieferungsstatistik. Es bedarf einiger Monate, bis diese fertiggestellt ist. Das heißt, für das Jahr 2016 wird sie wahrscheinlich erst zu Beginn des Jahres 2018 erstellt werden.

Das Gleiche gilt für Ihre zweite Frage, was die Ablehnungsquoten oder Ähnliches angeht. Das wird statistisch nicht erfasst. Deswegen kann ich eigentlich nur die Zahl von 81 bestätigen.

Adebahr: Ich kann berichten, dass in diesen Minuten ein Haftbesuch bei Mesale Tolu beginnt und wir uns freuen, dass wir sie noch einmal besuchen und uns darüber informieren können, wie es ihr geht und wie ihre Haftbedingungen sind. Darüber hinaus habe ich im Vergleich zur letzten Bundespressekonferenz keine Informationen.

Zusatzfrage: Ist das kleine Kind noch bei ihr in der Zelle?

Adebahr: Nein.

Zusatzfrage: Seit wann nicht?

Adebahr: Nach dem letzten Verhandlungstag hat sich da eine Änderung ergeben.

Zusatzfrage: Der Persönlichkeitsschutz ist zu wahren, aber befindet sich das Kind in der Obhut der Familie? Können Sie uns das sagen?

Adebahr: Keine weiteren Informationen dazu von diesem Podium aus. Ich bitte um Verständnis.

Montag, 23. Oktober 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 23. Oktober 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/10/2017-10-23-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2017

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