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PRESSEKONFERENZ/1814: Regierungspressekonferenz vom 30. Januar 2019 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift Pressekonferenz - Mittwoch, 30. Januar 2019
Regierungspressekonferenz vom 30. Januar 2019

Themen: Termin der Bundeskanzlerin (Übergabe des Abschlussberichts der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung"), Kabinettssitzung (Jahreswirtschaftsbericht 2019, Verbesserung der Registrierung und des Datenaustauschs zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken, Sicherheit in der Arzneimittelversorgung, BAföG-Reform, Unterzeichnung des Protokolls zum Nato-Beitritt der Republik Nordmazedonien), möglicher Ausschluss des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei vom Ausbau der 5G-Infrastruktur in Deutschland, Brexit, Vorstellung der Pläne von CDU und SPD zu Ostdeutschland, Schäden an Flugzeugen der Flugbereitschaft der Luftwaffe, AnKER-Zentren, mögliche Rückkehr von IS-Mitgliedern und deren Angehörigen aus Nordsyrien nach Deutschland, Rettung und Aufnahme von im Mittelmeer in Seenot geratenen Flüchtlingen, Situation in Venezuela, Krankenkassenbeiträge von Betriebsrentnern, Forum Recht

Sprecher: StS Seibert, Schmidt (BMI), Breul (AA), Alemany (BMWi), Buser (BMVI), Flosdorff (BMVg), Berve-Schucht (BMG), Schneider (BMAS), Kolberg (BMF), Kall (BMJV)


Vorsitzende Maier eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Ich möchte Ihnen einen Termin für den morgigen Tag, den 31. Januar, ankündigen. Wir hatten hier ja schon darüber gesprochen, dass sich die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" auf einen Abschlussbericht geeinigt hat. Dieser Abschlussbericht wird nun morgen um 18 Uhr im Kanzleramt der Bundeskanzlerin übergeben. Neben der Bundeskanzlerin nehmen von Regierungsseite auch die Minister Altmaier, Schulze, Heil, Scholz und Seehofer teil. Es ist ein presseöffentlicher Fototermin. Statements sind nicht vorgesehen.

Im Anschluss an diese Übergabe findet ein Gespräch statt, an dem neben den Vorsitzenden der Kommission und den genannten auch die Ministerpräsidenten der hauptsächlich betroffenen Länder teilnehmen, also Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg.

Dann gehe ich gleich zum Kabinett über.

Manches haben Sie schon von den Ministern und Ministerinnen ausführlich vorgestellt bekommen, so zum Beispiel den Jahreswirtschaftsbericht 2019, den der Wirtschaftsminister Ihnen hier erläutert hat. Deswegen mache ich es ganz kurz: Die deutsche Wirtschaft wächst auch in diesem Jahr - das zehnte Jahr in Folge -, wenn auch etwas langsamer. Für das laufende Jahr rechnet die Bundesregierung mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von einem Prozent.

Die Binnenwirtschaft bleibt eine wichtige Stütze unserer Konjunktur, gestützt ihrerseits durch steigende Löhne und Beschäftigung sowie durch die Investitionen der Unternehmen. Erhöht haben sich die Risiken im außenwirtschaftlichen Umfeld. Die öffentlichen Finanzen haben sich in den letzten Jahren stetig verbessert. In diesem Jahr, 2019, wird Deutschland die europäische Schuldenobergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zum ersten Mal seit 2002 wieder unterschreiten.

Vielleicht noch ein Wort zum Arbeitsmarkt, auf dem sich die gute gesamtwirtschaftliche Lage ganz besonders zeigt: Wir haben im vergangenen Jahr, 2018, mit einer Arbeitslosenquote von 5,2 Prozent den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung erreicht. In 2019 - so die Vorhersage - wird diese Quote voraussichtlich auf 4,9 Prozent sinken. Wir erwarten, dass die Zahl der Beschäftigten auf 45,2 Millionen weiter steigt.

Der Bundesinnenminister hat den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustauschs zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken im Kabinett eingebracht und es ist dort beschlossen worden. Es geht ganz konkret um die Nutzungsmöglichkeiten des Ausländerzentralregisters. Diese Nutzungsmöglichkeiten werden weiterentwickelt, damit wir die Aufgaben, die nach der Verteilung von Asyl- und Schutzsuchenden auf die Länder und Kommunen bestehen, wirksamer organisieren können. Es werden außerdem noch Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit und zur besseren Steuerung der freiwilligen Ausreise und Rückführung umgesetzt, und der Gesetzentwurf enthält auch Regelungen zur Verbesserung der Registrierung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern. Das Gesetzesvorhaben setzt eine entsprechende Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um.

Ein Thema des Gesundheitsministeriums hat dann das Kabinett beschäftigt - es geht um mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung. Leider gelangen ja gelegentlich verunreinigte oder gefälschte Medikamente auf den Markt. Daher hat das Kabinett den Entwurf eines Gesetzes beschlossen, das die Versorgung von Patienten mit Arzneimitteln sicherer macht, und zwar durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Beispielsweise können die Zulassungsbehörden demnächst leichter Arzneimittel und Medikamente zurückrufen und auch die Länder bei Inspektionen von Herstellern im Ausland unterstützen. Wenn Versorgungsmängel drohen, können die Behörden damit zeitnah und länderübergreifend tätig werden. Wenn sich ein Medikament als mangelhaft herausstellt und dann ersatzweise ein anderes verordnet werden muss, dann sind die gesetzlich Versicherten künftig von der Zuzahlung befreit, und auch die Krankenkassen werden für mangelhafte Arzneimittel künftig nicht mehr zahlen. Es gibt noch ein paar weitere Regelungen in diesem Gesetzentwurf. Ich will insbesondere die Einführung des elektronischen Rezepts mit Mitte 2020 nennen.

Der nächste Punkt im Kabinett war das 26. Gesetz zur Änderung des Ausbildungsförderungsgesetzes, jedem als BAföG bekannt. Um es ganz kurz zu machen: Schüler und Studenten sollen ab Herbst deutlich mehr BAföG bekommen. Wichtig ist aber auch, dass wir einem Trend der letzten Jahre entgegenwirken wollen: In den letzten Jahren ist aufgrund der positiven Wirtschaftsentwicklung und der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt die Zahl der BAföG-Geförderten zurückgegangen, und diesen Trend wollen wir umkehren. Mit der Reform möchte die Bundesregierung bis 2021 diese Trendumkehr erreichen, also die Zahl der BAföG-Berechtigten wieder erhöhen. Wir wollen mit der Reform die Chancengerechtigkeit beim Zugang zu qualifizierter Ausbildung erhöhen, und wir wollen zur Ausbildung ermutigen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Insgesamt sind in dieser Wahlperiode 1,233 Milliarden Euro vorgesehen. Ich will Ihnen auch ganz kurz die Zahlen nennen: Die Bedarfssätze steigen in zwei Stufen, nämlich zum Schuljahres- beziehungsweise Wintersemesterbeginn 2019 und 2020. Der Wohnzuschlag wird auch erhöht. Das heißt, der Förderhöchstbetrag steigt von jetzt 735 Euro auf 861 Euro in 2020. Die Zuschläge zur Kranken- und Pflegeversicherung für Geförderte werden ebenfalls angehoben. Damit wir das erreichen, was ich beschrieben habe - also die Trendumkehr und somit wieder eine höhere Zahl von Förderberechtigten -, soll der Freibetrag für das Elterneinkommen angehoben werden. Er wird bis 2021 in drei Stufen um insgesamt 16 Prozent steigen. Außerdem gibt es Erleichterungen bei der Rückzahlung des BAföG-Darlehens. Der Angst vor der Verschuldung soll damit ein wenig entgegengewirkt werden.

Letzter Punkt des Kabinetts: Die Zustimmung zur Unterzeichnung des Protokolls zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt der Republik Nordmazedonien. Das Bundeskabinett hat der Unterzeichnung dieses Protokolls zugestimmt. Wir sind davon überzeugt: Der Nato-Beitritt Nordmazedoniens wird ein Beitrag zur Sicherheit und zur Stabilität nicht nur im euroatlantischen Raum leisten und wird nicht nur die transatlantische Gemeinschaft stärken, sondern er wird auch ein wichtiger Impuls für die weitere Stabilisierung des westlichen Balkans sein. Das ist also eine wirklich gute Nachricht für Europa und für das transatlantische Bündnis.

Wie Sie wissen, war die Voraussetzung für diese nun anstehende Nato-Mitgliedschaft Nordmazedoniens, dass der lange, lange Namensstreit mit Griechenland gelöst werden könnte. Im Juni des vergangenen Jahres haben die beiden Regierungen in Skopje und Athen das sogenannte Prespa-Abkommen geschlossen, um diese Namensfrage zu klären. Das ist ein historisches Abkommen, in dem Skopje und Athen Geschichte geschrieben haben und einen, wie gesagt, über 25 Jahre währenden Streit beigelegt haben. Die Nato-Staats- und -Regierungschefs haben sich im Juli 2018 infolge dieses Abkommens darauf geeinigt, die Einladung zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Regierung in Skopje auszusprechen - vorbehaltlich der innerstaatlichen Umsetzung dieses Abkommens, und die ist nun durch eine Parlamentsabstimmung in Skopje am 11. Januar und eine Parlamentsabstimmung in Athen am 25. Januar erfolgt.

Das wäre es erst einmal.

Frage: Welche Erwartungen hat die Regierung an das morgige Treffen zum Abschlussbericht der Kohlekommission? Wird es da schon Zusagen an die Ministerpräsidenten der betroffenen Kohleländer geben? Mit was kann man da konkret rechnen?

StS Seibert: Ich erlaube mir, noch einmal auf das zurückzugehen, was ich hier am Montag zu diesem Thema gesagt habe: Wir werden nun erst einmal den Bericht der Kommission im Detail und sorgfältig auswerten und prüfen, und dann werden die zuständigen Ressorts schon im Februar erste Bewertungen vornehmen. Im Anschluss wird es dann durch die Bundesregierung Gespräche mit den betroffenen Ländern und den betroffenen Energieunternehmen geben. Damit bereiten wir dann die erforderlichen Rechtssetzungsmaßnahmen vor. Wir sind da also in einem Prozess.

Frage: Wenn das alles später noch kommen soll, dann verstehe ich nicht ganz, was der Sinn dieses Termins, dieses Treffens mit den Ministerpräsidenten ist? Es gibt ja auch einen Brief der Ministerpräsidenten, in dem sie noch einmal Forderungen stellen. Spielt das denn gar keine Rolle?

StS Seibert: Ich möchte dem Treffen am morgigen Donnerstag nicht vorgreifen.

Zusatz: Ich wollte nur wissen, warum man sich trifft.

StS Seibert: Weil ein Abschlussbericht zu einem energiepolitisch, klimapolitisch und strukturpolitisch immens wichtigen Thema vorliegt. Da müssen in den nächsten Wochen und Monaten viele, viele Weichen gestellt werden. Der Austausch mit den Betroffenen - in diesem Fall mit den betroffenen Ländern - kann doch nur sinnvoll sein.

Frage : Ist das nicht nur ein Fototermin, bei dem der Bericht an die Kanzlerin übergeben wird?

StS Seibert: Es ist so, wie ich es gesagt habe: Die Übergabe des Berichts ist ein Fototermin. Danach gibt es ein Gespräch.

Frage (zum Datenaustauschverbesserungsgesetz): Herr Schmidt, warum sollen jetzt schon Kindern ab sechs Jahren Fingerabdrücke abgenommen werden? Was soll das verbessern?

Schmidt: Das soll einfach die Erfassung der Kinder verbessern, und zwar ganz grundsätzlich die sichere Erfassung und Identifizierung der Kinder. Wie Sie wissen, haben wir hier in der Vergangenheit mehrfach zu Zahlen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und auch vermissten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen berichtet und mussten dabei jeweils darauf hinweisen, dass die Zahlengrundlage, die wir für unsere Analyse der Situation heranziehen, leider sehr unsicher ist, weil wir bisher schlichtweg nicht richtig erfassen konnten. Das soll mit dieser Altersabsenkung verbessert werden, um eben sicherzustellen, dass wir in Zukunft besser um die Situation Jugendlicher und Kinder wissen, die sich im Status der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge befinden.

Zusatzfrage : Ist das mit dem Grundgesetz vereinbar? Dürften deutschen Kindern also auch die Fingerabdrücke abgenommen werden, oder gilt das nur für Kinder von Geflüchteten?

Schmidt: Eine verfassungsrechtliche Problematik erkennen wir dort nicht, sonst hätten wir einen solchen Vorschlag nicht gemacht. Ganz generell ist darauf hinzuweisen, dass dem eine europarechtliche Regelung zugrunde liegt, die hier für Deutschland dann auch national umgesetzt wird.

Frage: Das ist ja kein neuer Vorschlag, vielmehr hatte auch der Vorgänger von Herrn Seehofer, Herr de Maizière, diesen Vorschlag schon vorgelegt, und er wurde dann nicht umgesetzt. Was macht Sie so zuversichtlich, dass er nun doch umgesetzt werden kann?

Schmidt: Wir wollen mit dieser Absenkung des Alters die besondere Schutzbedürftigkeit anerkennen und dieser Rechnung tragen, um sie eben auch in den Vermisstenfällen eindeutig zuordnen zu können. Ich glaube, da ist einfach erkannt worden, dass dieser Bedarf besteht und dass es vernünftige Gründe gibt, solch eine Absenkung jetzt durchzuführen.

Zusatzfrage: Herr Schmidt, dieses Gesetz soll ja auch eine Maßnahme gegen Mehrfachidentitäten sein. Können Sie da einmal ein paar Fakten nennen? Ist dieses Thema noch ein nennenswertes Phänomen? Wie häufig tritt das noch auf, welche Erkenntnisse hat das BMI oder das BAMF diesbezüglich?

Schmidt: Ich habe Ihnen hier keine konkreten Zahlen mitgebracht beziehungsweise kann Ihnen im Moment keine konkreten Zahlen zu diesen Mehrfachidentitäten nennen. Insgesamt ist es aber so, dass das Gesetzespaket zur Erhöhung der Sicherheit der Identifizierung beitragen soll; das ist also durchaus ein erklärtes Ziel. Ob und inwieweit dieses Gesetz dann wirkt, wird man dann am Ende beurteilen müssen. Die Maßnahmen, die jetzt vorgeschlagen werden, sollen konkret dazu führen, dass Identifizierungsmöglichkeiten verbessert werden.

Frage: Herr Schmidt, da Sie sagten, die Absenkung des Alters bei der Erfassung von Fingerabdrücken verfolge auch eine Schutzbedürftigkeit: Man muss doch auch davon ausgehen, dass das bisherige Grenzalter von 14 auch Ausdruck einer Schutzbedürftigkeit war, sonst hätte man es ja nicht eingeführt. Welche beiden Schutzbedürftigkeiten stehen hier gegeneinander, und warum hat sich jetzt die eine Auffassung von Schutzbedürftigkeit gegen die andere, die bis dahin gegolten hatte, durchgesetzt?

Schmidt: Sicherlich gibt es da, wenn Sie so wollen, einen Widerstreit zwischen der Schutzbedürftigkeit eines Jugendlichen einerseits und dem Schutzgut seiner persönlichen Integrität und seiner Sicherheit andererseits. In diesem Fall haben wir eben leider immer wieder Anhaltspunkte dafür finden müssen, dass Jugendliche eventuell Opfer von Straftaten geworden sind, wenn sie sich in diesem unschönen Status der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge befunden haben und wir hier in der Bundesrepublik nicht sicher sagen konnten, wo sie sich aufhalten und unter wessen jugendamtlicher Führung und Aufsicht sie zu dem Zeitpunkt standen. Da haben wir also einen Bedarf erkannt, das in Zukunft zu verbessern, und das soll damit umgesetzt werden. Dass demgegenüber natürlich die Schutzbedürftigkeit der Jugendlichen und ihrer Identität zu berücksichtigen ist, steht außer Frage, und das soll eben mit der konkreten Ausgestaltung dieser Regelung auch gewährleistet werden.

Zusatzfrage: Befürchten Sie nicht, dass, wenn man Kinder zwischen sechs und 14 Jahren so behandelt, wie man es landläufig häufig auch mit Kriminalität oder auch Kriminalitätsverdacht in Verbindung bringt, dies einem Gefühl der Kriminalisierung Vorschub leisten kann, was dann möglicherweise - "self-fulfilling prophecy" - genau in die Richtung führt?

Schmidt: Da würde ich Sie schon bitten, zu unterscheiden: Umgangssprachlich oder normalerweise würde man eine erkennungsdienstliche Behandlung mit einer polizeilichen Maßnahme in Zusammenhang bringen, das ist völlig richtig. Bei der Umsetzung dieser Regelung, die wir jetzt anstreben, bleibt aus unserer Sicht allerdings ganz klar das Primat der Kinder- und Jugendhilfe unberührt. Das heißt, bei diesen erkennungsdienstlichen Behandlungen von Minderjährigen muss die Anwesenheit einer vertretungsberechtigten Begleitperson sichergestellt sein, das Verfahren wird erklärt, das Verfahren wird begleitet. Da wird niemand wie ein Verbrecher behandelt. Es ist also ganz klar auch Ziel dieser Regelung, das in einer kindgerechten Art und Weise, unter Achtung der Interessen des Kindes und - durch eine entsprechende Regelung des Sozialgesetzbuches - im Einklang mit der UN-Kinderrechtskommission umzusetzen. Die Verhältnismäßigkeit und das Kindeswohlprinzip erfordern natürlich auch eine Durchführung durch entsprechend geschultes Personal. Auch das ist erklärtes Ziel und wird umgesetzt.

Frage : Ich habe dazu noch eine Lernfrage: Warum sind Fünfjährige nicht besonders schutzbedürftig?

Schmidt: Für so kleine Kinder gilt natürlich auch eine besondere Schutzbedürftigkeit, gar keine Frage. Allerdings sehen wir eben, dass die Kinder in diesem Alter eindeutig einer Betreuung zuzuordnen sind. Das heißt, es gibt unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die sich sozusagen selbstständig in der Bundesrepublik bewegen und sich dann vielleicht auch - weil sie das gerne wollen - dem Jugendamt entziehen. Bei noch jüngeren Kindern findet das in der Regel nicht statt.

Zusatzfrage : Haben Sie denn Zahlen, wie viele Sechsjährige in den letzten Jahren in Deutschland ohne Betreuung waren?

Schmidt: Wie schon gesagt: Hintergrund dieser Regelung ist auch, dass wir in Zukunft bessere Zahlen liefern wollen. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Sie wissen, dass unsere Aussagen zu diesen Zahlen bisher immer mit Unsicherheit verbunden waren. Das soll damit ja gerade verbessert werden.

Zusatzfrage : Hatten Sie eine Dunkelziffer, die Sie dazu gebracht hat, dieses Gesetz jetzt einzubringen?

Schmidt: Eine Dunkelziffer ist naturgemäß eben eine, die nicht so richtig benannt werden kann. Ich meine, die letzte Zahl, die wir hatten, war, dass es etwas über 3000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gibt, davon etwa 890, wenn ich mich richtig erinnere, unter 14 Jahren. Das sind Zahlen, denen wir sicherer nachgehen wollen und denen hier auch entgegengewirkt werden soll.

Frage : Erstens. Herr Seibert, wann erwartet die Bundesregierung die Aufnahme Nordmazedoniens in die Nato?

Zweitens. Wie schnell rechnen Sie mit der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und Nordmazedonien?

StS Seibert: Das Bundeskabinett hat ja heute der Unterzeichnung des Protokolls zum Nato-Beitritt von Nordmazedonien zugestimmt, aber dieses Beitrittsprotokoll muss nun noch unterzeichnet werden. Das wird nach meinen Informationen im Februar in Brüssel durch die ständigen Vertreter der Nato-Mitgliedstaaten getan werden. Für uns wird das unser Botschafter Lucas tun. Der Beitritt wird dann wirksam, sobald alle Nato-Mitgliedstaaten ihrerseits die Ratifikation des Beitrittsprotokolls angezeigt haben. In Deutschland ist dafür ein Vertragsgesetz notwendig. Wir werden uns als Bundesregierung dafür einsetzen, dass dieses Vertragsgesetz dann schnell angenommen wird. Ab dem Moment, in dem das Beitrittsprotokoll in Brüssel unterzeichnet worden ist, genießt Nordmazedonien Beobachterstatus im Bündnis.

Zusatz : Der zweite Teil betraf ja die Aufnahmeverhandlungen mit der EU.

StS Seibert: Das ist ja unabhängig von einem Beitritt Nordmazedoniens zur Nato. Für Nordmazedonien besteht wie für alle Länder des westlichen Balkans die europäische Perspektive. Das heißt, sie haben die Zusage, der EU beitreten zu können, sobald alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Der Europäische Rat wird frühestens im Juni dieses Jahres entscheiden, ob mit Nordmazedonien EU-Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden, und die Voraussetzung für eine positive Entscheidung ist natürlich, dass der Rat dann auch eine hinreichende Erfüllung der Bedingungen feststellt, vor allem eben auch hinreichende Fortschritte bei greifbaren und nachhaltigen Reformen, zum Beispiel bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität oder der Korruption. Der Rat hat im Juni des vergangenen Jahres einstimmig festgelegt, welche Voraussetzungen im Einzelnen erfüllt sein müssen.

Zusatzfrage : Der Vertrag von Prespa, den Sie angesprochen haben, verpflichtet Griechenland ja dazu, dass es keine Hindernisse mehr für die Aufnahme Nordmazedoniens in die EU aufstellt. Die Frage ist nun, ob Griechenland dann bei den Verhandlungen die Möglichkeit hat, von Kapitel zu Kapitel zuzustimmen oder abzulehnen, oder wird von vornherein ein Ja von Griechenland als gegeben betrachtet?

Breul: Die Beitrittsverhandlungen sind ein Prozess. Das kennen Sie von vielen anderen erfolgreichen Beitritten oder Beitrittskandidaten. Natürlich kommt es dabei ganz entscheidend darauf an, ob der Beitrittskandidat die entsprechenden Kriterien, die der Rat vorgegeben hat und die die Kommission überprüft, erfüllt.

Ich denke, was mit dem Vertrag gemeint ist, ist, dass sozusagen kein grundsätzlicher griechischer Widerstand gegen den EU-Beitritt mehr besteht. Das präjudiziert aber sozusagen nicht den Katalog, den Nordmazedonien jetzt abzuarbeiten hat.

Frage : Wer sind denn aus Sicht der Bundesregierung die nächsten Nato-Beitrittskandidaten?

StS Seibert: Dabei geht es nicht um die Sicht der Bundesregierung, sondern um europäische Beschlüsse, und die werden im Europäischen Rat gefällt werden.

Zusatzfrage : Aber sind Ihnen aktuell Kandidaten bekannt, also Länder, die der Nato beitreten möchten und die vielleicht auch einen Antrag gestellt haben?

StS Seibert: Die grundsätzliche europäische Perspektive, wie ich es beschrieben habe, besteht für alle Länder des westlichen Balkan. Darüber, in welcher Schrittfolge und in welchem Tempo das gehen wird, wird dann im Einzelnen der Europäische Rat nach Überprüfung der individuellen Zustände und der individuellen Fortschritte in den Ländern entscheiden.

Frage: Mein erstes Thema wäre das deutsch-chinesische Verhältnis. Dazu hätte ich eine ganz grundlegende Frage an Frau Alemany. Ich würde gerne ganz grundsätzlich wissen, was das Bundeswirtschaftsministerium gegen einseitigen Technologietransfer von Deutschland nach China tut.

Die zweite Frage zum deutsch-chinesischen Verhältnis vielleicht direkt hintendran, und zwar an Herrn Schmidt: Dabei geht es um den Konzern Huawei und die 5G-Ausschreibungen. Gibt es Überlegungen innerhalb der Bundesregierung, Huawei von dieser Ausschreibung auszuschließen? Von welchen Kriterien machen Sie das abhängig?

Alemany: Vielleicht fange ich einmal damit an, etwas zum allgemeinen Verhältnis zu China zu sagen. Sie wissen ja, dass wir im Rahmen unserer Regierungskonsultationen offene Punkte gegenüber der chinesischen Regierung immer auch ansprechen. Der Schutz geistigen Eigentums ist einer davon. Das ist ein langwieriger Prozess, in dem wir immer darauf drängen, dass wir ein sogenanntes "level playing field" herstellen, also dass unsere Unternehmen die gleichen Wettbewerbsbedingungen in China vorfinden, wie sie auch chinesische Firmen auf dem europäischen Markt vorfinden können.

Insgesamt könnte man solche Themen natürlich im Rahmen der WTO angehen. Wie Sie wissen, gibt es da einen Streitbeilegungsmechanismus. Wenn es also Fälle gäbe, die sich herauskristallisieren ließen, dann könnte man das auch gegenüber der WTO geltend machen.

Schmidt: Ich darf das vielleicht noch ergänzen. Sie wissen, glaube ich, dass wir uns im Moment intensiv mit der Frage befassen, inwieweit Sicherheit und Vertraulichkeit der von verschiedenen Telekommunikationsausrüstern angebotenen Netzwerkkomponenten gerade für den 5G-Bereich weiterhin gewährleistet werden können. Angesichts der Tatsache, dass die zukünftige 5G-Infrastruktur eben viele gesteigerte und verbesserte Merkmale aufweisen wird, sind auch die entsprechenden Sicherheitsüberlegungen anzupassen. Dementsprechend sind auch die Anforderungen an die Sicherheit und die Vertraulichkeit der 5G-Netze anzupassen, und die zugrundeliegende Technologie ist danach zu bewerten.

Die Willensbildung hinsichtlich dieses Themas ist aber insgesamt nach wie vor nicht abgeschlossen. Aktuell beabsichtigen wir, den Telekommunikationsanbietern in Kürze eine Einschätzung dazu zu geben. Wir werden hierbei auch die Telekommunikationsanbieter einbeziehen, um ihre Sichtweise zu prüfen und sie einschätzen zu können. Einen genauen Zeitpunkt, wann mit Entscheidungen in Bezug auf konkrete Sicherheitsmaßnahmen zu rechnen ist, kann ich Ihnen jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht nennen.

Frage : Ich habe zu diesem Thema auch noch einmal eine Frage an Frau Alemany, nachdem der Bundeswirtschaftsminister eben nicht mehr zu dem Thema sagen konnte. Ein internes Papier der Telekom besagt oder warnt davor, dass ein Ausschluss von Huawei dazu führen könnte, dass sich der Ausbau des 5G-Netzes um mehrere Jahre - zwei Jahre oder so - verzögern könnte. Ist das eine Sorge, die auch das Wirtschaftsministerium teilt?

Alemany: Das Wirtschaftsministerium wie auch die gesamte Bundesregierung hat das Ziel, natürlich einen möglichst beschleunigten Ausbau des Breitbandnetzes und auch des neuen 5G-Netzes für Deutschland zu gewährleisten. Ich denke, es ist ein Recht der Bürger, dass das schnell und flächendeckend zur Verfügung steht. Das ist auch wichtig für unsere Unternehmen und unsere innovativen Fortschritte in unseren Unternehmen, also auch für die künftige Wettbewerbsfähigkeit unseres Industriestandortes. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass die hohen Sicherheitsanforderungen zum Schutz der Daten gewährleistet werden können.

Zum Vergabeverfahren hat sich der Minister ja vorhin geäußert.

Zusatzfrage : Das war jetzt noch nicht eine Antwort auf meine Frage. Haben Sie denn die Befürchtung, dass, falls Huawei-Teile, die ja offenbar schon in dem 4G-Netz verbaut worden sind, jetzt nicht mehr im 5G-Netz verbaut werden dürften, das Ihrer Meinung nach den Ausbau dieses Netzes verzögern würde?

Alemany: Das ist die gleiche Frage, also gibt es die gleiche Antwort: Zu Konjunktiven - dazu, was wäre, wenn es zu einem Ausschluss von Huawei wäre - kann ich mich hier nicht äußern. Der Minister hat ja auch von Wettbewerbern gesprochen. Es gibt ja mehrere auf dem Markt.

Ziel der Bundesregierung ist ein schneller Ausbau. Ich hatte deutlich gemacht, warum das für die Wirtschaft wichtig ist. Ziel ist aber auch der hohe Schutz der Daten.

Frage: Es geht um die gleiche Diskussion. Die USA haben Anklage gegen Huawei erhoben. Das ist eine Frage für Herrn Schmidt: Denken Sie, dass so ein Prüfungsprozess eventuell auch Huawei als potenziellen Anbieter beeinflussen würde?

Noch eine weitere Frage: Denken Sie, dass eine 100-Prozent-Sicherheitsüberprüfung eigentlich möglich ist? Wenn Huawei nämlich zum Beispiel nicht ein Anbieter für das ganze Netzwerk ist, ist Huawei immer noch ein Anbieter vieler Einheiten und Teile des ganzen Netzwerks.

Schmidt: Grundsätzlich werden wir bei allen Überlegungen zu Fragen der Netzsicherheit alle Aspekte berücksichtigen, die im Rahmen einer verhältnismäßigen Vorgehensweise aus unserer Sicht erforderlich und wichtig sind. Da, wie gesagt, die Willensbildung hinsichtlich konkreter Maßnahmen im Moment noch nicht abgeschlossen ist, bitte ich um Ihr Verständnis dafür, dass ich nicht spekulieren kann, was jetzt einzelne Anbieter oder einzelne Maßnahmen angeht.

Ganz grundsätzlich lässt sich, glaube ich, noch sagen, dass die Abwägung zwischen Sicherheit, Verlässlichkeit der Technik, Funktionsfähigkeit der Technik und einem Angriff auf diese Technik natürlich immer getroffen werden muss und dass wir hundertprozentige Sicherheit wahrscheinlich nie wirklich garantieren können. Das wird immer ein Wettlauf zwischen demjenigen, der Sicherheit in einem Netz garantieren will, und demjenigen, der eben versucht, in ein solches Netz einzudringen, sein. Wir können nur versuchen, diese Probleme, die wir dort sehen, ernst zu nehmen und möglichst große Sicherheit - in Beziehung gesetzt zu dem Aufwand, den wir dafür betreiben müssen - zu garantieren.

Frage: Mich würde auch einmal die Meinung des Auswärtigen Amtes zu dem ganzen Komplex interessieren. Mit den Vorfällen in Kanada und den USA wird das ja jetzt gewissermaßen auch zu einem diplomatischen Belang. Herr Breul, wie blicken Sie auf diesen Umgang mit einem Unternehmen wie Huawei? Was ist die Meinung der Bundesregierung dazu?

Breul: Ich weiß nicht genau, ehrlich gesagt, wie ich auf Ihre Frage antworten soll, weil das ja sozusagen ein Themenkomplex ist, über den es Gerichtsverhandlungen gibt. Es gibt individuelle Anklagen. Es gibt Verquickungen mit Fällen, die in anderen Ländern stattfinden. Es ist für mich also ein bisschen schwierig, das zu kommentieren.

Lassen Sie mich vielleicht nur sagen, dass wir natürlich schon mit Sorge betrachten, dass es Auseinandersetzungen, die zwischen großen Mächten auf dieser Welt stattfinden, und Konkurrenzkämpfe gibt, die entstehen. Das dringt in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche und auch in den technologischen Bereich vor. In Fachkreisen wird von zwei sich entwickelnden "Technosphären" gesprochen. All diese Entwicklungen beobachten wir natürlich mit großer Aufmerksamkeit, und wir betrachten sie auch ein Stück weit mit Sorge, weil sie nicht dem entsprechen, was wir gerne als gutes und integratives Modell einer Globalisierung ansehen, an der alle Marktteilnehmer in der Welt zu gleichen und fairen Bedingungen teilnehmen können.

Ich weiß nicht, ob Ihnen das als allgemeine Einschätzung reicht. Zu den individuellen Fällen in China und in Kanada kann ich mich vielleicht noch auf Rückfrage äußern, aber dazu kann ich hier kein pauschales Urteil abgeben.

Zusatzfrage: Dann frage ich noch einmal kurz nach, Herr Breul. Es geht einfach letztlich auch um die Vorwürfe, dass es sich bei diesem Unternehmen um ein Unternehmen handelt, das auch sehr stark von der chinesischen Regierung beeinflusst wird und dass da eben grundsätzlich - das betrifft ja auch das Thema jetzt hier in Deutschland - der Verdacht der Spionage und politischen Einflussnahme im Raum steht. Das ist ja etwas, das sicherlich auch vom Auswärtigen Amt bewertet wird.

Breul: Ja. Dazu kann ich vielleicht nur allgemein sagen: Selbstverständlich ist Huawei ein chinesisches Unternehmen und unterliegt auch der chinesischen Gesetzgebung. Da gibt es durchaus einige Passagen, die uns mit Sorge erfüllen. Das betrifft auch die Verpflichtung chinesischer Unternehmen, mit Nachrichtendiensten zusammenzuarbeiten.

Frage : Herr Breul, Sie haben eben gesagt, dass Sie mit Sorge sehen, dass so ein Konflikt zwischen zwei Großmächten dann auch in so verschiedene Bereiche hinein strahlt. Das beinhaltet ja inhaltlich eigentlich doch den Vorwurf, dass auch die Festnahme der Managerin in Kanada und auch diese Anklage gegen Huawei jetzt im Grunde politisch motiviert sind, oder?

Breul: Nein. Zu diesen Einzelfällen wollte ich, wie gesagt, keine Bewertung abgeben. Die Frage Ihrer Kollegin war ja sehr breit angelegt, und ich habe versucht, eine breit angelegte Einordnung anzubieten, ohne die Einzelfälle zu kommentieren.

Frage : Mich würde interessieren, ob die Vergabekriterien denn schon feststehen, also zum Beispiel, dass es eine Abdeckung von 100 Prozent geben muss.

Alemany: Dazu gibt es ja entsprechende Beschlüsse, aber vielleicht müssten Sie das zuständige Verkehrsministerium fragen.

Zusatzfrage : Frau Buser?

Buser: Für das Thema 5G-Auktion liegt die Zuständigkeit auch bei der Bundesnetzagentur.

Zusatzfrage : Ja, aber ist eines der Kriterien, dass es eine Abdeckung von 100 Prozent geben muss?

Buser: Wie gesagt: Der Minister hat sich zu dem Thema relativ häufig geäußert. Das Ziel ist, eine flächendeckende Abdeckung zu erreichen, sodass der Ausbau auch stark vorankommt.

Zusatz : Ja, aber ein Ziel ist etwas anderes als ein Kriterium!

Buser: Die Kriterien für die Auktion legt die BNetzA fest.

Frage : Zu unserem Lieblingsthema, dem Brexit: Herr Seibert, die offizielle Ansage der Bundesregierung und auch der Kanzlerin ist ja immer gewesen, man werde alles Mögliche tun, um einen No-Deal zu vermeiden. Jetzt hat gestern Abend ja das britische Unterhaus einen Beschluss gefasst, der das Risiko, dass es zu einem No-Deal kommt, doch wieder oder noch einmal etwas erhöht hat. Sieht die Bundeskanzlerin, die ja alles Mögliche unternehmen will, um genau das zu vermeiden, irgendeine Möglichkeit, dieses Paket jetzt noch einmal aufzuschnüren oder noch einmal in irgendeiner Form diesen Backstop nachzuverhandeln, sodass das britische Unterhaus dem zustimmen kann?

StS Seibert: Die Bundesregierung begrüßt, dass sich das britische Unterhaus dafür ausgesprochen hat, die EU nicht ohne Austrittsabkommen verlassen zu wollen. Das ist nämlich auch schon lange unsere Überzeugung.

Die Bundesregierung hat zur Kenntnis genommen, dass das britische Unterhaus mehr Klarheit über das zukünftige Grenzregime zwischen Irland und Nordirland benötigt. Nun ist es an der Premierministerin, an Theresa May, EU-Verhandlungsführer Michel Barnier und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu diesem Thema konkrete Erläuterungen zu geben. Die Öffnung des Austrittsabkommens steht nicht auf der Tagesordnung.

Zusatzfrage : Sie sagen jetzt, Sie begrüßen es, dass das britische Unterhaus mehr Klarheit haben will, was die irische Backstop-Lösung angeht. Wie kann denn mehr Klarheit hergestellt werden, wenn man das Abkommen nicht doch wieder aufschließt? Genau das, diese Backstop-Lösung, ist nämlich ein wesentlicher Teil des Abkommens.

StS Seibert: Ich will dem, was ich jetzt gesagt habe, nichts hinzufügen. Ich will nur sagen: Wir begrüßen, dass sich das Unterhaus dafür ausgesprochen hat, dass Großbritannien die EU nicht ohne Austrittsabkommen verlassen soll; denn das ist - Sie haben es von uns zigfach gehört - auch unsere Überzeugung.

Wir nehmen zur Kenntnis, was das britische Unterhaus ebenso in einem anderen Votum ausgedrückt hat, nämlich dass es mehr Klarheit über das künftige Grenzregime zwischen der Republik Irland und Nordirland haben will. Es ist, wie ich gesagt habe, jetzt die Sache der britischen Premierministerin, dazu dem Verhandlungsführer und dem Kommissionspräsidenten konkrete Erläuterungen zu geben.

Frage : Je näher wir dem Austrittsdatum kommen, desto mehr liest man ja von den Notfallvorbereitungen, die von der britischen Regierung für den Fall eines ungeregelten No-Deal-Brexits unternommen werden. Mich würde interessieren, ob sich die Bundesregierung in irgendeiner Weise darauf vorbereitet, Großbritannien zu helfen, wenn beispielsweise die Blutkonserven oder die Medikamente oder das Öl oder Ähnliches ausgeht und Großbritannien selbst nicht in der Lage ist, den notwendigen Nachschub zu bekommen.

StS Seibert: Ich werde jetzt mit Ihnen nicht über das Eintreten eines Falles spekulieren, den wir nicht wollen - wir haben es ja nun auch schon vielfach ausgedrückt - und zu dem das britische Unterhaus gestern mit Mehrheit auch klar gesagt hat, dass es ihn nicht will. Jetzt kommen wir wieder zu meiner Erklärung vom Anfang zurück, die ich nicht ein drittes Mal wiederholen möchte.

Wir haben, wie wir immer gesagt haben, für alle Fälle - auch für einen Fall, den wir nicht wünschen - die innerstaatlich notwendigen Vorbereitungen eingeleitet. Das ist, glaube ich, in allen europäischen Mitgliedstaaten so. Mehr kann ich Ihnen dazu jetzt nicht sagen.

Zusatzfrage : Wenn ich darf, stelle ich trotzdem eine Nachfrage. Es geht ja nicht um Spekulationen, sondern um Vorbereitungen. Sie haben die innerstaatlichen Vorbereitungen angesprochen. Meine Frage war, ob man irgendetwas unternimmt, um beispielsweise irgendwelche Vorräte oder Ähnliches für den Fall, dass die gebraucht werden, parat zu haben.

StS Seibert: Ich habe Ihnen dazu nichts weiter mitzuteilen.

Frage: Am Montag haben die beiden Volksparteien CDU und SPD ihre Ostpapiere vorgestellt. Herr Seibert, in den Papieren heißt es relativ deckungsgleich, dass neu geschaffene Einrichtungen des Bundes in Ostdeutschland angesiedelt werden sollen, bis eine annähernd gleiche Verteilung von Arbeitsplätzen vorliegt. Ich würde gerne wissen: Welche neuen Einrichtungen will die Bundesregierung in den nächsten zwei Jahren schaffen?

StS Seibert: Zunächst einmal bin ich als Regierungssprecher, denke ich, nicht der Richtige, um hier ein Papier der Parteien zu kommentieren. Alles Weitere würde ich Ihnen in einer schriftlichen Antwort zukommen lassen.

Schmidt (zum Datenaustauschverbesserungsgesetz): Ich hatte vorhin versucht, die Zahlen für Sie aus dem Kopf zu rekapitulieren. Jetzt habe ich die schriftliche Unterlage gefunden und würde sie gern genau benennen.

Derzeit gelten nach Angaben des Bundeskriminalamtes 3192 unbegleitete minderjährige Ausländer als vermisst. Davon waren 884 jünger als 14 Jahre. Der Stand dieser Zahlen ist der 1. Januar 2019.

Frage: Ich habe eine Frage zum kaputten Regierungsflieger "Theodor Heuss". Steht dadurch möglicherweise die Japan-Reise in Frage? Die Frage geht sowohl an Herrn Seibert als auch an Herrn Breul.

StS Seibert: Ich kann Ihnen, weil ich den genauen Sachverhalt noch gar nicht kenne, dazu keine Auskunft geben. Ich nehme an, dass das Verteidigungsministerium auch noch nicht sehr viel sagen kann, aber vielleicht etwas.

Flosdorff: Kurz bevor ich hierhergekommen bin, habe ich gehört, dass es in Addis Abeba wohl ein Problem mit dem Flugzeug gibt. Aber nach dem Informationsstand, den ich habe, handelt es sich um einen technischen Defekt, den man, so hofft man, dort auf dem Flugplatz innerhalb eines überschaubaren Zeitraums beheben kann.

Frage: Letztes Mal war ja der Entwicklungsminister der Leidtragende. Er konnte mit der Regierungsmaschine von Sambia aus nicht nach Berlin zurückfliegen. Steht denn schon der Grund des damaligen Schadens an der Global 5000 fest, des zweiten Schadens, den es auf dieser Reise gab?

Flosdorff: Dazu kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Ich bitte Sie, sich dazu an die Luftwaffe zu wenden. Sie hat ein eigenes Presseinformationszentrum, das mittlerweile über diese Detailfrage Auskunft geben könnte.

Frage: Eine Frage an das BMI: Am Freitag sind die sogenannten AnKER-Zentren in Bayern ein halbes Jahr in Betrieb. Das war seitens des BMI ja immer als Pilotphase oder Pilotprojekt benannt. Für welchen Zeitraum ist diese Pilotphase denn anberaumt, und was passiert nach Abschluss dieses Zeitraums?

Wie fällt, angesichts der Tatsache, dass bisher nur drei Bundesländer ihre Ankunftszentren oder Erstaufnahmeeinrichtungen in AnKER-Zentren umbenannt haben, die Zwischenbilanz des BMI aus?

Schmidt: Ich bitte um Ihr Verständnis; ich habe den aktuellen Sachstand nicht dabei. Die Antwort würde ich Ihnen gern nachreichen.

Zusatz: Bis morgen früh, wenn es geht.

Schmidt: Das versuchen wir.

Frage : In Frankreich macht man sich auf die Rückkehr von bis zu 250 IS-Kämpfern in den kommenden Wochen gefasst, die bisher von den syrischen Kurden festgehalten wurden. Ich weiß, Herr Breul, dass auch viele deutsche IS-Mitglieder von den Kurden im Norden Syriens festgehalten wurden. Mit welchen Zahlen rechnet die Bundesregierung dabei? Sind Sie mit den Kurden in Kontakt, was die Rückkehr dieser Kämpfer und ihrer Angehörigen nach Deutschland angeht?

Breul: Das Thema hatten wir hier schon ein paar Mal. Aus unserer Sicht hat sich nichts Wesentliches geändert. Da unsere Botschaft in Damaskus weiterhin geschlossen ist, ist eine konsularische Betreuung faktisch nicht möglich. Wir haben zwar Kenntnis von Fällen einzelner deutscher Staatsangehöriger, die sich in Nordsyrien in Gewahrsam befinden. Eigene Erkenntnisse haben wir im Auswärtigen Amt aber nicht. Wenn wir von Fällen erfahren, prüfen wir, im Rahmen dessen, was möglich ist, zu unterstützen, etwa durch konsularische Betreuung auf türkischer Seite im Grenzgebiet in humanitären Fällen. Aber, wie gesagt, wir haben keine eigenen Erkenntnisse über genaue Zahlen. Konsularische Betreuung, wie wir sie in fast allen Ländern der Welt anbieten, ist in Syrien derzeit nicht möglich.

Zusatzfrage : Nach meinem Verständnis haben die syrischen Kurden Listen von Personen mit Angaben zur Nationalität, die sie den entsprechenden Ländern geschickt haben, unter anderem auch Frankreich. Sagen Sie, dass Deutschland keine solche Liste bekommen hat und dass man von diesen Leuten, die praktisch abgeschoben werden sollen, nichts weiß?

Breul: Die Lage in Nordsyrien ist vor allem eines, nämlich sehr komplex. Auch die Herrschaftsverhältnisse und Kontrollen über einzelne Gebiete und Gefangene sind schwierig zu überblicken. Wie ich vorhin schon ein bisschen verklausuliert gesagt habe, haben wir Kenntnis von Fällen, aber keine Erkenntnisse von vor Ort, einfach weil wir dort nicht präsent sein können. Wenn wir Kenntnis erhalten, gehen wir dem im Rahmen der sehr überschaubaren Möglichkeiten nach. Aber ich denke nicht, dass etwa die französischen Kolleginnen und Kollegen eine abschließende Liste haben, die die Lage in Nordsyrien adäquat widerspiegelt.

Frage: Meine Frage geht an Herrn Schmidt. Nach italienischen Medienberichten erklärt sich Deutschland als eines von mehreren EU-Ländern bereit, Flüchtlinge von der "Sea Watch" - wieder ein Schiff, das gerade im Mittelmeer schippert - aufzunehmen.

Können Sie das bestätigen?

Können Sie, auch weil es nicht das erste Mal ist, dass solche Schiffe nicht anlanden können und man händeringend Länder sucht, die die Flüchtlinge aufnehmen könnten, vielleicht auch einmal die aktuelle Situation bewerten? Wie zufrieden sind Sie mit der Lage im Mittelmeer?

Schmidt: Die Nachricht, dass jetzt eine Lösung gefunden zu sein scheint, ist ganz neu. Ich möchte Sie um Verständnis dafür bitten, dass ich das hier nicht ad hoc bewerten kann. Ich kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt allerdings sagen, dass sich das BMI in dem aktuellen Fall wie auch in allen bisherigen Seenotrettungsfällen für eine rasche Lösung eingesetzt hat. Diese Lösung muss - auch das ist weiterhin unsere Überzeugung - im Rahmen der gemeinsamen europäischen Verantwortung und Solidarität eine ausgewogene Verteilung auf verschiedene EU-Mitgliedsstaaten vorsehen. Deshalb hat sich die Bundesregierung auch in diesem Fall wieder ausdrücklich dazu bereiterklärt, neben jetzt offenbar gefundenen anderen Mitgliedsstaaten einen solidarischen Beitrag zu leisten.

Frage : Herr Seibert, das Uno-Flüchtlingshilfswerk beziehungsweise sein Vorsitzender, Herr Grandi, hat gesagt, dass vergangenes Jahr täglich sechs Menschen bei dem Versuch gestorben seien, über das Mittelmeer zu gelangen. Was tut die Bundesregierung konkret und unmittelbar, um diese Menschen zu retten?

StS Seibert: Zunächst einmal muss man sagen, dass das eine sehr traurige Zahl ist. Der UNHCR hat gerade erst vor kurzem die Gesamtzahl für 2018 von über 2200 Menschen bekanntgegeben, die im gesamten Mittelmeer ertrunken sind oder als vermisst gemeldet wurden. Das ist eine sehr traurige Zahl, die vor allem eines zeigt, nämlich wie absolut gewissenlos die Schlepper die Menschen in ihren möglichen Tod schicken, nachdem sie ihnen vorher das Geld abgenommen haben. Darin liegt natürlich eine ganz starke Begründung, das kriminelle Schleuserwesen auch weiterhin zu bekämpfen.

Es würde sehr weit führen, wenn wir nun alles beschreiben wollten, womit wir durch Verbesserung der Verhältnisse in den Transit- und vor allen Dingen auch den Herkunftsstaaten versuchen, die Zahl derjenigen zu senken, die sich auf diese potenziell lebensgefährliche Überfahrt überhaupt einlassen. Aber dass wir diese Zahl sehr bedauern und dass es 2200 Menschenleben zu viel sind, die verlorengegangen sind, das können Sie mir glauben. Im Jahr davor war die Zahl noch höher. Das macht es aber immer noch nicht gut.

Zusatzfrage : Jetzt ging es aber darum, wer diese Menschen rettet. Zurzeit gibt es wohl nur ein Nichtregierungsschiff vor der Küste Libyens. Die Libyer können bis anderthalb Meter Wellengang arbeiten, darüber nicht. Das hat der Kommandeur der Operation Sophia gesagt. Die Operation Sophia selbst ist nicht in der Gegend. Das deutsche Schiff ist jetzt sowieso abgezogen worden. Wer soll die Menschen denn retten?

StS Seibert: Zuallererst ist es natürlich ganz wichtig, dass niemand die Menschen in diese Gefahr bringt, indem er ihnen das Gefühl gibt, eine Rettung wäre garantiert. Denn das ist sie ja leider nicht, wie diese Zahl zeigt. Also bleibt es dabei: Wir müssen das Schlepperwesen bekämpfen. Wir müssen die Gründe für illegale Migration Stück für Stück und Schritt für Schritt reduzieren. Das ist es, was ich Ihnen dazu sagen kann.

Frage: Herr Seibert, der UNHCR hat eine auch sehr traurige Statistik veröffentlicht. Im Jahr 2017 kam ein toter Migrant auf 38 Ankömmlinge. Im vergangenen Jahr lag die Quote bei einem Toten auf 14 Ankömmlinge. Das heißt, in der Relation hat sich die Zahl der Toten erhöht. Der UNHCR führt das auf die Einstellung der Seenotrettungsmissionen zurück. Wie bewerten Sie dies?

StS Seibert: Die Zahl hat sich nicht erhöht, sie hat sich verringert. Ich habe gerade schon gesagt, dass auch 2262 im Mittelmeer ums Leben Gekommene oder im Mittelmeer Vermisste 2262 zu viel sind. Es bleibt aber trotzdem eine Tatsache, dass die Zahl im Jahr davor deutlich höher war.

Ansonsten verweise ich auf das, was ich hier gesagt habe.

Zusatz: Aber die Relation von eins zu 14 ist eine andere Relation als eins zu 38. Das ist doch eine eigene Dimension.

Frage : Herr Seibert, ich habe Sie so verstanden, dass die Bundesrepublik aktuell auf dem Mittelmeer nichts für die Geflüchteten tut, korrekt?

StS Seibert: Wir haben hier über die Operation Sophia, an der wir seit ihrem Beginn beteiligt waren, gesprochen. Das können die Kollegen sicherlich noch einmal darlegen.

Für uns ist klar: Es muss dauerhaft verlässliche, gemeinsame und solidarische europäische Lösungen bei der Seenotrettung geben. Wir sind ein ums andere Mal, wie man jetzt ja auch im Zusammenhang mit "Sea Watch 3" wieder sieht, bereit, uns mit der Überstellung dieser Menschen nach Deutschland zu beteiligen, damit ihr Asylverfahren hier durchgeführt und ihr Schutzgesuch hier geprüft werden kann.

Wir haben hier vielfach gesagt: Ungeachtet unserer immer wieder gezeigten Bereitwilligkeit, uns ad hoc an diesen einzelnen Fällen zu beteiligen, braucht Europa natürlich ein System, eine gemeinsame, dauerhafte Lösung. In der Erarbeitung dieser Lösung wird sich Deutschland sicherlich intensiv einbringen.

Zusatzfrage : Solange es keine gemeinsame Lösung gibt, gibt es keine Hilfe der Bundesrepublik auf dem Mittelmeer, richtig?

Breul: Dazu kann ich vielleicht auch noch einmal ein, zwei Aspekte ergänzen. Zunächst einmal muss man, glaube ich, ja schon irgendwie auseinanderhalten, wie bestimmte Situationen entstehen. Herr Seibert hat es gerade schon erwähnt. Das schmutzige Handwerk der Schlepper ist nicht zu tolerieren. Ihm gilt es entgegenzuwirken.

So kann man im Übrigen die Zahlen aus dem letzten Jahr auch interpretieren, dass nämlich bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität und der Schlepperbanden bestimmte Erfolge erzielt wurden, sodass diese Schlepperbanden gezwungen sind, jetzt ein noch höheres Risiko einzugehen und noch skrupelloser vorzugehen. Wenn ich sage "gezwungen sind", dann meine ich das natürlich absolut in Anführungszeichen. Das hat unsere oberste Priorität an Land.

Ich möchte auch hinzufügen: Die Seenotrettung ist kein gutes Instrument zur Steuerung von Migration. Die Seenotrettung ist eine Hilfsaktion in allerhöchster Not. Alle Schiffe, die auf hoher See sind, sind verpflichtet, Seenotrettung zu leisten. Es ist wichtig und sehr gut, dass sich die Schiffe daran beteiligen. Wir vonseiten der Bundesregierung machen ausdrücklich nicht dabei mit, diese Seenotrettung zu kriminalisieren. Das ist eine wichtige Aufgabe, die da stattfindet. Da werden Menschenleben gerettet. Nichtsdestoweniger - ich wiederhole das - ist die Seenotrettung kein Instrument, mit dem man Migration steuern kann.

Frage: Die russische Regierung hat Zustimmung zur Absicht des venezolanischen Präsidenten signalisiert, unter ausländischer Vermittlung den Dialog mit der Opposition zu suchen. Angeblich hat man für eine solche Friedensmission von Moskau aus schon Kontakte geknüpft, auch zu mehreren EU-Ländern.

Gibt es auch schon zu Deutschland, zur Bundesregierung Kontakte?

Breul: Davon kann ich Ihnen, ehrlich gesagt, nicht berichten. Unsere Analyse ist, dass da jetzt auch, wie man im Englischen sagt, relativ viel "smoke screen" produziert wird, wo vermeintliche Dialogangebote gemacht werden, die vielleicht dann doch nicht so attraktiv sind, wenn man es sich genauer ankuckt. Herr Maduro hat großzügigerweise angeboten, die Parlamentswahlen zu wiederholen, die er verloren hat. Die allseits kritisierte Präsidentschaftswahl will er nicht wiederholen. Darum lohnt sich, glaube ich, ein genauer Blick darauf.

Die Europäische Union hat sich ja übers Wochenende sehr klar und deutlich positioniert und gesagt, welche Schritte jetzt notwendig sind, nämlich die Einleitung von demokratischen Wahlen, damit wieder ein Präsident an die Macht kommen kann, der demokratisch legitimiert ist. Wir werden jetzt genau beobachten, ob Präsident Maduro bereit ist, diese Schritte auch einzuleiten, beziehungsweise ob er sie tatsächlich einleitet.

StS Seibert: Im Zusammenhang mit Venezuela möchte ich noch etwas hinzufügen. Uns beunruhigt die Meldung, dass in diesem Monat, im Januar, bislang schon 26 Menschen bei Demonstrationen ums Leben gekommen sind und dass es zu zahlreichen Festnahmen von Demonstranten gekommen ist, inklusive Kindern.

Da für heute Großdemonstrationen angekündigt sind, möchte ich unsern Appell an Herrn Maduro und die Sicherheitskräfte richten, die für heute angekündigten Demonstrationen nicht in irgendeiner Weise gewaltsam zu unterbinden. Die Menschen in Venezuela müssen von ihrem Bürgerrecht auf Meinungsäußerung, auf Demonstration uneingeschränkt und ungefährdet Gebrauch machen können.

Frage: Ich möchte von Bürgerrechten zu Rechten eines souveränen Staates kommen. Wie steht die Bundesregierung zum Eingreifen - so muss man es, glaube ich, nennen - der USA in diesen innerstaatlichen Vorgang, der sicherlich höchst problematisch ist? Ich meine die einseitige Verhängung von Sanktionen und die Umleitung von Geldflüssen an die Opposition.

Breul: Wenn man Sanktionen verhängt, ist das, glaube ich, immer einseitig. Ich wüsste nicht, dass man sich im beiderseitigen Einvernehmen auf ein Sanktionsregime einigt.

Auch die Europäische Union hat bereits seit 2017 Sanktionen gegen das Regime Maduro verhängt. Die Amerikaner haben jetzt ihre schon bestehenden Sanktionen noch einmal verschärft. Sie wissen, dass es eine besondere wirtschaftliche Verquickung zwischen den USA und Venezuela gibt, insbesondere im Ölsektor, und die USA dementsprechend auch über Instrumente verfügen, die wir in dieser Form nicht haben. Wir haben in der Erklärung vom Wochenende deutlich gemacht, was wir in den nächsten Tagen erwarten. Wir haben auch deutlich gemacht, dass wir danach über eventuelle nächste Schritte beraten werden. Dazu zählt durchaus auch die Überlegung, die Sanktionen gegebenenfalls noch einmal anzupassen.

Frage : Gibt es etwas Neues zu dem deutschen Journalisten, der dort inhaftiert ist, Herr Breul?

Breul: Ich glaube, nein. Ich weiß nicht, wann Sie hier zum letzten Mal Informationen bekommen haben. Ich habe versäumt, das nachzuschauen. Ich nehme an, Sie wissen bereits von dem Haftbesuch, der am 9. Januar stattfand. Ein zweiter Haftbesuch ist angefragt. Dazu gibt es aber noch keine Neuigkeiten.

Frage: Wie viele deutsche Staatsbürger insgesamt sind in Venezuela inhaftiert - ich vermute, es werden meist Drogendelikte sein -, und für wie viele gibt es keine konsularische Betreuung?

Breul: Ich fürchte, diese Antwort muss ich Ihnen nachreichen.

Frage: Herr Breul, Sie haben es eben schon ein bisschen angesprochen. Wenn das Ultimatum abläuft, an dem auch Deutschland beteiligt ist, was muss man sich dann vorstellen, was wird dann passieren? Dann gibt es Konsultationen mit den anderen Staaten, aber keinen Automatismus, oder? Was passiert dann konkret? Ist eine weitere Erklärung zu erwarten?

Breul: Ja. Wir werden uns mit unseren Partnern abstimmen und uns dann äußern.

Frage: Eine Frage an die Bundesregierung: Herr Maduro hat gesagt, dass er zu Gesprächen mit der Opposition bereit wäre, allerdings unter internationaler Beobachtung, wenn man so will, mit Moderation. Würde die Bundesregierung gegebenenfalls für eine solche Rolle zur Verfügung stehen?

Breul: Das ist mir ein bisschen zu hypothetisch. Wenn Parteien auf uns zukommen und gute Dienste anfragen, dann sind wir immer gesprächsbereit. Aber ob das in dem konkreten Fall wirklich hilfreich sein könnte oder nicht, das kann ich nicht beurteilen.

Frage: Ich habe eine Frage zu der geplanten Entlastung von Betriebsrentnern in der Krankenversicherung. Herr Spahn hat ja Vorschläge vorgelegt, Betriebsrentner zu entlasten. Das würde 3 Milliarden Euro kosten, 2,5 Milliarden Euro möchte er davon von Herrn Scholz haben. Der hat schon gesagt: Nee, von mir nicht. - Ich wüsste gern, wie BMF und BMG gegenseitig begründen, dass der jeweils andere das bezahlen muss.

Vom BMAS wüsste ich gern, auf wessen Seite Sie stehen. Denn Sie haben ja ein durchaus veritables Interesse an der Stärkung der Betriebsrenten.

Berve-Schucht: Der Minister hat sich heute Morgen noch einmal dazu geäußert und hat darauf hingewiesen, dass es ja auch Wunsch aller drei Koalitionsparteien ist, zu Entlastungen bei den Versorgungsbezügen, auch bei Betriebsrenten, zu kommen. Im Moment laufen dazu Gespräche. Es geht vor allem darum, wie man es finanziert. Er hat dazu auch gesagt, es sei ein völlig normaler Vorgang, dass sich diese Gespräche vor allem auf BMG und BMF konzentrieren.

Es stehen jährliche Beitragsausfälle bei den gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 3 Milliarden Euro im Raum, wenn man zu einer Halbierung der Beiträge kommt. Das wären, wenn man das allein bei der gesetzlichen Krankenkasse ließe, 0,2 Beitragspunkte. Also das wären dauerhaft entstehende Mindereinnahmen.

Insofern ist der Minister der Meinung - und da kann er sich auf den Beschluss des CDU-Parteitages stützen -, dass es eine gesamtstaatliche Aufgabe ist, diese Entlastung zu finanzieren und dass man hier zu einer fairen Aufteilung der Lasten kommen sollte.

Kolberg: Ich möchte kurz dazwischen etwas sagen, weil ich jetzt mehrfach angesprochen wurde.

Wir haben uns ja gestern auch zu dem Thema geäußert. Ich kann hier noch einmal sagen: Für den Bundesfinanzminister ist das ein wichtiges Anliegen. Er teilt dieses Anliegen, die Doppelverbeitragung von Betriebsrenten abzuschaffen. Wie es das BMG ja bereits ausgeführt hat, gibt es dazu erste Überlegungen in diesem Ressort. Eine Ressortabstimmung zu diesem Thema wurde noch nicht eingeleitet. Zu Details können wir daher auch noch nicht Stellung nehmen.

Grundsätzlich gilt: Für nicht-prioritäre Projekte sind keine zusätzlichen Mittel im Bundeshaushalt vorgesehen. Klar ist deshalb: Jedes neue Vorhaben muss gegenfinanziert sein, und das jeweilige Fachressort hat die Aufgabe, einen entsprechenden Vorschlag für eine solide Gegenfinanzierung zu machen. Das ergibt sich aus dem Koalitionsvertrag.

Berve-Schucht: Vielleicht darf ich noch einen Satz anfügen. - Also es ist klar: Es gibt keinen abgestimmten Referentenentwurf, sondern es ist im Gespräch. Wir führen dazu Gespräche.

Schneider: Ich kann dem eigentlich nicht wirklich etwas hinzufügen. Sie wissen, dass der Minister und das BMAS natürlich jegliche Bemühung unterstützen, den Effekt der Doppelverbeitragung abzubauen. Er hemmt den Ausbau von Betriebsrenten. Wenn es dazu jetzt einen ersten Vorschlag gibt und ein Schritt weitergegangen werden kann, dann ist das prinzipiell erfreulich. Aber es muss dazu weitere Gespräche geben, und da habe ich tatsächlich den Kollegen nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Nachfrage an das BMG. Aber es gibt ja einen Entwurf, und in dem steht, dass Sie nur einen kleinen Teil aus dem Gesundheitsfonds nehmen wollen und noch ein bisschen aus den Kassenreserven. Deshalb wundert es mich, dass Sie jetzt so wenig konkret werden können.

Berve-Schucht: Wie gesagt: Es gibt keinen abgestimmten Referentenentwurf. Über diese Punkte werden Gespräche geführt, und jeder hat natürlich seine Position. Aber es gibt keinen abgestimmten Entwurf. Um welche Größenordnung es geht, habe ich ja gerade noch einmal geschildert.

Kolberg: Es gibt nicht nur keinen abgestimmten Entwurf, es gibt keine Ressortabstimmung. Die Ressortabstimmung wurde noch nicht eingeleitet.

Vorsitzende Maier: Dann hat das Auswärtige Amt eine Nachlieferung.

Breul: Ja, genau. Ich habe eine Nachlieferung mit größtem Dank an meine Kolleginnen und Kollegen, die vor dem Fernseher sitzen.

Also wir haben im Moment drei Deutsche in Venezuela in Haft. Zu allen besteht konsularischer Zugang.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das BMJV, und zwar warum Leipzig nun doch nicht Zweitstandort für das neue Forum Recht werden soll.

Kall: Das Forum Recht ist ja keine Initiative der Bundesregierung, sondern eine Initiative von Bundesrichtern aus Karlsruhe - dort soll auch der Hauptstandort des Forum Recht sein -, von Parlamentariern aus allen Bundestagsfraktionen mit einer Ausnahme, nämlich der AfD-Fraktion, und aus der Zivilgesellschaft. Diese Initiative für ein Forum Recht unterstützen wir und unterstützt auch die Bundesjustizministerin Barley sehr. Das ist ein wichtiges Projekt, um den Rechtsstaat transparenter, greifbarer und verständlicher zu machen.

Wie ich gerade schon gesagt habe: Der Hauptstandort für das Forum Recht - so sieht es auch der Beschluss des Bundestages vom 18. Oktober 2018 vor - wird in Karlsruhe sein. Es ist die Stadt, in der auch die meisten Bundesgerichte ihren Sitz haben. Es wird einen zweiten Standort in Ostdeutschland geben. So lautet der Beschluss des Deutschen Bundestages. Alles Weitere wird primär im Bundestag besprochen und anschließend auch beschlossen werden, nämlich welche Rechtsnatur das Forum Recht bekommen wird, ob es eine Stiftung des öffentlichen Rechts wird. Das würde dann vom Deutschen Bundestag beschlossen werden. Anschließend wird es ein Realisierungskonzept geben, in dem dann sicherlich auch die Standortfrage geklärt wird. Aber derzeitiger Stand ist: Karlsruhe und ein weiterer Standort in Ostdeutschland.

Zusatzfrage: Aber da war ja Leipzig sehr konkret im Gespräch. Warum das wohl jetzt nicht mehr der Fall ist, dazu können Sie gar nichts sagen?

Kall: Nach dem Beschluss des Bundestages, den ich gerade genannt habe, wird es einen weiteren Standort in Ostdeutschland geben. Insofern ist Leipzig nach unserem Wissen weiter mit dabei. Aber es ist, wie gesagt, auch nicht unsere Initiative, sondern es ist eine breite Initiative aus der Richterschaft, aus der Zivilgesellschaft, eben mit unserer Unterstützung, aber nicht allein von uns.

Mittwoch, 30. Januar 2019

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 30. Januar 2019
https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/regierungspressekonferenz-vom-30-januar-2019-1575182
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2019

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