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PRESSEKONFERENZ/1850: Regierungspressekonferenz vom 30. April 2019 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Dienstag, 30. April 2019
Regierungspressekonferenz vom 30. April 2019

Themen: Kabinettssitzung (Rentenanpassung, Jahresabrüstungsbericht), Westbalkantreffen, Anstieg der Zahl von Kindern in Pflegefamilien, Planung und Finanzierung der Feierlichkeiten anlässlich des 30. Jahrestags der Deutschen Einheit, geplante Privatisierung der HIL Heeresinstandsetzungslogistik GmbH, Afrikareise der Bundeskanzlerin, Großaufträge für Siemens im Irak, Klage der Trump-Familie gegen die Deutsche Bank, Festnahme eines UN-Diplomaten mit deutscher Staatsbürgerschaft in Tunesien, Vorsitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat, Lage in Venezuela, geplantes deutsch-französisches Konsortium für Batteriezellfertigung

Sprecher: StS Seibert, Schneider (BMAS), Burger (AA), Audretsch (BMFSFJ), Ruwwe-Glösenkamp (BMI), Kolberg (BMF), Alemany (BMWi)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag auch von mir! Das Kabinett hat zunächst einmal die Verordnung über die Rentenerhöhungen zum 1. Juli dieses Jahres beschlossen. Das sind also erfreuliche Nachrichten für alle Rentnerinnen und Rentner, denn die Altersbezüge steigen um mehr als drei Prozent, im Osten sogar um fast vier Prozent - die konkreten Zahlen: in den alten Bundesländern 3,18 Prozent, in den neuen 3,91 Prozent mehr.

Das wird möglich durch die gute Entwicklung sowohl der Löhne als auch die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. In diesem Jahr greift für die neuen Bundesländer zum zweiten Mal die 2017 gesetzlich beschlossene Ost-West-Rentenangleichung. Der aktuelle Rentenwert Ost wird also in diesem Jahr so angepasst, dass er die gesetzlich festgelegte Angleichungsstufe von 96,5 Prozent des Westwerts erreicht.

Das zweite Thema, mit dem sich das Kabinett befasst hat, ist der vom Bundesaußenminister vorgelegte Jahresabrüstungsbericht - der volle Titel lautet: Bericht zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale für das Jahr 2018. Es besteht hier eine Berichtspflicht gegenüber dem Bundestag und natürlich auch gegenüber der Öffentlichkeit.

Man kann gar nicht darum herumreden: Die bestehende Abrüstungs- und Rüstungskontrollarchitektur war 2018 schwerwiegenden Belastungen und Rückschlägen ausgesetzt. Ich erinnere an das drohende Ende des INF-Vertrags aufgrund anhaltenden russischer Vertragsverletzungen ebenso wie an den Rückzug der USA aus der Wiener Vereinbarung zum iranischen Nuklearprogramm. Auch die konventionelle Rüstungskontrolle in Europa befindet sich in einer Krise und bedarf neuer Impulse beziehungsweise einer grundsätzlichen Modernisierung.

Eine weitere Herausforderung besteht in den Augen der Bundesregierung darin, der Erosion der vorhandenen Rüstungskontroll- und Abrüstungsarchitektur entgegenzuwirken und neue Impulse für die Rüstungskontrolle von morgen zu geben. Dabei geht es zum Beispiel um die rüstungskontrollpolitische Erfassung von Zukunftstechnologien wie tödlichen autonomen Waffensystemen, offensiven Cyberinstrumenten usw. Eine erste Bestandsaufnahme dazu hat dazu die internationale Konferenz geliefert, die Bundesaußenminister Heiko Maas am 15. März 2019 hier in Berlin ausgerichtet hat.

Es sind allerdings auch ein paar positive Entwicklungen zu verzeichnen, die das Bild des Jahres 2018 dann doch ein wenig aufhellen. Dazu zählt die Aussicht auf zumindest mögliche Fortschritte beim nordkoreanischen Nukleardossier. Es ist sicherlich auch positiv zu bewerten, dass es zusammen mit Frankreich, Großbritannien und der EU der Bundesregierung im vergangenen Jahr gelungen ist, die Wiener Nuklearvereinbarung mit Iran nach dem Austritt der Vereinigten Staaten zu bewahren.

Es ist gelungen, in der OSZE den sogenannten "Strukturierten Dialog" fortzusetzen, also die deutsche Initiative für den Neustart der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa weiterzutragen. Darüber hinaus sind im Chemiewaffenbereich Schritte zur Zuordnung der Verantwortung bei Fällen von Chemiewaffeneinsatz gemacht worden.

Die Bundesregierung wird sich auch 2019 verstärkt für Abrüstung und Rüstungskontrolle einsetzen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die anstehende Überprüfungskonferenz des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags 2020. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, in dem wir ja nun für zwei Jahre nichtpermanentes Mitglied ist, werden wir uns genau dafür einsetzen. So hat auf deutsche Einladung am 2. April eine Sitzung des VN-Sicherheitsrats genau dazu stattgefunden. - Soweit aus dem Kabinett.

Frage: An das Arbeits- und Sozialministerium: Herr Seibert hat es eben gesagt, die Renten in Ost und West werden angeglichen; trotzdem gibt es noch einen Unterschied. Deshalb die Frage: Halten Sozialministerium und Bundesregierung es angesichts der vollen Rentenkassen für möglich und für wünschenswert, diese Angleichung zwischen Ost und West schneller zu vollziehen?

Noch eine Nachfrage zur sogenannten Respektrente von Minister Heil: Wie weit ist das gediehen? Ist das nur plakativ oder wird das umgesetzt werden?

Schneider: Zur Angleichung kann ich noch einmal darauf verweisen, dass wir in der letzten Legislaturperiode die entsprechenden Regelungen gesetzlich festgeschrieben haben und dass wir einen Prozess vereinbart haben, bis zu welchem Zeitpunkt die Renten angeglichen werden sollen. Das ist auch ein guter Prozess, daran halten wir fest. Es gibt jetzt keine Überlegungen, an dem Gesetz aus der letzten Legislaturperiode etwas zu verändern.

Was das Thema Respektrente anbelangt, so kann ich Ihnen hier keinen neuen Stand nennen. Das Thema steht auf der Agenda. Hubertus Heil hat angekündigt, einen Vorschlag vorzulegen, und das wird er auch tun.

Frage: Auch zum Thema Rente, aber zu einem anderen Aspekt: Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat gestern einen Vorschlag zu einer sogenannten Aktienrente in die Runde gebracht. Diese soll öffentlich-rechtlich organisiert sein, und da können Bürger dann in Aktien und später in weniger risikoarme Anlagen investieren, und davon sollen dann nicht irgendwelche Versicherungskonzerne profitieren. Der Bundesverband hat die Bundesregierung angeregt, ein Gesetz dazu vorzulegen. Haben Sie eine Meinung zu diesem Vorschlag?

Schneider: Zunächst einmal kann man ja sagen, dass der Vorschlag, wie er jetzt unter dem Namen "Extrarente" vorgelegt worden ist, schon insofern ein ziemlich tiefgreifender Eingriff wäre, als wir bei den bestehenden Regelungen ja eine Freiwilligkeit haben und wir dann eine Verpflichtung mit Opt-out-Möglichkeit hätten. Das heißt, erst einmal wären alle Beschäftigten verpflichtet einzuzahlen, könnten dann aber optieren, nicht davon erfasst zu werden.

Ich glaube, man kann sagen, dass das im Kern eine Reaktion auf die anhaltende Kritik an der Riester-Rente ist. Diese Kritik ist sicherlich zu Teilen berechtigt. Sie wissen, dass die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag auch vereinbart haben, ein kostengünstiges Standardprodukt zu prüfen. Daran arbeiten wir und das bleibt auch unser Ziel. Das ist ein etwas anders gelagertes Projekt, aber das ist eben das, worauf wir Wert legen.

Außerdem möchte ich noch einmal darauf verweisen, dass wir ein starkes Interesse daran haben, die betriebliche Altersvorsorge auszubauen. Das haben wir mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz in der vergangenen Legislaturperiode auch getan. Das heißt, die Schwerpunkte der Regierung sind eigentlich relativ deutlich.

Zusatzfrage: Werden Sie denn konkret auf diesen Vorschlag des Bundesverbandes eingehen und antworten?

Schneider: Ich verstehe jetzt nicht, was Sie mit antworten meinen. Wir haben jetzt - - -

Zusatzfrage: Da ist ja vom Bundesverband der Verbraucherzentralen eine konkrete Forderung gestellt worden.

Schneider: Wie gesagt, unsere Festlegungen im Koalitionsvertrag sind klar, und das, was wir in der vergangenen Legislaturperiode gemacht haben, kennt der Verband ja auch. Insofern ist, finde ich, die Meinung und Haltung der Bundesregierung relativ deutlich, auch öffentlich.

Frage : Zu dem Jahresabrüstungsbericht: Herr Seibert, Sie sagten da irgendetwas über die Zuordnung der Anwendung von chemischen Waffen. Können Sie erklären, was damit gemeint ist?

Burger: Sie haben mitbekommen, dass wir als internationale Gemeinschaft im vergangenen Jahr, im Jahr 2018, mit Chemiewaffenangriffen und -einsätzen konfrontiert waren. Da ist sowohl der Fall Skripal zu nennen als auch Chemiewaffeneinsätze in Syrien, die durch die OVCW untersucht wurden. Eine Konsequenz, die die internationale Gemeinschaft daraus gezogen hat, war im Juni 2018, die OVCW damit zu beauftragen, nicht nur die Tatsache festzustellen, dass oder ob Chemiewaffen eingesetzt wurden, sondern auch die Urheber dieses Chemiewaffeneinsatzes zu ermitteln. Das ist aus unserer Sicht ein wichtiger Schritt, um das Verbot von Chemiewaffen zu stärken, weil sich damit natürlich die Erwartung verbindet, dass der Einsatz nicht ungesühnt bleibt und nicht ohne Konsequenzen bleibt.

Zusatzfrage : Ist der Fall Skripal damit jetzt abgeschlossen oder ist da noch etwas offen?

Burger: Ich glaube, das wäre vor allem eine Frage für die britischen Strafverfolgungsbehörden, die sich mit dem Fall ja in erster Linie befassen.

Frage: Würden Sie von der Bundesregierung aus grundsätzlich sagen, dass Sie mit der Entwicklung zufrieden sind? Herr Seibert, Sie haben eben ein paar positive Aspekte, aber auch Bedenken geäußert. Wie fällt das Gesamturteil zu diesem Bericht aus?

StS Seibert: Ich habe schon von schwerwiegenden Belastungsproben und Rückschlägen, die im Jahre 2018 zu verzeichnen waren, gesprochen. Das muss man so sehen.

Burger: Das muss man so sagen.

Vorsitzender Mayntz: Dann kommen wir zum Thema Westbalkan. - Bitte schön, Herr Seibert.

StS Seibert: Ich wollte noch einmal auf das Westbalkantreffen eingehen, das gestern Abend im Kanzleramt stattfand. Wie Sie wissen, hatten die Bundeskanzlerin und der französische Präsident Staats- und Regierungschefs der sechs Westbalkanstaaten sowie Kroatiens und Sloweniens und die Hohe Vertreterin der EU, Frau Mogherini, in Berlin dazu eingeladen. Es ging um Gespräche, Beratungen zur Situation in der Region, insbesondere auch zu den Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo.

Alle Anwesenden haben das sogenannte Prespa-Abkommen zwischen dem heutigen Nordmazedonien und Griechenland gewürdigt, weil dieses Prespa-Abkommen wirklich ein Vorbild ist, wie in der Region offene Streitfragen - auch Streitfragen, die seit vielen Jahren bearbeitet werden - letztlich gelöst werden können. Es war eine informelle, es war eine offene Diskussion über die regionale Kooperation auch im Rahmen des sogenannten "Berliner Prozesses", der ja in diesem Jahr im Juli in Posen in Polen weitergeführt wird. Es ging auch um den Einfluss weiterer Akteure im westlichen Balkan. Ich darf Sie verweisen auf die Erklärung des gemeinsamen deutsch-französischen Vorsitzes des gestrigen Treffens, die wir in der Nacht noch herausgegeben haben, und auch auf die Pressestatements der Bundeskanzlerin und des französischen Staatspräsidenten.

Ich kann Ihnen darüber hinaus noch mitteilen: Sowohl die Kanzlerin als auch Präsident Macron haben ihre volle Unterstützung für den Normalisierungsprozess zwischen Serbien und Kosovo zum Ausdruck gebracht. Sie möchten diesem Prozess, der ja unter Ägide der Europäischen Union stattfindet, durch das gestrige Treffen einen neuen Impuls verleihen. Es wird daher am 1. Juli in Paris ein Folgetreffen mit Deutschland, Frankreich, Serbien und Kosovo geben, um zu besprechen, wie man weiter vorgehen kann, weiter vorankommen kann bei diesem Normalisierungsdialog zwischen den beiden Ländern.

Das ist das, was ich Ihnen dazu noch nachreichen wollte.

Frage : Herr Seibert, die Kanzlerin hatte sich in der Vergangenheit ja sehr klar gegen die Idee eines möglichen "land swap", also eines Landtausches, ausgesprochen. Gestern hat sie nur noch gesagt, es dürfe keine Vereinbarungen zulasten Dritter geben. Kann man das als eine gewisse Aufweichung ihrer Position betrachten oder schließt sie einen möglichen Landtausch nach wie vor kategorisch aus?

StS Seibert: Die Haltung war immer die, die die Bundeskanzlerin auch gestern in ihrem Statement vor dem Treffen ausgedrückt hat: Wir können und werden keine Abkommen unterstützen, deren negative Folgen andere in der Region möglicherweise zu tragen hätten. Die Teilnehmer waren sich gestern auch vollkommen einig, dass ein solches Abkommen zwischen Serbien und Kosovo - das ja alle wollen, weil es den Weg für zahlreiche positive Entwicklungen in der Region freimachen würde, die jetzt sozusagen nicht stattfinden können - umfassend und politisch nachhaltig sein muss und dass es eben zur Stabilität der Region beitragen muss, statt sie in irgendeiner Weise zu gefährden. Das ist der entscheidende Punkt; auf den hat die Bundeskanzlerin früher hingewiesen, und gestern auch noch einmal.

Zusatzfrage : Könnte dann zu einer solchen Lösung auch ein möglicher Landtausch gehören, wenn gewährleistet wäre, dass keiner der Beteiligten in der Region benachteiligt würde?

StS Seibert: Es ist ja als deutscher Regierungssprecher nicht an mir, hier jetzt Elemente einer Lösung in diesem Normalisierungsprozess zwischen Serbien und Kosovo vorzugeben. Das ist die Erwartung, die sowohl Deutschland als auch Frankreich als auch alle Teilnehmer des gestrigen Treffens ausgedrückt haben. Aber die Gespräche, die ja sehr umfassend sein müssen - da geht es um viele Themen, weit über die Frage von Grenzverläufen hinaus -, müssen am Ende unter der Ägide der EU zwischen Serbien und Kosovo geführt werden. Deutschland und Frankreich haben sich gestern noch einmal verpflichtet, da jede Unterstützung zu bieten, die sie bieten können.

Frage: Wie ist denn zu bewerten, dass der serbische Präsident Vucic heute bereits einen Dialog mit dem Kosovo wieder ausgeschlossen hat?

StS Seibert: Ich kenne diese Äußerung von Herrn Vucic nicht. Gestern ist man auseinandergegangen mit der Gewissheit und der Bereitschaft, sich am 1. Juli in Paris in dem Format Frankreich, Deutschland, Serbien, Kosovo zu einem Folgetreffen zu treffen.

Frage: Wurde eigentlich gestern unterschieden zwischen dem Begriff Landtausch und dem Begriff Grenzkorrektur, oder war das dasselbe?

StS Seibert: Es wurden ja gestern keine serbisch-kosovarischen Verhandlungen geführt. Es wurde darüber gesprochen, wie der Normalisierungsprozess, der Dialog zwischen diesen beiden Ländern, überhaupt wieder in Gang kommen kann; denn er steht de facto seit Monaten still.

Frage: Herr Seibert, Frau Merkel hat laut Medienberichten sehr viel Druck auf Premierminister Haradinaj ausgeübt beziehungsweise versucht, ihn dahingehend zu beeinflussen, dass die Bedingungen für den Beginn der Beitrittsverhandlungen erfüllt werden, also die Zölle abgeschafft werden. Was ist Ihr Eindruck, warum hat Herr Haradinaj das nicht akzeptiert beziehungsweise warum konnte Frau Merkel auch mit der Sympathie, die sie in Kosovo genießt, die Kosovaren nicht dazu bringen, sich zu bewegen?

StS Seibert: Ich möchte jetzt ganz grundsätzlich nicht über den exakten Verlauf der Gespräche dieses informellen Treffens berichten. Ich glaube, damit so etwas überhaupt Sinn hat, ist es ganz wichtig, dass nicht am nächsten Tag alles haarKlein berichtet wird. Es ist ja auch üblich, dass wir das nicht tun.

Deutschland und Frankreich in der Gestalt der Kanzlerin und des französischen Präsidenten haben sich angeboten, noch einmal zu tun, was wir tun können, um den Prozess des Dialogs, der Normalisierung zwischen diesen beiden Ländern, in Gang zu bringen, um dabei unterstützend hilfreich zu sein. Wir werden schauen, wie das zwischen jetzt und dem geplanten und verabredeten Folgetreffen am 1. Juli gelingen kann.

Zusatzfrage: Präsident Thaçi und Premierminister Haradinaj haben sich gestern noch mit dem amerikanischen Botschafter getroffen. Thaçi hat auch gesagt, es gebe keine erfolgreichen Verhandlungen ohne die Amerikaner. Denken Sie darüber nach, in diesen Unterstützungsprozess auch die Amerikaner mit einzubeziehen?

StS Seibert: Der Prozess der angestrebten Normalisierung zwischen Serbien und Kosovo findet ja nun einmal unter Ägide der Europäischen Union statt; das war ja auch der Grund dafür, dass Frau Mogherini gestern da war und eine wichtige Rolle spielt. Deswegen kann ich Ihnen dazu jetzt gar nicht mehr sagen. Deutschland und Frankreich werden als europäische Staaten, als EU-Mitglieder unterstützend wirken. Wir werden sehen, was sich bis zu einem solchen Folgetreffen erreichen lässt und was dann auch auf dem Folgetreffen möglich sein wird. Natürlich gibt es auch andere an der Region interessierte Staaten, mit denen so etwas abgeglichen wird. Aber zunächst einmal ist es ein europäischer Prozess, weil es ein Teil Europas ist, in dem es bis heute nicht gelungen ist, wirklich Stabilität und dauerhaften Frieden zu sichern - und das ist doch unser Ziel.

Frage : Herr Seibert, wurde das Thema EU-Beitrittsperspektive in diesem Gespräch irgendwie erwähnt?

Gibt es zwischen Berlin und Paris irgendwelche Differenzen in der Balkanpolitik?

StS Seibert: Gestern ging es nicht um Fragen der EU-Erweiterung; diese Fragen werden, sofern sie anstehen, im Rahmen der EU und nach den dafür vorgesehenen Verfahren und in den zuständigen Gremien beraten. Das war gestern nicht der Fokus.

Wenn Sie irgendetwas von dieser Konferenz, von diesem Westbalkantreffen gestern mitnehmen können, dann ist das doch, dass Deutschland und Frankreich, die Bundeskanzlerin und der französische Präsident, Seite an Seite ihre Bemühungen in diese Sache eingebracht haben und weiter einbringen werden.

Frage: An das Familienministerium zum Thema Kinder in Pflegefamilien: Dort ist ein Anstieg von über 30 Prozent in den letzten zehn Jahren zu verzeichnen. Wie erklären Sie sich das? Ist es so, dass die Jugendämter jetzt stärker darauf gucken, oder sind die Eltern öfter überfordert?

Zweite Frage: Ein Großteil der Kinder stammt aus sozial schwachen Familien oder von Alleinerziehenden. Für die fragestellende Linkspartei ist Kinderarmut damit eine strukturelle Kindeswohlgefährdung. Schließen Sie sich dieser Analyse an?

Audretsch: Vielen Dank für die Frage. - Zum einen ist es korrekt, dass die Zahlen über die letzten Jahre angestiegen sind; das haben wir in den Antworten auf eine Kleine Anfrage, die Sie gerade auch schon genannt hatten, auch entsprechend der Öffentlichkeit kundgetan. 2008 lag die Fallzahl noch um die 60 000, 2016 lag sie bei 81 000. Insofern sehen wir, dass die Jugendämter vor Ort gute Arbeit leisten und sich der verschiedenen Problemlagen, die wir vor Ort sehen, entsprechend annahmen können.

Sie haben nach den Gründen gefragt: Wir halten es grundsätzlich für eine sehr gute Entwicklung, wenn es in der Gesellschaft eine höhere Sensibilität für die Frage des Kindeswohls gibt. Das ist etwas, was wir auf jeden Fall beobachten können. Das kann ganz verschiedene Gründe haben. Das kann zum Beispiel natürlich auch den Grund haben, dass es verstärkte Debatten über Missbrauchsfälle gibt und dass es eine öffentliche Situation gibt, in der wir feststellen, dass Sensibilität in der Gesellschaft vorherrscht.

Wenn wir daraus am Ende die Situation ableiten, dass die Jugendämter deshalb mit mehr Fällen umgehend, weil wir eine höhere Zahl an Meldungen von problematischen Fällen in Familien haben, dann ist das für uns erst einmal eine positive Entwicklung und dann können wir auch sagen, dass das Dunkelfeld, mit dem wir es in diesem Bereich zu tun haben, Kleiner werden kann. Man kann die Zahlen gerade deshalb, weil wir ein hohes Dunkelfeld haben, nicht abschließend interpretieren; ansonsten wüssten wir ja, was in diesem Dunkelfeld passiert. Wir können aber darauf aufmerksam machen und verdeutlichen: Wenn Menschen in dieser Gesellschaft feststellen, dass Kindeswohlgefährdungen vorliegen könnten, ist eine Meldung an das Jugendamt genau das Richtige. Wenn dadurch die Fallzahlen stärker steigen, dann muss das nichts Falsches heißen, sondern dann kann das auch eine positive Entwicklung bedeuten.

Wir haben - darauf würde ich Sie gerne hinweisen - im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode festgehalten, dass wir die Kinder- und Jugendhilfe weiterentwickeln wollen. Dazu haben wir einen Prozess gestartet. Am 6. November 2018 ist dieser Prozess losgetreten worden. Es gibt die Homepage www.mitreden-mitgestalten.de, und auf dieser Homepage können Sie die Debatte über die Reform der Jugendhilfe verfolgen. Dazu wird eine sehr breite Debatte geführt, in die alle Stakeholder - auch die vor Ort involvierten - einbezogen werden, um Lücken festzustellen und auch in Zukunft die Arbeit der Jugendämter und der Jugendhilfe insgesamt zu verbessern, um eben Kindeswohlgefährdungen feststellen zu können und dann Abhilfe zu schaffen.

Sie haben noch abgehoben auf die Frage der Sozialpolitik. Dazu würde ich Sie gerne noch einmal auf die Arbeit des Bundesfamilienministeriums und auch der Bundesfamilienministerin verweisen. Wir haben gerade im Bundesrat das Starke-Familien-Gesetz verabschiedet, das die verschiedensten Maßnahmen vorsieht, um gerade Kinder, die in Familien leben, die weniger finanzielle Mittel haben, besser zu fördern und besserzustellen. Dazu gehört zum Beispiel die Erhöhung des Kinderzuschlags von 170 auf 185 Euro. Mit dieser Maßnahme in Verbindung mit dem Kindergeld und Leistungen, die mit dem Bildungs- und Teilhabepaket verbessert werden, stellen wir zum ersten Mal sicher, dass in jeder Lebenslage das Existenzminimum jedes einzelnen Kindes in Deutschland gesichert ist, also auch außerhalb des SGB II. Es geht da ja um Kleinverdiener-Familien, die dadurch bessergestellt werden.

Darüber hinaus sind in diesem Starke-Familien-Gesetz eine ganze Reihe von Maßnahmen mit umgesetzt worden, die gerade diese Familien besserstellen, zum Beispiel durch die Befreiung von Kitagebühren. Sobald man den Kinderzuschlag erhält - und wir haben die Gruppe derer, die den Kinderzuschlag empfang, deutlich ausgeweitet: 1,2 Millionen Kinder mehr haben künftig darauf Anspruch -, wird man künftig automatisch von den Kitagebühren befreit, was für viele Familien gerade in den Bundesländern, in denen die Kitagebühren nicht abgeschafft sind, schnell viele hundert Euro im Portemonnaie ausmachen kann.

Das heißt, wir adressieren diese ganze Frage der Sozialpolitik und der Kinderarmut sehr intensiv und versuchen auch auf diesem Wege, Kindern die Grundlage für ein gutes Leben und ein gutes Aufwachsen zu bereiten und damit dem Kindeswohl insgesamt zu dienen.

Frage: Eine Frage an das Innenressort: Ist es richtig, dass der Minister beim Finanzminister zusätzliche 61 Millionen Euro erbeten hat, um die Einheitsfeier im kommenden Jahr zu organisieren?

Ruwwe-Glösenkamp: Ihre Frage gibt mir Gelegenheit, die heutige Berichterstattung zu diesem Thema richtigzustellen: Es ist mitnichten so, selbstverständlich nicht so, dass bei uns im Haus die Jubiläumsfeierlichkeiten 30 Jahre Deutsche Einheit und 30 Jahre Friedliche Revolution irgendwie übersehen worden wären. Es ist so, dass das Bundesinnenministerium im Herbst letzten Jahres, im Oktober, damit beauftragt worden ist, ein Konzept für diese Jubiläumsfeierlichkeiten zur Friedlichen Revolution und der deutschen Einheit zu entwickeln. Wir haben uns im Herbst letzten Jahres darangemacht, dieses Konzept zu entwickeln. Das ist dann zwischen den zuständigen Ressorts abgestimmt worden und ist am 3. April - also noch gar nicht lange her - vom Kabinett beschlossen worden. Neben diesem Konzept ist vom Kabinett auch die Einsetzung einer gleichlautenden Kommission "30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit" beschlossen worden.

Erst nach diesem Kabinettsbeschluss ist es für uns möglich gewesen, die entsprechenden Haushaltsmittel, die in der Tat nachträglich angemeldet worden sind, auch anzumelden. Das ist der Grund dafür, dass das erst jetzt erfolgt ist. Grundsätzlich sind im Haushalt für jedes Ressort - für unser Ressort auch - immer auch Summen für Jubiläumsfeierlichkeiten eingeplant. Das war auch in diesem Fall so.

Angesichts dieses runden Jubiläums 30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit soll es natürlich nicht bei einer üblichen Jubiläumsfeier bleiben; vielmehr wollen wir das ganze sehr viel breiter aufstellen. Zentrales Element unseres Konzeptes ist vor allem auch, Bürgerdialoge durchzuführen. Das unterscheidet dieses Konzept eben von den Jubiläumsfeierlichkeiten zuvor.

Zusatzfrage: Wie hatte man den Bedarf denn am Anfang eingeschätzt? Wenn Sie Geld für die Einheitsfeier im kommenden Jahr zurückgelegt haben: Wie viel Geld hatte man da denn bereits zurückgelegt? Ich frage das, um einmal ein Verhältnis zu bekommen: 61 Millionen zu wie viel? Musste man jetzt verdoppeln?

Ruwwe-Glösenkamp: Ich habe ja gerade erläutert, dass nichts zurückgelegt worden ist, sondern dass wir erst im Herbst damit beauftragt worden sind, ein Konzept für dieses runde Jubiläum zu erarbeiten. Das haben wir getan, und im Rahmen der Erarbeitung dieses Konzeptes, das am 3. April vom Kabinett beschlossen worden ist, hat sich natürlich auch ergeben, welche Dimension das haben wird. Deshalb ist es zu dieser Nachmeldung gekommen.

Zusatzfrage: Nur noch einmal zu meinem Verständnis - Entschuldigung, dass ich ein bisschen begriffsstutzig bin -: Es war bei der ursprünglichen Haushaltsplanung also völlig klar gewesen, dass man das Geld für die Organisation der Einheitsfeier 2020 tatsächlich erst nach dem Kabinettsbeschluss im April beantragen wird?

Ruwwe-Glösenkamp: Richtig.

Frage: An das BMF: Was halten Sie denn jetzt davon? Werden die zusätzlich beantragten 61 Millionen Euro im laufenden Haushaltsjahr durchgehen, oder wie schätzen Sie das ein?

Kolberg: Der Kollege des Bundesinnenministeriums hat ja schon die wesentlichen Punkte erläutert. Es geht hier um Haushaltsmittel des Innenministeriums. Das Innenministerium hat einen Antrag gestellt. Den haben wir, wie es den rechtlichen Vorgaben entspricht, gebilligt, da die Voraussetzungen nach dem Sachvortrag des Bundesinnenministeriums vorliegen. Im Anschluss haben wir das dem Haushaltsausschuss des Bundestages vorgelegt und ihn unterrichtet, und es wurden keine Einwände dagegen erhoben.

Frage : In dem Schreiben, aus dem die "Süddeutsche Zeitung" heute zitiert, ist davon die Rede, dass die Erkenntnis der Notwendigkeit, den 30. Jahrestag der Deutschen Einheit sowohl inhaltlich als auch vom Umfang her in ganz besonderer Weise zu nutzen, erst nach Abschluss der Beratungen des Bundeshaushaltes 2019 substanziell Kontur angenommen habe. Das klingt ja doch ein bisschen so, als sei Ihnen relativ spät aufgefallen, dass dieses Jubiläum vor der Tür steht und dass man da ein bisschen mehr machen muss. Wie stehen Sie dazu?

Zweite Frage: In der Kommission, die jetzt eingesetzt worden ist und sich, glaube ich, demnächst zum ersten Mal treffen soll, soll es ja nicht nur um 30 Jahre deutsche Einheit, sondern auch um 30 Jahre Mauerfall gehen. Das Jubiläum des Mauerfalls ist aber schon in einem halben Jahr. Das heißt, da sind Sie jetzt doch zu einer gewissen Eile gezwungen und müssen möglicherweise das eine oder andere auch mit der heißen Nadel stricken. Sehe ich das falsch?

Ruwwe-Glösenkamp: Zum ersten Punkt: Ich will vielleicht noch einmal daran erinnern, dass wir im letzten Jahr eine ziemlich späte Regierungsbildung gehabt haben. Dass das Bundesinnenministerium innerhalb der Bundesregierung erst im letzten Herbst, im Oktober, damit beauftragt worden ist, ein Konzept für dieses Jubiläum zu entwickeln, hat insofern sicherlich auch mit dieser späten Regierungsbildung zu tun.

Zu Ihrer zweiten Frage: In der Tat, dieses Konzept und auch die Kommission befasst sich einmal mit dem Jubiläum der Deutschen Einheit und auch mit dem Jubiläum 30 Jahre Friedliche Revolution. Teil dieses Konzepts sind auch Feierlichkeiten anlässlich des Mauerfalls am 9. November dieses Jahres, und auch dafür werden wir entsprechende Vorschläge vorlegen - in dem Konzept sind auch schon Vorschläge enthalten. Das ist aber alles im Zeitplan und das ist alles machbar. Ich kann Ihnen versichern, dass da auch nichts mit heißer Nadel gestrickt werden wird.

Frage: An das Finanzministerium: Es war Ihnen ja avisiert, dass noch eine Forderung kommen würde oder dass man für die Einheitsfeier Geld braucht. Hatten Sie mit der Größenordnung gerechnet?

Kolberg: Der Kollege hat ja eben erläutert, wie sich diese Ausgaben zusammensetzen; ich habe Ihnen erläutert, wie das Verfahren gelaufen ist und dass der Bundestag oder der Haushaltsausschuss des Bundestages keine Einwände erhoben hat. Darüber hinaus habe ich hier nichts beizutragen.

Frage: Meine Frage richtet sich an den Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums. Es geht um die millionenschweren Beraterverträge im Zuge der geplanten Privatisierung eines Bundeswehrunternehmens, nämlich der HIL-Werke. Wieso betreibt das Bundesverteidigungsministerium den Verkauf der HIL-Werke weiter, obwohl die Regierungspartei SPD die Privatisierung nicht mehr will?

Flosdorff: Das ist ja ein Prozess, der schon vor einigen Jahren angeschoben worden ist. Es geht darum, die Zukunft dieser Werke zu gestalten, die Anfang der 2000er-Jahre aufgesetzt worden sind - auch mit dem Ziel, diese Werke nicht dauerhaft selbst zu betreiben. Es musste eine Entscheidung getroffen werden, wie es damit weitergeht. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder bleiben die in staatlicher Hand oder man veräußert sie an privat. Wenn man diese Entscheidung trifft, muss man eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung machen; das schreibt schon 7 in der Bundeshaushaltsordnung vor. Das heißt, wir müssen den wirtschaftlichen Weg für die Bedarfsdeckung, also die Instandsetzung der Fahrzeuge der Bundeswehr gehen.

Das ist geprüft worden, und dabei hat sich herausgestellt, dass eine Vielzahl von Rechten rund um diese HIL-Werke ungeklärt sind. Da geht es Immobilienrechte, da geht es um Patente an Verfahren, da geht es aber auch darum, welche Beziehungen wir zur Industrie haben und wie man das Personal gegebenenfalls trennen kann. Das ist eine hochkomplexe Aufgabe, und dazu braucht es externen Sachverstand, denn da hatten wir keinen Sachverstand in den eigenen Reihen. Deswegen ist das nach außen beauftragt worden. Dieses Verfahren ist noch nicht zu Ende. Da hat es eine Ausschreibung gegeben, da hat es Angebote gegeben. Das wird jetzt ausgewertet. Bitte haben Sie Verständnis: Wenn das ausgewertet ist, teilen wir das als Erstes dem Parlament mit, und dann werden wir die Ergebnisse öffentlich machen.

Im Übrigen gilt: Auch wenn es aus politischen Kreisen Meinungsäußerungen dazu gibt, dann hebt das nicht die gesetzlichen Vorgaben der Bundeshaushaltsordnung auf. Vielmehr haben wir da einfach weiter zu prüfen.

Zusatzfrage: Auch in Ihrem Hause wird offensichtlich geprüft, ob die HIL-Werke intern verbleiben - so jedenfalls äußert es Peter Tauber in einem Schreiben -, und eine Regierungspartei sagt klipp und klar: Wir wollen keine Privatisierung. Solange aber der Verkauf weiter betrieben wird, kosten die Berater weiter Millionen. Wie sind diese Millionenausgaben weiter zu rechtfertigen?

Flosdorff: Ich denke, ich habe mich dazu geäußert. Auch das Parlament hat natürlich einen Anspruch darauf, dass es über alle Fakten umfassend informiert ist. Die Fakten über die Wirtschaftlichkeit stehen aber erst fest, wenn wir wissen, welche Preise am Markt für diese Werke bezahlt werden würden. Dieses Verfahren ist gerade im Gange, da sind Angebote reingekommen; da gibt es sicherlich interessante Fakten, die auch das Parlament interessieren, und da wird man sicherlich auch noch einmal die eigene Meinung prüfen wollen. Wenn diese Informationen vorliegen, werden wir das mit dem Parlament besprechen.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert zur bevorstehenden Afrikareise der Bundeskanzlerin: Wird sie ihren afrikanischen Partnern, zu denen sie reist, auf der Reise einige Zusagen machen?

StS Seibert: Zunächst einmal ist die Botschaft dieser Reise unser intensives Interesse daran, dass die G5-Sahelstaaten vorankommen, dass sie in der Lage sind, sich zu stabilisieren, und dass wir Unterstützung da, wo wir es können, leisten, damit die Zukunft dieser Staaten eine bessere wird. Die Bundeskanzlerin wird ja in drei der G5-Sahel-Staaten reisen: Burkina-Faso, Mali, Niger. Sie wird aber in Burkina Faso auch mit den Staatschefs der anderen beiden Staaten, die sie nicht bereist, Tschad und Mauretanien, zusammentreffen.

Das ist also ein ganz klarer Ausdruck unseres deutschen Engagements und unseres deutschen Interesses für die Region. Dieses Engagement drückt sich seit mehreren Jahren ja auch durch eine sehr stark gesteigerte Intensität der politischen Kontakte aus, durch Entwicklungszusammenarbeit, durch Zusammenarbeit, die über die klassische Entwicklungspolitik weit hinausgeht. Ich erinnere beispielsweise an das, was wir in Niger tun, um Menschen, die bisher vom Schlepperwesen gelebt haben, Alternativen des Broterwerbs anzubieten oder sie darin zu unterstützen. Das ist also die wesentliche Botschaft dieser Reise.

Zusatzfrage: Wird es denn konkrete Zusagen geben?

StS Seibert: Ich würde Sie gerne auf die Reise verweisen, die am morgigen Mittwoch beginnt und bis Freitagabend geht. Dann werden wir bei jeder dieser Stationen sehen - es wird ja auch immer Pressetermine geben -, was da verkündet wird.

Frage: An Herrn Seibert zum Irak und möglichen Aufträgen an Siemens: Die Bundeskanzlerin hat ja heute Besuch aus dem Irak. Wissen Sie vielleicht, mit welchen Aufträgen Siemens aus dem Irak rechnen kann? Die dortige Regierung hatte gestern mitgeteilt, dass mit Siemens ein Fahrplan, eine Roadmap zum Wiederaufbau der Elektrizitätsversorgung vereinbart worden sei.

StS Seibert: Ich würde Sie gerne sozusagen ein paar Häuser weiter ins Kanzleramt verweisen. Nach der Begegnung der Bundeskanzlerin mit dem irakischen Ministerpräsidenten wird es ja eine Pressekonferenz geben, und da werden die Bundeskanzlerin und ihr Gast sicherlich gerne darüber Auskunft geben.

Frage : Im Vorfeld gab es ja einen gewissen Streit mit den Amerikanern über die Vergabe - ich glaube, es war GE, das da auch gerne einen Auftrag haben wollte. Jetzt hat man sich da offenbar geeinigt. Gab es dazu Gespräche mit der US-Regierung, die möglicherweise geholfen haben, diesen Streit beizulegen?

StS Seibert: Während das Gespräch der Bundeskanzlerin mit dem irakischen Ministerpräsidenten läuft, und kurz vor der Pressekonferenz, die die beiden vorhaben, sehe ich wenig Sinn darin, dieses Thema hier ausführlich zu besprechen. Deswegen würde ich auch Sie gerne dorthin verweisen. Es ist ganz grundsätzlich so, dass, wenn sich ein deutsches Unternehmen in der Welt irgendwo um Aufträge bewirbt - wie jetzt zum Beispiel Siemens in Irak, aber das könnte auch in jedem anderen Land sein -, dann ist es in einem internationalen Wettbewerb und dann hat das Land, das diesen Auftrag zu vergeben hat, zu prüfen, wem es den Auftrag gibt. Das ist grundsätzlich überall so.

Frage : Auch noch einmal zum deutsch-amerikanischen Verhältnis: Die Trump-Familie hat jetzt gegen die Herausgabe von Akten der Deutschen Bank im Rahmen von Ermittlungen der Justizbehörden in den USA geklagt. Herr Seibert, meinen Sie, dass dieser Vorgang das deutsch-amerikanische Verhältnis, das momentan ja ohnehin nicht das beste ist, belasten könnte? Vielleicht kann auch das Finanzministerium etwas zu diesem Vorgang sagen.

Kolberg: Wie immer äußern wir uns nicht zu einzelnen Instituten; das gilt auch in diesem Fall.

StS Seibert: Dem schließe ich mich an.

Frage: An das Auswärtige Amt: Es gibt seit mehreren Wochen Berichte über die Festnahme eines UN-Diplomaten, der auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Was weiß die Bundesregierung über diesen Fall? Ist die Bundesregierung in Kontakt mit den tunesischen Behörden? Wie bewertet das Auswärtige Amt, dass die tunesischen Behörden einen Diplomaten, der eigentlich durch Immunität geschützt ist, festnehmen?

Burger: Wir stehen zu diesem Fall in Kontakt mit den tunesischen Behörden und auch mit den Vereinten Nationen. Die Vereinten Nationen haben sich ja, weil es sozusagen um einen Anspruch auf Immunität aus der Rolle als UN-Mitarbeiter geht, dazu selbst geäußert. Auf diese Äußerungen der Vereinten Nationen würde ich Sie gerne verweisen.

Zusatzfrage: Hat die Botschaft konsularischen Kontakt zu dem deutschen Staatsbürger? Wie bewertet das Auswärtige Amt die Vorwürfe, die gegen ihn gemacht werden?

Burger: Die Botschaft ist mit dem Fall befasst und, wie gesagt, auch in Kontakt mit den tunesischen Stellen. Im Übrigen würde ich Sie, weil es tatsächlich um einen Anspruch auf Immunität aus der UN-Rolle und eben nicht aus einem Deutschlandbezug geht, was diese Frage angeht, auf die Äußerungen der Vereinten Nationen verweisen.

Frage: An das Auswärtige Amt: Können Sie zum Ende Ihres einmonatigen Vorsitzes im UN-Sicherheitsrat eine Bilanz ziehen?

Der Libyen-Beauftragte Salamé hat gesagt, er erlebe den UN-Sicherheitsrat derzeit tiefst gespalten. Teilen Sie diese Bewertung?

Burger: Der Außenminister hat ja zu Beginn dieses Vorsitzes gesagt: Wir wollen nicht nur helfen, dass der Sicherheitsrat seiner Rolle im Krisenmanagement gerecht wird, sondern wir setzen auch eigene Themen auf die Tagesordnung, um die langfristige Konfliktprävention zu stärken. Das haben wir insbesondere zu drei Themen getan.

Das erste Thema war das Thema der Stärkung des humanitären Völkerrechts und des Schutzes humanitärer Helfer in Konflikten. Dazu haben wir gemeinsam mit Frankreich eine Initiative ergriffen und auf die Situation hingewiesen, dass die humanitären Prinzipien, die Schutzstandards, die es gibt, die über die vergangenen Jahrzehnte erarbeitet wurden, zunehmend unter Druck geraten sind. Wir haben vereinbart, dass wir gemeinsam einen "Humanitarian Call for Action" erarbeiten wollen, und haben dafür gemeinsam mit Frankreich den Startschuss gegeben. Das ist ein wichtiges Ergebnis.

Ein zweiter Schwerpunkt, den der Außenminister gesetzt hat, war das Thema Abrüstung. Es ist gelungen, zum ersten Mal seit 2012 das Thema nukleare Abrüstung auf die Agenda das Sicherheitsrats zu setzen. Das war alles andere als selbstverständlich, aber da ist es gelungen, die Vorbehalte verschiedener Sicherheitsratsmitglieder zu überwinden. Im Ergebnis gab es eine sehr gute Aussprache dazu, in der sich alle Mitglieder des Sicherheitsrats - auch die fünf Nuklearwaffenstaaten - zum Nichtverbreitungsvertrag mit allen seinen Verpflichtungen bekannt haben - auch mit der Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung. Außerdem haben alle unzweideutig ihre Bereitschaft bekundet, den Vertrag zu stärken und zukunftsfest zu machen, auch in einer gemeinsam von allen Sicherheitsratsmitgliedern getragenen Presseerklärung.

Zuletzt, gegen Ende unseres Vorsitzes - wir haben auch hier letzte Woche darüber gesprochen -, ist es gelungen, die Resolution 2467 zum Schutz insbesondere von Frauen und Mädchen, aber nicht nur von Frauen und Mädchen, vor sexueller Gewalt in Konflikten zu verabschieden. Auch das war überhaupt keine leichte Diskussion. Wir sind aber der Meinung, dass es da gelungen ist, im Sicherheitsrat erstmals wichtige Elemente für einen besseren Schutz vor sexueller Gewalt zu verankern.

Das sind die Schwerpunktthemen, die wir aktiv im Sicherheitsrat in der Zeit unseres Vorsitzes platzieren konnten. Insofern ist das eine positive Bilanz. Gleichzeitig ist der Sicherheitsrat - Sie haben es angesprochen - vordringlich auch immer wieder in der Rolle des akuten Krisenmanagements gefragt gewesen. Das ist natürlich nicht völlig planbar, auch das hat man gesehen. Wir mussten uns mit der Situation in Venezuela beschäftigen, zu der der Sicherheitsrat ja deutlich gespalten gewesen ist. Wir haben versucht, dadurch, dass wir den Schwerpunkt insbesondere auf die humanitäre Situation in Venezuela gelegt haben, nicht eine offene Konfrontation, sondern konstruktive Punkte in den Mittelpunkt zu stellen.

Genauso war es bei anderen akuten Krisen. Sie haben das Thema Libyen genannt. Sie haben recht, dazu hat es bisher keine Verabschiedung einer Resolution gegeben; aber auch dazu geht die Arbeit und gehen die Diskussionen im Sicherheitsrat weiter. Wir werden uns dazu natürlich auch nach der Zeit unseres Vorsitzes intensiv einbringen, um zu versuchen, eine gemeinsame Haltung des Sicherheitsrats gegenüber den Konfliktparteien zu erreichen und die Arbeit von Herrn Salamé soweit zu stärken, dass die Waffen dort endlich schweigen und der Rückweg zum politischen Prozess gefunden werden kann.

Frage : Weil Sie gerade das Thema Venezuela erwähnt haben: Es gibt gerade eine Eilmeldung, dass offenbar Soldaten beziehungsweise Militärangehörige den Oppositionsführer López aus dem Hausarrest befreit hätten. Haben Sie schon irgendwelche näheren Erkenntnisse, was da gerade stattfindet?

Burger: Tut mir leid, diese Eilmeldung habe ich noch nicht gesehen; ich kann deswegen auch noch nichts dazu sagen. Falls ich dazu bis zum Ende dieser Pressekonferenz irgendetwas bekommen sollte, teile ich es gerne mit Ihnen, aber ich kann es Ihnen nicht versprechen.

Frage: An das Bundeswirtschaftsministerium: Berlin und Paris schlagen ein Batteriezellkonsortium vor. Was ist dabei die Rolle des Bundeswirtschaftsministeriums? Gehen Sie von Kaiserslautern als neuem Standort aus?

Alemany: Minister Altmaier ist sehr wichtig, die Batteriezellfertigung nach Deutschland und nach Europa zu holen. Das ist eine große Wertschöpfungskette mit sehr viel Potenzial und einhergehend mit sehr viel Arbeitsplatzsicherung in Deutschland. Deswegen ist das ein wichtiges Thema, das er schon seit Amtsantritt voranbringt. Ich kann bestätigen, dass wir gemeinsam mit der französischen Regierung einen sogenannten "Letter of Intent" nach Brüssel geschickt haben, um einem der am weitesten fortgeschrittenen Konsortien, die sich gerade bilden, ein bisschen Rückenwind zu geben. So ein "Letter of Intent" soll quasi das Commitment der beiden Regierungen deutlich machen, dass wir die unterstützen und Anschubfinanzierung im Rahmen der IPCEI-Programmatik leisten wollen. Jetzt warten wir auf ein Rückschreiben der Kommission und erwarten einen sogenannten "Letter of Comfort", mit dem die Kommission ihrerseits auch noch einmal bestätigt, dass sie so ein Konsortium grundsätzlich für förderfähig hält. Das sind keine Beschlüsse und das sind auch keine Notifizierungen oder beihilferechtlichen Genehmigungen, die da laufen, sondern das sind gegenseitige Commitments der Regierungen und der Kommission, dass sich die Unternehmen auf einem guten Weg befinden.

Das ist ein mögliches Konsortium, das sich bilden wird. Es können mehrere Konsortien sein, es können aber auch noch verschiedene Unternehmen in der nächsten Zeit auf dieses deutsch-französische Konsortium aufspringen. Wie Sie vielleicht wissen, stellt Deutschland eine Milliarden Euro als Anschubfinanzierung für diese verschiedenen Konsortien zur Verfügung. Wir erwarten uns da Arbeitsplatzsicherheit und auch Standortsicherheit für Deutschland. Zu einzelnen Standorten kann ich Ihnen noch keine weiteren Details nennen, weil wir derzeit ja noch in der Förderprüfung sind. Wir hatten vor Kurzem eine Förderbekanntmachung und eine sehr große Resonanz aus der deutschen Wirtschaft auf diese Förderbekanntmachung für Batteriezellproduktionen. Über 30 Unternehmen haben sich beworben. Diese Bewerbungen prüfen wir jetzt alle anhand ihrer Businesspläne. Welche Standorte sich da im Einzelnen herauskristallisieren, lässt sich jetzt aber noch nicht sagen; das ist ein längerer Prozess. Hier gilt: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Wir wollen ja zukunftsfeste Konsortien, die hier für lange Zeit Arbeitsplätze schaffen.

Vorsitzender Mayntz: Die Dramaturgie hätte nicht besser sein können - Frau Alemany, Sie behalten das Wort.

Alemany: Gerne. - Ich wollte die Gelegenheit nutzen, mich bei Ihnen nach neun Jahren in der Pressestelle des Wirtschaftsministeriums temporär zu verabschieden. Ich verabschiede mich morgen in den Mutterschutz und werde den Sommer über weg sein. Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Sommer. Mir hat die Arbeit mit Ihnen immer viel Spaß gemacht - das war immer sehr abenteuerlich. Ich schätze, das, was jetzt auf mich zukommt, wird auch ein bisschen abenteuerlich sein. Davon kann ich dann aber später berichten. - Alles Gute!

Vorsitzender Mayntz: Wir wünschen Ihnen auch alles Gute - und allen hier im Saal einen schönen Maifeiertag!

Dienstag, 30. April 2019

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 30. April 2019
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-30-april-2019-1604490
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2019

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