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PRESSEKONFERENZ/2005: Regierungspressekonferenz vom 4. März 2020 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 4. März 2020
Regierungspressekonferenz vom 4. März 2020

Themen: Kabinettssitzung (Entwurf eines Gesetzes zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität, Situation unbegleiteter minderjähriger Ausländer in Deutschland), Situation minderjähriger Flüchtlinge in Griechenland/Lage an der türkisch-griechischen Grenze, erster Bericht der Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle, Lage in Nordsyrien, Coranavirus

Sprecher: SRSin Demmer, Baron (BMWi), Strater (BMVI), Kempe (BMFSFJ), Alter (BMI), von Plüskow (BMVg), Breul (AA), Kuhn (BMF), Gülde (BMG)


Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRSin Demmer sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRSin Demmer: Auch von mir herzlich willkommen! Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität beschlossen. Der Entwurf setzt die Vorgaben der novellierten EU-Gebäuderichtlinie zum Aufbau einer ebensolchen Leitungs- und Ladeinfrastruktur für Elektromobilität in Gebäuden eins zu eins in nationales Recht um. Das Gesetz soll einen Beitrag dazu leisten, dass der Ausbau der Leitungs- und Ladeinfrastruktur für Elektromobilität im Gebäudebereich beschleunigt wird. Zudem werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass im Nachgang leichter neue Ladepunkte entstehen können.

Der wesentliche Inhalt des Entwurfs lässt sich wie folgt zusammenfassen: Bei Neubau beziehungsweise größerer Renovierung von Gebäuden mit mehr als zehn Stellplätzen ist in Wohngebäuden künftig jeder Stellplatz und in Nichtwohngebäuden jeder fünfte Stellplatz mit Schutzrohren für Elektrokabel, also für die Leitungsinfrastruktur, auszustatten. Zusätzlich ist in Nichtwohngebäuden mindestens ein Ladepunkt zu errichten. Nach dem 1. Januar 2025 ist zudem jedes Nichtwohngebäude mit mehr als 20 Stellplätzen mit mindestens einem Ladepunkt auszustatten. Verstöße gegen das Gesetz können mit einem Bußgeld geahndet werden.

Es gibt ein paar Ausnahmen: Auf Nichtwohngebäude, die sich im Eigentum von Kleinen und mittleren Unternehmen befinden und überwiegend von ihnen selbst genutzt werden, findet das Gesetz keine Auswendung. Eine weitere Ausnahme existiert für Bestandsgebäude, wenn die Kosten für die Lade- und Leitungsinfrastruktur 7 Prozent der Gesamtkosten einer größeren Renovierung überschreiten würden. Öffentliche Gebäude, die gemäß der Umsetzung der Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe bereits vergleichbaren Anforderungen unterliegen, sind ebenfalls ausgenommen.

Weiteres Thema im Kabinett war die Situation unbegleiteter minderjähriger Ausländer in Deutschland. Ausländische Kinder und Jugendliche, die ohne ihre Familien nach Deutschland kommen, haben, wie alle Kinder hierzulande, ein Recht darauf, dem Kindeswohl entsprechend untergebracht, versorgt und betreut zu werden. Um das sicherzustellen, gilt seit November 2015 das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher. Das Gesetz schreibt der Bundesregierung vor, dem Bundestag jährlich über die Situation der unbegleiteten minderjährigen Ausländer zu berichten. Dieser Bericht wurde heute im Kabinett beschlossen.

Die zentralen Aussagen des Berichts sind: Das Verfahren zur Umsetzung der bundesweiten Aufnahme wird von Ländern und Kommunen verantwortungsvoll umgesetzt und hat sich bewährt. Im Februar letzten Jahres lebten 14 916 unbegleitete minderjährige Ausländer in Deutschland. Hinzu kamen 24 010 junge Volljährige. Insgesamt befanden sich Ende Januar 2019 damit knapp 40 000 junge Menschen aus dem Ausland in der Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe. Ein Höchststand war im Februar 2016 erreicht; da waren es rund 60 000 junge Menschen.

Die Einreisen von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen sinken seit Mai 2016 kontinuierlich. Im Jahr 2018 wurden insgesamt 5817 Minderjährige regulär in Obhut genommen.

Man kann sagen: Die unbegleiteten Minderjährigen werden gut und bedarfsgerecht versorgt. Die im Regelsystem der Kinder- und Jugendhilfe vorgesehenen Maßnahmen, Leistungen und Angebote schützen und stärken diese besonders schutzbedürftigen Kinder und Jugendlichen von Anfang an und wenden Gefahren und Risiken ab. So werden die notwendigen Schritte in ein selbstständiges Leben und eine Integration in die Gesellschaft ermöglicht.

Frage: Frau Demmer, ich habe zu dem Beschluss zur Elektromobilität eine allgemeine Frage. Die Opposition kritisiert, dass diese und andere im Verkehr geplanten Maßnahmen nicht ausreichen - diese Frage richtet sich vielleicht auch an das Verkehrsministerium -, um die Klimaziele für diesen Sektor zu erreichen. Wie zuversichtlich sind Sie, und wie wollen Sie die erreichen?

Baron: Ich kann zu dem Gesetz gerne wiederholen: Dieses Gesetz ist ein Baustein von vielen. Wir sehen das immer als Bündel von Maßnahmen, die vorangebracht werden müssen, um die Klimaziele zu erreichen. Sie wissen, wir haben die Umweltprämie für Elektroautos. Ganz wesentlich ist natürlich auch, die Infrastruktur auszubauen. Das liegt bei den Kollegen im Bundesverkehrsministerium.

Konkret dieses Gesetz zielt darauf ab, dass man bei Bauten, bei denen es große Parkflächen gibt, sozusagen die Infrastruktur gleich mitdenkt, auch bei Renovierungen oder bei einem Neubau, dass die Schutzrohre in den beschriebenen Gebäuden verlegt sind, wie von Frau Demmer dargestellt, und man die Planung nicht erst später nachholen muss, sondern das gleich mitdenkt. Denn wenn wir ausreichend Ladepunkte haben, werden sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger dazu entschließen, E-Autos zu kaufen und diese auch zu nutzen. Das ist für uns ein Beitrag zum Hochlauf der Elektromobilität, aber natürlich nicht der einzige. Dazu gibt es ein Bündel an Maßnahmen aus Steuereffekten, der Ladeinfrastruktur und der Umweltprämie. Man muss das eben als Bündel von Maßnahmen betrachten.

Strater: Vielleicht kann ich das ergänzen, vor allem mit Blick auf die Ladeinfrastruktur. Wir haben einen Masterplan Ladeinfrastruktur vorgelegt, der definiert, wie wir den flächendeckenden Ausbau mit gezielten Förderungen, verbesserten gesetzlichen Rahmenbedingungen und einer aktiven Koordination zwischen Bund, Ländern, Kommunen und der Industrie erreichen können. Wir treiben diesen Masterplan gemeinsam mit der Industrie sowie den beteiligten Ländern und Kommunen massiv voran. Das Ziel ist, in den nächsten zwei Jahren 50 000 öffentlich zugängliche Ladepunkte zu errichten. Die Automobilwirtschaft wird bis 2022 ebenfalls öffentliche Ladepunkte beisteuern. Wir haben Anfang des Jahres eine Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur eingerichtet, die den ganzen Aufbau koordiniert. Wir investieren Milliarden in die Tank- und Ladeinfrastruktur für Pkw und Lkw mit CO2-freien Antrieben. Das ist ein wesentlicher Baustein zum Erreichen der Klimaschutzziele, die wir uns im Klimaschutzprogramm gesetzt haben.

Frage: Ich habe eine Frage zu dem Bericht über die unbegleiteten Minderjährigen, entweder an Frau Demmer oder an das Familienministerium. Sie haben gesagt, 14 000 Plätze seien im vergangenen Februar belegt gewesen. Wie viel Kapazität haben denn Bund, Länder und Kommunen zur Aufnahme unbegleiteter Minderjähriger? Dies wäre sinnvoll zu wissen in der Debatte um die unbegleiteten Minderjährigen in Griechenland.

Kempe: Danke für die Frage. - So pauschal lässt sich das nicht beantworten. Ich muss auch darauf hinweisen, dass die Zuständigkeit hier bei den Ländern und Kommunen liegt und nicht beim Bund. Frau Demmer hat es eben erwähnt: Wir hatten schon weit über 60 000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die untergebracht werden mussten. Ob die Kapazitäten noch steigerbar wären, kann ich jetzt so pauschal auf Anhieb nicht sagen.

Zusatzfrage: Das heißt, mit den 60 000 ist man gut klargekommen. Wenn es jetzt 40 000 sind, wäre es denkbar, dass es Kapazitäten gebe. Verstehe ich Sie da richtig?

Kempe: Im Prinzip schon. Aber Sie wissen auch, dass es in den Zeiten, als besonders viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland kamen und untergebracht werden mussten, auch Engpässe in manchen Regionen gab.

Frage: Ich weiß nicht, ob das der richtige Ort ist, um nach dem Umgang mit unbegleiteten oder auch nicht unbegleiteten Kindern in Griechenland zu fragen. Da bin ich ganz offen, ob wir das jetzt machen.

Vorsitzende Welty: Das können wir direkt anschließen, ja.

Zusatzfrage: Herr Alter, gestern gab es neuerliche Äußerungen von Herrn Seehofer, dass es das Bemühen gebe, da mit gleichgesinnten europäischen Staaten voranzugehen. Um wen geht es da? Gibt es da schon eine Eingrenzung? In der politischen Diskussion ist zum Teil von unter 14-Jährigen die Rede, zum Teil insgesamt von unbegleiteten Minderjährigen und zum Teil bei den Jüngeren auch begleitet, also mit Familie. Können Sie zu dieser Gruppe etwas sagen? Können Sie etwas zum Stand der Verhandlungen und zum Zeitplan sagen?

Alter: Ja, gern. - Zunächst einmal möchte ich deutlich machen, weil auch wir wahrgenommen haben, dass die Diskussionen gerade im politischen Raum und auch in der Medienberichterstattung schon ziemlich konkret sind, dass der Bundesinnenminister gestern deutlich gemacht hat, dass es zunächst einmal darum geht, an der europäischen Außengrenze geordnete Verhältnisse herzustellen, weil das die Voraussetzung dafür ist, dass humanitäre Fragestellungen behandelt werden können. Das ist im Übrigen auch keine Neuigkeit. Der Bundesinnenminister hat zuletzt sehr prägnant um die Weihnachtszeit herum deutlich gemacht, dass es diese Fragestellung gibt und dass wir uns auch im vollen Bewusstsein darüber sind, dass die Situation, die viele im Moment in Griechenland erleben, auf Dauer nicht tragbar ist. Insofern ist das kein neues Thema. Diese Frage wird immer wieder aufgeworfen. Es gibt eine ganze Reihe von Fragestellungen, die zu klären sind. Einige davon haben Sie gerade formuliert.

Im Moment ist es so: Wir haben keinen Zustand an der Außengrenze, den wir als geordnet bezeichnen könnten. Sicherlich wird es auch heute in Brüssel beim Treffen der Innenminister um die Frage gehen, wie man Griechenland unterstützen kann. Der Bundesinnenminister hat gestern gesagt, dass diese Fragen zu stellen sind - das hat er wiederholt - und dass man im Rahmen einer europäischen Lösung abstimmen muss, wie man die Situation dort behandelt. Das ist, wie gesagt, unsere Linie. Die bleibt auch bestehen. Es wird keine deutsche Alleinentscheidung geben, sondern es ist erforderlich, dass sich mehrere Mitgliedstaaten darüber verständigen, wie man mit dieser Situation umgeht.

Zusatzfrage: In Griechenland gibt es die Außengrenzenproblematik. Es gibt auch die Problematik, die ich eben angesprochen habe, dass das ja in Griechenland ist. Das heißt, es gibt die Situation auf den Inseln, und es stellt sich die Frage, wie man dort mit Minderjährigen umgeht, ob es da auch ein Zusammengehen einzelner Staaten gibt. Ist das völlig konditioniert durch neue Wege im Umgang mit der Außengrenze? Das ist doch eigentlich unabhängig davon zu entscheiden. Deshalb noch einmal die Frage nach dem Umgang mit den Minderjährigen, die schon jetzt in Griechenland sind.

Alter: Es gibt eine ganz eindeutige Kondition zwischen diesen beiden Dingen: Wenn die europäische Außengrenze ihre Funktion nicht erfüllt und man befürchten muss, dass es zu ungesteuerten, unkontrollierten Grenzübertritten kommt, dann kann man nicht gleichzeitig in unmittelbarer Nähe der EU-Außengrenze darüber entscheiden, dass Leute verteilt werden, weil das befürchten lässt, dass die frei werdenden Kapazitäten sofort durch ungesteuerte und unkontrollierte Migration wiederaufgefüllt werden. Dann kommt etwas in Gang, was man nicht mehr beherrschen kann. Deswegen hat der Bundesinnenminister deutlich gemacht: Nur unter der Voraussetzung, dass Ordnung herrscht, kann auch Humanität gewährleistet werden. Das ist im Grunde genommen die Aufforderung an alle Beteiligten, ihre Anstrengungen dahin zu bewegen, dass Ordnung hergestellt werden kann.

Frage: Herr Alter, die Forderung des griechischen Ministerpräsidenten, dass die europäischen Länder die 5000 unbegleiteten Minderjährigen aufnehmen, gab es schon Ende November oder Anfang Dezember, wenn ich mich nicht irre. Damals gab es keine positive Reaktion, weder vom Bundesinnenminister noch von anderen EU-Ländern. Wenn ich die Äußerung des Bundesinnenministers jetzt richtig verstanden habe, dann heißt das, dass er dafür ist, dass diese 5000 unbegleiteten Minderjährigen auf den griechischen Inseln von anderen europäischen Ländern aufgenommen werden sollen. Hat der Bundesinnenminister jetzt Anzeichen dafür, dass auch andere Länder dafür sind? Wie kam es zu dieser Änderung seiner Meinung?

Alter: Man muss jetzt einmal abwarten, wie die Gespräche auch heute konkret verlaufen. Ich habe es gerade erwähnt: Die Innenminister der europäischen Mitgliedstaaten treffen sich heute in Brüssel, um über die Situation in Griechenland zu sprechen.

Ich will noch einmal hervorheben: Der Bundesinnenminister hat gestern deutlich gesagt, dass er von dem, was bisher geschehen ist, enttäuscht ist. Er hat auch in der Vergangenheit gesagt, dass es nach seiner Wahrnehmung in der Migrationspolitik im Wesentlichen einen Stillstand gibt, den es zu beenden gilt.

Wir haben gerade auf seine Initiative hin in den letzten Monaten an vielen Stellen versucht, Dynamik in die Situation hineinzubekommen. Ich erinnere an die Diskussion, die wir um die Seenotrettung geführt haben. Wir haben Vorschläge unterbreitet, wie man das europäische Asylsystem gestalten kann. Wir haben innerhalb der Bundesregierung eine Verständigung dazu. Das heißt, wir haben eine deutsche Position.

Im nächsten Schritt wird es darum gehen - die aktuelle Situation zeigt mehr als deutlich, dass es dringend notwendig ist, da Fortschritte zu machen -, dass dort auch europäisch ein gewaltiger Schritt nach vorn gemacht werden kann. Nichtsdestotrotz bleibt es bei der nationalen Linie, dass wir nur im europäischen Verbund agieren werden und nicht isoliert.

Zusatzfrage: Das hieße dann, dass, wenn es heute in Brüssel keine Einigung in diesem Sinne gibt, wir bei dem bleiben, was wir jetzt haben, also keine Minderjährigen von den griechischen Inseln nach Europa holen?

Die nächste Frage wäre: Es gibt konkrete Angebote - - -

Vorsitzende Welty: Entschuldigung, Sie hatten eine Nachfrage. Wollen wir die erst einmal beantworten lassen? Dann nehme ich Sie gerne noch einmal auf die Liste.

Zusatz : Okay.

Alter: Ich möchte sagen - das gehört vielleicht auch ein Stück weit zum Erwartungsmanagement dazu -: Es ist nicht zu erwarten, dass es zu dieser Frage heute in Brüssel konkrete Beschlüsse im Sinne einer Aufnahmeentscheidung gibt. Das ist einfach unrealistisch. Dieses Thema muss auf die Tagesordnung. Es wird auf der Tagesordnung stehen. Wenn wir uns in der heutigen Sitzung auf Grundsätze verständigen können, wie man vorgeht, wenn man vielleicht einen verbindlichen Fahrplan vereinbaren kann, dann ist das etwas, was wir durchaus für realistisch halten. Aber dass es heute eine Verständigung mehrerer Mitgliedstaaten gibt, die eine Aufnahmeentscheidung zur Folge hat, das erwarten wir nicht.

Frage: Frau Demmer, unterstützt die Bundeskanzlerin eigentlich den gestern laut gewordenen Plan des Innenministers, möglicherweise jugendliche Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen?

SRSin Demmer: Das klingt jetzt ein bisschen, als hätten Sie Herrn Alter nicht ganz zugehört. Herr Alter und ich sprechen hier - ich glaube, der Beginn dieser Debatte war kurz vor Weihnachten - immer eine Sprache.

In der Tat ist es uns natürlich ein Anliegen, die Lebenssituation der Menschen vor Ort und auch die Lage der Kinder zu verbessern. Die Diskussion, ob speziell besonders schutzbedürftige Minderjährige aus Griechenland aufgenommen werden sollen, muss auf europäischer Ebene geführt werden. Das haben wir hier mehrfach immer wieder genau so gesagt.

Der Innenminister trifft sich heute mit seinen Kollegen, wie Herr Alter schon gesagt hat.

Wie gesagt: Wir suchen nach europäischen Lösungen. Deutschland kann das nicht alleine.

Zusatzfrage : Wenn Sie jetzt von einem europäischen Kontext sprechen - das ist eine Frage an Sie beide -, ist das wieder so wie 2015/2016, dass sich Deutschland mit einer Koalition der Willigen begnügen würde, oder erwartet man jetzt von allen EU-Staaten eine Kontingentlösung oder was auch immer?

Alter: Der Bundesinnenminister hat auch das gestern deutlich gemacht: Natürlich ist es wünschenswert, möglichst viele, wenn nicht sogar alle Mitgliedstaaten zu einer gemeinsamen Politik bei den Migrationsthemen zu bewegen. Aber nach den Erfahrungen der letzten Jahre ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass das in einem ersten Schritt gelingen wird. Insofern hat der Bundesminister hier, wie im Übrigen auch bei der Seenotrettung, gesagt: Es kommt darauf an, dass sich eine signifikante Anzahl von Mitgliedstaaten daran beteiligt. - Es ist nicht die erste Bedingung, dass es alle 27 sein werden. Aber es muss schon eine Anzahl sein, bei der man auch von einer europäischen Lösung und nicht von einer bilateralen Lösung sprechen kann.

Frage: Herr Alter, Sie haben eben gesagt, Humanität könne es nur geben, wenn Ordnung herrsche. Das kann man auch einen Paradigmenwechsel nennen. Hat sich Humanität nicht eigentlich dadurch ausgezeichnet, dass sie gerade dann ausgeübt wurde, wenn keine perfekte Ordnung herrschte? Warum also dieser Prioritätenwechsel?

Zum Zweiten - - -

Vorsitzende Welty: Bitte eine Frage!

Zusatz: Wir hatten meistens entweder zwei Fragen oder eine Frage und eine Nachfrage. Ich würde dann gerne die zweite Frage stellen.

Zum Zweiten: Wir haben hier gelegentlich gefragt, wie es ist, wenn Kommunen sagen: Wir sind bereit, Flüchtlinge oder Asylsuchende aufzunehmen. - Da haben Sie immer gesagt, das sei Ländersache. Nun hat Schleswig-Holstein als Bundesland eine Aufnahmebereitschaft signalisiert. Lernfrage: Bedeutet das, dass, weil das Land das sagt, jetzt Flüchtlinge, Jugendliche kommen könnten, oder findet auch das unter einem Bundesvorbehalt statt?

Alter: Ich fange mit der zweiten Frage an; auch die ist hier schon gelegentlich gestellt worden. Aufnahmeentscheidungen dieser Größenordnung sind vom Bund zu treffen. Die Länder haben keine Kompetenz, das eigenständig zu tun. Insofern bedarf es hierfür einer Entscheidung von der Bundesebene.

Zu der ersten Fragen kann ich sagen: Da hat es nach meiner Wahrnehmung keine Prioritätenveränderung gegeben. Seit Beginn der Amtszeit von Bundesinnenminister Seehofer ist in der Migrationspolitik der Dreiklang aus Ordnung, Steuerung und Begrenzung ein wesentliches Leitprinzip seiner Politik. Wir haben das schon immer so verfolgt.

Der Minister hat gestern noch einmal deutlich gemacht, was wir, losgelöst von der aktuellen Zuspitzung an der türkisch-griechischen Grenze, im Bereich der Humanität tun. Wir haben im Resettlement-Programm im zweijährigen Rhythmus jeweils 10 000 Flüchtlinge aus Drittstaaten aufgenommen. Wir haben uns in der Vergangenheit an Relocation-Beschlüssen beteiligt. Wir haben uns in der Seenotrettung deutlich stärker als andere Mitgliedstaaten engagiert. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass jeden Tag ca. 400 neue Asylsuchende nach Deutschland einreisen, die wir in die Prozessbearbeitung nehmen. Das heißt, wir haben im Monat etwa 10 000 Asylantragsteller. Das ist die humanitäre Seite, die wir im Grunde genommen ohnehin schon täglich zeigen.

Wenn es darum geht, darüber hinaus Leistungen zu erbringen, dann muss das nach Ansicht des Bundesinnenministers zumindest erfordern, dass die Situation an der Außengrenze so ist, dass man von ihrer Funktionsfähigkeit ausgehen kann. Das ist im Moment nicht gegeben.

SRSin Demmer: Ich würde gerne noch ergänzen und daran erinnern, dass die Bundesregierung zuletzt 90 Lkw mit Hilfsgütern für 10 000 Flüchtlinge nach Griechenland geschickt hat.

Frage: Ich möchte zu den Kommunen noch etwas fragen; das ist auch eine Lernfrage. Sie haben gesagt: in dieser Größenordnung. - Gibt es denn eine Kleinere Größenordnung, bei denen Schleswig-Holstein oder einzelne Städte selbst entscheiden könnten, Flüchtlinge aufzunehmen, oder ist das gar nicht möglich? Ich hatte es immer so verstanden, dass das nicht möglich ist.

Alter: Das war unpräzise von mir ausgedrückt. Aufnahmeentscheidungen sind durch den Bund oder zumindest im Einvernehmen mit dem Bund zu treffen. Das können die Länder nicht losgelöst machen. Das sieht die nationale Rechtslage so vor.

Zusatzfrage: Sie haben auch nicht vor, das irgendwie zu ändern, also dass der Verbund, Städte, sichere Häfen usw. da selbst aktiv werden können?

Alter: Solche Planungen gibt es nicht. Aus unserer Sicht besteht auch gar kein Bedarf dazu. Die Forderungen der Kommunen sind ja auch nicht erst seit gestern bei uns bekannt, sondern wir kennen sie seit längerer Zeit. Wir wissen um die Aufnahmebereitschaft von einzelnen Kommunen in Deutschland. Wir haben das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schon im vergangenen Jahr gebeten, diese Kommunen bei der Verteilung von Asylsuchenden zu berücksichtigen. In Kürze wird es noch einmal Gespräche auf Arbeitsebene geben, wie die besonderen Bedürfnisse der Kommunen noch berücksichtigt werden können. Aber die Frage einer Aufnahmeentscheidung auf Bundesebene sehen wir ausreichend und abschließend geregelt.

Frage: Herr Alter, ich möchte auf das Zitat des Ministers zurückkommen, dass Ordnung die Voraussetzung für Humanität sei. Was konkret meint der Minister in dem Moment mit "Ordnung"? Meint er damit die konkrete Situation an der griechisch-türkischen Grenze, oder meint er damit mehr, wenn er von "Ordnung" spricht?

Alter: Zunächst einmal haben wir im Moment eine Situation an der griechisch-türkischen Grenze, die wir beobachten und bei der wir alle nicht wissen, wie sie sich weiterentwickelt. Wenn man nicht prognostizieren kann, wie die Lage morgen ist, dann ist das keine Situation, die man mit "Ordnung" bezeichnen könnte.

Wenn Sie fragen, was er damit meint, dann will ich noch einmal den Blick auf unsere nationalen Grenzen richten. Darauf hat der Minister in den vergangenen Jahren Wert gelegt. Wir hatten in der jüngeren Vergangenheit eine Situation, bei der auch wir das Gefühl hatten, dass das Ganze jetzt nicht geordnet vonstattengeht. Aber diese Situation ist mittlerweile eingetreten. Das heißt, mit dem Begriff "Ordnung" ist für Behörden auch immer die Möglichkeit verbunden, die Situation zu steuern und darauf Einfluss zu nehmen, damit sie geregelt ablaufen kann. Das ist eine Situation, die wir jedenfalls im Moment mit einem Fragezeichen versehen müssen, was die türkisch-griechische Landgrenze angeht.

Frage: Herr Alter, Sie haben als Voraussetzung die geordneten Verhältnisse an den Grenzen genannt. Wenn ich jetzt höre, dass Sie nicht wissen, wie sich die Situation weiterentwickelt, dann frage ich: Ist die Situation, die an der griechisch-türkischen Grenze herrscht, geordnet, oder was ist das?

Alter: Ich habe die Frage gerade beantwortet: Im Moment reden wir nicht davon, dass dort geordnete Verhältnisse existieren. Auch wenn die griechischen Behörden größere Grenzübertritte bislang verhindert haben, ist es dennoch nicht möglich, zu prognostizieren, wie sich die Situation weiterentwickelt.

Frage: Die griechische Regierung hat ja das Asylrecht für vier Wochen ausgesetzt. Lernfrage: Ist das rechtlich zulässig? Hat die Bundesregierung eine Position dazu? Im Moment werden, ich glaube, 400 auf Lesbos Gelandete im Hafen auf einem Schiff festgehalten und im Grunde in Quarantäne gesetzt. Sie sollen in ein Festlandlager kommen und dann wieder zurückgebracht werden. Da ist keine Behandlung von Asylverfahren möglich. Ist das rechtlich zulässig?

Alter: Diese Frage wurde uns zu Anfang der Woche hier schon einmal gestellt. Ich habe darauf verwiesen, dass das eine sehr komplexe Fragestellung ist, die man sich von den Griechen auch einmal im Detail erläutern lassen muss. Möglicherweise ergibt sich heute in Brüssel die Gelegenheit dazu, dass der griechische Innenminister darüber unterrichtet, wie die Situation eingeschätzt wird und welche Lage aus Sicht der griechischen Behörden dort vor Ort im Moment konkret vorliegt. Wir kennen viele Medienberichte, und es gibt auch viele Falschinformationen. Deswegen ist das ein wichtiger Punkt. Möglicherweise wird er auch über die Frage der Entscheidungen sprechen, die die griechische Regierung bislang getroffen hat.

Es ist wirklich viel zu früh und auch nicht unsere Aufgabe, die Entscheidungen der griechischen Behörden hier an dieser Stelle zu bewerten. Wir wissen allerdings, dass das europäische Recht für besondere Situationen auch Ausnahmeregelungen vorsieht. Insofern ist es momentan sehr schwierig, eine Bewertung vorzunehmen. Öffentlich würden wir das auch nicht tun.

Frage: Ich habe eine Frage an das BMVg zum ersten Bericht der KfE zu den Extremismusfällen in der Bundeswehr. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um statt der Kategorie Orange die Kategorie Rot anzuwenden, um also zu sagen, dass der Betreffende tatsächlich ein Extremist ist? Reicht es dafür aus, dass man Mitglied einer Organisation ist, die von einem Landesamt für Verfassungsschutz als Beobachtungsobjekt eingestuft wird?

Plüskow: Ich kann Ihnen die genauen Voraussetzungen für die einzelnen Kategorien jetzt nicht nennen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass der Bericht online steht. Sie können ihn dort nachlesen. Ich meine auch, sicher zu sein, dass diese Einteilung und die Erläuterungen dazu darin enthalten sind.

Zusatzfrage: Welche Konsequenz gibt es, wenn jemand in die Kategorie Rot eingestuft wird? Könnte es sein, dass dann gesagt wird: "Verlass die Organisation; lege dein Amt nieder", oder zieht das praktisch gleich die Einleitung eines Entlassungsverfahrens nach sich?

Plüskow: Wenn ein Mitglied der Bundeswehr, ein Soldat, durch den MAD als Extremist erkannt worden ist, dann zieht das in der Regel die Entlassung nach sich.

Frage: Frau Demmer, Frau Merkel hat gestern in der Fraktionssitzung offenbar von einer Flugverbotszone in Nordsyrien gesprochen. Können Sie näher beschreiben, wie ein solcher Vorschlag aussieht?

SRSin Demmer: Für die Bundesregierung ist weiterhin klar, dass es in Syrien entscheidend darum geht, dass der Konflikt in Idlib nicht weiter auf dem Rücken der Binnenvertriebenen ausgetragen wird. Die humanitäre Lage vor Ort ist dramatisch. Die vom Konflikt betroffenen Menschen in Idlib benötigen dringend Versorgung und Schutz. Deshalb muss dafür gesorgt werden, dass diese Menschen vor Ort sicher und von den humanitären Organisationen versorgt werden können.

Wenn morgen die Präsidenten Erdogan und Putin über Idlib reden, dann sollten sie eben darüber reden, dass ein Gebiet definiert wird, in dem die Versorgung dieser Binnenvertriebenen stattfinden kann, ohne dass sie hierbei Opfer militärischer Gewalt werden. Damit diese Versorgung funktionieren kann, braucht es einen effektiven und sicheren Zugang der Hilfsorganisationen zu diesem Gebiet, der gewährleistet werden muss.

Das alles hat die Kanzlerin auch in ihren Telefonaten mit Putin und Erdogan zum Ausdruck gebracht. Jetzt ist es aber an Erdogan und Putin, ein Gebiet zu definieren, in dem das möglich ist.

Frage: Frau Demmer, sind die Pläne für ein Vierertreffen immer noch aktuell?

SRSin Demmer: Jetzt hat, wie gesagt, das Treffen zwischen Erdogan und Putin erst einmal Vorrang.

Zusatz: Aber gestern gab es eine Information, dass ein solches Treffen schon am Freitag nach dem Treffen von Putin und Erdogan stattfinden könnte.

SRSin Demmer: Die Bundesregierung ist natürlich grundsätzlich zu Gesprächen bereit. Das ist ein sehr wichtiges Thema. Trotzdem würde ich hier und heute erst einmal sagen, dass das Treffen zwischen Erdogan und Putin jetzt Vorrang hat. Dann sehen wir weiter.

Frage: Frau Demmer, Sie sagen, dass das das Thema der Unterhaltung zwischen Frau Merkel und Herrn Putin war. Was hat Putin denn auf die Frage oder den Vorschlag der Notwendigkeit einer solchen Zone geantwortet?

Sie haben dieses Gebiet ein bisschen nebulös umrissen. Ich wüsste gern, welche Zone der Kanzlerin denn vorschwebt. Es gibt ja durchaus Unterschiede zwischen Flugverbotszonen, Schutzzonen oder Gebieten anderer Sicherheit, so wie Sie es gerade beschrieben haben.

Dann eine Frage an das BMVg oder an Sie, Frau Demmer, falls Sie sie beantworten mögen: Haben wir, die Deutschen, eine Rolle innerhalb dieses Vorschlags?

SRSin Demmer: Zu Ihrer ersten Frage: Aus dem vertraulichen Gespräch kann ich mehr als das, was wir in der Pressemitteilung herausgegeben haben, hier jetzt nicht berichten.

Bei dem Gebiet, das zu definieren wäre, geht es nicht um eine Schutzzone als Terminus technicus, sondern es geht vor allen Dingen darum - dort wurden ja Massenvertreibungen durch das syrische Regime ausgelöst -, diesen Menschen zu helfen und dafür zu sorgen, dass es überhaupt Zugang zu diesen Menschen gibt. Darum geht es jetzt in einer ersten Stufe.

Breul: Dazu kann auch ich gern noch etwas sagen. Es wird Sie nicht überraschen - Sie kennen sich ja gut aus im Geschäft -, dass sich die Zusammensetzung des VN-Sicherheitsrats nicht über Nacht geändert hat und dass es insbesondere von russischer Seite Vorbehalte gegenüber Maßnahmen wie Schutzzonen oder Flugverbotszonen gibt und auch weiterhin geben wird. Darum ist das bei diesen Begrifflichkeiten, die schnell durcheinandergeraten, sicherlich nicht das, was im Raume steht.

Frau Demmer hat es gesagt. Es geht darum, wie man Sicherheitsgarantieren für die Binnenvertriebenen gewinnt, sodass sie ausreichend humanitär versorgt werden können. Dabei sind in erster Linie die beiden Staaten gefragt, die dort von außen militärisch aktiv sind, also die Türkei und Russland. Die aktuelle Offensive des Regimes wäre ohne russische Unterstützung nicht möglich gewesen; das ist völlig klar. Das Regime von Assad hat diese Binnenflüchtlinge verursacht. Darum sehen wir jetzt auch in erster Linie Russland in der Pflicht, gemeinsam mit der Türkei eine Absprache zu treffen, die es der internationalen Gemeinschaft ermöglicht, dort wieder Hilfe zu leisten. Das hat Priorität.

Vorsitzende Welty: Möchte das Verteidigungsministerium noch ergänzen?

Plüskow: Ich kann zur Frage der Ausgestaltung einer solchen Zone nichts beitragen. Eine Masse ist hier gesagt worden. Sie wissen, dass die Ministerin diese Idee schon im Oktober vergangenen Jahres einmal aufgebracht hat. Wir sind froh, dass dies erneut diskutiert wird. Aber selbstverständlich muss im Laufe der Diskussion darüber gesprochen werden, wie man das ausgestaltet.

Derzeit gibt es nicht sehr viel mehr von mir dazu zu sagen.

Frage: Die Verteidigungsministerin hat heute Sanktionen gegenüber Russland in Erwägung gezogen. An welche Sanktionen wird dabei gedacht?

Frau Demmer, wird dieses Thema vielleicht auf die EU-Agenda kommen?

Plüskow: Sie spielen auf das Interview der Ministerin heute Morgen an. Die Worte der Ministerin stehen erst einmal für sich. Natürlich müssen diese auch in genau diesem Gesamtkontext der Situation in Syrien und der Eskalation der Lage, vor allen Dingen aber auch der humanitären Situation gesehen werden, wie wir es hier ja gerade angesprochen haben.

Die Ministerin hat bereits in ihrer sicherheitspolitischen Rede in München deutlich angeregt, mit Russland darüber ins Gespräch zu kommen. Grundsätzliche Voraussetzung dafür ist es eben, eine Verständigung mit den Akteuren vor Ort zu erreichen. Dazu müssen selbstverständlich alle Möglichkeiten angedacht und im Rahmen der Bundesregierung sowie mit den Partnern diskutiert werden. Aber Sie werden auch verstehen, dass ich einem Ergebnis dieser Diskussion hier nicht vorgreifen kann.

Breul: Wenn ich darf, würde ich gern noch ergänzen. Ich hatte es ja gerade schon betont: Russland spielt eine zentrale Rolle in diesem Konflikt. Wir brauchen Russland für eine politische Lösung. Wir denken, dass das derzeitige russische Verhalten in die falsche Richtung geht, und wünschen uns von Russland eine Kurskorrektur. Das ist Thema in allen Gesprächen, die wir mit Russland führen.

Vorschläge, wie wir die russische Bereitschaft, an einer politischen Lösung mitzuwirken, steigern können, werden wir uns natürlich genau ansehen. Gleichzeitig dürfen wir natürlich nichts tun, um eine politische Lösung des Konflikts weiter zu erschweren.

Zusatzfrage: Der Außenminister hat von Kriegsverbrechen in Idlib gesprochen. Was tut die Bundesregierung, um den Druck auf Russland zu erhöhen?

Breul: Die Äußerungen des Ministers in der vergangenen Woche in New York sind im Kontext der Verletzungen des humanitären Völkerrechts, die derzeit stattfinden, wenn gezielt Krankenhäuser und Schulen attackiert werden und dabei Zivilisten zu Schaden kommen, zu sehen. Das haben wir immer wieder deutlich angesprochen. Das war keine neue Positionierung, sondern ein Punkt, den wir in den Gesprächen mit Russland und auch in der Öffentlichkeit immer wieder deutlich wiederholen. Das nehmen wir, wie gesagt, auch mit der russischen Seite politisch auf und beraten gemeinsam mit unseren europäischen Partnern, wie wir gegebenenfalls den Druck auf Russland weiter erhöhen.

Frage: Ich verstehe das nicht so richtig. Das, was ich gehört habe, Herr Breul und Herr von Plüskow, ist, dass die Verteidigungsministerin und der Außenminister durchaus in unterschiedliche Richtungen ziehen. Wenn einerseits Frau Kramp-Karrenbauer Sanktionen das Wort reden, andererseits Sie, Herr Breul, sagen, dass man auf der Suche nach einer politischen Verständigung sei und alles vermeiden wolle, was eine solche Verständigung erschwere, dann geht das für mich nicht überein. Können Sie mir da weiterhelfen?

Breul: Die internationale Politik ist komplex. Man kann manchmal Dinge erreichen wollen, und es stehen unterschiedliche Instrumente dafür zur Verfügung. Mal ist das eine und mal das andere geboten. Aber genau diese Debatte führen wir jetzt in der Bundesregierung und natürlich auch mit unseren europäischen Partnern.

Unsere Ziele sind jetzt erstens ein Waffenstillstand - die Waffen in Idlib müssen ruhen -, zweitens der Zugang für die Humanitären mit Sicherheitsgarantien unter dem Dach der Vereinten Nationen und drittens Fortschritte bei der politischen Lösung für Syrien, damit wir diesen Konflikt endlich einem Ende zuführen können. Diesen drei Zielen - das sind die Ziele der Bundesregierung - ordnen wir die Maßnahmen unter und beraten, welche Maßnahme wann geeignet ist. Das ist, denke ich, unsere gemeinsame Position.

Plüskow: Dem kann ich mich nur anschließen. Ich meine auch, dass ich mich da nicht anders ausgedrückt habe. Ich habe gesagt, dass wir alle Maßnahmen diskutieren müssen. Dazu gibt es einen Instrumentenmix, wie er hier auch angesprochen wurde, und da kann man nicht von vornherein irgendwelche Überlegungen ausschließen. Es geht darum, dies zu diskutieren und dann am Ende zu einem Entschluss zu kommen.

Frage: Meine Frage geht an alle Ministerien: Wie ist denn die Vorbereitung auf Corona, auch für den Fall von Corona tatsächlich im Kabinettskreis oder bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

SRSin Demmer: Vielleicht kann ich vorweg sagen: Bundesgesundheitsminister Spahn und Bundesinnenminister Seehofer haben heute im Kabinett über die aktuelle Lage zum Coronavirus berichtet. Mit dabei war dann auch der Präsident des RKI, Professor Wieler, der zum Ausbruchsgeschehen alle Kabinettsmitglieder informiert hat. Die Bundesregierung hat, wie bekannt ist, den Krisenstab eingerichtet, der regelmäßig tagt und natürlich auch über solche Fragen spricht, um eben auf die Entwicklung des Infektionsgeschehens angemessen reagieren zu können. Ziel bleibt es natürlich, die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen und zu verlangsamen. Bundesminister Spahn gibt ja auch gerade im Bundestag Auskunft zum Thema. - Näheres können jetzt vielleicht noch die Ressorts sagen.

Alter: Ich muss noch einmal nachfragen: Was ist der Kern Ihrer Frage?

Zusatzfrage: Gibt es zum Beispiel solche Vorkehrungen wie Homeoffice-Möglichkeiten, sodass sozusagen die Kernreferate auch im Fall von Quarantänemaßnahmen, die auch Ihre Häuser betreffen würden, weiterarbeiten könnten?

Alter: Es gibt in den Behörden sogenannte Pandemiepläne, die in verschiedenen Stufen aufgerufen werden können. Das heißt, es gibt sozusagen in diesen Fällen ein planmäßiges Vorgehen. Bislang ist das nicht erforderlich, wir sind also gewissermaßen noch im Normalbetrieb. Allerdings - und da spreche ich jetzt für das Bundesinnenministerium - werden schon Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Das heißt, all das, was der Bevölkerung an Vorsichtsmaßnahmen empfohlen wird, setzen wir um, und wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Hauses erkältet oder erkrankt sind, dann können sie natürlich auch von zu Hause aus arbeiten, um eine weitere mögliche Infektion - mit welcher Krankheit auch immer - gerade jetzt in dieser Phase zu vermeiden. Das sind aber alles Dinge, die im täglichen Betrieb stattfinden; das ist keine Besonderheit, die ausgerechnet jetzt zum Tragen kommt. Für den Fall, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krankgeschrieben werden, gilt natürlich, dass sie dann krankgeschrieben sind.

Wir sind also im Grunde genommen - das ist meine Hauptbotschaft - im Normalbetrieb und genauso vorsichtig wie die Bevölkerung - mit den Hinweisen, die Sie alle kennen.

Breul: Ich kann das vielleicht auch noch kurz für das Auswärtige Amt ergänzen: Auch wir sind im Normalbetrieb, versuchen uns aber auf mögliche Szenarien einzustellen und haben dafür eine interne Koordinierungsrunde etabliert, die sozusagen ergänzend und komplementär zu den Gremien, die es in der Bundesregierung schon gibt, für das AA jeweils berät, wie mit Dienstreisen, mit Teilnahmen an internationalen Konferenzen und natürlich auch mit der Lage der Familienangehörigen der Entsandten von uns, die in möglichen Risikogebieten im Ausland sind, zu verfahren ist. Auch da sind wir eher in einem Stadium, in dem wir versuchen, uns auf einen eventuellen Fall vorzubereiten - "Was wäre, wenn ...?" - und immer ad hoc entscheiden - natürlich basierend auf den Informationen vom Robert-Koch-Institut und von der WHO -, was eine angemessene Reaktion ist oder nicht.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschafts- und an das Finanzministerium: Es ist ja angedeutet worden, dass man im Hinblick auf mögliche ökonomische und finanzielle Auswirkungen auch zu Hilfestellungen beziehungsweise Erleichterungen bereit ist. Gibt es da einen neuen Sachstand? Hongkong zum Beispiel verteilt jetzt ein sogenanntes Helikoptergeld; es wird über Steuererleichterungen nachgedacht. Die Auswirkungen der Unterbrechung der Lieferkette aus China über Container müssen ja erst noch ankommen. Wie ist da der Stand der Dinge?

Baron: Ich kann gern beginnen. - Die Lage wird von uns ständig und in stetigem Austausch mit den zuständigen Ressorts - mit dem Finanzministerium, dem Gesundheitsministerium und allen anderen betroffenen Häusern - neu beurteilt. Dazu gibt es ja auch den eingerichteten Krisenstab der Bundesregierung. Wir sind darüber hinaus in ständigem Kontakt mit den Verbänden, der Wirtschaft und unserem Netzwerk der AHKs. Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet und können immer entsprechend der jeweiligen Entwicklung reagieren. Es ist so, dass wir aktuell noch keine umfassenden Liefer- und Nachfrageeinbrüche feststellen. Natürlich gibt es Wirkungen in einzelnen Branchen, je nachdem, wie die Abhängigkeit von Vorleistungen betroffen ist.

Es ist uns aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, eine gesamtwirtschaftliche Prognose zu liefern. Wir sind, wie gesagt, auf alle Szenarien vorbereitet und können immer agieren. Wir haben dazu ja auch die entsprechenden Informationen zur Verfügung gestellt.

Aktuell ist die Lage so, dass wir mit unserer Hotline für Unternehmen, die an allen Wochentagen geschaltet ist, Unternehmen über die geltenden kurzfristig wirksamen Instrumente informieren. Wenn es kurzfristigen Liquiditätsbedarf gibt, haben wir verfügbare Instrumente wie Bürgschaften und Betriebsmittelkredite über die KfW oder allgemein KfW-Kredite. Daneben gibt es natürlich das Instrumentarium der Exportbürgschaften, was ohnehin gilt. Diese Mittel stehen zur Verfügung; natürlich aus dem Bereich des Arbeitsministeriums auch das Kurzarbeitergeld. Auch dazu gibt es ja Informationen auf den entsprechenden Frage- und Antwortlisten der Bundesregierung.

Über unsere Hotline haben wir aktuell auch die Rückmeldung, dass diese Mittel und Instrumente, die wir haben, genutzt werden, aber dass sie verfügbar und ausreichend sind. Sollte es dazu kommen, dass im größeren Umfang Liquiditätsprobleme entstehen, wären wir vorbereitet, diese Mittel auch kurzfristig und schnell durch Flexibilisierung aufzustocken, wenn nötig. Ich sage noch einmal: Aktuell ist das nicht nötig; das ergeben auch die Rückmeldungen über unsere Hotline. Aber wir wären dazu in der Lage und könnten uns darauf vorbereiten.

Daneben gibt es natürlich die allgemeinen wachstumsstärkenden Instrumente, die wir ohnehin für erforderlich halten, Stichwort Steuerentlastung. Das steht jetzt aber nicht in diesem Instrumentarium von Instrumenten, die gezielt an Unternehmen gerichtet sind, sondern das sind allgemein geltende Instrumente.

Kuhn: Gestern fand eine G7-Telefonkonferenz statt, und es gab auch eine gemeinsame Erklärung der G7-Finanzminister. Der Minister hat sich in dem Rahmen dazu geäußert; darauf kann ich verweisen.

Er hat sich auch am Wochenende dahingehend geäußert, dass Deutschland für den Kampf gegen Corona gewappnet ist und es aktuell jetzt erst einmal darum geht, medizinische Nothilfe zu leisten. Das können wir auch aus dem laufenden Etat leisten. Sollte es darüber hinaus zu schweren Verwerfungen in der Weltwirtschaft kommen, etwa weil weltweit Märkte und Produktionsstätten beeinträchtigt werden, haben wir alle Kraft, um darauf schnell, entschieden und stark reagieren zu können.

Zusatzfrage: Sie sagen, dass Sie aufstocken können. Können Sie in etwa ein Volumen nennen? Um welche Dimensionen handelt es sich dabei?

Baron: Das Volumen kann ich nicht beziffern. Das hängt von der aktuellen Lage und der Nachfrage ab. Wir haben auf unserer Website die Instrumente zur Verfügung gestellt, also die Betriebsmittelkredite und bis zu welcher Höhe sie aktuell möglich sind, sowie die KfW-Kredite. Diese Volumina reichen aktuell aus. Alles Weitere machen wir von der jeweiligen Situation und Nachfrage abhängig. Was das angeht, bekommen wir ein sehr gutes Bild auch über die ständigen Kontakte und die Hotline.

Frage: Ich habe eine Frage an das BMG. Wie kann ich es mir ganz praktisch vorstellen, dass die Schutzkleidung zentral beschafft wird? Wie läuft so etwas ab?

Gülde: Erst einmal vielen Dank für die Frage! - Kurz zur Einordung: Der Krisenstab hat gestern eine Regelung geschaffen, die es dem BMG ermöglicht, für Arztpraxen und Krankenhäuser zentral Schutzausrüstungen - Schutzanzüge, Handschuhe und Atemmasken - zu beschaffen. Was die Frage nach der konkreten Beschaffung anbelangt, so muss zunächst erst einmal der Bedarf erörtert werden, und es müssen die verfügbaren Kapazitäten erfasst werden. Das passiert gerade alles parallel. Das wird zurzeit noch geklärt.

Zusatzfrage: Auf welchen Ebenen läuft das dann? Das wird wahrscheinlich nicht alles von Berlin aus geschehen.

Gülde: Nein. Wir befinden uns dabei in einem sehr engen Austausch mit den zuständigen Landesbehörden, um zunächst natürlich erst einmal den Bedarf und die vorhandenen Kapazitäten zu erfassen. Der Prozess, wie diese Beschaffung vonstattengeht und wie das aufgeteilt wird, läuft gerade eben.

Frage: Ich habe eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Einer der Vorschläge vonseiten der SPD ist das Vorziehen der Abschaffung des Solis. Das ist eine sehr konkrete Maßnahme. Herr Scholz hatte wohl den Auftrag, dazu einen entsprechenden Entwurf vorzulegen. Was ist diesbezüglich momentan der Sachstand? Wie weit ist das gediehen?

Kuhn: Der Minister hat sich hinter diesen Vorschlag gestellt und hat ihn sich zu eigen gemacht. Die Arbeiten daran laufen. Jetzt ist es erst einmal wichtig, dass man innerhalb der Koalition darüber eine Verständigung findet. Dann wird zum gegebenen Zeitpunkt auch ein Vorschlag vorgelegt werden.

Zusatzfrage: Das heißt, der Vorschlag wird erst nach dem Koalitionsausschuss vorgelegt werden?

Kuhn: Der Vorschlag wird vorgelegt werden, wenn die Entscheidung getroffen ist.

Mittwoch, 4. März 2020

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 4. März 2020
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-4-maerz-2020-1727952
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2020

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