Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

BREMEN/011: Kinder unter zwölf Jahre weiterhin von erleichterter Einbürgerung ausgeschlossen (Die Linke)


Fraktion DIE LINKE. in der Bremischen Bürgerschaft - 22. August 2012

Innenressort setzt sich über Bürgerschaftsbeschluss hinweg:
Kinder unter zwölf Jahre weiterhin von der erleichterten Einbürgerung ausgeschlossen



Die Bremische Bürgerschaft beschloss am 7. Juni 2012, Kinder und Jugendliche mit humanitärem Aufenthaltstitel erleichtert einzubürgern und richtete an den Senat die Bitte, diesen Beschluss umzusetzen. Das Innenressort legte in der Sitzung der Innendeputation am 27. Juni 2012 einen ersten Vorschlag vor, der jedoch Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren als Berechtigte ausschloss.

Rolf Gössner, parteiloses Mitglied der Innendeputation für die Fraktion DIE LINKE, stellte daraufhin den Antrag, diese willkürliche Altersgrenze aufzuheben und Kinder nicht von der erleichterten Einbürgerung auszuschließen. Daraufhin zog das Innenressort seine Vorlage zurück. Am 20. Juli 2012 legte der Innensenator eine überarbeitete Vorlage und einen Erlassentwurf vor. Diese sehen nun für berechtigte Kinder unter anderem folgende Hürden vor: ein Mindestalter von zwölf Jahren, sechs Jahre erfolgreicher Schulbesuch, mindestens dreijähriger erlaubter sowie insgesamt mindestens achtjähriger Aufenthalt.

Rolf Gössner: "Auch die nachgebesserte Vorlage setzt sich über den Bürgerschaftsbeschluss hinweg, wonach Kinder und Jugendliche leichter eingebürgert, internationale Abkommen berücksichtigt und alle rechtlichen Spielräume ausgeschöpft werden sollen. Jetzt sollen aber jüngere Kinder unter zwölf Jahren wiederum benachteiligt werden, selbst wenn sie hier geboren und aufgewachsen und damit faktische Inländer sind. Es ist nicht akzeptabel, dass das Innenressort schon wieder eine Altersgrenze und viele weitere Hürden setzt und damit mindestens zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen einfach ausschließt." Damit werde nicht nur der Beschluss der Bürgerschaft untergraben, sondern auch internationales Recht ignoriert, das die erleichterte Einbürgerung für einen breiteren Personenkreis und nach kürzerer Zeit vorsehe.

"Wir erwarten, dass der Erlassentwurf so überarbeitet wird, dass diese Vorgaben umgesetzt und keine willkürlichen Hindernisse aufgestellt werden", fordert Rolf Gössner, der heute einen entsprechenden Antrag für die kommende Deputationssitzung am 4. September 2012 eingereicht hat (siehe Anhang). Auf dieser Sitzung wird die neue Vorlage behandelt, nachdem das Ansinnen des Innenressorts gescheitert ist, die Vorlage in der Sommerpause ohne Debatte im Umlaufverfahren zu beschließen. "Jetzt müssen sich auch die Deputationsmitglieder von SPD und Grünen an ihrem eigenen Anspruch und am Inhalt des Bürgerschaftsbeschlusses messen lassen", so Gössner abschließend: "Denn eine Einbürgerungsmöglichkeit unter erleichterten Bedingungen ist gerade für Kinder und Jugendliche von zentraler Bedeutung, um ihnen hierzulande eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie wirkliche Entwicklungs-, Lebens- und Zukunftsperspektiven zu eröffnen."


INNENDEPUTATION
17. August 2012
18. Wahlperiode

Antrag von Dr. Rolf Gössner
Erleichterte Einbürgerung auch für Kinder unter 12 Jahren

Die Innendeputation möge beschließen:
Der Innensenator wird gebeten, die Vorlage Nr. 18/2012 vom 20. Juli 2012 so zu überarbeiten, dass der Beschluss der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) "Erleichterte Einbürgerung für in Bremen gut intergierte Kinder und Jugendliche" (Drs. 18/414) voll umgesetzt wird. Dazu gehört, die vorhandenen rechtlichen Spielräume auszuschöpfen, internationales Recht zu berücksichtigen und auf rechtlich nicht erforderliche Einschränkungen, insbesondere auf Altersgrenzen zu verzichten.

Begründung:
Die Bremische Bürgerschaft hat am 7. Juni 2012 beschlossen, "gut integrierten Kindern und Jugendlichen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und über eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen verfügen, eine erleichterte Einbürgerung zu ermöglichen und dabei die vorhandenen rechtlichen Spielräume voll auszuschöpfen, weil sie neben ihrer Familienzugehörigkeit keine Bindungen oder Beziehungen zu dem Heimatland ihrer Eltern haben." Eine solche Einbürgerungsmöglichkeit unter erleichterten Bedingungen sei von zentraler Bedeutung, um den betroffenen Kindern und Jugendlichen eine "gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und wirkliche Entwicklungs- und Lebensperspektiven" und damit auch Zukunftsperspektiven zu eröffnen.
Der Senator für Inneres und Sport hatte bereits im Juni 2012 eine Vorlage in die Innendeputation eingebracht, die diesem Bürgerschaftsbeschluss allerdings nicht gerecht wurde, weil Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren von einer erleichterten Einbürgerung vollkommen ausgenommen wurden (Vorlage 18/65 "Erleichterte Einbürgerung gut integrierter Jugendlicher und Heranwachsender mit langjährigem Aufenthalt"). Aufgrund inhaltlicher Kritik an dieser restriktiven Umsetzung (vgl. mein Antrag v. 27.06.2012/Presseerklärung der Fraktion Die Linke v. 27.06. 2012) wurde die Vorlage zurückgezogen. Mit Datum vom 20. Juli 2012 legt der Innensenator nun eine überarbeitete Vorlage und einen Erlassentwurf vor, welche weiterhin aus folgenden Gründen abzulehnen sind:
Auch im zweiten Anlauf weichen die neue Vorlage und der Erlassentwurf in wesentlichen Punkten von dem Beschluss der Bremischen Bürgerschaft ab, der eindeutig auch auf Kinder - und zwar ohne Altersgrenze - abzielt und die Ausschöpfung aller rechtlichen Spielräume als Maßstab vorgibt. Die Maßnahmen, die der Innensenator unter Punkt B. (Lösung) der Vorlage und im angehängten Schreiben an das Stadtamt Bremen anführt, schließen jedoch Kinder unter 12 Jahren per se von einer erleichterten Einbürgerung aus - und damit einen Großteil jenes Personenkreises, der mit dem Bürgerschaftsbeschluss begünstigt werden soll. Diese Altersgrenze erscheint willkürlich und unbegründet.
Die geplanten Einschränkungen insgesamt widersprechen auch völkerrechtlichen Vorgaben, auf die sich der Bürgerschaftsantrag bezieht, und schöpfen damit die rechtlichen Spielräume nicht voll aus: Nach internationalen Übereinkommen, denen die Bundesrepublik beigetreten ist, sind die Vertragsstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass Kinder ein Recht auf Staatsangehörigkeit haben. Die Vertragsstaaten haben die Rechte von Kindern unabhängig vom Status der Eltern zu achten. Artikel 6 des "Europäischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit" schreibt vor, dass jeder Vertragsstaat (dazu gehört auch die Bundesrepublik), den Erwerb seiner Staatangehörigkeit u. a. für "Personen, die in seinem Hoheitsgebiet geboren sind und sich dort rechtmäßig und gewöhnlich aufhalten", zu erleichtern hat. Aus diesem europäischen Übereinkommen leiten sich individuelle Rechte ab. Auch Kinder, die mit Geburt einen humanitären Aufenthalt erlangen, haben also ein Recht auf erleichterte Einbürgerung.
Eine Einbürgerung als letzter Schritt der Aufenthaltsverfestigung fördert auch das Kindeswohl, welches bei allen Maßnahmen staatlichen Handelns immer im Vordergrund stehen muss (Art. 3 Abs. 1 Übereinkommen über die Rechte des Kindes). Es geht um die Zukunftsperspektiven und um gleiche Teilhaberechte der Kinder.

Die Vorlage vom 20.07.2012 setzt den Beschluss der Bremischen Bürgerschaft in wesentlichen Teilen nicht um und ignoriert insoweit auch völkerrechtliche Vorgaben. Sie begrenzt den Berechtigtenkreis immer noch erheblich. Insoweit ist die Vorlage zu überarbeiten und entsprechend so zu ändern, dass auch Kinder unter 12 Jahren erleichtert eingebürgert werden können und auf gesetzlich nicht erforderliche Bedingungen verzichtet wird.

*

Quelle:
Pressemitteilung vom 22. August 2012
Fraktion DIE LINKE. in der Bremischen Bürgerschaft
Michael Horn, Referent für Öffentlichkeitsarbeit
Tiefer 8, 28195 Bremen
Telefon: 0421 / 20 52 97 51, Fax: 0421 / 20 52 97 10
E-Mail: michael.horn@linksfraktion-bremen.de
Internet: www.linksfraktion-bremen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2012