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HAMBURG/3711: "Feindstrafrecht" - Oberlandesgericht Hamburg verurteilt kurdischen Politiker (Die Linke)


Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft
Presseerklärung vom 3. August 2016

"Urteil des OLG Hamburg beruht auf Feindstrafrecht"


Das Oberlandesgericht Hamburg hat heute den kurdischen Politiker Bedrettin Kavak, der bereits in der Türkei 24 Jahre inhaftiert war und vielfach schwer gefoltert wurde, zu drei Jahren Haft verurteilt. "Dieses Urteil hat wenig mit Gerechtigkeit zu tun", erklärt dazu Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft. "Faktisch wurde Kavak keine Straftat in der Bundesrepublik vorgeworfen, sondern zur Last gelegt, dass er Demonstrationen organisierte und Konflikte in der kurdischen Community schlichtete. Die Richter teilen zwar die Einschätzung der Verteidigung, dass in der Türkei staatliche Kräfte systematische Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen gegen Kurd_innen begehen und mit dem Islamischen Staat zusammenarbeiten. Trotzdem sprechen sie der kurdischen Bevölkerung - anders als zum Beispiel dem ANC in Südafrika zu Zeiten der Apartheid - das Recht ab, sich dagegen zu verteidigen. Das ist absurd."

Grundlage des Urteils ist § 129b StGB, wofür das Bundesjustizministerium eine Verfolgungsermächtigung erteilen musste. "Hier werden durch die Aufhebung der Gewaltenteilung Strafrecht und Gerichte im Rahmen eines Feindstrafrechts für politische Interessen missbraucht", kritisiert Dolzer. "Statt weiter auf ein geostrategisches Bündnis mit dem Despoten Erdogan zu setzen, der nach dem Putschversuch jegliche Opposition ausschalten will, muss die Bundesregierung anerkennen, dass die Selbstverwaltungsstrukturen in Rojava (Nordsyrien), die HDP und die PKK diejenigen Kräfte im Mittleren Osten sind, die am wirksamsten gegen den Islamischen Staat kämpfen und für Frieden, Demokratie und ein respektvolles Miteinander aller Bevölkerungsgruppen sowie gegen systematisches staatliches Unrecht eintreten."

DIE LINKE fordert deshalb die Aufhebung des PKK-Verbots und die Aufhebung der Verfolgungsermächtigung gemäß § 129b StGB. "Sämtliche wegen § 129b inhaftierten Kurd_innen sollten sofort frei gelassen werden", so Dolzer.

Zum Hintergrund

Im Prozess gegen Bedrettin Kavak hatte die Staatsanwaltschaft vier Jahre Haft gefordert, die Verteidigung Freispruch. Ihm wurde keine konkrete Straftat in Deutschland vorgeworfen. Mit § 129b StGB machte ihn die Bundesanwaltschaft für das Agieren der PKK in der Türkei verantwortlich. Die Verteidigung hatte während des Prozesses die Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen der türkischen Staatsorgane minutiös aufgezeigt. Die drei Richter erkannten als Tatsache an, dass es in der Türkei systematisches Unrecht gibt, trotzdem hätten die Kurd_innen nicht das Recht, sich bewaffnet zu verteidigen. Im Verlauf des Verfahrens lehnten sie nahezu jeden Antrag der Verteidigung ab.

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Quelle:
Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft
Presseerklärung vom 3. August 2016
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2016

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