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NORDRHEIN-WESTFALEN/1891: V-Leute abschalten? (Li)


Landtag intern 13/2011
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

V-Leute abschalten?
Landtagsmehrheit wies Forderung der Linken als voreilig zurück

Von Sebastian Wuwer


8. Dezember 2011 - "V-Leute in der Naziszene abschalten!", forderte die Fraktion der Linken in einem Antrag (Drs. 15/3410). Die bekannt gewordene Mordserie rechtsextremistischer Terroristen in Deutschland werfe die Frage nach den Methoden des Verfassungsschutzes auf, der "erneut zur Warnung vor rechten Gewalttaten nicht im Stande war", so die Antragsteller. Daher sei es notwendig, in Nordrhein-Westfalen "alle V-Leute in der NPD und der rechtsextremistischen Szene unverzüglich abzuschalten" und auch auf Bundesebene diesen Schritt zu vollziehen. Im Plenum lehnten die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP den Antrag ab. Sie warnten vor übereilten Reaktionen und forderten intensivere Diskussionen.


"Wer die NPD erfolgreich verbieten will, der darf nicht so tun, als ob das ohne eine Abschaltung der V-Leute funktionieren kann", erklärte Anna Conrads (Linke). Nach den bisherigen Erkenntnissen stehe zu befürchten, dass selbst im engeren Umfeld der Terrorzelle V-Leute tätig gewesen seien, jedoch nichts zur Aufklärung der Taten beigetragen hätten. Daher meinte Conrads, das V-Leute-System und mit ihm der Verfassungsschutz von Bund und Ländern habe "auf ganzer Linie versagt". Mit dem Einsatz von V-Leuten begebe sich der Staat "selbst tief hinein in den Sumpf, der eigentlich trockengelegt gehört".

"Unser Staat ist weder auf dem rechten noch auf dem linken Auge blind", betonte Theo Kruse (CDU). Mit "vereinten Kräften" von Bund und Ländern gelte es nun, Taten und Zusammenhänge aufzuklären und zu prüfen, wie Sicherheitsstrukturen verbessert werden könnten. Der Verfassungsschutz erfülle einen unverzichtbaren sicherheitspolitischen Bedarf, den Polizei und Justiz nicht vergleichbar abdecken könnten, so Kruse. Niemand behaupte, dass die Arbeit mit V-Leuten "eine Wunderwaffe der Ermittler" sei. Auf sie zu verzichten, hätte jedoch "gehörige Konsequenzen für die Arbeit des Verfassungsschutzes".

Es sei ein "kaum erträglicher Gedanke, dass sich der Rechtsstaat zu seinem Schutz mit braunem Pöbel gemein machen muss, der gerade diesen Rechtsstaat überwinden will", so Hans-Willi Körfges (SPD). Dem Antrag der Linken könne er jedoch nicht zustimmen, denn dies setze "die sichere Erkenntnis voraus, dass diese V-Leute tatsächlich in jedem Fall und unter allen Bedingungen entbehrlich sind". Diese Erkenntnis habe er jedoch nicht. Erforderlich sei es vielmehr, über die Notwendigkeit des Einsatzes von V-Leuten weiterhin qualifiziert zu diskutieren und das Thema bis zur Klärung sämtlicher Fragen aufzuarbeiten.

"Die Arbeit der Nachrichtendienste und der Sicherheitsbehörden gehört auf den Prüfstand", fand Verena Schäffer (Grüne). Ein Abschalten der V-Leute mache jedoch nur dann Sinn, wenn dies koordiniert zwischen den Verfassungsschutzämtern der Länder und des Bundes geschehe. Schäffer sah in der Debatte die Grundsatzfrage berührt, "ob wir den Schutz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch Vorfeldbeobachtungen verfassungsfeindlicher Bestrebungen haben wollen". Schnelle und einfache Lösungen gebe es angesichts der aktuellen Situation nicht. "Wir brauchen die Zeit für Diskussionen."

Dr. Robert Orth (FDP) wandte sich gegen einen "überhasteten Abzug von V-Leuten" und ein voreiliges NPD-Verbotsverfahren. Der Liberale sprach sich vielmehr dafür aus, die Prävention zu stärken, die V-Leute besser auszubilden, sie besser auszuwählen und besser zu beobachten. In der "sehr gefestigten Demokratie in Deutschland" brauche man die Auseinandersetzung mit extremistischem Gedankengut nicht zu scheuen. Im Antrag der Linken vermisste er konkrete Vorschläge, wie "wir uns vernünftig besser aufstellen können, um solche Taten, wie sie geschehen sind und wie wir sie alle nicht wollen, zu verhindern".

Innenminister Ralf Jäger (SPD) kritisierte die "pauschale Verunglimpfung" der V-Leute, wie sie aus dem Antrag hervorgehe. Ein generelles Wegziehen dieser Quellen führe dazu, "dass Demokratie von der rechten Seite wieder angreifbar würde", so Jäger. "Wir wissen in NRW, dass wir einige Straftaten verhindert haben und so manche Demonstration ganz anders verlaufen wäre, wenn wir auf das Wissen dieser Quellen nicht hätten zurückgreifen können", veranschaulichte der Innenminister. Den Fraktionen bot er an, sich vom Verfassungsschutz über die Ausbildung, Arbeit und Kontrolle der V-Leute informieren zu lassen.


ABGELEHNT
In direkter Abstimmung lehnten die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP den Antrag (Drs. 15/3410) gegen die Stimmen der Linken ab.


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Quelle:
Landtag intern 13 - 42. Jahrgang, 21.12.2011, S. 6
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2012