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NORDRHEIN-WESTFALEN/1898: Rechte Gewalt - Landtag diskutiert Konsequenzen (Li)


Landtag intern 1/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Rechte Gewalt: Landtag diskutiert Konsequenzen
Stellungnahmen zu einem Landesprogramm, zur Rolle der V-Leute und einem NPD-Verbotsverfahren

Von Sonja Wand


22. Dezember 2011 - Der Landtag zeigt sich bestürzt über die rechtsextreme Gewalt in Deutschland und debattiert über mögliche Konsequenzen für NRW. In einer Plenarsitzung hat der Innenminister das Parlament nun über einen Acht-Punkte-Plan unterrichtet. Auch SPD und Grüne fordern in einem Antrag (Drs. 15/3536) ein Landesprogramm gegen Rechts. Die Linke verlangt die öffentliche Aufklärung und Aufarbeitung der rechtsterroristischen Anschläge der Zelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (Drs. 15/3533).


Auf die Angriffe gegen "unsere Liberalität, unsere Weltoffenheit und unsere Demokratie" antwortete Innenminister Ralf Jäger (SPD) mit einem Acht-Punkte-Programm. Danach soll die Kriminalitätsstatistik künftig alle Straftaten von Rechtsextremisten ausweisen, auch etwa den Ladendiebstahl. Zusätzlich ist im Landeskriminalamt ein Kompetenzzentrum geplant. Die Beobachtung soll künftig nicht mehr nur Gruppen, sondern auch den einzelnen Personen gelten. Jäger will zudem den Kontroll- und Ermittlungsdruck erhöhen und gewaltgeneigten Menschen den legalen Waffenbesitz verbieten. Auch mehr Prävention und ein intensiveres Aussteigerprogramm plant der Minister.

Erste Aufgabe des Rechtsstaates sei es, die Straffälligen zu ermitteln, zu erkennen, zu verhaften und zu verurteilen, erklärte Hans-Willi Körfges (SPD). Darüber hinaus regte er an, Straftaten, die sich gegen Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Abstammung, Einstellung, Religion oder Weltanschauung richteten, besonders zu bestrafen. Dies sei internationaler Standard und in Deutschland überfällig. Er begrüßte die vom Innenminister geplanten Schritte, stimmte ihm aber auch zu, dass das genaue Hinschauen "die Pflicht eines jeden Demokraten" sei. Körfges zeigte Sympathie für ein NPD-Verbotsverfahren. Nazis gehörten nicht in die Parlamente, sondern ins Gefängnis.

"Niemand wird als Rechtsextremist geboren" - allerdings auch nicht als Demokrat, verwies Matthi Bolte (Grüne) auf die Verantwortung der ganzen Gesellschaft. Deswegen sei es Aufgabe aller, aktiv für Demokratie zu werben. "Die beste Prävention gegen rechtes Gedankengut ist eine offene Gesellschaft", erklärte er. Der demokratische Staat könne seine Freiheit nicht einer Sicherheit opfern, die die Grundrechte beschneide. Unabhängig davon gelte es, schwierigen Fragen nicht auszuweichen, thematisierte Bolte die Ängste vieler Menschen vor sozialem Abstieg. Zudem hielt er sensible Ermittlungsbehörden und starke Strukturen für unerlässlich bei der Bekämpfung von rechter Gewalt.

"Es fehlten in der Vergangenheit nicht die Befugnisse, es fehlte der Wille, sich den Nazis entgegenzustellen", kritisierte Anna Conrads (Linke). Mit neuen Datensammlungen und Gremien würden noch keine Straftaten und Täter ermittelt. Sie bemängelte einen trotz vieler V-Leute ahnungslosen Verfassungsschutz bei der Bekämpfung rechter Gewalt, der dennoch weiter federführend bleiben solle. Vieles an Jägers Vorhaben fand die Linke lobenswert, fragte aber: "Ist Ihr Katalog auch geeignet, um die Vorgänge innerhalb des Geheimdienstes zu beleuchten?" Conrads pochte auf die Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten und wandte sich gegen das System der V-Leute.

Dem widersprach Peter Biesenbach (CDU). "Wir brauchen V-Leute, um die Szene aufzuhellen", sagte er und berief sich dabei auf "alle Experten". Der Minister solle sich hierzu klar positionieren. Das vorgestellte Landesprogramm bewertete der Abgeordnete als vernünftig, vermisste aber konkrete Hinweise zur Umsetzung. Ebenfalls unterstützte er gemeinsame Aktivitäten auf Bundesebene wie ein Abwehrzentrum gegen Rechts, verstärkte Internetbeobachtung und eine Verbunddatei Rechtsextremismus. Offene Fragen sah Biesenbach allerdings bei der Dauer, für die personenbezogene Daten gespeichert würden. Er vermisste eine verfassungskonforme Neuregelung.

Handlungsbedarf bei Zusammenarbeit und Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden sah auch Horst Engel (FDP). "Da haben Sie uns an Ihrer Seite", versicherte er dem Innenminister und riet zu einer Verknüpfung von Polizei und Geheimdiensten auf der oberen Netzwerkebene, nicht darunter. Die Einsatzpraxis der V-Leute wie auch ihre Auswahl und Führung, sagte Engel, müsse auf den Prüfstand und erfordere weitergehende und einheitliche rechtliche Vorgaben. Ein NPD-Verbotsverfahren knüpfte Engel an die Voraussetzung hoher Erfolgschancen. "Der Verfassungsschutz darf mit seinen V-Leuten aber nicht zum Bestandsschutz der rechtsextremen NPD führen", meinte er.


ÜBERWEISUNG
Über den Antrag von SPD und Grünen (Drs. 15/3536) sollen nun der Hauptausschuss - federführend - und außerdem die Ausschüsse für Schule, Jugend, Inneres, Recht und Sport weiterberaten. Der Antrag der Linken (Drs. 15/3533) wurde zur Fachberatung an den Innenausschuss überwiesen.


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Quelle:
Landtag intern 1 - 43. Jahrgang, 25.01.2012, S. 3
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2012