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NORDRHEIN-WESTFALEN/1899: Strengere Kriterien für öffentliche Aufträge (Li)


Landtag intern 1/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Strengere Kriterien für öffentliche Aufträge
Kontroverse Diskussion um die Auswirkungen des Tariftreuegesetzes

Von Anica Bömke


21. Dezember 2011 - Mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken hat der Landtag das Tariftreuegesetz in zweiter Lesung verabschiedet. Das Gesetz der Landesregierung (Entwurf Drs. 15/2379) beinhaltet eine Reihe von Kriterien des Umweltschutzes, der Energieeffizienz, der Frauenförderung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, an die öffentliche Aufträge ab einem Volumen von 20.000 Euro künftig gekoppelt sind. Zudem müssen die Unternehmen, die öffentliche Aufträge annehmen, ihren Beschäftigten einen Mindestlohn von 8,62 Euro zahlen. Im öffentlichen Nahverkehr sollen künftig repräsentative Tarifverträge gelten. CDU und FDP lehnten das Gesetz als überfrachtet und mittelstandsfeindlich ab.


Das Gesetz "mag gut gemeint sein, ist aber schlecht gemacht", urteilte Hans-Dieter Clauser (CDU). Er kritisierte vor allem "vergabefremde Kriterien" und hohe Bürokratiekosten. Das Gesetz schließe dadurch insbesondere kleine und mittlere Unternehmen von Vergaben aus und schränke in der Folge den Wettbewerb ein. Auch für die Kommunen bedeute das neue Vergabeverfahren einen erheblichen Mehraufwand, bemängelte der Abgeordnete. Die angedachte Entlastung durch eine übergeordnete Prüfbehörde plustere lediglich den staatlichen Verwaltungsapparat auf. Die CDU lehne das Gesetz daher rundum ab.

Rainer Schmeltzer (SPD) betonte dagegen, dass mit dem Gesetz faire Wettbewerbsbedingungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge geschaffen und somit Lohndumping und Wettbewerbsverzerrung verhindert würden. Wichtig sei dabei, dass der vergabespezifische Mindestlohn von 8, 62 Euro auch für Beschäftigte in der Leiharbeit gelte. Das Tariftreuegesetz schaffe Standards, die das wirtschaftlichste Angebot unterstützten und nicht das billigste. Ein eventueller Mehraufwand der Kommunen werde ausgeglichen. Eine Prüfstelle im Wirtschaftsministerium solle die Einhaltung der Kriterien überwachen.

Der Einsatz für Energieeinsparungen, gerechte Löhne und Frauenförderung müsse sich auch in der Einkaufspolitik öffentlicher Auftraggeber widerspiegeln, so Daniela Schneckenburger (Grüne). Mit der Ablehnung des Gesetzes mache die CDU sich an dieser Stelle unglaubwürdig. Bezüglich sozialer Standards und Nachhaltigkeit bewertete sie das Gesetz als einen Schritt nach vorn. Mit fairem Wettbewerb werde auch der Mittelstand unterstützt. Den Wunsch der Kommunen und Unternehmen, das Vergabeverfahren zu erleichtern, werde man mit dem eingeführten Präqualifizierungsverfahren berücksichtigen.

Von einem "schwarzen Tag für Nordrhein-Westfalen" sprach dagegen Dietmar Brockes (FDP). Das Gesetz verteuere und verlangsame die öffentliche Auftragsvergabe. Es sorge für höhere Kosten und zusätzliche bürokratische Belastungen bei den Kommunen und benachteilige mittelständische Betriebe massiv. Zudem werde der Nahverkehr verteuert. Dies habe höhere Ticketpreise um drei bis vier Prozent oder eine Ausdünnung der Linien zur Folge. Berechtigte Kritik und verfassungsmäßige Bedenken kämen beispielsweise von den kommunalen Spitzenverbänden, doch blieben diese bislang ungehört, kritisierte Brockes.

Der auf Druck der Linken und der Gewerkschaften nachgebesserte Gesetzesentwurf stelle unzweifelhaft einen Fortschritt dar, lobte Michael Aggelidis (Linke). Das betreffe den Mindestlohn, das Gebot der gleichen Bezahlung für Leiharbeitskräfte wie auch die Vorgabe eines repräsentativen Tarifvertrages im Nahverkehr. Zu bemängeln sei jedoch, dass die Vergabekriterien erst ab einer Grenze von 20.000 Euro griffen. Weiterhin fordere seine Fraktion einen höheren Mindestlohn von 10 Euro und ein zentrales Service- und Kompetenzzentrum, um die Umsetzung des Gesetzes zu überwachen.

Das Land leite mit dem Tariftreuegesetz einen gesellschaftspolitischen Wandel im Beschaffungswesen ein, so Wirtschaftsminister Harry Kurt Voigtsberger (SPD). Im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik rücke man ökonomische Leistungsfähigkeit, ökologische Verantwortung und soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund. Öffentliche Auftraggeber und Unternehmen würden durch das Instrument der Eigenerklärung im Vergabeverfahren so gering wie möglich belastet. Weitere Entlastung brächten die Prüfstelle der Landesregierung sowie flankierende Hilfsmaßnahmen bei der praktischen Umsetzung.


ANGENOMMEN
Der Gesetzentwurf (Drs. 15/2379) wurde - überarbeitet durch einen Änderungsantrag (Drs. 15/3603) - mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Grünen und Linken gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP angenommen.


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Quelle:
Landtag intern 1 - 43. Jahrgang, 25.01.2012, S. 4
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2012