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NORDRHEIN-WESTFALEN/1959: Schlagabtausch über geplantes Hochschulgesetz (Li)


Landtag intern 12/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Über das richtige Maß an Freiheit
Schlagabtausch über geplantes Hochschulgesetz

Von Christoph Weißkirchen



29. November 2012 - Das Thema Bildung bleibt zwischen rot-grüner Regierung und den schwarz-gelben Oppositionsfraktionen umstritten. Bei der Freiheit der Hochschulen forderte erstere mehr Verantwortung des Staates, letztere warnten vor zu viel Bürokratie. Das aktuelle Hochschulgesetz sei ein "versalzenes Bananensoufflé" meinten die PIRATEN: Unternehmensinteressen dürften nur in ausgewogener Form in die Hochschulen einfließen.

Die Wissenschaftsministerin plane ein "Hochschulentmündigungsgesetz", so Dr. Stefan Berger (CDU). Zwischen 2005 und 2010 habe die damalige schwarz-gelbe Landesregierung versucht, durch die Schaffung von Spielräumen vor Ort und die Einführung von Hochschulräten mehr Exzellenz nach NRW zu holen. Die jetzige Landesregierung tue das Gegenteil. Wo sei der Beweis, dass sich Hochschulräte nicht bewährt hätten, fragte der CDU-Sprecher und wandte sich gegen einen Ansatz, der aus Verkomplizierung, Bürokratie, Bevormundung und Misstrauen bestehe. Ein besonderer Kritikpunkt Bergers: Die Landesregierung strebe an, bei der Einrichtung der Fächer mitzubestimmen.

Die CDU wolle Misstrauen säen, das nicht angebracht sei, entgegnete Karl Schultheis (SPD). Richtig sei, dass die Einrichtung der Hochschulräte zu einem deutlichen Anstieg von Bürokratie geführt habe. Die jetzige Landesregierung dagegen wolle Freiheit und Verantwortung zusammenführen. Sie wolle sicherstellen, dass gleiches Geld für gleiche Arbeit gezahlt werde und dass die Beschäftigungsverhältnisse ordnungsgemäß abgeschlossen würden. Außerdem müsse sie ja für gleichwertige Verhältnisse an allen Hochschulen sorgen und verhindern, dass bestimmte Fächer - wie die Geistesund Sozialwissenschaften - wirtschaftlichen Zwängen untergeordnet würden.

Es sei notwendig, die Bevormundungspolitik der Landesregierung zu thematisieren, erklärte für die FDP Angela Freimuth. Im Jahr 2007 hätten die Hochschulen so viele Gestaltungsmöglichkeiten erhalten wie sonst nirgendwo in Deutschland. Hier solle nun eine "Rückabwicklung" erfolgen. Die Eckpunkte offenbarten Regelungswut, Bürokratie und tiefstes Misstrauen. So wolle die Ministerin die Möglichkeit erhalten, fachlich befehligend einzugreifen. Freimuths Fazit: "Rot-Grün will die Hochschulen unter ihre politische Kontrolle bekommen." Und zwar ohne einen echten Dialog mit den Hochschulen. Sie befürchtet daher eine Schädigung des Innovationsstandorts NRW.

Durch die schwarz-gelbe Reform sei nicht mehr klar gewesen, wer für Planung zuständig sei, wandte sich Dr. Ruth Seidl (GRÜNE) gegen einen behaupteten "Mythos" der Hochschulfreiheit. Der starke Hochschulrat habe am Ende nicht mehr, sondern weniger Freiheit gebracht. Bei 69 Hochschulen in NRW müsse der Staat zumindest grob die Zahl der Studienplätze sowie die Fächerentwicklung planen können - und sich fragen dürfen, wie mit prekären Beschäftigungsverhältnissen umzugehen sei. Die Hochschulen brauchten seitens des Landes Unterstützung und "vernünftige" Steuerung. Eine solche auf die Gesamtheit ausgerichtete Planung wolle man gesetzlich sicherstellen.

"Die Dinge sollen nicht komplizierter gemacht werden, als sie sind", meinte dagegen Dr. Joachim Paul (PIRATEN). Das bestehende Hochschulfreiheitsgesetz sei im Kern ein "Hochschulratsfreiheitsgesetz". Hochschulen sollten der Gesellschaft als Ganzes und dem Staat als ihrem Gewährsträger dienen. Im Hinblick auf die bestehenden Regelungen definierte Paul als Problemfelder mangelnde Sachkompetenz, überholte hierarchische Managementstrukturen, fehlende Pluralität und Legitimation, Intransparenz sowie einen Verstoß gegen den grundgesetzlichen Schutz der Wissenschaftsfreiheit. Als Konsequenz forderte Paul, das Modell der Hochschulräte wieder abzuschaffen.

Das Hochschulfreiheitsgesetz sei im Jahr 2006 ohne große Debatte durchgesetzt worden, so Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD). Heute wolle man in einen Dialogprozess mit allen Beteiligten treten. "Hochschulen sind keine Unternehmen, die Wissenschaft ist kein Markt", kritisierte Schulze die bestehenden Regelungen. Daher sei ein neues Gesetz nötig. Das Land müsse zum Beispiel ein Interesse an einer ausreichenden Zahl an Lehramtsabsolventen oder auch an vernünftigen Arbeitsbedingungen haben. "Deswegen brauchen wir neue Steuerungsmöglichkeiten", forderte die Ministerin die Möglichkeit, zum Beispiel bei Haushalt und Personal Rahmenbedingungen zu setzen.


ÜBERWIESEN

Die Aktuelle Stunde auf Antrag der CDU (Drs. 16/1545) wurde ergänzt um einen Gesetzentwurf der PIRATEN (Drs. 16/1255) zur Stärkung der Wissenschaftsautonomie und einen Antrag von CDU und FDP mit dem Titel "Finger weg von der Hochschulautonomie" (Drs. 16/1190). Sowohl der Gesetzentwurf als auch der Antrag wurden zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung überwiesen.

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Quelle:
Landtag intern 12 - 43. Jahrgang, 12.12.2012, S. 9
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2013