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NORDRHEIN-WESTFALEN/1983: Haushalt verabschiedet, Generaldebatte zeigt Gegensätze auf (Li)


Landtag intern 3/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Vorbeugend" oder "verplempernd"?
Haushalt verabschiedet - Generaldebatte zeigt Gegensätze auf
Plenarbericht

Von Daniela Braun, Christoph Weißkirchen, Jürgen Knepper



20. März 2013 - In dritter Lesung hat der Landtag den Haushaltsentwurf der Landesregierung für das laufende Jahr verabschiedet. Während die rot-grünen Regierungsfraktionen mit "Ja" stimmten, sprachen sich die Oppositionsfraktionen von CDU, FDP und PIRATEN geschlossen gegen den vom Finanzministerium vorgelegten Gesetzentwurf aus. Hauptstreitpunkt: die Einhaltung der ab dem Jahr 2020 geltende Schuldenbremse. Während SPD und GRÜNE "vorbeugende Investitionen" verteidigten, hielten CDU und FDP genau dies für eine Politik auf Kosten der Kinder. Die PIRATEN forderten mehr Politik gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern.


Die rot-grüne "Schuldenpolitik" lasse sich nicht mit Recht und Gesetz übereinbringen, konstatierte Karl-Josef Laumann (CDU) und verwies auf das jüngste Urteil zum Haushalt 2011: "Zum dritten Mal hat unser Verfassungsgericht Ihre Haushaltspolitik für verfassungswidrig erklärt." Der Fraktionsvorsitzende bezeichnete Ministerpräsidentin Kraft als "Rabenmutter", die politisch auf Kosten "ihrer Kinder" gestalte. 3,4 Milliarden Euro neue Schulden trotz deutlich höherer Steuereinnahmen: "Das ist die alte Verschuldungspolitik, die unser Land an die Grenzen der Handlungsfähigkeit gebracht hat", warf Laumann der Regierung vor. Rot-Grün habe über eine Milliarde Euro für Wahlgeschenke "verplempert". Nun tue Kraft so, als sei die Bereitschaft zum Schuldenmachen Kennzeichen einer sozialen Politik, kritisierte Laumann. Sie spiele Haushaltskonsolidierung gegen die Politik für Kinder und sozial Schwache aus. Das sei "zutiefst ungerecht". Auch der Ruf nach Berlin funktioniere nicht: "Ihr Elend haben Sie selber durch die Finanzierung Ihrer Wahlgeschenke angerichtet." Laumann forderte die Landesregierung zu unabdingbaren Strukturveränderungen auf. Sie müsse Lehren aus ihrem "finanzpolitischen Desaster" hin zu einer verändernden Politik ziehen.

Das sei die Rede eines Vorsitzenden gewesen, der es sich in der Oppositionsrolle bequem gemacht habe, fand SPD-Fraktionschef Norbert Römer. Die Kennzahlen des rot-grünen Haushaltsentwurfs zeigten, dass sich die Koalition den Herausforderungen stelle: Es gebe Einsparungen mit Augenmaß und zugleich würden wichtige, zielgerichtete Zukunftsinvestitionen vorgenommen. "Der Etat kann sich sehen lassen", so Römer. Er sei solide und ein Haushalt des Maßes und der Mitte. Für Rot-Grün gebe es bei den großen Kostenblöcken keine Tabus, betonte Römer und nannte die Personalausgaben, die rund 40 Prozent des Landeshaushalts ausmachten. Aber im Unterschied zur CDU gehe man nicht mit dem Rasenmäher vor, sondern übertrage sozial gestaffelt das Ergebnis der Tarifverhandlungen auf die Beamtinnen und Beamten des Landes. Das sei sozial ausgewogen und er, Römer, habe kein Problem damit, diese Lösung zu verantworten. Auf dem Weg zur Schuldenbremse werde man in dieser Wahlperiode eine Milliarde Euro einsparen, erklärte der Abgeordnete und griff die Opposition mit den Worten an, Einsparungen werde man nicht durch die Verschiebung von Lasten auf andere erreichen, wie dies Schwarz-Gelb seinerzeit bei einem "Raubzug" durch die kommunalen Kassen getan habe.

Die Regierung verschiebe alle Lasten auf zukünftige Generationen, kritisierte Christian Lindner (FDP): "Das sind auch Menschen, die auch ein Recht auf einen handlungsfähigen Staat haben." Er vermisse bei Rot-Grün jegliches Signal in Richtung Schuldenbremse. Damit habe sich Kraft zur "finanzpolitischen Geisterfahrerin der Republik" gemacht, so der FDP-Fraktionsvorsitzende. Trotz eines "historisch beispiellos" niedrigen Zinsniveaus, hoher Steuereinahmen und eines stabilen Arbeitsmarktes verteile die Regierung "planlos" Geld und verspiele damit die Chance auf Konsolidierung. "Wann, wenn nicht jetzt, soll der Staat denn mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auskommen?", urteilte Lindner. Anstatt in "Köpfe, Kinder und Kultur" zu investieren, investiere Rot-Grün in Apparate: "Vom Personalabbau kann bei Ihnen keine Rede sein", bemängelte der FDP-Politiker. Bei der Suche nach mehr Einnahmen setze das Kabinett Kraft auf Steuer-CDs und niedrige Zinsen - das sei keine Finanzpolitik, sondern Glücksspiel. Viel sinnvoller sei es, Handel, Handwerk und Mittelstand von Bürokratie zu "entfesseln". Darüber hinaus warf auch Lindner der Regierung vor: "Sie brechen nicht nur Wort, sondern notorisch auch die Verfassung."

"Wir machen sie, während andere sich davor drücken", so Reiner Priggen (GRÜNE) über die Finanzpolitik des Landes. Die Einsparvorschläge von CDU und FDP wertete er zum großen Teil als "unseriös": Diese forderten eine Wiedereinführung der Studiengebühren, ohne das hierfür notwendige Gesetz einzubringen, oder erwarteten Einnahmen aus einem Steuerabkommen mit der Schweiz, das es so nicht geben werde. Die CDU poche auf eine uneingeschränkte Übernahme des Tarifvertrags im öffentlichen Dienst für die Beamtinnen und Beamten und wolle gleichzeitig Einsparungen im Personalbereich erzielen. Aber bei Schulen, Polizei, Justiz und Finanzen wollen sie nicht kürzen. "Voodoo ist seriöser als dieser Antrag" meinte Priggen über den von der FDP vorgeschlagenen "Entfesselungsimpuls" und kritisierte gleichzeitig: Mit ihren Überlegungen zur Energiewende, insbesondere zu den Einspeisevergütungen, mache Schwarz-Gelb im Bund wichtige Bereiche erneuerbarer Energien kaputt. Die Landesregierung dagegen setze ihre verlässliche Politik zur Senkung der Neuverschuldung und Stärkung der Kommunen fort. Insbesondere lobte Priggen, dass durch große Anstrengungen seit dem Jahr 2010 mittlerweile 144.883 Plätze zur U3-Betreuung geschaffen worden seien.

Die Regierungskoalition solle den Anträgen der PIRATEN zustimmen: Dafür warb der Vorsitzende der PIRATEN-Fraktion, Dr. Joachim Paul. Drei Bereiche stellte er in den Mittelpunkt, um die Weichen zu stellen für Erneuerung und Weiterentwicklung von Demokratie, Infrastruktur und kostenfreiem Zugang zu Wissen. Bei den Kommunen solle Open Government ansetzen, um gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern die Demokratie zu erneuern und die Kommunikation zwischen Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft zu stärken. Seine Fraktion betrachte Mobilität als Grundrecht. Darum müsse es einen zwar nicht kosten-, aber fahrscheinlosen öffentlichen Personennahverkehr geben. Weil digitale Medien und Lernmaterialien aus der Bildung nicht mehr wegzudenken seien, sollten die Mittel für die Bildungssuchmaschine des Landes aufgestockt werden. Bei den beiden anderen Vorhaben sollten Ideenwettbewerbe ausgelobt werden. Paul unterstrich, dass nur in einer stärkeren Verbindung zwischen technischen mit sozialen Innovationen, zwischen Technik und Kultur, ein solidarisches Gemeinwesen mit innerem Zusammenhalt zu schaffen sei. Mit Vermögensteuer, höherer Erbschaftssteuer und echter Transaktionssteuer sollten die staatlichen Einnahmen erhöht werden.

"Wir stehen zu dem, was wir tun müssen, um eine verfassungskonforme Einhaltung der Schuldenbremse zu erzielen", erklärte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Gleichzeitig werde ihre Regierung nicht auf Investitionen in Bildung, Kultur, Vorbeugung und Kommunen verzichten. Dies werde ergänzt durch Einnahmeverbesserungen: über die Grunderwerbssteuer, aber auch die angestrebte Erhöhung von Vermögensteuer und Spitzensteuersatz. Ebenso werde man auch nicht darauf verzichten, Schwarzgelder aufzudecken. Hier gehe es auch um Gerechtigkeit. Kraft zeigte sich zuversichtlich, die fallende Linie der Neuverschuldung auch in den kommenden Jahren fortsetzen zu können. Dazu gehöre, dass man bis zum Jahre 2017 eine Milliarde Euro an strukturellen, dauerhaften Ausgaben einsparen werde. Die aktuellen Streichvorschläge von CDU und FDP, die sich zwischen 560 und 900 Millionen Euro bewegten, bewertete die Regierungschefin in diesem Zusammenhang als "unsozial, unklar und unrealistisch". Die Landesregierung halte es zum Beispiel für vertretbar, dass Apotheken für die PTA-Ausbildung jährlich jeweils 290 Euro aufbrächten - und dass man den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst so auf die Beamtinnen und Beamten übertrage, dass dies auch finanzierbar sei.

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Quelle:
Landtag intern 3 - 44. Jahrgang, 22.3.2013, S. 4-5
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2013