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NORDRHEIN-WESTFALEN/1990: Streit über Herausnahme der Beamtenschaft von der Einkommenssteigerung (Li)


Landtag intern 4/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Wortbruch oder Notwendigkeit?
Heftiger Streit über die Herausnahme der Beamtenschaft von der Einkommenssteigerung
Plenarbericht

Von Christoph Weißkirchen



21. März 2013 - Die Landesregierung will das Tarifergebnis für den öffentlichen Dienst für die Jahre 2013 und 2014 nicht eins zu eins auf die Beamtenschaft übertragen. In einer von ihr beantragten Aktuellen Stunde (Drs. 16/2330) sah die CDU dies als einen Wortbruch der Landesregierung an. Auch FDP und PIRATEN forderten, die Beamtinnen und Beamten dürften nicht von der Lohnentwicklung abgekoppelt werden. SPD und GRÜNE verwiesen auf die Haushaltslage und die kommende Schuldenbremse. Der für die vollständige Umsetzung notwendige Stellenabbau sei nicht durchführbar.


"Fragen Sie mal einen Beamten mit A11, der draußen steht und 3.200 Euro brutto im Monat verdient, ob er Geld übrig hat", meinte Werner Lohn (CDU) und bewertete die Erklärung von Ministerpräsidentin und Finanzminister, das Tarifergebnis nicht eins zu eins auf die Beamtenschaft zu übertragen, als eklatanten Wortbruch. Dies sei exakt das Gegenteil von dem, was die Landesregierung seit 2011 verkündet habe, zitierte Lohn entsprechende Stellungnahmen. Damit würden die Beamtinnen und Beamten zu Sündenböcken einer Politik, die sich einer ernsthaften Haushaltskonsolidierung und dringend notwendigen Strukturveränderung verweigere. Dies nehme NRW die notwendige Handlungsfähigkeit.

"Welche Alimentation die Beamtinnen und Beamten erhalten, das interessiert Sie nicht die Bohne", erwiderte Heike Gebhard (SPD). Es gehe der Opposition nur um Polemik gegen die Landesregierung. Aussagen würden daher völlig falsch zitiert. Dabei verschwiegen CDU und FDP, dass die für die vollständige Anpassung notwendigen 710 Millionen Euro im Gegenzug Einsparungen von rund 14.000 Stellen im öffentlichen Dienst bedeuteten. Dies lehnte die SPD-Sprecherin ebenso ab wie den Ersatz von Lehrkräften durch Verwaltungsassistenten. Die entsprechenden Vorschläge der CDU bedeuteten Minijobs auf 400-Euro-Basis. Das sei mit der SPD nicht zu machen.

Beamtinnen und Beamte dürften nicht zu Melkkühen dieser Landesregierung werden, meinte dagegen Ralf Witzel (FDP). Rot-Grün habe beschlossen, dass der überwiegende Anteil der Besoldungssteigerung gleich für mehrere Jahre nicht zur Auszahlung komme. Ursache seien hausgemachte Haushaltsprobleme: Mit 22 Prozent der Einwohner Deutschlands verursache NRW 61 Prozent der Neuverschuldung aller Länderhaushalte. Die Entscheidung der Landesregierung bedeute, dass rund 80 Prozent der Beamtinnen und Beamten gar nicht oder nur zum Teil an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilnähmen. Dies betreffe alle, die 3.300 Euro im Monat oder mehr verdienten.

"Sie wollen die Nöte und Ängste der Leute ausnutzen", wandte sich Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) gegen die Vorwürfe der Opposition. Gleichzeitig wolle er die Entscheidung nicht schönreden. Aufgrund der Haushaltssituation sei keine andere Lösung möglich gewesen. Die von CDU und FDP geforderten Strukturveränderungen bezeichnete der Grüne als Effekthascherei. Sie hätten konkret die Streichung von 450 Stellen vorgeschlagen; notwendig gewesen wären aber 14.000. Er erinnerte an die Proteste derselben Fraktionen gegen die Kürzungen von Weihnachts- und Urlaubsgeld in den Jahren 2003 und 2004. Später hätten sie das eine weiter reduziert, das andere ganz gestrichen.

"Mit Ihrer Politik haben Sie es geschafft, die Beamten von der allgemeinen Lohnentwicklung abzukoppeln", stellte Dirk Schatz (Piraten) fest. Zwar habe die Schuldenbremse Verfassungsrang - aber eben erst ab dem Jahr 2020. Die angemessene Alimentation der Beamtinnen und Beamten habe aber auch Verfassungsrang - und zwar bereits jetzt. Schatz gestand zu, dass auch der Personaletat des Landes seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten müsse. Aber die Beamtenschaft tue dies über Nullrunden, Arbeitszeitverlängerung, Kürzung und Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Zulagen und über die Sperrung von Beförderungen schon seit Jahren.

Er wolle sich nicht in den "Chor der Scheinheiligen" einreihen, meinte Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD) und verteidigte die Entscheidung der Landesregierung, das Tarifergebnis nicht eins zu eins auf die Beamtenschaft zu übertragen. Die Forderung der CDU, bis zu 12.000 Stellen zu kürzen, sei ein Etikettenschwindel. Denn sie nehme von dem geplanten Abbau von jährlich 1,5 Prozent rund 90 Prozent der Beschäftigten aus. De facto bleibe also ein Abbau von 0,15 Prozent. Das sei keine Strukturveränderung, so Walter-Borjans. Außerdem hätten die unter Schwarz-Gelb vorgenommenen Kürzungen bei den betroffenen Ämtern teilweise Chaos angerichtet. Man habe sie eben nicht über Produktivitätssteigerungen auffangen können. "Auf wessen Rücken bleibt es denn hängen?", fragte der Minister.

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Quelle:
Landtag intern 4 - 44. Jahrgang, 24.4.2013, S. 3
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2013