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NORDRHEIN-WESTFALEN/1994: Kampf gegen Giganten (Li)


Landtag intern 4/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Kampf gegen Giganten
Wie das Land internationale Finanzinvestoren auf dem Wohnungsmarkt in die Schranken weisen könnte
Plenarbericht

Von Sonja Wand



21. März 2013 - Elf Abgeordnete aller Fraktionen, fünf Sachverständige, zahlreiche Expertengespräche, vier Gutachten und 360 Seiten Abschlussbericht (Drs. 16/2299): Die Enquete-Kommission, die sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren mit dem wohnungswirtschaftlichen Wandel und neuen Finanzinvestoren auf den Wohnungsmärkten in NRW befasst hat, hat ihre Arbeit abgeschlossen. Über ihre Handlungsempfehlungen für die weitere politische Arbeit im Land, aber auch im Bund hat der Landtag nun abschließend diskutiert.


Der Kern des Problems: Etwa 320.000 Wohnungen seien an internationale Finanzinvestoren verkauft worden, erklärte die Kommissionsvorsitzende Daniela Schneckenburger (GRÜNE) dem Plenum. Für diese stehe die Rendite im Vordergrund. Mieterinnen und Mieter hätten das Nachsehen, weil Wohnungsbestände nicht instand gehalten würden. Schimmel, undichte Fenster, kaputte Aufzüge in Hochhäusern, Fassadenprobleme, Heizungs- und Warmwasserausfälle in den Wintermonaten seien die Folgen. "Wir brauchen ein neues Wohnungsaufsichtsgesetz" und außerdem mehr Möglichkeiten für die kommunale Wohnungsaufsicht, erläuterte Schneckenburger die Handlungsempfehlungen des Gremiums. Kommunen stünden vor dem Problem, dass sie zwar die Miete für Hartz-IV-Leistungsempfänger bezahlten, diese aber teilweise keinen angemessenen Wohnraum dafür erhielten. Daher halte die Kommission Angemessenheitskriterien für sinnvoll, ebenso eine intensivere Beobachtung des Marktsegments und stärkere Mieterrechte. Handlungsempfehlungen an den Bund bezögen sich auf erschwerte Weiterverkäufe von Wohnungen mittels Grunderwerbsteuer und eine Besteuerung von Unternehmensverkäufen.

Bezahlbares Wohnen gehöre zum Kern eines Lebens in Würde, konstatierte Eva Voigt-Küppers (SPD). Inakzeptable und teils gesundheitsschädliche Zustände in Mietwohnungen zögen außerdem eine Abwärtsspirale nach sich. Wer es sich leisten könne, ziehe weg, zurück blieben Armut und Perspektivlosigkeit. Kinder, die in einem solchen Umfeld aufwüchsen, hätten schlechtere Bildungschancen. Die SPD-Sprecherin forderte, wer von Hartz IV lebe, solle sich bei Mietervereinen beraten lassen können. Nicht genutzte und verfallene Gebäude müssten schneller beseitigt, Wohnungen leichter als unbewohnbar erklärt werden können.

"99 Prozent der Wohnungen in diesem Land sind in einem guten Zustand", erklärte Klaus Voussem (CDU). Problemimmobilien finde man übrigens auch häufig bei Einzeleigentümern. Viele Wohnungen von Wohnungsbaugesellschaften des Bundes, der Länder und Kommunen seien bereits vor dem Verkauf in einem schlechten Zustand gewesen, bemerkte der Abgeordnete. Bereits heute verfügten die Kommunen über umfangreiche rechtliche Möglichkeiten, von denen aber manche schlicht nicht bekannt oder für überschuldete Städte nicht praktikabel seien. Die CDU lehne jedenfalls alle Forderungen ab, die sie finanz- oder ordnungspolitisch für bedenklich halte.

Für die Grünen-Fraktion zog Daniela Schneckenburger zwei Schlüsse aus der Arbeit der Enquete-Kommission. Erstens plädierte sie dafür, die Einführung eines "Vermieterführerscheins" zu prüfen und zweitens dürften Wohnungen kein kurzfristig handelbares Gut sein, weswegen es gelte, die Grunderwerbsteuerpflicht dieser Verkäufe zu diskutieren.

Viele ältere und Einzelvermieter hätten Schwierigkeiten zu investieren, räumte Holger Ellerbrock (FDP) ein. Manche öffentlichen Auflagen, etwa zur energetischen Sanierung, überforderten sie finanziell. Daran müsse der Landtag etwas ändern. Ellerbrock stellte klar: "Wir wollen keine Diskriminierung des privaten Kapitals für öffentliche Aufgaben." Der Abgeordnete warb für eine zielgerichtete Bekämpfung der Auswüchse auf dem Immobilienmarkt, wandte sich aber gegen rechtliche Verschärfungen zulasten aller Beteiligten. Es gehe daher um die Schärfung und die tatsächliche Anwendung der bestehenden Instrumente.

"Wohnungen dürfen kein Spielball für die Finanzmärkte sein", meinte auch Olaf Wegner (Piraten). Weil die Enquete-Kommission aber zu wenig Zeit gehabt habe, um die zahlreichen Handlungsempfehlungen abschließend zu bewerten, stelle seine Fraktion einen Entschließungsantrag mit konkretisierenden Punkten zur Abstimmung. Für entscheidend hielt er, dass gemeinnützige Trägerstrukturen gestärkt bzw. aufgebaut würden. In diesem Zusammenhang hob er die Rolle von Genossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen hervor. Noch wesentlicher fand Wegner, dass Mieterinnen und Mieter mehr Mitspracherechte bekämen.


ABSTIMMUNG

Die Abgeordneten haben den Abschlussbericht der Enquete-Kommission (Drs. 16/2299) einstimmig zur Kenntnis genommen. Einen Entschließungsantrag von SPD und GRÜNEN (Drs. 16/2346) nahm eine Landtagsmehrheit von SPD, GRÜNEN und Piraten gegen die Stimmen von CDU und FDP an. Der Entschließungsantrag der Piratenfraktion wurde mit den Stimmen von SPD, GRÜNEN und CDU bei Enthaltung der FDP abgelehnt.

Neue Enquete-Kommission

Direkt im Anschluss an diese Debatte hat der Landtag eine neue Enquete-Kommission eingesetzt. Sie soll die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte in NRW unter den Bedingungen der Schuldenbremse und des demografischen Wandels von 2020 bis 2030 bewerten.

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Quelle:
Landtag intern 4 - 44. Jahrgang, 24.4.2013, S. 7
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2013