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NORDRHEIN-WESTFALEN/2044: Streit über Finanzspritze (Li)


Landtag intern 9/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Streit über Finanzspritze
Kommunalausschuss hört Fachleute zur Solidarumlage

Von Christoph Weißkirchen



15. Oktober 2013 - Darf man Kommunen, die finanziell vergleichsweise besser dastehen, per Umlage an den Finanzhilfen für ärmere Städte und Gemeinden beteiligen? Diese Grundsatzfrage erörterten elf Fachleute im Ausschuss für Kommunalpolitik. Dabei lehnte die übergroße Mehrheit aus unterschiedlichen Gründen eine solche Beteiligung ab. Drei Experten verlangten, der Vorschlag der Landesregierung müsse geändert werden.


Die Mittel zur Sanierung der kommunalen Haushalte müssten erhöht werden, wenn man allen Kommunen in NRW eine Konsolidierungsperspektive bieten wolle, erläuterten Dr. Dörte Diemert (Städtetag NRW), Claus Hamacher (Städte- und Gemeindebund NRW) und Landrat Thomas Hendele (Landkreistag NRW). Diese Erhöhung, also die notwendige Ausweitung der Entschuldungs- und Konsolidierungshilfen, dürften aber nicht allein über kommunale Mittel finanziert werden. "Es fehlt ein Gesamtkonzept, das auch auf die Situation der Kommunen außerhalb des Stabilisierungspaktes eingeht", kritisierte Diemert. Kommunen, die eine solche Umlage zahlen sollten (sogenannte Abundanzkommunen) wiesen teilweise eine höhere Pro-Kopf-Verschuldung auf als die vorgesehenen Empfängerstädte, so Hamacher. Man könne nicht das Problem des einen dadurch lösen, das man den Verzehr des Eigenkapitals des anderen beschleunige. Außerdem leisteten gerade die Abundanzkommunen seit Jahren Solidarität, indem sie zum Beispiel auf Schlüsselzuweisungen verzichten müssten, betonte Hendele. Die Ursachen für die Finanzschwäche der Kommunen lägen unter anderem darin, dass das Land den Verbundsatz für seine Zuweisungen von 28,5 auf 23 Prozent gesenkt habe. Dafür seien die Abundanzkommunen nicht verantwortlich.


Kommunen auf der Kippe

Das Ziel des Landes, die Kommunen aus ihrer prekären Kassenlage zu befreien, sei löblich, aber die Mittel reichten nicht aus, meinten die Sprecher der Arbeitsgruppe der Abundanzgemeinden, Bürgermeister Klaus Müller (Plettenberg), Bürgermeister Christoph Ewers (Burbach) und Kämmerer Martin Gentzsch (Ratingen). Die Kumulation von Soli-Ost, Gewerbesteuerumlage, Kreisumlage und gegebenenfalls Abundanzumlage könnte sich auf 80 bis 90 Prozent der Überschüsse belaufen, rechnete Müller vor und stellte aus seiner Sicht fest: "Der Gesetzentwurf ist notleidend." Denn von den 60 Abundanzkommunen, die die Umlage zahlen sollen, hätten nur 8 einen ausgeglichenen Haushalt, 17 seien in Haushaltssicherung und 35 "auf der Kippe". Da man den Mittelabfluss nicht allein über Einsparungen erwirtschaften könne, befürchtete Ewers einer Anhebung der Gewerbesteuer. Dies bedeute aber die Gefahr, dass Unternehmen und damit Steuerzahler abwanderten.

Ein solcher Schritt stelle eine Benachteiligung nordrhein-westfälischer Städte und Gemeinden gegenüber Kommunen in anderen Bundesländern oder im Ausland dar, betonte auch Daniel Zimmermann (Bürgermeister der Stadt Monheim). Er verwies darauf, dass einige Kommunen nur vorübergehend Überschüsse aufwiesen oder aufgewiesen hätten. Verpflichte man diese zur Zahlung der Umlage, würden auch sie wieder notleidend. Außerdem sei es bei der Summe aller abzuführenden Umlagen nicht möglich, dass Kommunen mit den verbleibenden 10 bis 20 Prozent ihrer Überschüsse für alle ihre Aufgaben zurechtkämen.

Die Abschöpfungseffekte hielt auch Rainer Strotmeier (1. Beigeordneter und Kämmerer der Stadt Lippstadt) für problematisch. Außerdem kritisierte er in seiner Stellungnahme, dass der Anreiz zur Pflege der eigenen Steuerquellen für die Kommunen, die die Mittel erhalten sollten, zu schwach ausgeprägt sei. Insgesamt wertete er die geplante Abundanzumlage als systemkonforme Ergänzung des jetzigen Schlüsselzuweisungssystems. Hierbei sei allerdings zwingend, dass die Solidaritätsumlage wie auch die Gewerbesteuerumlage bei der Berechnung der Umlagegrundlage für die Kreis- bzw. Landschaftsumlage abgezogen werden. Ohne eine solche Maßnahme werde eine Steuerkraft zugrunde gelegt, die nicht vorhanden sei.

Eine "allgemeinen Finanzumlage", aus der man gegebenenfalls die Stärkungsgemeinden herausnehmen könne, sah Hermann Rappen (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung) als möglich an. Beim geplanten Kommunal-Soli befürchtete er jedoch, dass es am Ende zu höheren Grunderwerbs- und Gewerbesteuern kommen werde: "Letztendlich werden die kommunalen Steuerzahlenden zur Kasse gebeten."

Das Land trage die Verantwortung dafür, dass alle Kommunen ihre Haushalte ausgleichen könnten, unterstrich Prof. Ingolf Deubel (Deubel Government Consulting). Er hielt eine Abundanzumlage für unvermeidbar. Man dürfe sie aber nicht aufgrund des konkreten Ausgabenverhaltens der Städte und Gemeinden berechnen, denn sonst zahlten die Abundanzkommunen gegebenenfalls dafür, dass sich andere Städte und Gemeinden immer noch weit überproportionale Ausgaben erlaubten.

Den Gesetzentwurf für insgesamt verfassungswidrig hielt Niklas Langgut (Rechtsanwälte Grooterhorst & Partner, Düsseldorf). Man dürfe den Abundanzkommunen Einnahmen, die ihnen vom Grundgesetz zur Erfüllung ihrer Aufgaben zugewiesen worden seien, nicht per Umlage einfach wegnehmen.

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Quelle:
Landtag intern 9 - 44. Jahrgang, 16.10.2013, S. 13
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2013