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NORDRHEIN-WESTFALEN/2050: Willkommenskultur für Flüchtlinge (Li)


Landtag intern 10/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Willkommenskultur für Flüchtlinge
Debatte über finanzielle Entlastung der Kommunen und Unterbringung der Menschen
Plenarbericht

Von Sonja Wand



17. Oktober 2013 - Mit dem Krieg in Syrien und der Katastrophe vor Lampedusa ist die Flüchtlingspolitik wieder verstärkt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Auch der Landtag diskutierte über insgesamt unhaltbare Zustände und über konkrete Verbesserungsmöglichkeiten in NRW. Der Debatte zugrunde lagen ein Gesetzentwurf der Landesregierung (Drs. 16/4139), mit dem Kommunen mit Asylunterkünften entlastet werden sollen, und ein Antrag der Piratenfraktion (Drs. 16/4164), die Mindeststandards für die Unterbringung von asylsuchenden Menschen fordert.


Bis Ende September hätten in NRW fast 6.000 Menschen mehr einen Antrag auf Asyl gestellt als im Vorjahreszeitraum, erläuterte Innenminister Ralf Jäger (SPD). "Ihnen eine menschenwürdige Unterkunft zur Verfügung zu stellen, ist Aufgabe dieses Landes, und dazu kann es keine zwei Meinungen geben", unterstrich er. Da die Kommunen die Hauptlast trügen, wolle die Landesregierung sie finanziell entlasten und Anreize dafür schaffen, dass sie vor Ort eine Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge bereitstellten. Statt bisher 14,4 Millionen Euro sollten die Kommunen zudem künftig 20 Millionen Euro erhalten, erklärte Jäger.

Die Änderungen des Flüchtlingsgesetzes seien ein erster Schritt, lobte Frank Herrmann (PIRATEN). Dem müssten aber noch viele Schritte folgen. Die Summen für die Unterbringung der Flüchtlinge deckten die Kosten der Kommunen nicht, kritisierte er. In der Folge müssten zu viele Menschen auf zu engem Raum zusammenleben - so etwas führe nicht nur bei Flüchtlingen zu sozialen Spannungen. Daher fordere seine Fraktion Mindeststandards für die Unterbringung. Für parteipolitisches Kalkül sei das Thema Asyl ungeeignet, betonte der Abgeordnete. "Denn hier geht es um das Leben von Menschen, nicht nur um ihre Würde."

Es handele sich nicht in erster Linie um kommunale oder um Landesprobleme, sondern um existenzielle Probleme von Menschen, die zu Hause von Krieg, Verfolgung, Ausgrenzung, Not und Hunger bedroht seien, betonte Hans-Willi Körfges (SPD). Vor diesem Hintergrund hielt der Abgeordnete den Gedanken von einer "Festung Europa" für unerträglich. Er bestärkte Kommunen wie Mönchengladbach darin, Landeseinrichtungen in der eigenen Stadt zu ermöglichen - und damit auch eine dezentrale Unterbringung der Menschen. Er setze aber auf kommunale Selbstverantwortung und sah den Antrag der Piratenfraktion in diesem Punkt kritisch.

Es gebe niemanden, der daran zweifle, dass Europa nachdenken müsse, meinte Peter Biesenbach (CDU). Jedoch: "Wir lösen nicht die Probleme in der Außenpolitik. Aber wir ändern die Lebenssituation der Menschen, die bei uns sind." Die Unterbringung, eine bessere Betreuung, die soziale Beratung und die Umsetzung der Schulpflicht, das seien Themen, die der Landtag originär lösen könne. Dazu empfahl Biesenbach aber anstelle von einzelnen Anträgen gemeinsame Initiativen. Den Gesetzentwurf hielt er für unzureichend. Drängende Probleme wie etwa eine uneinheitliche Übernahme von Krankheitskosten blieben ungelöst.

Derzeit gebe es 45 Millionen Flüchtlinge weltweit - Höchststand in den letzten 20 Jahren, erklärte Monika Düker (GRÜNE). Davon kämen wohl 100.000 nach Deutschland, was Innenminister Friedrich für eine Katastrophe halte. "Ich halte es für eine Katastrophe, dass Herr Innenminister Friedrich in Deutschland solche Sätze sagt", fügte Düker hinzu. Auch die Willkommenskultur vor Ort sei von einem "Ja, aber ..." geprägt. Sie verstehe die große Herausforderung für die Kommunen. Aber sie hoffe, dass mit den neuen Regelungen die Städte ihre bisher ablehnende Haltung gegenüber Aufnahmeeinrichtungen bei sich vor Ort revidierten.

Dr. Joachim Stamp (FDP) begrüßte die Absicht, Kommunen mit Aufnahmeeinrichtungen zu entlasten. Er hielt es aber für problematisch, dass diejenigen, die im Gegenzug nun mehr Flüchtlinge aufnähmen, keine finanzielle Kompensation dafür erhalten sollten - zumal ohnehin fraglich sei, ob die vorgesehenen Landespauschalen ausreichten. Am Antrag der Piratenfraktion kritisierte Stamp den Anspruch, auch Computer-Arbeitsplätze für Flüchtlinge bereitzustellen. Die Kommunen hätten andere Sorgen; es sei schwierig genug, überhaupt zivilgesellschaftliches Engagement für die Betreuung der Flüchtlinge zu gewinnen.


BREITE BERATUNG
Den Gesetzentwurf (Drs. 16/4139) soll nun federführend der Innenausschuss beraten, begleitet von Kommunal- und Haushaltsausschuss. Für die Beratung des Antrags (Drs. 16/4164) übernimmt ebenfalls der Innenausschuss die Federführung, Kommunal- und Integrationsausschuss werden mitberatend tätig.

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Quelle:
Landtag intern 10 - 44. Jahrgang, 27.11.2013, S. 6
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2013