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NORDRHEIN-WESTFALEN/2055: Unterschiedliche Meinungen zu Integrationsrat, Wahltermin, Wahlrecht (Li)


Landtag intern 10/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Integrationsschritte in der Diskussion
Unterschiedliche Meinungen zu Integrationsrat, Wahltermin, Wahlrecht
Ausschussbericht

Von Christoph Weißkirchen



22. November 2013 - Konkrete Regelungen der Integrationspolitik standen im Mittelpunkt einer gemeinsamen Anhörung des Ausschusses für Kommunalpolitik und des Integrationsausschusses. Ein Gesetzentwurf der Landesregierung sieht mit Blick auf ein gleichberechtigtes Miteinander von Migrantenvertretern und Ratsmitgliedern künftig den Integrationsrat als einziges Organisationsmodell vor. Bisher konnte auch ein Integrationsausschuss gebildet werden. Wahlberechtigt bei Kommunalwahlen sollen künftig nun auch Deutsche sein, die eine oder mehrere ausländische Staatsangehörigkeiten besitzen. Ein Antrag der PIRATEN strebt das Wahlrecht auch für Nicht-EU-Bürgerinnen und Bürger an.


Hinsichtlich der Vertretung von Ausländerinnen und Ausländern würden die Kommunen gerne die Wahlmöglichkeit zwischen Integrationsbeirat und Integrationsausschuss beibehalten. Dies erläuterte Dr. Helmut Fogt (Städtetag NRW) und verwies auf die bisherige unterschiedliche Handhabung in den einzelnen Städten und Gemeinden. Die gleiche Position vertrat auch Jochen Dürrmann (Vereinigung Liberaler Kommunalpolitiker).

Tayfun Keltek (Landesintegrationsrat NRW), Samir Fetić (Integrationsrat der Stadt Essen) und Kerstin Heidler (Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik) traten dagegen dafür ein, per Gesetz zukünftig den Integrationsrat als einziges Gremium vorzusehen In einem Integrationsausschuss empfänden sich Ausländerinnen und Ausländer als zweitrangige Mitglieder, da sie nicht den Vorsitz übernehmen dürften. Dies sei eine "strukturelle Diskriminierung" pflichtete Sybille Haußmann (Leiterin des Migrationszentrums des Kreises Düren) bei. Sie forderte Respekt vor dem Integrationsgremium ein, betonte aber auch, dass die größtmögliche Demokratie in der Öffnung des Kommunalwahlrechts für Ausländerinnen und Ausländer läge.

Einen Dialog auf Augenhöhe sah Pavle Madzirov (Integrationsausschuss der Stadt Düsseldorf) dagegen eher über einen Integrationsausschuss gewährleistet. Allerdings trat er dafür ein, dass dieser dann seine Vorsitzende bzw. seinen Vorsitzenden frei wählen können sollte. Ahmet Ilhan (Integrationsausschuss der Stadt Kerpen) ergänzte, über einen Integrationsausschuss habe er hinsichtlich der Kontakte mit dem zuständigen Rat gute Erfahrungen gemacht. Aber auch Ilhan unterstrich die Notwendigkeit eines Kommunalwahlrechts für Menschen aus Ländern außerhalb der EU; dies gehöre zur Integration.

Die geplante Zusammenlegung von Europawahlen, Kommunalwahlen und Wahlen zu den Integrationsräten im Mai 2014 bezeichneten Dr. Helmut Fogt und Anne Wellmann (Städte- und Gemeindebund NRW) dagegen als "höchst problematisch". Zusammen mit Bürgermeister- und Landratswahlen sowie möglichen Stichwahlen könne eine Kumulation von Wahlen auftreten, die nur sehr schwer durchführbar sei. Konkret werde es schwierig, genügend Wahlhelferinnen und Wahlhelfer zu finden sowie die Wahlen ordnungsgemäß und mit einem überschaubaren Zeitbedarf durchzuführen. Eine Lösung könne darin bestehen, mit Blick auf die Wahlen zum Integrationsrat die Vorschrift außer Kraft zu setzen, dass die Stimmen unmittelbar im jeweiligen Wahllokal ausgezählt werden müssten.

Ein einheitlicher Wahltermin könne die Wahlbeteiligung sowohl für die Wahlen zum Integrationsbeirat als auch zu den kommunalen Parlamenten erhöhen, betonte Tayfun Keltek und verwies darauf, dass Ausländerinnen und Ausländer aus EU-Mitgliedstaaten ja bei beiden Wahlen stimmberechtigt seien. Eine hohe Wahlbeteiligung bedeute auch faktisch eine höhere Chancengleichheit. Die Auszählung könne möglicherweise auch zentral erfolgen, meinte Samir Fetić.


Öffnung des Kommunalwahlrechts?

Dass Menschen aus Ländern außerhalb der EU bei den Kommunalwahlen nicht wählen dürften, sei eine "offensichtliche Ungleichbehandlung", kritisierte Alexander Trennheuser (Mehr Demokratie e.V. Köln). Es fehle in Berlin offensichtlich der politische Wille, diesen Zustand zu ändern.

Während Prof. Frank Bätge (Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung Köln) wie auch Prof. Kyrill A. Schwarz (Universität Würzburg) dem vorgeschlagenen Wahlrecht bei Kommunalwahlen für sogenannte Mehrstaatler zustimmten, kritisierte insbesondere Schwarz den Antrag der PIRATEN als verfassungswidrig. Nach geltender Rechtsprechung müsse das Wahlvolk bei Wahlen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene gleich sein. Und als Wahlvolk habe das Bundesverfassungsgericht die Bürgerinnen und Bürger mit deutscher Staatsbürgerschaft bestimmt. Die Öffnung der Kommunalwahlen für Bürgerinnen und Bürger aus EU-Mitgliedstaaten begründe sich aus dem Staatsziel der Integration Europas.

Diese Entscheidungen aus dem Jahr 1990 könnten heute durchaus anders ausfallen, widersprach Dr. Felix Hanschmann (Universität Frankfurt a.M.). Denn das Bundesverfassungsgericht trete ja für einen offenen Demokratiebegriff ein, den es heute durchaus anders auslegen könne. Insbesondere könne man nicht begründen, weshalb sogenannte EU-Ausländerinnen und -Ausländer an Kommunalwahlen teilnehmen dürften, andere aber nicht.

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Quelle:
Landtag intern 10 - 44. Jahrgang, 27.11.2013, S. 15
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2014