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NORDRHEIN-WESTFALEN/2078: Lesen und Schreiben für alle (Li)


Landtag intern 2/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Plenum
Lesen und Schreiben für alle
Landtag einig: Analphabetismus besser vorbeugen

Von Marie Schwinning



30. Januar 2014 - Von den erwerbsfähigen Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren können in Deutschland laut wissenschaftlichen Studien 14,5 Prozent nicht richtig lesen und schreiben. Auch in NRW sind rund 1,5 Millionen Menschen vom funktionalen Analphabetismus betroffen, schreiben die fünf Landtagsfraktionen in einem gemeinsamen Antrag und fordern ein "breites Bündnis gegen Analphabetismus in Nordrhein-Westfalen". Die Landesregierung solle verstärkt Maßnahmen gegen das Phänomen ergreifen.


Marlies Stotz (SPD) betonte, der funktionale Analphabetismus stelle längst ein ernsthaftes gesellschaftliches und strukturelles Problem dar. Dementsprechend froh zeigte sie sich über den gemeinsamen Antrag. Man dürfe nicht nur die bestehenden Bildungseinrichtungen in den Blick nehmen, sondern müsse auch über neue Angebotsformate und Kooperationsformen nachdenken. Wichtig sei es, vielschichtige und unterschiedliche Angebote zur Überwindung des Analphabetismus zu schaffen: "Wir wissen, dass wir die Betroffenen nicht über einen Kamm scheren dürfen, dass die Problemlagen, die die Menschen zu funktionalen Analphabeten gemacht haben, höchst unterschiedlich sind."

"Wir haben Wert darauf gelegt, dass wir nicht nur die Symptome behandeln", erklärte Petra Vogt (CDU) und ergänzte: "Wir wollen versuchen, funktionalen Analphabetismus von vornherein zu vermeiden." Der richtige Ansatz sei es, so Vogt, den Blick zuerst auf die Schulen zu richten, da dort die Grundlagen gelegt würden. Es komme darauf an, nicht erst dann etwas zu tun, wenn es schon zu Analphabetismus gekommen sei, sondern auch stark auf Prävention zu setzen und Lehrerinnen und Lehrer sowie die Schulen entsprechend zu sensibilisieren. "Das findet sich heute in diesem gemeinsamen Antrag wieder. Darüber freuen wir uns", sagte die Abgeordnete.

Gudrun Zentis (GRÜNE) betonte, die Bemühungen seien nur dann glaubwürdig, wenn aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) genügend Mittel zur Verfügung gestellt würden, um Angebote zur Alphabetisierung und Grundbildung auszubauen. "Wir müssen darauf achten, dass die Kürzungen bei den ESF-Mitteln nicht in diesen Bereich weitergereicht werden", mahnte die Abgeordnete. Notwendig sei zudem eine Bündelung der bislang von den Bildungseinrichtungen entwickelten Instrumente: "Bei dieser Aufgabe müssen die Einrichtungen unsere Unterstützung erhalten. Ich sehe die neue Supportstelle für Weiterbildung als einen möglichen Ort dafür", erklärte die GRÜNEN-Sprecherin.

Analphabetismus erst gar nicht aufkommen zu lassen, sei auch aus FDP-Sicht ein zentrales Anliegen, so Ingola Schmitz (FDP). Zukünftig dürfe bestenfalls keine Schülerin und kein Schüler die Schule verlassen, ohne richtig lesen und schreiben zu können. "Dass wir hier die Anstrengungen verstärken müssen, wird deutlich, wenn man sich bewusst macht, dass viele der Betroffenen über Schulabschlüsse verfügen", so Schmitz. Eine große Herausforderung sah sie darin, die heute Erwachsenen und im Berufsleben stehenden Betroffenen den Angeboten zuzuführen: "Wir alle sind gefordert zu werben", appellierte die Abgeordneten an ihre Kolleginnen und Kollegen.

Monika Pieper (PIRATEN) wies darauf hin, dass sowohl eine qualitative als auch quantitative Umsetzung der Angebote gewährleistet sein müsse. Hier sehe sie mindestens zwei Knackpunkte: zum einen die Erreichbarkeit der betroffenen Personen und des Weiteren die finanzielle Ausstattung der Bildungsträger und Projekte. Jetzt müssten Taten folgen: "Das wird keine kurzfristige Erfolgsstory, das wird ein langer und mühsamer Weg, bei dem uns Aktionismus nicht weiterhilft, sondern nur sehr, sehr viel Geduld und Durchhaltevermögen. Dabei sollten wir alle Akteure vor Ort ermutigen und unterstützen und als Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung stehen", meinte Pieper.

Mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Ebene erklärte Schulministerin Sylvia Löhrmann (GRÜNE): "Wer nicht hinreichend lesen und schreiben kann, der beteiligt sich weniger an unserer Gesellschaft." Funktionaler Analphabetismus führe dementsprechend auch zu einer Spaltung der Gesellschaft. "Wir brauchen eine breite Allianz, die alle beteiligten Akteure aus allen Politikfeldern einbezieht", erklärte die Ministerin weiter. Sie hob die Bedeutung eines landesweiten Netzwerks von Weiterbildungseinrichtungen hervor, betonte jedoch auch, dass der Blick auf die regionalen Bedürfnisse, Strukturen und Akteure nicht verloren gehen dürfe.


EINSTIMMIG
Der Landtag hat den Antrag der fünf Landtagsfraktionen (Drs. 16/4152) einstimmig angenommen.

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Quelle:
Landtag intern 2 - 45. Jahrgang, 19.2.2014, S. 7
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2014