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NORDRHEIN-WESTFALEN/2101: Expertenrat zu Parlamentsrechten, Abgeordneten- und Oppositionsstatus (Li)


Landtag intern 4/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

"Parlamentarismus stärken"
Expertenrat zu Parlamentsrechten, Abgeordneten- und Oppositionsstatus

Von Sonja Wand



7. April 2014 - Zur Frage, ob bestimmte Regelungen in der nordrhein-westfälischen Verfassung neugefasst werden sollen, hat die Verfassungskommission in einer ersten Expertenanhörung die Stellungnahmen von Sachverständigen entgegengenommen. Auf der Tagesordnung standen Fragen rund um den Themenkomplex "Parlamentarismus und Landesregierung".


Um das Landesparlament zu stärken, hielt Prof. Dr. Stefan Marschall es für geboten, den "Informationsvorsprung der Landesregierung zu minimieren". Deshalb sprach sich der Düsseldorfer Politikwissenschaftler dafür aus, die parlamentarische Kontrollfunktion, die Abgeordnete ausüben, ausdrücklich in der Landesverfassung festzuschreiben. Bisher nennt die Verfassung als einzige explizite Aufgabe der Volksvertreterinnen und -vertreter ihr Stimmrecht. Noch wesentlicher fand Marschall, den Informationsanspruch des Parlaments gegenüber der Landesregierung in allen Angelegenheiten, die den Bundesrat oder die Europäische Union betreffen, aufzunehmen. Bisher erwähne die nordrhein-westfälische Landesverfassung, wie sonst nur die hessische, die europäische Integration mit keinem Wort - das lasse sich mit dem Anspruch an eine moderne, zukunftsfähige Verfassung kaum vereinbaren, erklärte der Politikwissenschaftler.

Der Privatdozent Dr. Jörg Menzel vom Bonner Institut für Öffentliches Recht sprach sich dafür aus, die Regelungen der Verfassung weiterhin knapp zu halten und für Detailfragen auf die Geschäftsordnung des Landtags zu verweisen.

Dringenden Veränderungsbedarf im Hinblick auf Parlamentsinformationsrechte und Beteiligungsrechte in EU-Angelegenheiten sah Prof. Dr. Fabian Wittrek von der Universität Münster nicht. Wenn man die Informationsrechte des Parlaments oder der Abgeordneten aber niederschreiben wolle, dann insgesamt und ohne eigenen Artikel zu europäischen Angelegenheiten, empfahl er.

Die Ansprüche des Parlaments und die Pflichten der Landesregierung zur Information vollzögen sich vielmehr im parlamentarischen Prozess, argumentierte Prof. Dr. Wolfgang Zeh, ehemaliger Direktor beim Deutschen Bundestag. Anpassungen in der Landesverfassung seien vielmehr relevant für Verfassungsgerichte, die sich mit konkreten Fragestellungen auseinandersetzen müssten und als Interpretationsbasis die jeweilige Verfassung heranzögen. Wenn nun also in der Landesverfassung ein Artikel so verändert werde, dass er mehr in Richtung von Informationsrechten der Abgeordneten deute, könne das Gericht eben darauf verweisen und konkrete Sachverhalte bewerten, ohne dass diese einzeln in der Landesverfassung aufgeführt sein müssten.

"Gut in Schuss"

"Die Verfassung ist gut in Schuss", befand Prof. Dr. Klaus Gärditz von der Universität Bonn - auch weil der Verfassungsgerichtshof wesentliche Klarstellungen bezüglich der Informationsrechte herbeigeführt habe. Die Abgeordneten kämen also zu ihrem Recht. Wenn man aber einen von selbst laufenden, permanenten Informationsfluss sicherstellen wolle, brauche es einen neuen Artikel in der Verfassung, der dann auch Bundes- und Europa-Angelegenheiten miteinbeziehe. Letzteres herauszuheben, obwohl ein Landesparlament in erster Linie für Landesgesetzgebung zuständig sei, hielt er für unangemessen.

In einem zweiten Themenblock ging es um den Status von Abgeordneten, Fraktionen und Opposition. Bisher sind die beiden letztgenannten in der Landesverfassung nicht aufgeführt. Auch was die Aufgaben der Abgeordneten betrifft, bleibt das Regelwerk mit dem einzigen Hinweis auf freie Stimmabgabe "extrem spartanisch", meinte nicht nur Menzel. Eine Mehrheit der Experten sprach sich dafür aus, die Aufgaben der Abgeordneten künftig in groben Zügen zu nennen. Der Oppositionsstatus sei eng an den Fraktionsstatus zu binden, meinte Zeh: Ohne Fraktion wäre keine organisierte Opposition möglich. Zeh wie auch Wittrek sprachen sich für eine Erwähnung und positive Konnotation der Opposition in der Landesverfassung aus; heutzutage übernehme eher die parlamentarische Opposition die Kontrolle der Regierung, weniger das gesamte Parlament.

Auch die Ausschüsse, Realität der parlamentarischen Arbeit, solle die Verfassung erwähnen, meinte Marschall. Überhaupt solle die Verfassung die Realität abbilden - Abgeordnete seien eben nicht nur ihrem eigenen Gewissen verpflichtet, sondern in der Realität häufig auch ihrer Fraktion. Anderer Meinung, was eine Verfassung leisten solle, war Gärditz: Sie habe nicht die Aufgabe, der Bevölkerung zu erklären, was ein Abgeordneter tue. Alle Abgeordneten hätten dieselben Rechte - Rechte, die auch Oppositionsabgeordnete in die Lage versetzten, ihre Arbeit gut zu machen. Auch solle man die Identifikation der Menschen mit der Landesverfassung nicht überschätzen.


UNTERSUCHUNGSAUSSCHÜSSE
Uneins waren die Sachverständigen in der Frage, ob künftig auch weniger als 20 Prozent der Abgeordneten Parlamentarische Untersuchungsausschüsse beantragen können sollten.

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Quelle:
Landtag intern 4 - 45. Jahrgang, 9.4.2014, S. 11
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2014