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NORDRHEIN-WESTFALEN/2126: Streit um Polizeibericht (Li)


Landtag intern 7/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Plenum
Streit um Polizeibericht
Uneinig über Formulierungen, einig gegen Rechts

Von Daniela Braun



3. Juli 2014 - Nach den Ausschreitungen am Wahlabend vor dem Dortmunder Rathaus hat sich der Landtag in einer Aktuellen Stunde mit dem teils umstrittenen Polizeibericht befasst. Die CDU warf dem Innenminister vor, die Polizeikräfte wegen Drucks aus den Regierungsfraktionen im Stich zu lassen. SPD, GRÜNE und PIRATEN forderten die Landesregierung dagegen auf, den Bericht inhaltlich zu korrigieren. Diesem zufolge hätten sich Bürgerinnen und Bürger aggressiven Rechtsextremen teils gewaltsam in den Weg gestellt, als die Radikalen ins Rathaus einziehen wollten. Einig waren sich die Fraktionen in dem Punkt, dass der Rechtsextremismus auf jeder Ebene bekämpft werden müsse - mit den Mitteln des Rechtsstaates und der Demokratie.


Die acht Polizeibeamten in Dortmund hätten in einer "hoch aggressiven" Situation die Ruhe bewahrt und dadurch eine weitere Eskalation verhindert, lobte der CDU-Abgeordnete Theo Kruse. Dafür gebühre ihnen uneingeschränkter Dank und Respekt. Dass Innenminister Jäger den Polizeibericht, von dem sich einige Politikerinnen und Politiker diffamiert fühlten, jetzt als persönliche Schilderung eines Beamten abtue, sei ein verheerendes Signal für die Einsatzkräfte. Kruse fragte daher: "Stehen Sie als Innenminister dieses Landes vollumfänglich zu dem, was Ihre Polizei tut, oder schieben Sie die Verantwortung dafür auf einen anonymen Einsatzbeamten der Dortmunder Polizei ab?"

"Der Bericht wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet", kritisierte hingegen Torsten Sommer (PIRATEN). Er enthalte bewusste Falschinformationen und verharmlose die Situation, indem er Täter und Opfer gleichstelle. Dabei sei die Gewalt ausschließlich von den Nazis in Richtung der Menschenkette vor dem Rathaus ausgegangenen. Das Ergebnis: zehn Verletzte, darunter die Grünen-Abgeordnete Daniela Schneckenburger. Sommer warf dem Staatsschutz darüber hinaus vor, die Situation falsch eingeschätzt zu haben. Sein Fazit zum Bericht: "Es wird versucht, engagierte Demokraten zu verunglimpfen, und rechten Gewalttätern wird mehr Glauben geschenkt als der Zivilgesellschaft."


Täter und Opfer

Auch sie sei dankbar für die Arbeit der ersten acht Polizeikräfte vor Ort, unterstrich Nadja Lüders (SPD). Es gehe nicht um den Einsatz, sondern die Wortwahl und den Duktus des Berichts. "Über die Angriffe der Rechten in der Zwischenzeit, die mit Gewalt das Rathaus stürmen wollten, ist nichts im Bericht beschrieben", führte die Abgeordnete aus. Lüders zeigte sich stolz auf die Demokratinnen und Demokraten, die sich den Rechten in den Weg gestellt hätten. Der Minister habe im Innenausschuss klar gesagt, dass er die Kritik am Bericht ernst nehme. Seinen Vorschlag, den Fall mit der Dortmunder Polizeiführung zu besprechen, nehme sie gerne an.

"Jeder Bericht kann falsch sein", befand Dr. Robert Orth (FDP). In diesem Fall müsse der Innenminister das auch klar sagen und dürfe die Polizei nicht aus Angst vor der politischen Verantwortung im Regen stehen lassen. Die fachlich Zuständigen des Ministeriums hätten den Bericht im Ausschuss jedenfalls als sachlich richtig bestätigt, so Orth. In diesem Zusammenhang mahnte er, Gewalt erwidere man nicht mit Gewalt - dies sei peinlich für die Demokratie: "Ich finde es auch unerträglich, dass in Dortmund Rechte gewählt wurden und ins Rathaus einziehen. Aber ich würde keine Gewalt anwenden." Man hätte die Polizei schlichtweg ihre Arbeit machen lassen sollen.

"Sie verdrehen die Tatsachen", empörte sich Verena Schäffer (GRÜNE). In Dortmund gebe es bundesweit eine der gewaltbereitesten Neonaziszenen. Viele Mitglieder des verbotenen Nationalen Widerstandes tauchten wieder in der Partei "Die Rechte" auf, die nun in einigen Bezirksregierungen vertreten sei, so die Abgeordnete: "Das ist doch das eigentliche Problem, über das wir diskutieren müssen." Der Kampf gegen Rechts könne nur gemeinsam mit der Zivilgesellschaft gelingen. Hinsichtlich des Wahlabends warf Schäffer der Polizei vor, die Situation falsch eingeschätzt zu haben. Zudem diffamiere der Einsatzbericht Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus positionierten.

"In unserer demokratischen Gesellschaft darf kein Platz sein für rechtsextremistische Gewalt", stellte Innenminister Ralf Jäger (SPD) klar. Es erschrecke ihn, dass deren Anhänger in Parlamente und Räte einzögen. Doch: "Bei allen Protesten gegen Rechtsextremisten müssen sich Demokraten an die demokratischen Gesetze halten." Zwar könne er nachvollziehen, dass sich die Menschenkette vor dem Dortmunder Rathaus im Recht gesehen habe, aber die Polizei könne nur nach Handlungen urteilen. Jäger sagte: "Ich stehe zu diesem Bericht." Gleichzeitig verstehe er die Irritationen. Trotzdem sei dies ein "Wahrnehmungsbericht von Einsatzbeamten" und kein "politisches Manifest".

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Quelle:
Landtag intern 7 - 45. Jahrgang, 11.7.2014, S. 4
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2014