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NORDRHEIN-WESTFALEN/2140: Anhörung zum Kompromiss über die Kosten der Inklusion (Li)


Landtag intern 7/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Aufatmen und noch ein paar Änderungswünsche
Anhörung zum Kompromiss über die Kosten der Inklusion

Von Christian Wolf



25. Juni 2014 - Über Monate hinweg wurde über die Kostenverteilung bei der schulischen Inklusion gestritten. Die erzielte Einigung zwischen Landesregierung und Kommunen soll nun in ein Gesetz (Drs. 16/5751) gegossen werden (siehe Bericht auf Seite 7). In einer gemeinsamen Sachverständigenanhörung der Ausschüsse für Schulen und Weiterbildung sowie für Kommunalpolitik war die Erleichterung groß, einen Kompromiss gefunden zu haben. Die ganz große Euphorie brach dennoch nicht aus - noch immer wird Änderungsbedarf angemeldet.


Mit dem Entwurf zum "Gesetz zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion" (Drs. 16/5751) der Fraktionen von SPD und Grünen sollen finanzielle Aufwendungen geregelt werden, die den Kommunen bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in den Schulen entstehen. Das Land übernimmt für die kommenden fünf Schuljahre Inklusionskosten in Höhe von 175 Millionen Euro. Dieser Anteil soll auf Drängen der Kommunen jährlich überprüft werden.

Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände zeigten sich zufrieden, nach langem Ringen eine Einigung gefunden zu haben. Prof. Dr. Angela Faber vom Städtetag Nordrhein-Westfalen sprach von einer "pragmatischen Lösung im Interesse einer fortschreitenden Umsetzung der Inklusion". Mit Blick auf die Zukunft appellierte sie aber auch an die Landesregierung: "Wir tun dies in der Hoffnung, dass in zukünftigen Gesetzgebungsverfahren der Landesregierung zeitgleich mit der Übertragung bzw. Veränderungen von Aufgaben eine Abschätzung der Folgekosten und ein Belastungsausgleich erfolgt." Dies entspreche dem verfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzip. Bei der Überprüfung des nun vorliegenden Gesetzes wolle man "konstruktiv" mitarbeiten.

Einige Kritikpunkte führte Claus Hamacher vom Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen an. So bemängelte er, dass der finanzielle Ausgleich laut Gesetzentwurf nur für Sachkosten vorgesehen ist. Dadurch werde die gemeinsame Vereinbarung eingeschränkt, in der auf die Schulträgeraufgaben in Gänze verwiesen werde. Diese setzten sich aus Sach- und Personalkosten zusammen. Weiterer Kritikpunkt: Der Entwurf erwecke den Eindruck, die kommunalen Spitzenverbände seien für die Evaluierung zuständig. Zwischen einer Mitwirkungspflicht und einer alleinigen Datenlieferungspflicht bestünden allerdings Unterschiede. Unter das Konnexitätsprinzip falle auch, dass die Erstellung der Kostenfolgeabschätzung Aufgabe des Landes sei. Unzufrieden sei man ebenso damit, dass das Gesetz mit einer Beschränkung auf die Primarstufe sowie die Sekundarstufe I versehen werde. Dafür sei kein Sachgrund erkennbar, sagte Hamacher. Es sei kein gangbarer Weg, darauf vertrauen zu müssen, dass das Gesetz künftig um Regelungen für die Sekundarstufe II ergänzt werde. Ähnlich äußerte sich Désirée Geisler vom Amt für Schulen und Kultur beim Kreis Mettmann. Ihre Forderung: Alle Schüler der Sekundarstufe II müssten Berücksichtigung finden. Zudem solle bei der Zuweisung der Mittel das Wohnortprinzip gelten - und nicht der Standort der Schule.

Norbert Killewald, Beauftragter der Landesregierung für die Belange der Menschen mit Behinderung, sagte mit Blick auf die Diskussionen der vergangenen Monate, dass diese der Inklusion in Nordrhein-Westfalen geschadet hätten. In den kommenden Jahren sei nun die spannende Frage, ob das vereinbarte Geld ausreiche oder zu wenig sei. Unzufrieden äußerte sich Bernd Kochanek vom Inklusionsfachverband "Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen". "Wir vermissen sehr deutlich, dass auf eine Zweckbindung der Mittel verwiesen wird", sagte er. Das Gesetz solle offensichtlich keinerlei Mechanismen enthalten, die sicherstellten, dass das Geld des Landes auch wirklich den Kindern in der Inklusion zugute komme. So müsse befürchtet werden, dass die Mittel in längst überfällige Sanierungsarbeiten flössen. Obendrein sei es nicht gelungen, eine stimmige Bedarfsaufstellung zusammenzutragen.

"Bundesweit richtungsweisend"

Dass es nun endlich einen zustimmungsfähigen Gesetzentwurf gibt, wurde seitens der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßt. Positiv hervorzuheben sei die beabsichtigte jährliche Evaluierung, sagte die GEW-Vorsitzende Dorothea Schäfer. Es sei aber wünschenswert, diese auch auf den Lehrstellenbedarf auszuweiten. Lobende Worte fand Dr. Alexandra Schwarz vom Wuppertaler Institut für bildungsökonomische Forschung. Der Gesetzentwurf könne als "bundesweit richtungsweisend" angesehen werden, da Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland eine systematische Evaluierung kommunaler Aufwendungen vorlege. Die Prüfung sei ein zentraler Punkt, aber auch eine methodische und technische Herausforderung.

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Quelle:
Landtag intern 7 - 45. Jahrgang, 11.7.2014, S. 22
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2014